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Preisfehler bei Online-Vertragsschluss

OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 18.04.2024 – 9 U 11/23, BeckRS 2024, 15612

Sachverhalt

A ist auf der Suche nach einem neuem Smartphone. Als Sparfuchs begibt er sich am 07.03.2022 auf die Onlinerecherche. Als er auf die Seite der B, die einen deutschen Onlineshop betreibt, gelangt, kann er seinen Augen kaum glauben. Diese bietet das von dem A begehrte SuperPhone zu einem Preis von 92,00 EUR an. UVP des Smartphones ist zu diesem Zeitpunkt 1.099,00 EUR. Zur Entzückung des A ist dies jedoch nicht alles. Die B bietet nicht nur das SuperPhone zu einem Preis von 92,00 EUR an, sondern legt bei einer Bestellung dieses noch gratis die Kopfhörer vom Typ SuperPods dazu.

 A zögert nicht lange und bestellt das SuperPhone, wobei er den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der B ausdrücklich zustimme. Dort heißt es:

 Ziffer 4.1:

„[…] Erst Ihre Bestellung über den Button „jetzt kaufen“ stellt ein bindendes Angebot an uns zum Abschluss eines Kaufvertrages dar. Wenn Sie eine Bestellung bei uns aufgeben, senden wir Ihnen an die von Ihnen angegebene E-Mail-Adresse eine E-Mail, mit der wir den Eingang Ihrer Bestellung bestätigen und deren Einzelheiten und Bestellreferenznummer aufführen („Auftragsbestätigung“). Diese Auftragsbestätigung stellt keine Annahme ihres Angebotes dar, sondern soll Sie nur darüber informieren, dass Ihre Bestellung bei uns eingegangen ist. Ein Kaufvertrag mit uns kommt erst dann zustande, wenn wir das bestellte Produkt an Sie […] versenden und den Versand an Sie mit einer zweiten E-Mail („Versandbestätigung“) bestätigen („Vertrag“). […]“

Ziffer 4.2:

„Der zwischen Marke1 und Ihnen geschlossene Vertrag bezieht sich nur auf die in der Versandbestätigung bestätigten oder an Sie gelieferten Produkte. Soweit Ihre Bestellung weitere Produkte enthielt, sind diese nicht von dem Vertrag erfasst und es besteht keine Pflicht, diese Produkte an Sie zu liefern, bis der Versand der entsprechenden Produkte in einer separaten Versandbestätigung bestätigt wurde.“

Ziffer 9.3:

„Unsere Website enthält eine große Anzahl von Produkten und es kann jederzeit vorkommen, dass trotz all unserer Bemühungen einige der auf unserer Website genannten Produkte möglicherweise mit einem falschen Preis ausgezeichnet sind. […] Ist der korrekte Preis eines Produktes höher als der auf der Website angegebene Preis, so nehmen wir nach unserem Ermessen meist mit Ihnen Kontakt auf, um das weitere Vorgehen einvernehmlich zu vereinbaren. Wir behalten uns aber vor, Ihre Bestellung ohne weitere Kontaktaufnahme mit Ihnen abzulehnen. […]“

A, der etwas einfältig ist, erkennt bei seiner Bestellung nicht, dass es sich um einen Fehler der B handeln könnte. Er denkt, es handele sich um ein ganz besonderes und einmaliges Lockangebot, bei dem der Anbieter bewusst Verluste hinnimmt.

Am selben Tag, dem 07.03.2022, erhält A von der B eine Bestellbestätigung per E-Mail. Dort heißt es „Bestellnummer […]: 1x SuperPhone für 92,00 EUR sowie 1x SuperPods kostenlos. […] Wir werden dir Bescheid geben sobald wir dein Paket verschickt haben“.

A bezahlt sofort den Kaufpreis an die B. Etwas später am selben Tag ändert die B den Kaufpreis auf ihrer Webseite auf 928,00 EUR. Am 09.03.2022 versendet die B (nur) die Gratisbeilage in Form der Kopfhörer und bestätigt dies dem A per E-Mail, in der sie auch Bezug auf die Bestellnummer gibt.  

Mit E-Mails vom 22.3.2022 teilte die B dem A dann allerdings mit, dass es bei seinen Bestellungen zu einem gravierenden Preisfehler gekommen sei und sie die Bestellung storniere. Die B habe sich beim Eingeben des Preises im System vertippt. Zusätzlich fordert sie den A auf, die bereits erhaltenen SuperPods zurückzusenden. Nach der Rücksendung würde der bereits gezahlte Kaufpreis zurückerstattet werden.

A ist entrüstet, war er doch so über sein Schnäppchen erfreut. Er meint, die B sei an ihr Angebot, welches er angenommen habe, auch gebunden. Schließlich sei es ja nicht sein Fehler gewesen. Selbst wenn die B einen Fehler auf ihrer Webseite gemacht habe, hätte sie nicht die E-Mail vom 07.03. verfassen dürfen. Die Stornierung empfindet er auch als zu spät.

Die B meint, sie habe schon keinen Vertrag mit dem A geschlossen. Schließlich habe sie ja das eigentliche Produkt, das Smartphone, noch überhaupt nicht versendet. Im Übrigen habe sie ja auch dem A mitgeteilt, dass sie nicht mehr am Vertrag festhalten wolle, weil es sich offensichtlich um einen Tippfehler gehandelt habe. Letztlich habe der A auch gewusst, dass es sich um einen Fehler gehandelt haben muss und diesen bewusst ausgenutzt. So ein Verhalten wäre gegen jedes Recht und die Ordnung.

Kann A von der B auch noch die Übergabe und Übereignung des Smartphones verlangen?


Skizze


Gutachten

A. Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB

A könnte gegen die B einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Smartphones aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB haben.

I. Kaufvertrag, § 433 Abs. 1 S. 1 BGB

Hierzu müsste zwischen A und B ein wirksamer Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB geschlossen worden sein. Ein Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB setzt zwei übereinstimmende und aufeinander bezogene Willenserklärungen, namentlich Angebot und Annahme, voraus.

1. Angebot der B durch Einstellen auf der Webseite

Zunächst kommt ein Angebot der B durch das Einstellen des SuperPhones zu einem Preis von 92,00 EUR auf der Webseite in Frage. Dazu müsste die B bei dem Einstellen auf der Webseite mit sogenannten Rechtsbindungswillen gehandelt haben. Demgegenüber könnte es sich aber auch lediglich um eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ohne Rechtsbindungswillen, eine sogenannte invitatio ad offerendum handeln. Ob es sich bei dem Einstellen auf der Webseite um die Abgabe einer Willenserklärung in Form eines Angebots mit Rechtsbindungswillen handelt, ist durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei der objektive Empfängerhorizont, also die Frage danach, wie das Verhalten aus der Sicht eines objektiven Dritten in der Situation des Empfängers die Erklärung verstehen würde.

Aus der Perspektive eines objektiven Dritten ist ersichtlich, dass die B im Zweifel vor Vertragsschluss noch überprüfen will, mit wem sie eine rechtliche Bindung eingehen will. Dies kann insbesondere dann notwendig sein, wenn zuvor eine Bonitätsprüfung durchgeführt werden soll. Weiterhin muss durch den Verkäufer auch regelmäßig überprüft werden, ob der Lagerbestand überhaupt den Bedarf des Käufers decken kann. Beide Prüfungsmöglichkeiten entfallen jedoch für den Verkäufer, wenn der Käufer bereits durch Klick auf der Webseite den Vertragsschluss herbeiführt und den Verkäufer damit bindet. Aus der Sicht eines objektiven Dritten handelt es sich daher beim Einstellen des Produkts auf der Webseite lediglich um eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots, was sodann nach Prüfung durch den Verkäufer erst angenommen wird. Mithin liegt in dem Einstellen auf der Webseite durch die B noch kein Angebot vor.

2. Angebot des A durch Bestellen des Smartphones

Ein Angebot könnte aber in der Bestellung des A auf der Webseite der B liegen. Die essentialia negotii sind unzweifelhaft gegeben. Zweifel an einem Rechtsbindungswillen sind aus der Sicht eines objektiven Empfängers nicht ersichtlich. Auch die Abgabe und der Zugang der Willenserklärung sind unproblematisch gegeben. Mithin liegt ein Angebot des A vor.

3. Annahme der B durch E-Mail vom 07.03.2022

In der E-Mail der B vom 07.03.2022 könnte sodann die Annahme des Angebots des B liegen. Ob in dieser E-Mail eine Willenserklärung in der Form der Annahme liegt, ist ebenso durch Auslegung i.S.d. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.

Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen.[1]BGH, Urteil vom 19. 1. 2000 – VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002 Bei der Willenserforschung sind aber auch der mit der Erklärung verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können.[2]BGH, Urteil vom 16. 11. 2007 – V ZR 208/06, NJW-RR 2008, 683 Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen, bei deren Verständnis regelmäßig auch der Verkehrsschutz und der Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers maßgeblich ist, so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste.[3]BGH, Urt. v. 16. 10. 2012 – X ZR 37/12, NJW 2013, 598, mWn; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 133 Rdnr. 12 m. w. Nachw.

Dies gilt auch wenn bei der Abgabe und dem Empfang von Willenserklärungen elektronische Kommunikationsmittel genutzt werden.[4]BGH, Urt. v. 16. 10. 2012 – X ZR 37/12, NJW 2013, 598 Bei der Auslegung ist dabei zu berücksichtigen, dass gem. § 312 g Abs. 1 Nr. 3 BGB, dass für den Fall, dass ein Vertrag unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel geschlossen werden soll, der Unternehmer den Zugang der Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen hat. Diese Bestätigung der Bestellung stellt in der Regel aber eine reine Wissens- und keine Willenserklärung dar.[5]BGH, Urt. v. 16. 10. 2012 – X ZR 37/12, NJW 2013, 598 mWn; Wendehorst, in: MünchKomm-BGB, § 312 g Rdnr. 95 Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass der Unternehmer diese Wissenserklärung mit einer Willenserklärung, sei es mit der Annahme oder sei es mit der Ablehnung des Angebots, verbindet.[6]BGH, Urt. v. 16. 10. 2012 – X ZR 37/12, NJW 2013, 598 Der Charakter der Erklärung ist daher auch entsprechend den allgemeinen Regeln in §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont zu bestimmen. Eine automatisierte Erklärung kommt daher grundsätzlich auch als Annahme des Angebots in Betracht, wenn es sich nicht nur um die Bestätigung des Eingangs einer Bestellung i. S. von § 312 g Abs. 1 Nr. 3 BGB handelt, sondern mit ihr die vorbehaltlose Ausführung der Bestellung angekündigt wird [7]BGH, Urt. v. 16. 10. 2012 – X ZR 37/12, NJW 2013, 59; Busche, in: MünchKomm-BGB, § 147 Rdnr. 4.

a) Auslegung anhand der AGB

Fraglich ist zunächst, ob im Rahmen der vorbenannten Auslegung auch die AGB der B herangezogen werden können. In diesen heißt es unter 4.1. „Diese Auftragsbestätigung stellt keine Annahme ihres Angebotes dar“. Könnte man für die Auslegung der Willenserklärung die AGB heranziehen, wäre aus der Sicht eines objektiven Empfängers unter zugrundenahme der AGB ersichtlich, dass die E-Mail keine Annahme darstellen kann.

Teilweise wird angenommen, dass im Falle eines online Vertragsschlusses auch die AGB zur Auslegung herangezogen werden könnten. Denn bei der Abgabe des Angebots durch den Käufer bestätige dieser regelmäßig ausdrücklich die Kenntnisnahme der AGB. Diese dann bei der Auslegung der Willenserklärung des AGB-Stellers nicht zu berücksichtigen, sei nicht nachvollziehbar.

Dem wird entgegengehalten, dass AGB den Vertragsschluss nicht abweichend vom Gesetz regeln könnten, da ein wirksamer Vertrag die Geltungsgrundlage für die AGB sei. Folglich könne ein Unternehmer in der Bestätigungs-E-Mail klarstellen, dass eine Vertragsannahme durch die E-Mail nicht gewollt sei. Erfolge dies allerdings mittels AGB, werde deren Regelungsgehalt durch den individuellen Erklärungsinhalt der Bestellbestätigung verdrängt.[8] OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 18.4.2024 – 9 U 11/23, BeckRS 2024, 15612 Rn. 15, unter Bezugnahme auf die Ansicht der Vorinstanz LG Frankfurt a. M., Urteil vom 09.02.2023 – 2-20 O 126/22 In der Konsequenz kann für die Auslegung der Willenserklärungen für den Vertragsschluss selbst die AGB noch nicht herangezogen werden, da der Vertragsschluss für das Einbeziehen der AGB zunächst Voraussetzung ist.

Beide Ansichten kommen indes nur dann zu einem unterschiedlichen Ergebnis, wenn sich nicht bereits aus dem Wortlaut – ohne Beachtung der AGB – ergibt, ob es sich lediglich um eine Wissenserklärung handelt.

b) Auslegung anhand des Wortlautes der E-Mail

Mit dem Satz „Wir werden dir Bescheid geben sobald wir dein Paket verschickt haben“ hat die B noch nicht erklärt, dass sie die Bestellung vorbehaltlos durchführen wird. Vielmehr will die B aus der Sicht eines objektiven Empfängers dem A mitteilen, dass er eine weitere Nachricht erhalten wird, wenn sie Bestellung tatsächlich ausgeführt hat. Folglich ist bereits aus der E-Mail ersichtlich, dass es sich lediglich um eine Wissenserklärung i.S.d. § 312 g Abs. 1 Nr. 3 BGB handelt. Eine Stellungnahme hinsichtlich der zuvor geführten Frage, ob die AGB für die Auslegung herangezogen werden können, bedarf es nicht. In der E-Mail vom 07.03.2022 liegt damit keine Annahme der B.

Anmerkung: Prüfungsreihenfolge und Stellungnahme
Wie zuvor aufgeführt, bedurfte es vorliegend keiner Stellungnahme. So hat es auch das OLG gehalten. Gleichwohl ist es natürlich nicht schädlich, Stellung zu beziehen. Vertretbar werden beide Ansichten sein. Es sollte aber aufgepasst werden, dass kein Prüfungspunkt abgeschnitten wird.
4. Annahme durch Benachrichtigung über Versendung der SuperPods

Möglich erscheint aber, dass die B das Angebot des A durch die Mitteilung der Übersendung der SuperPods angenommen hat. Auch dies ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB. Fraglich ist damit, ob in dieser Nachricht die vorbehaltlose Ausführung der Bestellung angekündigt wird (s.o.). Dies könnte zweifelhaft sein, da die B lediglich mit der E-Mail ankündigte, die „Gratisbeilage“ zu versenden. Indes war unbedingte Voraussetzung der kostenlosen Übersendung der SuperPods der Erwerb eines Smartphones. Zwischen dem Erwerb des Smartphones und der Übersendung der Kopfhörer bestand ein untrennbarer Zusammenhang dergestalt, dass die kostenlose Übersendung der SuperPods das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über das Hauptprodukt – das Smartphone – voraussetzt. Der A durfte die Mitteilung, dass sämtliche versprochenen Gratisbeigaben nunmehr verschickt seien, daher nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte so verstehen, dass damit auch die Kaufverträge über die Smartphones bestätigt werden.[9]so OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 18.4.2024 – 9 U 11/23, BeckRS 2024, 15612 Rn. 29 Eine Annahme der B liegt damit vor.

5. Zwischenergebnis

Ein wirksamer Kaufvertrag zwischen A und B liegt vor. Der Anspruch ist damit zunächst entstanden

II. Anspruch untergegangen durch Anfechtung

Der zwischen A und B geschlossene Kaufvertrag könnte aber gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sein. Dies setzt voraus, dass die B ihre Willenserklärung wirksam angefochten hat. Dazu müssen ein Anfechtungsgrund und eine fristgerechte Anfechtungserklärung vorliegen.

Vernetztes Lernen: Was ist regelmäßig vor der Anfechtung zu prüfen?
Die Frage zielt auf Konkurrenzverhältnisse ab. Besonders zu beachten ist, dass vor der Anfechtung regelmäßig die Mängelgewährleistungsrechte zu prüfen sind. Denn diese verdrängen eine Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums aus § 119 Abs. 2 BGB. Regelmäßig wird zwar ein Eigenschaftsirrtum vorliegen, wenn die Sache mit Mängeln behaftet ist. Allerdings gehen in diesem Fall die Mängelrechte als spezielleres Recht vor. Andernfalls käme es auch zu Widersprüchen. Denn gem. § 438 BGB verjähren die Gewährleistungsansprüche nach zwei bzw. fünf, beginnend mit der Übergabe. Die Anfechtung ist hingegen gem. § 121 Abs. 2 BGB bis zu 10 Jahre möglich. Zudem würde das Recht zur zweiten Andienung des Verkäufers umgangen werden, welches in der Anfechtung nicht erforderlich ist. Etwas anderes gilt indes für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB. Diese besteht neben den Mängelgewährleistungsrechten, denn der Täuschende ist schon nicht schutzwürdig.
1. Anfechtungsgrund

Zunächst müsste danach also ein Anfechtungsgrund vorliegen. Möglich erscheint hier ein Erklärungsirrtum i.S.d. § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Dieser liegt dann vor, wenn der Erklärende eine Erklärung dieses Inhaltes überhaupt nicht abgeben wollte. Er unterliegt einem Irrtum in der äußeren (technischen) Erklärungshandlung; es missglückt ihm die praktische Umsetzung seines Erklärungswillens in eine diesen Willen zutreffend kundgebende Äußerung, indem er sich etwa verspricht, verschreibt oder vergreift. [10]MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 119 Rn. 46

Vorliegend hat sich die B vertippt. Dabei wollte sie eigentlich einen Preis von 928,00 EUR aufrufen, gab jedoch versehentlich 92,00 EUR an. Mithin liegt ein Erklärungsirrtum vor.

2. Anfechtungserklärung

Die B müsste auch eine taugliche Anfechtungserklärung abgegeben haben. Eine Anfechtungserklärung ist jede Erklärung, die eindeutig erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft wegen des Willensmangels nicht gelten soll. Das Wort „anfechten“ braucht dabei nicht verwendet werden. Mit der E-Mail vom 22.03.2022 teilte die B mit, sie wolle Bestellung stornieren. Aus dem Wort stornieren wird eindeutig klar, dass die B nicht an dem Rechtsgeschäft festhalten will. Mithin liegt eine Anfechtungserklärung vor.

3. Anfechtungsfrist

Die Anfechtung müsste auch innerhalb der Frist gem. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB erklärt worden sein. Danach muss die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die Anfechtung muss indes nicht jeweils „sofort“, etwa immer schon spätestens am Tage nach Erlangung der Kenntnis, erklärt werden. Vielmehr kann von einem schuldhaften Zögern nur ausgegangen werden, wenn das Zuwarten nicht durch die Umstände des Einzelfalls geboten ist.[11]MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 121 Rn. 7 Kenntnis vom Anfechtungsgrund i.S.d. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB ist dabei die Kenntnis des Umstandes, dass die Erklärung aus einem der in §§ 119, 120 angeführten Gründe nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden entspricht.[12]MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 121 Rn. 5

Da die B noch am 07.03.2022 den Preis änderte, hatte sie auch ab diesem Tag Kenntnis davon, dass der falsche Preis online gestellt wurde. Dennoch erklärte sie erst am 22.03., also 15 Tage später die Anfechtung. Ein Grund für dieses zögern ist nicht ersichtlich. Ein zuwarten war hier auch nicht geboten. Die Anfechtungserklärung war damit verfristet.

Vernetztes Lernen: Wie wäre der Fall zu behandeln, wenn ein Mitarbeiter der B sich vertippt hätte?
In diesem wäre der Erklärungsirrtum des Mitarbeiters ggf. der B gem. § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Denn als Mitarbeiter ist dieser regelmäßig Wissensvertreter der B. Wissensvertreter ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen und ggf. weiterzuleiten.
4. Zwischenergebnis

Aufgrund der Verfristung ist der geschlossene Kaufvertrag nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen.

III. Anspruch nicht durchsetzbar

Der Anspruch des A müsste allerdings auch durchsetzbar sein.

1. Verstoß gegen § 226 BGB

Möglich erscheint, dass der Anspruch des A aufgrund des Schikaneverbots gem. § 226 BGB nicht durchsetzbar ist. Dies wäre jedoch nur dann der Fall, wenn der A seinen Anspruch nur durchsetzen wollen würde, um die B zu schädigen. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall.

Anmerkung: Schikaneverbot
Dass der Anspruch aufgrund des § 226 BGB nicht durchsetzbar ist, ist relativ fernliegend. In der Klausur kann daher auch nicht erwartet werden, dass diese Norm geprüft wird. Die Norm kommt auch eigentlich kaum in Klausuren vor. Denkbar wäre ein Verstoß gegen das Schikaneverbot, wenn der A Kenntnis von dem Fehler der B hatte und einen Vertrag schließt um die B zu schädigen. In einem ähnlichen Fall wurde dies durch das OLG Düsseldorf geprüft.[13] OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.5.2016 – I-16 U 72/15, NJW-RR 2016, 1073
2. Verstoß gegen § 242 BGB

Daneben scheint aber ein Verstoß des A in § 242 BGB verankerten Grundsatz von Treu und Glauben möglich, sodass sein Anspruch nicht durchsetzbar wäre. Dies wäre dann der Fall, wenn das Verhalten des A rechtsmissbräuchlich wäre. Die Ausübung eines Rechts ist in der Regel missbräuchlich, wenn der Berechtigte es gerade durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat.[14]OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.5.2016 – I-16 U 72/15, NJW-RR 2016, 1073; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 242 Rn. 42 m.w.N. Bei irrtümlichen Preisauszeichnungen ist anerkannt, dass es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar ist, wenn der Erklärungsempfänger die fehlerhafte Preisangabe positiv erkennt und die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist.[15]BGH, Urteil vom 07.07.1998, X ZR 17/97, BGHZ 139, 177, Rn. 24; BGH, Urteil vom 30.06.2009, XI ZR 364/08, Juris Rn. 33; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.5.2016 – I-16 U 72/15, NJW-RR 2016, 1073. Der A hat hier jedoch den Fehler der B nicht erkannt. Vielmehr ging er davon aus, dass es sich um Lockangebot handeln würde. Der Durchsetzbarkeit des Anspruchs des A steht der § 242 BGB damit nicht entgegen.

Anmerkung: Handhabung im Beschluss des OLG und Unzumutbarkeit
Das OLG musste über eine etwaige Rechtsmissbräuchlichkeit des Verhaltens des Klägers nicht entscheiden, denn der Beklagte ist bereits seiner Darlegungslast hinsichtlich der Frage, ob die Vertragsdurchführung für ihn schlechthin unzumutbar ist, nicht nachgekommen. Vereinfach hat er zu diesem Prüfungspunkt nicht ausreichend vorgetragen. In einem Urteil des OLG Düsseldorf lag die Situation anders. Dort hätte der Händler die Ware für weniger als 1% des Marktwertes abgeben müssen. Das OLG Düsseldorf urteilte, dass dies ihm wirtschaftlich nicht zumutbar gewesen ist.[16]OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.5.2016 – I-16 U 72/15, NJW-RR 2016, 1073

B. Ergebnis

A hat gegen B einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des SuperPhones aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB


Zusatzfragen

K will seinen Schmerzensgeldanspruch auch gerichtlich durchsetzen. Er ist sich aber unsicher, ob er mit den 20.000,00 EUR nicht zu hoch gegriffen hat. Am liebsten würde er es dem Gericht überlassen die Höhe festzulegen. Kann K das? Welche Normen gilt es zu beachten und wo liegen die Probleme?
Will K einen Schmerzensgeldanspruch geltend machen, muss er dies im Rahmen seiner Klage beantragen. Dabei gilt es den Bestimmtheitsgrundsatz in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu beachten. Danach muss der Klageantrag – auch in seiner Höhe – ausreichend bestimmt sein. Eine Ausnahme hiervon gilt allerdings unter anderem bei Schmerzensgeldansprüchen gem. § 253 Abs. 2 BGB.[17]Anders/Gehle/Anders, 82. Aufl. 2024, ZPO § 253 Rn. 43 Denn der Kläger befindet sich hinsichtlich der Höhe, die das Gericht im Rahmen seines Ermessens zusprechen wird, in einer Ungewissheit, die ihm nicht anzulasten ist. Daher muss der Schmerzensgeldanspruch ausnahmsweise in seiner Höhe nicht beziffert werden. Dies stellt den Kläger allerdings vor ein erneutes Problem. Beziffert er den Antrag überhaupt nicht und spricht im das Gericht nur einen Bruchteil von dem zu, was er sich eigentlich vorgestellt hat, so ist er trotzdem nicht beschwert, denn das Gericht ist nicht hinter seinem Antrag zurückgeblieben. Die Konsequenz ist, dass der Kläger gegen das Urteil nicht mit der Berufung vorgehen kann. Entscheidet er sich aber für eine konkrete Bezifferung des Antrags, ist die Chance hoch, dass das Gericht hinter diesem zurückbleibt und der Kläger daher zumindest teilweise die Klage verlieren wird. Die Konsequenz ist, dass der Kläger wahrscheinlich einen Teil der Kosten tragen muss. Zudem kann das Gericht, selbst wenn es wollte, dem Kläger nicht mehr zusprechen als er beantragt hat. Das Gericht ist insoweit an den Antrag gebunden.

Daher wird in der Praxis regelmäßig ein Richtwert im Klageantrag formuliert (bspw: Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird aber 5.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, zu zahlen.) Unterschreitet das Gericht diesen Richtwert, so ist der Kläger beschwert, unterliegt aber (regelmäßig) nicht.


Zusammenfassung

Die Übersendung einer Gratisbeigabe stellt auch in Bezug auf das noch nicht versandte Hauptprodukt eine Annahme des Antrags auf Abschluss eines Kaufvertrags dar, wenn zwischen dem Erwerb des Hauptproduktes und der Übersendung der Gratisbeigabe ein untrennbarer Zusammenhang dergestalt besteht, dass die kostenlose Übersendung der Gratisbeigabe das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über das Hauptprodukt voraussetzt.


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