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Polizeidiensttauglichkeit trotz Schlaganfall(risiko)?

BVerwG, Urteil v. 13.02.2025 – 2 C 4.24

Sachverhalt

(gekürzt und abgewandelt)

P erfüllte sich im Jahr 2017 seinen Traum und startete im Alter von 20 Jahren seine Karriere als Polizeianwärter. Die dreijährige berufliche Ausbildung erfolgte im Rahmen einer Fachhochschulausbildung an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz; für diese Zeit wurde P vom Land Rheinland-Pfalz als Beamter auf Widerruf eingestellt.

Im Juli 2019 – noch während der Ausbildung – erlitt P einen Schlaganfall durch eine linkshirnige Durchblutungsstörung. Die Ursache konnte nie eindeutig geklärt werden. Allerdings wurde bei P im Rahmen einer vom polizeiärztlichen Dienst veranlassten Untersuchung ein kleinvolumiger Hirnsubstanzdefekt festgestellt – abgestorbenes Gehirngewebe, welches auf den Schlaganfall und eine hiermit einhergehende Blut- und Sauerstoffunterversorgung zurückzuführen ist. Da sich der Hirnsubstanzdefekt nur auf ein kleinvolumiges Areal beschränkt, waren und sind P‘s körperliche und geistige Leistungsfähigkeit allerdings nicht eingeschränkt.

Zusätzlich kam ein medizinisches Gutachten, welches im Rahmen der polizeiärztlichen Untersuchung angefertigt worden war, zu dem – der Sache nach richtigen – Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass P bis zum Erreichen des 60. Lebensjahres erneut einen Schlaganfall erleiden werde, rechnerisch bei ca. 35% liege. Es ließ sich außerdem – korrekterweise – ermitteln, dass das Risiko eines erneuten Schlaganfalls bei einer zur Dienstlaufbahn gehörenden Einsatzsituation bei P (1,9%/Jahr) im Vergleich zur Normalbevölkerung (0,005%/Jahr) etwa 380-fach erhöht ist.

Trotz all dieser Turbulenzen ließ sich P nicht von seinem Traum abbringen. Er bestand im Anschluss an seine Genesung vom Schlaganfall alle Modulprüfungen der Fachhochschule, inklusive aller geforderten Sportleistungen. Dementsprechend schloss P seine Fachhochschulausbildung im Herbst 2020 erfolgreich ab; woraufhin P von der zuständigen Behörde mitgeteilt wurde, dass P‘s Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Abschluss der Ausbildung planmäßig zum 1.1.2021 enden werde.

Als P, nunmehr voll ausgebildet, zum 1.1.2021 seinen regulären Polizeidienst antreten will und hierfür bei der zuständigen Behörde einen formgerechten Antrag auf Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Probe nach § 16 V 1 der Laufbahnverordnung für den Polizeidienst (LbVOPol) Rheinland-Pfalz stellt, lehnt die Behörde die entsprechende Ernennung von P mit der Begründung ab, dass P nicht mehr uneingeschränkt polizeidiensttauglich sei.

Die Behörde stützt ihre Entscheidung hierbei auf drei tragende Gründe: Erstens führt sie ins Feld, dass die Merkmalnummer 11.2.1 der Anlage 1.1 zur Polizeidienstvorschrift „Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit“ (PDV 300) bei nachweisbaren Hirnsubstanzdefekten grundsätzlich die Polizeidienstuntauglichkeit vorsieht. P sei daher schon gegenwärtig gesundheitlich nicht für den Polizeidienst geeignet. Zweitens stünde auch die Prognose, dass P bis zum 60. Lebensjahr zu 35% einen erneuten Schlaganfall erleiden werde, einer Verbeamtung P’s entgegen – schließlich sei das Risiko, dass P vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden müsse und als vorzeitiger Ruhestandsbeamten sodann unproportional stark dem Steuerzahler zu Last falle, viel zu hoch. Und, drittens, würde P als Polizist nun mal kein „Schreibtischbeamter“ sein, sondern wäre besonderen Einsatzlagen ausgesetzt. Und da bei P auch relativ gesehen (d.h. bezogen auf die Normalbevölkerung) ein deutlich erhöhtes Risiko für den Eintritt eines erneuten Schlaganfalls bestehe, könne P auch deswegen nicht verbeamtet werden – schließlich könne ein Auftreten eines Schlaganfalls in besonderen Einsatzlagen eine Gesundheitsgefahr für P selbst oder für Dritte darstellen.

Als P seinen ablehnenden Bescheid erhält, ist er empört. Erstens, sei die PDV 300 nur eine Polizeidienstvorschrift – und würde daher maximal die Verwaltung, aber doch wohl nicht ihn binden. Da seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit aktuell nicht gemindert sei, sei er geeignet – PDV 300 hin oder her. Zweitens, sei es nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, dass er (der P) tatsächlich einen Schlaganfall bis zum 60. Lebensjahr erleiden werde – die Prognoseentscheidung der Behörde gehe ganz eindeutig weit überwiegend zu seinen Lasten, was nicht mit seiner „geschützten Zugangsmöglichkeit zum Beamtenverhältnis“ vereinbar sei. Und drittens sei es, auch aus diesem Grund, unverständlich, dass die Behörde noch eine zusätzliche Prüfung anhand eines Vergleichs gegenüber der Normalbevölkerung anstrebe; ganz abgesehen davon, dass der Maßstab schon völlig unklar und nicht sachgerecht sei.

P legt daher Widerspruch ein, welcher von der zuständigen obersten Dienstbehörde abgewiesen wird. Als P am 17.1.2021 seinen Widerspruchsbescheid erhält, reicht es ihm. Er erhebt am Folgetag formgerecht Klage beim Verwaltungsgericht.

Hat die Klage des P auf Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Probe Aussicht auf Erfolg?

Landesbeamtengesetz (LBG) Rheinland-Pfalz

§ 3 – Verwendungsgrundsatz

Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten können in allen Bereichen des Polizeidienstes bei den Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen verwendet werden.

§ 112 – Polizeidienstunfähigkeit

(1) Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind dienstunfähig (§ 26 Abs. 1 BeamtStG), wenn sie den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeidienst nicht mehr genügen und nicht zu erwarten ist, dass sie ihre volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangen (Polizeidienstunfähigkeit), […].

Laufbahnverordnung für den Polizeidienst (LbVOPol) Rheinland-Pfalz

§ 16 – Fachhochschulausbildung

(1) Die Polizeikommissar-Anwärterinnen und Polizeikommissar-Anwärter erhalten die für ihren Beruf notwendige Ausbildung in einem Vorbereitungsdienst, in dessen Rahmen sie an einer Fachhochschulausbildung teilnehmen. Diese findet an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz statt und dauert drei Jahre; […].

(5) Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die die Fachhochschulausbildung nach Absatz 1 mit Bestehen der Laufbahnprüfung abgeschlossen haben, werden, sofern die sonstigen beamtenrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. […]

Polizeidienstvorschrift „Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit“ (PDV 300)

Allgemeine Bestimmung 1.1.

Diese Vorschrift gilt für die ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit von Bewerbern für den Polizeivollzugsdienst […].

Allgemeine Bestimmung 2.1.

Durch Auswahluntersuchungen und Einstellungsuntersuchungen wird festgestellt, ob Bewerber für die Erfüllung der Anforderungen an den Polizeivollzugsdienst gesundheitlich geeignet sind. Die Untersuchungen sind nach den Bestimmungen […] der Anlage 1.1 durchzuführen und zu bewerten.

Anlage 1.1: Beurteilungsmaßstäbe und die Polizeidiensttauglichkeit ausschließende Merkmale

[tabellarische Auflistung von „Merkmalen, die die Polizeidiensttauglichkeit ausschließen“]

Merkmal Nr. 11.2.1.: Hirnsubstanzschädigung


Skizze


Gutachten

Die Klage des P hat Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.

A. Zulässigkeit der Klage

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Zunächst müsste der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Für die Eröffnung nach § 40 I 1 VwGO dürfte keine aufdrängende Sonderzuweisung bestehen und es müsste eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegen, für die keine abdrängende Sonderzuweisung besteht.

Vorliegend könnte jedoch bereits die aufdrängende Sonderzuweisung des § 54 I BeamtStG einschlägig sein. Dem Wortlaut nach müsste P hierfür zum dort aufgelisteten Personenkreis zählen und es sich bei seiner Klage um eine solche „aus dem Beamtenverhältnis“ handeln. Zwar war P Zeit seiner Fachhochschulausbildung Beamter auf Widerruf,[1]I.S.v. § 4 IV lit. a BeamtStG. dieses Verhältnis endete jedoch mit dem Bestehen selbiger.[2]Gem. § 22 IV BeamtStG. Gegenwärtig ist P also kein Beamter (mehr). Auch eine Anknüpfung an sein früheres Beamtenverhältnis während der Fachhochschulausbildung („früherer Beamter“, § 54 I BeamtStG) kann hier nicht überzeugen. Schließlich begründet sich die Streitigkeit gerade nicht „aus“ diesem früheren Beamtenverhältnis während der Fachhochschulausbildung; vielmehr streiten sich P und die Behörde um die Voraussetzungen für die Begründung eines neuen Beamtenverhältnisses.

Um jedoch auch Streitigkeiten bei der Begründung eines neuen Beamtenverhältnisses zu umfassen, wird § 54 I BeamtStG teleologisch reduziert. Entgegen dem Wortlaut ist nicht entscheidend, ob die Kläger*innen zum dort genannten Personenkreis gehören. Vielmehr kommt es alleine darauf an, dass der geltend gemachte Anspruch seine rechtliche Grundlage im Beamtenrecht hat (relevant ist nur noch das Tatbestandsmerkmal „aus dem Beamtenverhältnis“). Hierzu gehören wiederrum auch solche Klagen, die darauf gerichtet sind, überhaupt erst das Beamtenverhältnis herbeizuführen. Eine solche Auslegung des § 54 I BeamtStG rechtfertigt sich mit dem Sinn und Zweck der Norm, nämlich „das Beamtenrecht der Länder einer einheitlichen Auslegung durch das BVerwG zugänglich zu machen“.[3]BVerwG, NJW 1983, 638 Und eine solche Rechtseinheitlichkeit bei Fragen rund um die Begründung des Beamtenverhältnisses gelingt nur, wenn solche Streitigkeiten in allen Bundesländern gleichermaßen mittels § 54 I BeamtStG den Verwaltungsgerichten zugewiesen werden.[4]BVerwG, NJW 1983, 638; s. zum Ganzen auch BeckOK BeamtenR Bund/Burth, 37. Ed. 1.4.2025, BeamtStG § 54 Rn. 6.

Der Verwaltungsrechtsweg ist somit aufgrund der aufdrängenden Sonderzuweisung des § 54 I BeamtStG eröffnet.

II. Statthafte Klageart

Die statthafte Klageart richtet sich gem. § 88 VwGO nach dem Klagebegehren. Vorliegend begehrt P mit seiner Klage in ein Beamtenverhältnis auf Probe berufen zu werden. Für diese Klage könnte die Verpflichtungsklage in Form einer Versagungsgegenklage gem. § 42 I Var. 2 VwGO die statthafte Klageart sein, sofern es sich bei der Berufung zum Beamten auf Probe um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG Rheinland-Pfalz handelt. Bezüglich der Verwaltungsakts-Qualität der Berufung könnte allenfalls das Tatbestandsmerkmal der Außenwirkung diskutiert werden; dieses kann bei sog. Sonderrechtsverhältnissen – wozu insbesondere auch Beamt*innen zählen – in Einzelfällen strittig sein. Bei der Begründung eines Beamtenverhältnisses wird jedoch nicht zuletzt auch die Art des Beamtenverhältnisses (nach § 4 BeamtStG) festgelegt, welches unzweifelhaft eine Regelung der persönlichen (und nicht bloß organisatorischen) Rechtsstellung der*des Beamt*in darstellt. Die beamtenrechtliche Ernennung stellt somit einen Verwaltungsakt dar.[5]Zur Ernennung als rechtsgestalteten Verwaltungsakt ausf. v. Roetteken/Rothländer/v. Roetteken, Beamtenstatusgesetz, § 8 BeamtStG, Rn. 52 ff., Stand 20.05.2025. Die Verpflichtungsklage ist statthaft.

III. Klagebefugnis

P müsste ferner gem. § 42 II VwGO klagebefugt sein, es müsste also möglich erscheinen, dass er einen Anspruch auf die erstrebte beamtenrechtliche Ernennung oder zumindest auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber hat. Für einen solchen Anspruch kommt die landesrechtliche Vorschrift des § 16 V 1 LbVOPol RP [Rheinland-Pfalz] in Betracht. Diese Vorschrift dient zumindest auch den individuellen Interessen des P. Ebenfalls erscheint es denkbar, dass P die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt. P ist mithin klagebefugt.

IV. Vorverfahren

Gem. § 68 I 1 VwGO i.V.m. § 54 II 1 BeamtStG ist vor allen Klagen von Beamt*innen ein Vorverfahren durchzuführen. Das Vorverfahren ist in Rheinland-Pfalz auch nicht nach § 54 II 3 BeamtStG entbehrlich. Vorliegend wurde das Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt.

IV. Klagefrist

P hat ferner die nach § 74 II i.V.m. I 1 VwGO erforderliche Monatsfrist eingehalten.

V. Richtiger Beklagter

Vor dem Hintergrund, dass Rheinland-Pfalz von der Möglichkeit des Behördenprinzips (§ 78 I Nr. 2 VwGO) keinen Gebrauch gemacht hat, greift das allgemeine Rechtsträgerprinzip (§ 78 I Nr. 1 VwGO). Somit ist das Land Rheinland-Pfalz richtiger Beklagter.

VI. Beteiligungs- und Prozessfähigkeit

P ist nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligtenfähig und nach § 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig. Das Land Rheinland-Pfalz ist nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO beteiligtenfähig und nach § 62 III VwGO prozessfähig.

VII. Zwischenergebnis

Die Verpflichtungsklage des P ist zulässig.

B. Begründetheit der Klage

Die Verpflichtungsklage des P ist begründet, soweit die Ablehnung der beamtenrechtlichen Ernennung rechtswidrig und P dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§113 V VwGO). Dies ist der Fall, sofern P einen Anspruch auf die Ernennung (sog. Vornahmeurteil, §113 V 1 VwGO) oder auf eine neue ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Ernennung (sog. Bescheidungsurteil, §113 V 2 VwGO) hat.

I. Bestehen einer Anspruchsgrundlage

Es bedarf zunächst einer geeigneten Anspruchsgrundlage. Vorliegend ist die landesrechtliche Vorschrift des § 16 V 1 LbVOPol RP einschlägig.[6]Auf diese Anspruchsgrundlage – ohne Widerspruch des BVerwG – rekurrierend OVG Koblenz, BeckRS 2024, 1602, Rn. 32.

II. Formelle Anspruchsvoraussetzungen

Darüber hinaus müssten die formellen Anspruchsvoraussetzungen für die beamtenrechtliche Ernennung des P vorliegen. Ausweislich des Sachverhalts ist dies der Fall. Insbesondere hat P bei der für die Ernennung zuständigen Behörde[7]In Rheinland-Pfalz ist dies gem. § 10 I 2 Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz i.V.m. § 1 I Nr. 2 der Landesverordnung über dienst- und arbeitsrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des … Continue reading seinen formgerechten Antrag auf Verbeamtung eingereicht.

III. Materielle Anspruchsvoraussetzungen

Schließlich müssten für P‘s Anspruch auf beamtenrechtliche Ernennung auch die materiellen Voraussetzungen des § 16 V 1 LbVOPol RP gegeben sein. § 16 V 1 LbVOPol RP enthält insoweit jedoch kaum eigene Voraussetzungen. Evident hat P die Fachhochschulausbildung mit Bestehen der Laufbahnprüfung abgeschlossen. Fraglich ist daher bloß noch, ob auch „die sonstigen beamtenrechtlichen Voraussetzungen vorliegen“. Eine solche Voraussetzung könnte in Art. 33 II GG und § 9 BeamtStG statuiert sein.

1. „Eignung“ i.S.v. Art. 33 II GG und § 9 BeamtStG

Gemäß Art. 33 II GG sind beamtenrechtliche Ernennungen nur nach „Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung“ vorzunehmen. Eine Formulierung, die – mit der Ergänzung von, hier nicht einschlägigen, Negativkriterien – auf einfachgesetzlicher Ebene für die Beamten der Länder von § 9 BeamtStG (und für Beamte des Bundes von § 9 BBG) wiederholt wird. Hinsichtlich der Befähigung und der fachlichen Leistung bestehen bei P keinerlei Zweifel. Fraglich ist jedoch, ob P auch „geeignet“ ist.

Geeignet ist im Sinne von Art. 33 II GG und § 9 BeamtStG,[8]Das Erfordernis der Eignung ist insoweit beiden Normen gleichermaßen zu entnehmen, s. BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 9 („Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG“); ebenso OVG Koblenz, BeckRS 2024, … Continue reading wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Zur körperlichen Eignung zählt insbesondere die Beurteilung, ob die*der Bewerber*in den Anforderungen des von ihr*ihm angestrebten Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht. Ist die*der Bewerber*in gesundheitlich nicht geeignet, kann sie*er nicht verbeamtet werden.[9]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 9. P müsste also „gesundheitlich geeignet“ sein.

a) Rechtlicher Maßstab der „gesundheitlichen Eignung“

Da es sich bei der gesundheitlichen Eignung um einen normativen Begriff handelt, ist zunächst zu klären, was hierunter zu verstehen ist. „Eignung“ setzt stets ein Bezugsobjekt voraus – hier also die Eignung für den Polizeidienst. Es ist daher zunächst zu bestimmen, für welche Anforderungen Polizeianwärter*innen gesundheitlich „geeignet“ sein müssen.

Hinweise zum Anforderungsprofil für Polizeianwärter*innen liefert § 112 I LBG RP, der Polizeidienstunfähigkeit als dauerhaftes Fehlen der „vollen Verwendungsfähigkeit“ definiert. Zwar gilt diese Norm unmittelbar nur für bereits verbeamtete Personen im Ruhestandsverfahren (i.S.v. § 26 I BeamtStG), doch lässt sich ihr eine „gesetzgeberische Leitentscheidung“ entnehmen, „aus der auch für die Begründung des Beamtenverhältnisses als Polizeibeamter die Forderung des Gesetzgebers nach voller Verwendungsfähigkeit abgeleitet werden kann.“[10]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 14 f. Bestätigt wird diese Auslegung durch § 3 S. 1 LbVOPol RP, wonach Polizeibeamt*innen „in allen Bereichen des Polizeidienstes“ einsetzbar sein müssen. Diese universelle Einsetzbarkeit kann nur gewährleistet werden, wenn sie bereits bei der Ernennung gegeben ist.[11]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 16.

Die gesundheitliche Eignung setzt demnach die „volle Verwendungsfähigkeit“ voraus. Das wirft die Frage auf, was unter „voll“ zu verstehen ist. Wortlaut und Telos sprechen hier für eine uneingeschränkte gesundheitliche Einsatzfähigkeit im gesamten polizeilichen Aufgabenbereich. „Der (künftige) Polizeivollzugsbeamte muss […] zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung eingesetzt werden […] können. Dementsprechend müssen die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Bewerber insbesondere die Verwendung im Außendienst und (Wechsel-)Schichtdienst zulassen. Der Polizeivollzugsbeamte ist nur dann polizeidienstfähig, wenn […] seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sowie seine seelische Belastbarkeit eine uneingeschränkte Verwendung im gesamten polizeilichen Einsatzbereich – insbesondere auch das körperliche Vorgehen gegen Rechtsbrecher, die Anwendung unmittelbaren Zwangs und den Gebrauch von Schusswaffen – zulässt.“[12]OVG Koblenz, BeckRS 2024, 1602, Rn. 39.; so auch schon bezüglich des bundesrechtlichen § 4 BPolBG, der insoweit das Pendant zu § 112 I LBG RP darstellt: BT-Drucks. 3/1425 S. 11.

Eine*ein Polizeianwärter*in ist also nur dann für den Polizeivollzugsdienst gesundheitlich geeignet, wenn sie*er „voll verwendungsfähig“ ist, d.h. in allen Aufgabenbereichen des Polizeidienstes uneingeschränkt einsetzbar ist – insbesondere auch unter den körperlich und psychisch belastenden Bedingungen des Außendienstes.

b) Anlegen des rechtlichen Maßstabs: P’s „gesundheitliche Eignung“

Dieser Maßstab soll nunmehr an P angelegt werden. Es existieren mehrere Anknüpfungspunkte, die Anlass geben, die gesundheitliche Eignung von P in Frage zu stellen. So weist P gegenwärtig einen Hirnsubstanzdefekt auf. Ferner besteht bei ihm ein zu 35% angenommenes Risiko eines erneuten Schlaganfalls bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze – mithin ein prognostiziertes (absolutes) Risiko, dass P zukünftig gesundheitlich ungeeignet sein könnte. Zuletzt besteht bei P auch bezogen auf die Normalbevölkerung ein (relativ betrachtet) deutlich erhöhtes Risiko für den Eintritt eines erneuten Schlaganfalls, dessen Auftreten in besonderen Einsatzlagen eine Gesundheitsgefahr für P selbst oder für Dritte darstellen könnte. Alle drei Punkte gilt es zu prüfen.

aa) Gegenwärtig fehlende „gesundheitlich Eignung“ auf Grund der Hirnsubstanzschädigung?

Zunächst könnte P’s gesundheitliche Eignung bereits gegenwärtig ausgeschlossen sein, da er eine Hirnsubstanzschädigung aufweist. Inwieweit diese tatsächlich die Schwelle zur fehlenden Eignung überschreitet, gilt es zu untersuchen.

(1) Gegenwärtig „volle Verwendungsfähigkeit“ von P trotz Hirnsubstanzschädigung

Hierfür ist zunächst der soeben entwickelte Maßstab der „vollen Verwendungsfähigkeit“ anzulegen. P müsste also gegenwärtig in körperlicher und psychischer Hinsicht uneingeschränkt in allen Aufgabenbereichen des Polizeidienstes einsetzbar sein. Zwar weist P eine Hirnsubstanzschädigung auf. Diese manifestiert sich gegenwärtig jedoch in keinerlei körperlichen (oder psychischen) Beeinträchtigungen. P’s körperlicher und neurologischer Befund ist unauffällig. P ist mithin „voll verwendungsfähig“ und insoweit gegenwärtig zum Polizeidienst „gesundheitlich geeignet“.

(2) Andere Bewertung auf Grund der Listung der Hirnsubstanzschädigung als Merkmalnummer in der PDV 300?

Es könnte jedoch ein anderes Ergebnis daraus folgen, dass Merkmalnummer 11.2.1 der Anlage 1.1 zur PDV 300 bei nachweisbaren Hirnsubstanzdefekten grundsätzlich die Polizeidienstuntauglichkeit vorsieht. Da P unstreitig unter dieses Merkmal fällt, stellt sich die Frage, ob seine gesundheitliche Eignung bereits deshalb zu verneinen ist. Entscheidend ist insoweit der Rechtscharakter der PDV 300.

Bei der PDV 300 handelt es sich um eine verwaltungsinterne Dienstvorschrift, die der Vereinheitlichung der ärztlichen Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und -fähigkeit dient.[13]Ausführlich OVG Hamburg, BeckRS 2024, 36409, Rn. 8. Sie fasst die auf polizeispezifische Anforderungen zugeschnittenen ärztliche Erfahrungssätze zusammen und konkretisiert – auf dieser Grundlage – die allgemeinen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes mittels typisierender Ausschlussmerkmale.[14]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 10; OVG Koblenz, BeckRS 2024, 1602, Rn. 38.

Zwar kann die zuständige Behörde zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis auf solche Vorschriften zurückgreifen. Da der Behörde bei der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung aber kein Beurteilungsspielraum zusteht – und die Entscheidung somit der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt – kann die Aufnahme eines Krankheitsbildes in die PDV 300 nicht pauschal zur Ablehnung führen.[15]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 11. „[E]s ist rechtlich nicht hinnehmbar, wenn ein Bewerber aufgrund eines formalen Merkmals ohne hinreichende Beachtung seiner individuellen physischen wie psychischen Gegebenheiten von der gesundheitlichen Eignung des Polizeidienstes ferngehalten wird, obwohl die mit dem Merkmal verknüpfte Risikoprognose sich in seiner Person nicht oder nur wesentlich abgeschwächt verwirklicht.“[16]OVG Koblenz, BeckRS 2024, 1602, Rn. 47.

Vernetztes Lernen: Was sind die Voraussetzungen für einen Beurteilungsspielraum? Und wieso ist er hier zu verneinen?
Nach Art. 19 IV 1 GG obliegt die Letztentscheidung über die Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen grundsätzlich den Gerichten. Ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung – der eine nur eingeschränkte gerichtliche Kontrolle rechtfertigt – liegt nur ausnahmsweise vor und muss, erstens, „normativ angelegt sein“, also durch Gesetz oder Auslegung erkennbar eingeräumt werden. Darüber hinaus setzt ein solcher Spielraum voraus, dass „die Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Rechtsnorm so vage oder ihre fallbezogene Anwendung so schwierig [ist], dass die gerichtliche Kontrolle wegen der hohen Komplexität oder der besonderen Dynamik der geregelten Materie an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt.“ Hierfür „reicht [es] nicht aus, dass eine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines komplexen Sachverhalts zu treffen ist. Hinzukommen muss, dass die Gerichte die Aufgabe, die entscheidungsrelevanten tatsächlichen Umstände festzustellen und rechtlich zu bewerten, selbst dann nicht bewältigen können, wenn sie im gebotenen Umfang auf die Sachkunde der Verwaltung zurückgreifen oder sich auf andere Weise sachverständiger Hilfe bedienen.“[17]BVerwG, NVwZ 2014, 300, Rn. 25.

Diese Voraussetzungen sind bei der Bestimmung der gesundheitlichen Eignung von Beamtenanwärter*innen nicht erfüllt. Da der „Dienstherr die gesundheitliche Eignungsprognose auf der Grundlage einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu treffen“ hat, sind die Grundlage von Eignungsprüfungen medizinische Gutachten. Gutachten, die genauso gut auch durch Gerichte bewertet werden können: „Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Verwaltungsgerichte im Gegensatz zum Dienstherrn gehindert wären, sich auf dieser Grundlage ein eigenverantwortliches Urteil über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes und die Erfüllung der dienstlichen Anforderungen zu bilden.“[18]BVerwG, NVwZ 2014, 300, Rn. 28; so auch nun BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 19.

Zuletzt ist anzumerken, dass dem Dienstherrn demgegenüber bei der vergleichenden fachlichen Eignung, etwa bei der Gewichtung von Leistungsmerkmalen im Auswahlverfahren nach Art. 33 II GG, sehr wohl ein Beurteilungsspielraum zusteht.[19]BVerwG, NVwZ 2014, 300, Rn. 29.

Maßgeblich bleibt also stets, ob sich die der Merkmalnummer zugrunde liegende Risikoprognose im konkreten Einzelfall realisiert. Eine bloße Subsumtion unter ein pauschales Ausschlusskriterium genügt nicht.[20]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 30; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.03.2018 – OVG 4 B 19.14, Rn. 34.

Anmerkung: Welchen Sinn hat dann die PDV 300?
Auch wenn die PDV 300 nicht pauschal herangezogen werden kann, erfüllt sie dennoch eine wichtige Funktion „im Spannungsfeld zwischen Verfahrensökonomie (in Gestalt der Katalogisierung von grundsätzlich zur Polizeidienstuntauglichkeit führenden Gesundheitsbeeinträchtigungen) und Grundrechtsgewährleistung (in Gestalt der höchstrichterlich geforderten individuellen/einzelfallbezogenen Gesundheitsbetrachtung) der Bewerber“.[21]OVG Koblenz, BeckRS 2024, 1602, Rn. 49. Ganz im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens erleichtert sie in eindeutigen Fällen – in denen das Vorliegen eines Merkmals (anders als hier) von deutlich auftretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen begleitet wird – die Subsumtion unter die „gesundheitliche Eignung“, indem die Merkmalnummer der PDV 300 einen starken Hinweis darauf gibt, dass die Eignung auszuschließen sein wird.

Der Umstand, dass P unter Merkmalnummer 11.2.1 fällt, rechtfertigt daher keine automatische Feststellung der Polizeidienstuntauglichkeit, solange bei ihm keine funktionellen Einschränkungen vorliegen und seine uneingeschränkte Handlungs- und Steuerungsfähigkeit gegeben ist.

P ist daher gegenwärtig als gesundheitlich geeignet anzusehen.

bb) Künftig fehlende „gesundheitliche Eignung“ auf Grund der Prognose eines zu 35% erneut auftretenden Schlaganfalls?

Fraglich ist jedoch, wie damit umzugehen ist, dass P bis zum 60. Lebensjahr zu 35% einen erneuten Schlaganfall erleiden wird – was das Risiko beinhaltet, dass P vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden muss. Es ist daher zu untersuchen, ob und inwieweit bereits bei der Einstellung bekannte gesundheitliche Beeinträchtigungen einer*eines (gegenwärtig gesunden!) Bewerber*in zu berücksichtigen sind, die ggf. die künftige Amtstätigkeit beeinträchtigen könnten.

Ausgangspunkt der Überlegungen sind zwei hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 V GG. So begründet sich das Beamtenverhältnis in aller Regel auf Lebenszeit (Lebenszeitprinzip). Da es folglich auch im Ruhestand gilt, ist der Dienstherr zur lebenslangen Versorgung der Ruhestandsbeamt*innen verpflichtet (Alimentationsprinzip). Mit der Verpflichtung des Dienstherrn zur Alimentation seiner Ruhestandsbeamt*innen korrespondiert sein besonderes Interesse an einem ausgewogenen zeitlichen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit seiner Beamt*innen. Als Kehrseite des Alimentationsprinzips genießt dieses Interesse gleichermaßen einen verfassungsrechtlichen Stellenwert in Art. 33 V GG.[22]Zum Ganzen BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 22.

Aus diesem verfassungsrechtlich verankerten Interesse des Dienstherrn an einer angemessenen Lebensdienstzeit folgt, dass die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung von Beamtenanwärter*innen nicht nur auf den momentanen Zustand zu beschränken ist, sondern auch für die künftige Amtszeit zu erfolgen hat. Der Dienstherr darf daher im Einzelfall eine begründete Prognose anstellen, ob und wie lange die*der Anwärter*in der künftigen Amtstätigkeit gewachsen sein und eine hinreichende Lebensdienstzeit ableisten können wird.[23]Zum Ganzen BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 21. Fraglich ist jedoch, welcher Maßstab für die Prognoseentscheidung heranzuziehen ist.

Anmerkung: Gleicher Prognosemaßstab bei einer Verbeamtung auf Probe?
Zwar soll P vorliegend nur „auf Probe“ in das Beamtenverhältnis berufen werden. Die spätere Ernennung des P auf Lebenszeit wäre jedoch gem. § 10 S. 1 BeamtStG nur dann zulässig, wenn sich P auch gesundheitlich bewährt hat. Hierbei gilt: „War die Erkrankung eines Probebeamten bereits vor der Begründung dieses Beamtenverhältnisses bekannt, so darf der Dienstherr die gesundheitliche Eignung des Beamten bei der anstehenden Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nur dann im Hinblick auf diese Erkrankung verneinen, wenn sich die Grundlagen ihrer Bewertung inzwischen geändert haben. Bei unveränderter Sachlage ist der Dienstherr an seine Bewertung der gesundheitlichen Eignung vor Begründung des Probebeamtenverhältnisses gebunden.“[24]BVerwG, NVwZ 2014, 300, Rn. 15. Hieraus folgt, dass auch bei der Verbeamtung auf Probe die lebenslange Amtszeit die Grundlage der Bewertung darstellt.
(1) Eine Ansicht: Ausschluss künftiger dienstausschließender Erkrankungen „mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit“

Zunächst ließe sich argumentieren, dass die*der Bewerber*in bereits dann nicht gesundheitlich geeignet (d.h. ungeeignet) ist, „wenn die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.“[25]So die alte Rechtsprechungslinie des BVerwG, s. etwa BVerwG, NJW 1993, 2546.

Für diese Ansicht streitet eine besonders enge Auslegung des verfassungsrechtlich verankerten Interesses des Dienstherrn an einer angemessenen Lebensdienstzeit (Art. 33 V GG). Das Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit ist – angesichts des Risikos für den Staatshaushalt – von derart überragendem Interesse, dass bereits die geringste Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Dienst ausgeschlossen werden muss.

Bei P besteht das Risiko, dass er zu 35% einen erneuten Schlaganfall bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze erleiden wird. Hierbei ist nicht ausgeschlossen, dass er von diesem Schlaganfall bleibende gesundheitliche Beeinträchtigungen davontragen wird, die seiner weiteren Dienstfähigkeit entgegenstehen werden. Seine künftige Dienstunfähigkeit kann daher nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. P wäre nach dieser Ansicht folglich gesundheitlich ungeeignet.

(2) Andere Ansicht: Ausschluss künftiger dienstausschließender Erkrankungen „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“

Dieser sehr restriktiven Handhabung des Prognosemaßstabs ist jedoch entgegen zu halten, dass ein Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen eine besonders intensive Grundrechtseinschränkung darstellt; im Anwendungsbereich des Art. 12 I GG entspräche sie einer subjektiven Berufswahlschranke. Die Einschränkung der durch Art. 33 II GG geschützten Zugangsmöglichkeit zum Beamtenverhältnis muss daher grundrechtssensibler ausgestaltet sein.

Die für die Zukunft prognostizierte gesundheitliche Eignung einer*eines Bewerber*in darf daher nur dann verneint werden, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, [die*der Anwärter*in] werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt oder er werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zur Pensionierung über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen.“[26]So die neue Rechtsprechungslinie seit BVerwG, BeckRS 2014, 45916, Rn. 26.

Da eine „überwiegende“ Wahrscheinlichkeit jedenfalls mehr als eine „hälftige“ Wahrscheinlichkeit erfordert, liegt sie erst dann vor, wenn fachärztliche Gutachten zu dem Ergebnis gelangen, dass das betreffende Ereignis mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% eintreten wird.[27]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 25.

Das bei P mit 35% angenommene Risiko eines erneuten Schlaganfalls bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, der zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit führen könnte, reicht für die Annahme der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nach dieser Ansicht folglich nicht aus. Im Übrigen müsste ein erneuter Schlaganfall auch nicht zwangsläufig zu einer dauerhaften Einschränkung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit der*des Betroffenen führen.[28]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 39; OVG Koblenz, BeckRS 2024, 1602, Rn. 48. P wäre nach dieser Ansicht folglich gesundheitlich geeignet.

(3) Stellungnahme

Da beide Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist Stellung zu beziehen. Für letztere Ansicht sprich, dass sie die Unsicherheiten der Prognoseentscheidung grundrechtssensibler verteilt. Die Länge des Prognosezeitraum bei einer Verbeamtung auf Lebenszeit ist derart lang, dass die Prognose zwangsläufig erhebliche Unsicherheiten aufweisen wird. Diese Lasten einseitig auf die*den Bewerber*in zu verlagern – wie es die erste Ansicht tut – kann nicht überzeugen; mit dieser Ansicht wäre eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf Zugang zu einem öffentlichen Amt aus Art. 33 II GG verbunden.

Da also der letzteren Ansicht zu folgen ist, fällt die Prognoseentscheidung zu Gunsten des P aus. Er ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch künftig „gesundheitlich geeignet“.

cc) „Dritte Prüfungsstufe“ – Besonderheiten des Polizeivollzugsdienstes?

Zuletzt ließe sich jedoch darüber nachdenken, ob bei der Prüfung der Polizeidiensttauglichkeit nicht allein die Feststellung der Dienstfähigkeit auf Grundlage einer zweistufigen Beurteilung – aktueller Gesundheitszustand (1. Stufe) und prognostisch überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Dienstunfähigkeit (2.) – genügt, sondern eine dritte, polizeispezifische Stufe zu ergänzen ist. In anderen Worten: Ob also für Anwärter*innen auf den Polizeivollzugsdienst ein strengerer Maßstab anzulegen sein muss als für Anwärter*innen anderer Beamtenlaufbahnen.

(1) Eine Ansicht: Existenz einer dritten Prüfungsstufe

Für die Notwendigkeit einer solch dritten, polizeispezifischen, Prüfungsstufe ließe sich anführen, dass die ersten beiden Stufen den besonderen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes nicht hinreichend Rechnung tragen. Für Polizeibeamt*innen ist nämlich nicht nur entscheiden, ob sie aktuell gesund sind (1. Stufe) oder eine angemessene Lebensdienstzeit verrichten werden (2. Stufe).

Vielmehr kommt es bei Polizeibeamt*innen gerade darauf an, dass sie in Zukunft in allen Einsatzszenarien den besonderen Anforderungen des Polizeidienstes Rechnung tragen können. Denn anders als „normale“ Beamt*innen sind Polizeibeamt*innen mit körperlich belastenden und gefährlichen Situationen konfrontiert (z. B. Waffengebrauch, Einsatzfahrten, Festnahmen). Eine Herabsetzung oder Aufhebung der körperlichen Eignung in solchen Einsatzlagen kann für die Rechtspositionen von in speziellen Einsatzlagen beteiligten Personen (Art. 2 II 1 GG) eine erhebliche Gefahr darstellen. Ferner hat der Dienstherr auch eine besondere Fürsorge- und Schutzpflicht gegenüber der*dem Beamt*in selbst (Art. 33 V GG).[29]OVG Koblenz, BeckRS 2024, 1602, Rn. 49 f. 

Maßstab wäre nach dieser Ansicht sodann, dass ein „Bewerber für den Polizeivollzugsdienst […] vielmehr auch dann als polizeidienstuntauglich anzusehen [ist], wenn bei ihm das deutlich erhöhte Risiko für den Eintritt solcher Erkrankungen besteht, deren Auftreten in besonderen Einsatzlagen eine Gesundheitsgefahr für den Polizeivollzugsbeamten selbst oder für Dritte darstellen kann.[30]OVG Koblenz, BeckRS 2024, 1602, Rn. 49. Es muss sich hierbei „zum einen […] um solche Einschränkungen handeln, die zu einer spontanen Herabsetzung oder Aufhebung der körperlichen Eignung in Einsatzlagen führen können. Zum anderen muss das Risiko für den Eintritt einer solchen Einschränkung erheblich (deutlich) höher als in der Normalbevölkerung sein.“[31]OVG Koblenz, BeckRS 2024, 1602, Rn. 50.

P’s Risiko, in einer zu seiner Dienstlaufbahn gehörenden Einsatzsituation einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, ist signifikant erhöht. Das Risiko eines Schlaganfalls ist bei ihm gegenüber der Normalbevölkerung um das 380-fache erhöht. Sollte ein solcher Schlaganfall im Dienst auftreten, kann dieser mit einer spontanen Herabsetzung oder Aufhebung der körperlichen Eignung in Einsatzlagen durch plötzlichen Schwindel, Gangunsicherheit, Fallneigung, Sehstörungen, Stürze bis hin zur Bewusstlosigkeit einhergehen.[32]OVG Koblenz, BeckRS 2024, 1602, Rn. 51. In der Konsequenz wäre eine Gesundheitsgefahr für P selbst oder für Dritte nicht auszuschließen.

Dieser Ansicht zu Grunde gelegt ist P für den Polizeidienst gesundheitlich ungeeignet – bei ihm besteht das deutliche erhöhte Risiko eines in der Einsatzlage gefährlichen Schlaganfalls.

(2) Andere Ansicht: Keine Existenz einer dritten Prüfungsstufe

Dieser Ansicht kann jedoch entgegengehalten werden, dass eine solche „dritte Prüfungsstufe“ nicht überzeugt. Der Sache nach würde die Prüfung der „dritten Stufe“ nichts anderes tun, als wie zuvor in der zweiten Stufe eine Prognoseentscheidung zu treffen – nur eben mit einem anderen Maßstab (relativ statt absolut). Es gibt jedoch – die dort aufgezeigten – guten Gründe, eine Prognoseentscheidung äußerst restriktiv und grundrechtsschonend zu handhaben. Die überzeugenden Wertungsentscheidungen der dort gefundenen Ergebnisse nunmehr auf einer „dritten Stufe“ für den Polizeidienst zu unterlaufen, sei ohne eine explizite gesetzliche Grundlage nicht zu rechtfertigen. Eine derart weitreichende Ungleichbehandlung müsse seitens des Gesetzgebers vorgenommen werden.[33]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 31.

Ferner ist bereits der Maßstab des relativ zu betrachtenden „deutlich erhöhten Risikos“ derart unklar, dass er nicht mehr den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundes entspricht. „Angesichts des Umstands, dass bei gesundheitlicher Ungeeignetheit des Bewerbers dessen aus Art. 33 II GG folgender Bewerbungsverfahrensanspruch unmittelbar untergeht, reicht die bloße Angabe, dass die Wahrscheinlichkeit eines – erneuten – Auftretens des medizinisch relevanten Vorfalls, hier des Schlaganfalls, beim Bewerber gegenüber der Normalbevölkerung erhöht ist – hier die 380-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit –, nicht aus.“ Dieser Maßstab ist im Übrigen „auch nicht sachgerecht, weil aus der erhöhten Wahrscheinlichkeit gegenüber der Normalbevölkerung für sich genommen noch keine Rechtfertigung für die Versagung einer Einstellung folgt. Denn hieraus folgt nicht zwingend das tatsächliche Risiko eines Rezidivs, wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt.“[34]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Rn. 31 f.

Angesichts der fundamentalen Gegenargumente der zweiten Ansicht vermag sie mehr zu überzeugen. Der Prüfung der „gesundheitlichen Eignung“ wohnt mithin keine „dritte Stufe“ inne, die P entgegengehalten werden könnte.

2. Zwischenergebnis

P ist somit nach den beiden relevanten Prüfungsmaßstäben – derzeitige und prognostizierte gesundheitliche Eignung – geeignet i.S.v. Art. 33 II GG und § 9 BeamtStG. P erfüllt mithin die materiellen Anspruchsvoraussetzungen des § 16 V 1 LbVOPol RP.

IV. Rechtsfolge

Rechtsfolge von § 16 V 1 LbVOPol RP ist ein gebundener Anspruch („werden“) auf eine Berufung ins Beamtenverhältnis auf Probe.

C. Ergebnis

Die Verpflichtungsklage des P ist zulässig und begründet. Angesichts des gebundenen Anspruchs aus § 16 V 1 LbVOPol RP wird das Gericht ein Vornahmeurteil (§113 V 1 VwGO) zu Gunsten von P aussprechen.


Zusatzfragen

1. P ist mittlerweile verbeamtet und arbeitet glücklich im Polizeiaußendienst. Eines Tages teilt ihm seine zuständige Behördenleiterin mit, dass P auf Grund von Personalengpässen von nun an reinen „Papierkram“ am Schreibtisch absolvieren müsse. P ist empört und möchte gegen diese dienstliche Anordnung vor dem Verwaltungsgericht klagen. Welche Klage ist einschlägig?
Diese Frage bemisst sich anhand der Frage nach der Verwaltungsakts-Qualität von Anordnungen in Beamtenverhältnissen.

Bei Anordnungen im Rahmen von Beamtenverhältnissen muss nämlich strikt zwischen internen Weisungen und Verwaltungsakten unterschieden werden. Im Grundsatz ist hierbei danach zu unterscheiden, ob die*der Beamt*in in ihrer*seiner persönlichen oder organisatorischen Rechtsstellung betroffen ist. Für diese Unterscheidung haben sich in der Rechtsprechung drei Kategorien entwickelt.

Auf der einen Seite stehen bloße interne Weisung: Solche liegen vor, wenn die Weisung die*den Angewiesene*n „allein in [ihrer*]seiner Eigenschaft als Amtsträger und Glied der Verwaltung“ betrifft und nur „auf die Art und Weise der dienstlichen Verrichtung“ bezogen ist. Klassisches Beispiel ist die Weisung für die Reihenfolge der Aktenbearbeitung.

Demgegenüber steht der klassische Verwaltungsakt. Er ist immer dann anzunehmen, wenn die regelnde Maßnahme die*den Beamt*in als selbständige Rechtsperson adressiert; etwa bei der Anstellung, Entlassung oder Beförderung.

Schwieriger ist der Fall bei uneindeutigen Maßnahmen, wenn die die*den Beamt*in adressierende Maßnahme zwar keine Außenwirkung intendiert, sie die*den Beamt*in aber tatsächlich in ihrem*seinem Außenrechtsstatus tangiert. Zu denken ist hier etwa an bestimmte gewichtige Änderungen des konkreten Tätigkeitsbereichs von Beamt*innen innerhalb derselben Behörde. Während die frühere Rechtsprechung den Verwaltungsakt-Charakter schon bei einem „Umschlagen“ ins Außenverhältnis annahm, ist sie nunmehr restriktiver. Unter Akzentuierung des Wortlauts von § 35 VwVfG („auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet“) stellt sie mittlerweile allein die Intention des Dienstherrn in den Vordergrund. Für solche uneindeutigen Maßnahmen wird daher in der Regel die Verwaltungsakts-Qualität zu verneinen sein; einschlägig ist sodann die Leistungs- bzw. Feststellungsklage.[35]Zum Ganzen und m.w.N. Schoch/Schneider/Pietzcker/Marsch, 46. EL August 2024, VwGO § 42 Abs. 1 Rn. 48.

2. Welche hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gibt es und wozu dienen sie?
Art. 33 V GG sichert die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“, d.h. den „Kernbestand von Strukturprinzipien des Beamtentums“ – zum einen mittels einer Einrichtungsgarantie des Berufsbeamtentums, zum anderen durch einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber, diese Einrichtungsgarantie auszuformen (und auch „fortzuentwickeln“, sog. Fortentwicklungsauftrag).[36]Epping/Hillgruber/Hense, BeckOK GG, 61. Ed. 15.3.2025, Art. 33 GG Rn. 34.; ebenso Dürig/Herzog/Scholz/Badura, GG, 106. EL Oktober 2024, Art. 33 GG Rn. 65

Als „hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums“ sind anerkannt: Die hauptberufliche Beschäftigung auf Lebenszeit, das Alimentationsprinzip (d.h. insb. amtsentsprechende Besoldung und Versorgung), das Leistungsprinzip (Zugang – also Einstellung und Beförderung – zu Ämtern anhand der Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, Art. 33 II GG) und das Abstandsgebot (Abstufung der Bezüge der Beamt*innen entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter).[37]BVerfG, NVwZ 2019, 223, Rn. 26, 34; vgl. auch die umfangreiche Darstellung in Dürig/Herzog/Scholz/Badura, GG, 106. EL Oktober 2024, Art. 33 GG Rn. 66 ff.

Da gem. Art. 33 V GG nur der „Grundsatz“ „hergebracht“ sein muss, darf der entsprechende Grundsatz im Einzelfall durch Auslegung konkretisiert und an die veränderten Verhältnisse (in beschränktem Umfang) angepasst werden.[38]Dürig/Herzog/Scholz/Badura, GG, 106. EL Oktober 2024, Art. 33 GG Rn. 65 Die hergebrachten Grundsätze unterliegen dabei stets einer vollen verfassungsgerichtlichen Kontrolle; als grundrechtsgleiches Recht können sie von den einzelnen Beamt*innen mittels einer Verfassungsbeschwerde verfolgt werden.[39]Epping/Hillgruber/Hense, BeckOK GG, 61. Ed. 15.3.2025, Art. 33 GG Rn. 35.


Zusammenfassung

1. Ein*e Bewerber*in auf ein öffentliches Amt muss für das Amt „geeignet“ sein (Art. 33 II GG), was die gesundheitliche Eignung einschließt. Ein*e Polizeianwärterin muss hierfür dem Leitbild der „vollen Einsatzfähigkeit“ genügen, d.h. allumfassend Polizeiaufgaben wahrnehmen können, etwa im Außendienst. Den Merkmalnummern der Polizeidienstvorschrift PDV 300 kommt hierbei – als interne Verwaltungsvorschrift – keine pauschale Gewichtung zu. Maßgeblich ist, ob sich die der Merkmalnummer zugrunde liegende Risikoprognose im konkreten Einzelfall realisiert. („Erste Stufe“)

2. Bei einer*m Bewerber*in, die*der gegenwärtig voll polizeidienstfähig ist, kann die gesundheitliche Eignung aber auch dann verneint werden, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (d.h. mehr als 50%) vom Eintritt der Polizeidienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist. („Zweite Stufe“)

3. Für die Beurteilung der Frage, ob aktuell gesundheitlich geeignete Bewerber*innen voraussichtlich wegen einer Vorerkrankung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze polizeidienstunfähig werden, ist kein anderer Prognosemaßstab anzuwenden als bei Bewerber*innen für den allgemeinen Verwaltungsdienst.[40]BVerwG, BeckRS 2025, 1629, Leitsatz 1. (Keine „dritte Stufe“)

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