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PayPal
BGH, Urteil vom 22.11.2017 – VIII ZR 83/16 – BGH NJW 2018, 537

Sachverhalt

V bot im August 2014 auf eBay ein Mobiltelefon zur Versteigerung an. K gab das Höchstgebot von 617 Euro nebst Versandkosten ab und vereinbarte mit V einen unversicherten Päckchenversand. Der Kaufpreis sollte über den Online-Zahlungsdienst PayPal entrichtet werden. Dabei schreibt PayPal dem virtuellen PayPal-Konto des Verkäufers E-Geld gut und belastet die vom Käufer angegebene Zahlungsquelle. Ab dem Zeitpunkt der Gutschrift kann der Verkäufer über das Guthaben verfügen, indem er es etwa auf sein bei PayPal hinterlegtes Bankkonto abbuchen lässt oder seinerseits für Zahlungen mittels PayPal verwendet. Für die Geschäftsbeziehung zu PayPal akzeptierten V und K die Geltung der von PayPal formularmäßig verwendeten Nutzungsbedingungen sowie der so genannten PayPal-Käuferschutz-RL und der PayPal-Verkäuferschutz-RL. Die PayPal-Käuferschutz-RL bestimmt in der hier maßgeblichen Fassung unter anderem:

1. Allgemeines. Der PayPal-Käuferschutz schützt den Käufer, falls ein gekaufter Artikel nicht versandt wurde oder der gelieferte Artikel erheblich von der Artikelbeschreibung des Verkäufers abweicht, s. hierzu Nr. 4. […]

2. Auszahlung. Wenn ein Antrag auf PayPal-Käuferschutz erfolgreich ist, erstattet PayPal Ihnen den geleisteten Betrag inklusive Versandkosten. […] Die Auszahlung erfolgt unabhängig davon, ob PayPal den Erstattungsbetrag von dem Zahlungsempfänger zurückfordern kann. […]

4. Welche Fälle sind abgesichert? Der Käufer hat PayPal-Käuferschutz in den folgenden Fällen:

4.1. Der Artikel wurde bei einem vereinbarten Versand durch den Verkäufer nicht versendet […]. Der PayPal-Käuferschutz wegen nicht versandter Artikel gilt nicht für Artikel, die während des Versands verloren gehen. Falls der Verkäufer in der geschuldeten Weise einen gültigen Versandbeleg […] oder ein entsprechendes, zwischen Verkäufer und PayPal vereinbartes Äquivalent vorlegt, welches Versand beziehungsweise Empfang nachweist, so lehnt PayPal den Antrag auf PayPal-Käuferschutz ab.

4.5. Die Entscheidung über den Antrag auf PayPal-Käuferschutz ist endgültig. Der Rechtsweg gegenüber PayPal wegen dieser Entscheidung ist ausgeschlossen. […]

6.2. Verfügbarkeit des PayPal-Käuferschutzes. PayPal behält sich das Recht vor, jederzeit im eigenen Ermessen und ohne Angabe von Gründen den PayPal-Käuferschutz zu ändern oder zu streichen. […]

6.5. Gesetzliche Rechte und Rechte unter Ihrem Kaufvertrag. Die PayPal-Käuferschutz-RL berührt die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht und ist separat von diesen zu betrachten. PayPal tritt nicht als Vertreter von Käufer, Verkäufer oder Zahlungsempfänger auf. PayPal entscheidet lediglich über den Antrag auf PayPal-Käuferschutz. […]

Der Kaufpreis wurde dem PayPal-Konto des V auf Veranlassung der K gutgeschrieben, woraufhin er das Mobiltelefon in einem Päckchen an K versandte. Die K behauptete, es nicht erhalten zu haben, und machte bei PayPal erfolgreich Käuferschutz geltend. Der Kaufpreis wurde dem PayPal-Konto des V wieder belastet und K gutgeschrieben. V nimmt K auf Zahlung des Kaufpreises von 617 Euro in Anspruch.

Zu Recht?


Skizze


Gutachten

Anspruch aus § 433 II BGB

K könnte einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises von 617 Euro aus § 433 Abs. 2 BGB haben.

A. Anspruch entstanden

Der Anspruch müsste zunächst entstanden sein.

I. Kaufvertragschluss, § 433 BGB

Dazu müssten K und V einen Kaufvertrag gem. § 433 BGB geschlossen haben. Hier bot V das Handy auf der online-Plattform eBay zur Versteigerung an. Fraglich ist, wie es in diesem Fall zu einem Vertragsschluss kommt.

1. Versteigerung, § 156 BGB

Ein Vertragsschluss könnte im Rahmen einer Versteigerung gem. § 156 BGB zustande gekommen sein. Dies erfordert den Zuschlag durch einen Auktionator. Allerdings wird im Falle der Auktionsplattform eBay gerade kein Zuschlag durch einen Auktionator gegeben, sondern vielmehr kommt der Vertragsschluss unmittelbar durch das Höchstgebot des Meistbietenden innerhalb der Bieterfrist zustande. [1]BGH NJW 2005, 53NJW 2017, 468; Rüthers/Stadler, BGB AT, 19. Auflage 2017, § 19 Rn. 5b. Der Ablauf der Bieterfrist alleine kann den Zuschlag durch einen Auktionator i.S.d. § 156 BGB nicht ersetzen. [2]BGH NJW 2005, 53; Busche, in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2018, § 156  Rn. 3.

2. Einigung i.S.d. §§ 145 ff. BGB

Ein Kaufvertrag könnte jedoch im Wege einer Einigung i.S.d. §§ 145 ff BGB zustande gekommen sein. Dies erfordert zwei inhaltlich übereinstimmende und aufeinander bezogene Willenserklärungen i.S.d. §§ 145ff. BGB, namentlich Angebot und Annahme. [3]Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 44. Auflage 2020, § 1 Rn. 2.

Das Einstellen des Verkaufsgegenstandes könnte eine antizipierte Annahme des späteren Höchstgebots darstellen. Das Höchstgebot wäre in diesem Fall das Angebot. [4]BGH MMR 2002, 95. Teilweise wird jedoch in dem Inserat auch ein verbindliches Angebot zu einem Vertragsschluss an denjenigen angenommen, der im Zeitpunkt des Ablaufs das höchste Gebot abgegeben hat. [5]BGH MMR 2011, 653. Die genaue Einordnung kann hier jedoch dahinstehen, da jedenfalls zwei wirksame Willenserklärungen von V und K vorliegen.

Anmerkung: Vertragsschluss bei eBay
Siehe für eine detailliertere Auseinandersetzung in unseren Beitrag „Abbruch- oder Schnäppchenjäger“. Es ist entscheidend in Examensklausuren zu erkennen, wann unterschiedliche Ansichten zu gleichen Ergebnis kommen und ein Streitentscheid daher entbehrlich ist.

II. Wirksamkeit des Kaufvertrages

Der Kaufvertrag ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch wirksam.

III.    Zwischenergebnis

Somit ist der Anspruch entstanden.

B. Anspruch nicht untergegangen

Der Anspruch dürfte aber auch nicht untergegangen sein..

I. durch Erfüllung

Der Anspruch könnte durch Erfüllung untergegangen sein. Teilweise wird angenommen, dass es sich bei der Tilgung einer Geldschuld via PayPal unmittelbar um die Bewirkung der geschuldeten Leistung (§ 362 I BGB) handelt. [6]Omlor, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2016, Vorb. zu §§ 244-248 Rn. B 100. Andere nehmen eine Leistung erfüllungshalber gem. § 364 II BGB an, da das Leistungsinteresse des Gläubigers nicht durch die bloße Übermittlung elektronischer Werteinheiten, sondern erst mit der vorbehaltlosen Gutschrift auf seinem virtuellen Konto eintritt. [7]Grüneberg, in: Palandt BGB, 76. Aufl., § 362 Rn. 12; Stürner, in: Jauernig BGB, 16. Aufl., §§ 364, 365 Rn. 9.

Eine Entscheidung könnte hier dahinstehen, wenn der geschuldete Betrag dem PayPal-Konto des V vorbehaltlos gutgeschrieben wurde, so dass dieser den Zahlbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält. [8]BGH NJW 2018, 357 Rn. 19. In diesem Fall wäre nämlich nach beiden Ansichten die Erfüllungswirkung eingetreten. Hier sind 617 Euro dem PayPal Konto des V gutgeschrieben worden. Ab diesem Zeitpunkt kann V über das Guthaben verfügen, indem er es auf sein Bankkonto abbucht oder seinerseits via PayPal Zahlungen tätigt. Die tatsächlich erfolgte Buchung auf das Bankkonto des Gläubigers kann dabei für die Erfüllungswirkung nicht maßgeblich sein. [9]BGH NJW 2018, 537 Rn. 20. V und K haben eine Zahlung via PayPal vereinbart. Die Überweisung auf das Bankkonto des V gehört nicht mehr zum Pflichtenkreis der K. Andernfalls hätte es V als Zahlungsempfänger in der Hand die Erfüllungswirkung nach Belieben zu verzögern. [10]BGH NJW 2018, 537, Rn. 20.

Jedoch könnte das Risiko einer späteren Rückbuchung infolge eines erfolgreichen PayPal-Käuferschutzantrages der Vorbehaltlosigkeit der Gutschrift im Wege stehen. Allerdings kann allein aus diesem Grund nicht angenommen werden, dass nach dem Willen von V und K der Leistungserfolg erst nach Ablauf dieser Schwebephase eintreten soll. Dies würde dem Umstand nicht gerecht, dass Zahlungen via PayPal – ähnlich wie bei einer Zahlung per Kreditkarte oder Lastschrift – in der Regel Bestand haben und eine Rückbuchung die Ausnahme darstellt. [11]BGH NJW 2018, 537 Rn. 21; vgl. BGH NJW 2010, 3510 Rn. 24.

Somit ist der Anspruch des V auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB durch Erfüllung untergegangen.

II. rückwirkender Entfall der Erfüllung

Die Erfüllungswirkung könnte jedoch rückwirkend entfallen sein, indem PayPal den Betrag von 617 Euro aufgrund des erfolgreichen Käuferschutzantrages der K zurückgebucht und ihrem PayPal-Konto wieder gutgeschrieben hat. V und K könnten durch die Zustimmung zur PayPal-Käuferschutzrichtlinie für diesen Fall eine auflösende Bedingung gem. §§ 158 II, 159 BGB hinsichtlich der Erfüllungswirkung vereinbart haben.

Hiergegen spricht jedoch, dass bei einer auflösenden Bedingung bzw. dem Vorbehalt der Rückforderung bereits schon gar keine Erfüllung eintreten kann. Eine Erfüllung hat, wie oben gezeigt, vorbehaltlos zu erfolgen. Sie kann nicht nur vorläufig eintreten, sondern ist vielmehr i.d.R. die objektive Folge der Leistungsbewirkung. [12]BGH NJW 2018, 537 Rn. 23; Fetzer, in: MüKo BGB, § 362 Rn. 25a.

Vernetztes Lernen: Welche Rechtsnatur hat die Erfüllung?
Nach der Vertragstheorie ist neben dem Bewirken der Leistung ein subjektives Element i.S.e. Einigung notwendig. Kritik: Der Wortlaut des § 362 I BGB spricht allein von einem Bewirken, nicht von einer Einigung.
Nach der Theorie der finalen Leistungsbewirkung reicht eine Tilgungsbestimmung des Leistenden als subjektives Element aus. Kritik: Aus § 366 II BGB lässt sich schließen, dass eine Erfüllung auch ohne Zweck- bzw. Tilgungsbestimmung des Leistenden eintritt.
Nach der Theorie der realen Leistungsbewirkung (h.M.) genügt das tatsächliche Bewirken ohne subjektive Anforderungen. Problem: An den Minderjährigen könnte erfüllt werden, obwohl dadurch Ansprüche untergehen und deshalb ein rechtlicher Nachteil entsteht. Gelöst wird dies über das Kriterium der „Empfangszuständigkeit“, welche dem Minderjährigen fehlt. Eine Eigentumsübertragung gelingt hingegen, da sie rechtlich vorteilhaft ist. Der Leistende ist auf eine Leistungskondiktion mit dem Risiko der Entreicherung verwiesen.

Für die Annahme einer auflösenden Bedingung könnte hingegen ein Vergleich zur Zahlung im Wege des SEPA-Basis-Lastschriftverfahrens sprechen. Dort kann die entsprechende Erfüllungsvereinbarung nach § 364 I BGB unter der auflösenden Bedingung eines Erstattungsverlangens des Zahlers gem. § 675x II BGB stehen. [13]BGH NJW 2010, 3510. Fraglich ist, ob sich dies auf den vorliegenden Fall übertragen lässt. Hierbei ist zu beachten, dass der Zahler nach §675x IV BGB innerhalb von acht Wochen nach der Belastungsbuchung von seiner Bank ohne Angabe von Gründen die Erstattung des Zahlbetrages verlangen kann. [14]BGH NJW 2010, 3510. Demgegenüber hat der Käufer bei einer Zahlung via PayPal nicht das Recht, diese von sich aus rückgängig zu machen. Wie sich insbesondere aus Nr. 4.5. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie ergibt, ist allein PayPal die Befugnis eingeräumt, darüber zu entscheiden, ob der Kaufpreis erstattet wird oder nicht. Zudem erfolgt die Entscheidung über die Rückbuchung des Kaufpreises nicht wie beim SEPA-Basis-Lastschriftverfahren im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer. Vielmehr beruht sie jeweils auf den gesonderten Rechtsbeziehungen zwischen PayPal und dem Käufer einerseits sowie PayPal und dem Verkäufer andererseits. [15]BGH NJW 2018, 537 Rn. 27. Dies zeigt sich dadurch, dass Nr. 2 II der PayPal-Käuferschutzrichtlinie bestimmt, dass die Erstattung des Zahlbetrages unabhängig davon ist, ob PayPal den Betrag von Zahlungsempfänger zurückverlangen kann. Daher lässt sich die Erwägung aus dem SEPA-Basis-Lastschriftverfahren nicht auf eine Zahlung via PayPal übertragen.

Somit ist die Erfüllungswirkung der Zahlung der K i.H.v. 617 Euro nicht rückwirkend entfallen.

III. Neubegründung der Zahlungspflicht, § 311 I BGB

Die Parteien könnten jedoch stillschweigend eine Vereinbarung gem. § 311 I BGB mit dem Inhalt geschlossen haben, dass die getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal Konto des V nach einem erfolgreichen PayPal-Käuferschutzantrag rückbelastet wird.

Dass eine solche Vereinbarung grundsätzlich möglich ist, ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Privatautonomie. Die Parteien sind frei darin, das Wiederaufleben der ursprünglichen Schuld zu vereinbaren und dies auch bereits bei Vertragsschluss. [16]BGH NJW 2018, 537 Rn. 29; Fetzer, in: MüKo BGB, § 362 Rn. 25a.

Ob V und K im konkreten Fall eine solche Vereinbarung getroffen haben, ist durch eine Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Willenserklärungen von V und K müssten dahingehend auszulegen sein, dass im Fall eines Antrags auf Käuferschutz die gesetzlichen und vertraglichen Rechte beider Parteien – insb. die Verpflichtung der K zur Kaufpreiszahlung – unabhängig von der Entscheidung über die Gewährung von Käuferschutz Bestand haben sollten.

1. PayPal-Käuferschutzrichtlinie

In diese Auslegung sind auch die von beiden Parteien akzeptierten AGB von PayPal, insb. die PayPal-Käuferschutzrichtlinie einzubeziehen. [17]vgl. BGH NJW 2018, 468 Rn. 19; siehe auch unser Gutachten zum Fall „Abbruch- oder Schnäppchenjäger“

a) Punkt 6.5

Für eine Auslegung i.S.d. Neubegründung der Zahlungspflicht spricht zunächst die Formulierung in Punkt 6.5 Satz 1 der PayPal-Käuferschutzrichtlinie, wonach diese Richtlinie die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht berührt und separat von diesen zu betrachten ist. Hinzu kommt Punkt 6.5. Satz 3, wonach PayPal lediglich über den Antrag auf PayPal-Käuferschutz entscheidet. Daraus folgt, dass die Rechte der Kaufvertragsparteien unabhängig von der Entscheidung über den Antrag auf PayPal –Käuferschutz zu beurteilen sind.

b) Punkt 6.2.

Die Wiederbegründung der Kaufpreisforderung könnte jedoch eine, durch den PayPal-Käuferschutz entstandene, berechtigte Erwartung der K beeinträchtigen. K könnte als Käuferin berechtigterweise davon ausgegangen sein, dass sie nach erfolgreichem PayPal-Käuferschutz nicht erneut aus dem Kaufvertrag in Anspruch genommen werden kann. Hiergegen spricht jedoch Punkt 6.2. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie, wonach sich PayPal vorbehält, „jederzeit im eigenen Ermessen und ohne Angabe von Gründen den PayPal-Käuferschutz zu ändern oder zu streichen“. Hieraus ergeben sich für K bereits derartig große Unwägbarkeiten, dass es nicht sachgemäß wäre, eine Verfolgung der ggf. bestehenden Ansprüche durch die Gewährung von PayPal-Käuferschutz auszuschließen. [18]BGH NJW 2018, 537 Rn. 36.

c) Punkt 4.1 Satz 2

Des Weiteren spricht für eine solche Auslegung, dass PayPal für den Käuferschutzantrag lediglich einen eingeschränkten Prüfungsmaßstab anlegt. Nach Punkt 4.1. Satz 2 der PayPal-Käuferschutzrichtlinie hängt der Erfolg eines Antrags bei einem – wie hier – nicht versandten Artikel maßgeblich davon, ob der Verkäufer einen Versandbeleg vorlegen kann. In einem staatlichen Gerichtsverfahren könnte V als Verkäufer den Nachweis des Versandes jedoch auch auf andere Weise erbringen, etwa durch Zeugenbeweis. Ebenfalls ist denkbar, dass diese Tatsache in einem Rechtsstreit nicht beweisbedürftig ist, etwa, wenn sie unstreitig ist oder wird. Es wäre nicht sachgerecht, wenn V seinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung aufgrund eines fehlenden Versandbelegs verlieren sollte, obwohl er den Versand anders nachweisen könnte oder ein Nachweis vor Gericht gar entbehrlich wäre. [19]BGH NJW 2018, 537 Rn. 37f.

d) Punkt 4.5.

Ferner bestimmt Punkt 4.5. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie, dass die Entscheidung über den Käuferschutz endgültig ist und der Rechtsweg gegenüber PayPal diesbezüglich ausgeschlossen ist. Dies unterstreicht das Anliegen von PayPal, selbst nicht Partei eines Rechtsstreits über Leistungsstörungen zu werden, sondern dies den Kaufvertragsparteien zu überlassen. Dies ist auch sachgerecht. Streitigkeiten über Leistungsstörungen sollten abschließend im Verhältnis von Käufer und Verkäufer geregelt werden. [20]BGH NJW 2018, 537 Rn. 45f.

Anmerkung: Unwirksamkeit AGB
Dieser vollständige Rechtswegausschluss dürfte, so der BGH, in AGB nach § 307 I BGB unwirksam sein. Die Klausel würde aber nur im Verhältnis einer Kaufvertragspartei gegenüber PayPal auswirken. Für das hier zu prüfende Verhältnis von V und K ist sie unerheblich, kann aber zur Auslegung herangezogen werden.

2. Kein Entfall „Käuferschutzes“

Gegen die Wiederbegründung des Zahlungsanspruches könnte sprechen, dass der von den Parteien durch die Vereinbarung einer Zahlung via PayPal zumindest auch bezweckte Käuferschutz vollständig untergraben würde. Jedoch erhält die zunächst in Vorleistung getretene K ihre Zahlung ohne gerichtliche Prüfung eines Rückgewähranspruches zurück. Die Prozessführungslast trägt sodann wieder V als Verkäufer. Dies stellt weiterhin einen erheblichen Vorteil für die Käuferin dar. [21]BGH NJW 2018, 537 Rn 40f.

3. Käufer bei Versandfehler nicht rechtlos gestellt

Der Käufer wäre im Falle einer Wiederbegründung der Zahlungspflicht gegenüber dem Verkäufer und dessen Verlangen nach Kaufpreiszahlung bei einem wie hier vorliegenden Versandfehler auch nicht vollständig rechtlos gestellt. Gem. § 475 II BGB trägt der Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf entgegen der Grundregel des § 447 I BGB grundsätzlich die Versendungsgefahr. Außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs könnte der Käufer ggf. gem. § 285 BGB Abtretung der Ansprüche des Verkäufers gegen das Versandunternehmen verlangen.

4. Zwischenergebnis

Somit ergibt eine Auslegung der Willenserklärungen von V und K, dass sie eine Vereinbarung gem. § 311 I BGB geschlossen haben, nach der getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal Konto des V nach einem erfolgreichen PayPal-Käuferschutzantrag rückbelastet wird. Dieser Fall ist hier eingetreten, dass die Pflicht der K zur Zahlung des Kaufpreises von 617 Euro wiederbegründet wurde.

IV. Wegfall der Gegenleistungspflicht gem. § 326 I 1 BGB

Die Gegenleistungspflicht der K könnte gem. § 326 I 1 BGB untergegangen sein. Das Handy ist auf dem Transportweg verloren gegangen und die Leistungspflicht des V damit gem. § 275 I BGB unmöglich geworden. Allerdings greift hier die kaufrechtliche Sondervorschrift des § 447 I BGB. Mit zuvor vereinbarten Übergabe des Mobiltelefons an das Versandunternehmen durch V ist die Gegenleistungsgefahr auf K übergegangen, sodass diese ab diesem Zeitpunkt das Risiko des zufälligen Untergangs der Sache trägt. Die Anwendbarkeit des § 447 I BGB ist mangels Vorliegens eines Verbrauchsgüterkaufs gem. § 474 I BGB auch nicht gem. § 475 II BGB eingeschränkt. Somit ist der Anspruch des V nicht gem. § 326 I 1 BGB untergegangen.

V. Zwischenergebnis

Somit ist der Anspruch des V auf Kaufpreiszahlung nicht untergegangen.

C. Anspruch durchsetzbar

Der Anspruch ist auch durchsetzbar.

D. Ergebnis

Somit hat V gegen K einen Anspruch auf Zahlung von 617 Euro aus § 433 II BGB.

Zusatzfragen

Die Käuferin des Mobiltelefons war die K-GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), die ein Ladenlokal betreibt. Sie wurde beim Kauf ordnungsgemäß von ihren beiden geschäftsführenden Gesellschaftern vertreten. V verlangt die Zahlung des Kaufpreises von der K-GbR.
V könnte einen Anspruch aus § 433 II auf Zahlung von 617 Euro gegen die K-GbR haben. Dazu müsste die K-GbR jedoch ein haftungsfähiges Rechtssubjekt sein. Diese Frage ist umstritten. Nach individualistischen Theorie ist die GbR nicht rechtsfähig, da in den §§ 705ff. BGB keine dem § 124 I HGB vergleichbare Regelung vorhanden ist. Die kollektivistische Theorie bzw. Gruppenlehre sieht hingegen jedenfalls die Außen-GbR (nach außen hin tätig) als rechtsfähig analog § 124 I HGB an. Hierfür spricht insb. der Grundsatz der Identität der Personengesellschaften. Ändert sich der Gesellschaftsgegenstand in einen solchen, der ein Handelsgewerbe im Sinne des § 105 HGB darstellt, wird die GbR automatisch zur oHG. Unterschiede hinsichtlich der Rechtsfähigkeit dieser beiden Personengesellschaftsformen würden aus diesem Grund zu erheblichen Schwierigkeiten im Rechtsverkehr führen. Des Weiteren hat der Gesetzgeber mittlerweile in einer Vielzahl von Normen die GbR selbst als Träger von Rechten und Pflichten benannt, so etwa in § 899a BGB oder in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO. Daher ist der kollektivistischen Theorie zu folgen und die K-GbR daher ein haftungsfähiges Rechtssubjekt. [22]vgl. zur Diskussion die Darstellung von Schäfer, in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2020, BGB § 705 Rn. 304ff.
Als solches hat die K-GbR auch einen wirksamen Kaufvertrag gem. § 433 II geschossen. Sie wurde hierbei gem. §§ 714, 709 I BGB im Wege der Gesamtvertretung von ihren beiden Gesellschaftern wirksam vertreten.
Im Übrigen entspricht die Lösung der des Ausgangsfalls. V hat somit gegen die K-GbR einen Anspruch aus § 433 II BGB.
Wie in der ersten Zusatzfrage, nur verlangt V nunmehr Zahlung von den beiden Gesellschaftern A und B der K-GbR.
Hinsichtlich dieses Anspruchs ist innerhalb der kollektivistischen Theorie der Herleitung der Haftung der Gesellschafter der GbR umstritten.
Nach der Doppelverpflichtungslehre bestehe ein eigener vertraglicher Anspruch gegen den jeweiligen Gesellschafter. Der handelnde Gesellschafter habe nämlich bei Vertragsschluss eine „dreigespaltene Willenserklärung“ abgegeben (eine für sich selbst, eine für die Gesellschaft und eine für die anderen Gesellschafter). [23]Habersack, JuS 1993, 1, 2 ff.
Nach der Akzessorietätstheorie wird hingegen nur die GbR selbst Vertragspartei. Die Gesellschafter haften jedoch für die Gesellschaftsverbindlichkeiten akzessorisch analog § 128 HGB mit. [24]Schäfer, in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2020, BGB § 714 Rn. 6.
Im Ergebnis besteht daher nach beiden Ansichten ein Anspruch gegen A und B, entweder direkt aus § 433 II BGB oder akzessorisch aus § 433 II BGB i.V.m. § 128 HGB analog. Zu einem unterschiedlichen Ergebnis gelangt man hingegen bei gesetzlichen Verbindlichkeiten, etwa aus dem Deliktsrecht. In diesem Fällen scheitert die Doppelverpflichtungslehre. Sie ist dort als zu gekünstelte Konstruktion abzulehnen.

Zusammenfassung:
1. Wird der Kaufpreis vereinbarungsgemäß unter Verwendung des Online-Zahlungsdienstes PayPal entrichtet, ist die geschuldete Leistung bewirkt, wenn der vom Käufer geschuldete Betrag dem PayPal-Konto des Verkäufers vorbehaltlos gutgeschrieben wird, so dass dieser den Zahlbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält.
2. Der Erklärungsgehalt der Vereinbarung, den Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, richtet sich neben den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB grundsätzlich nach den Bestimmungen der von PayPal verwendeten AGB (u.a. PayPal-Käuferschutz-RL).
3. Wird der Kaufpreis vereinbarungsgemäß unter Verwendung des Zahlungsdienstes PayPal entrichtet, vereinbaren die Kaufvertragsparteien – bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte – zugleich stillschweigend, dass die zunächst erfüllte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Käuferschutzantrag rückbelastet und der Kaufpreis dem PayPal-Konto des Käufers wieder gutgeschrieben wird.


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