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K.O. Tropfen im Drink

BGH, Beschluss vom 08.10.2024 – 5 StR 382/24NJW 2024, 3735

Sachverhalt

A und B trafen sich abends mit dem Verlobten (V) der A. Alle tranken gemeinsam Alkohol. Im Laufe des Abends entschloss sich V, der bereits stark angetrunken war, den Freundinnen A und B heimlich K.O. Tropfen (GammaButyrolacton) zu verabreichen. Er wollte die Frauen dadurch enthemmen, um dann mit ihnen sexuell zu verkehren.

Dafür gab er die K.O. Tropfen mittels einer Pipette in ein alkoholisches Getränk, das er dann der A gab. Diese trank es nichtsahnend aus. Dasselbe Getränk mit K.O. Tropfen bot der V der B an, die es ebenfalls trank. 

Dabei erkannte er und nahm es billigend in Kauf, dass die Frauen in einen Bewusstseinszustand bis zur Bewusstlosigkeit versetzt werden könnten, und infolgedessen sich gegen sexuelle Handlungen nicht würden wehren können. Ihm war außerdem bewusst, dass die Verabreichung der Tropfen, insbesondere in Verbindung mit Alkohol, erhebliche gesundheitliche bis hin zu tödlichen Risiken in sich barg. 

Die K.O. Tropfen zeigten sowohl bei A als auch bei B die gewünschte Wirkung. Ob es zu sexuellen Übergriffen seitens des V gekommen ist, konnte nicht festgestellt werden. Jedoch führte die Wirkung der K.O. Tropfen bei beiden Opfern zur Bewusstlosigkeit. Sie wurden im Garten des Wohnhauses auf der Erde liegend, schlafend, nicht ansprechbar und nur mit einem durchnässten Bademantel bekleidet gefunden. 

Aufgrund der starken Bewusstseinseintrübung und der Übelkeit bestand das Risiko des Erstickens durch Bewusstlosigkeit sowie infolge Erbrechens. 

Hat sich V wegen einer gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht?

Anmerkung zum Sachverhalt: 

Das Urteil befasst sich ursprünglich mit der gezielten Durchführung sexueller Handlungen, die der Täter durch das Herbeiführen einer starken Bewusstseinseintrübung der beiden Opfer ermöglichte. Da ihm dies gelang, kam eine Strafbarkeit nach § 177 StGB in Betracht. Da diese Vorschrift für Examenszwecke nicht relevant ist, wurde der Sachverhalt angepasst. Das zentrale Problem des Falls lässt sich jedoch gut in die hier zu prüfende Norm integrieren.


Skizze


Gutachten

Gutachten

Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung

V könnte sich wegen einer gefährlichen Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5 StGB strafbar gemacht haben, indem er der A und der B K.O. Tropfen mit einem alkoholischen Getränk vermischte, welches sie tranken.

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1) Grundtatbestand
a) Körperliche Misshandlung

Dafür müsste der V die A und die B körperlich misshandelt haben. Eine körperliche Misshandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, die das Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Dass V den beiden Frauen die Getränke mit den K.O. Tropfen gab und diese die Getränke austranken, stellt eine unangemessene Behandlung dar. Denn durch die Wirkung der K.O. Tropfen wurden die beiden Frauen nicht nur unerheblich in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt, als sie bewusstlos wurden. 

Eine körperliche Misshandlung durch den V liegt somit vor. 

b) Gesundheitsschädigung

Weiter könnte eine Gesundheitsschädigung vorliegen. Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder das Steigern eines pathologischen – d.h. krankhaften – Zustandes. A und B waren bewusstlos. Die durch die Gabe der K.O. Tropfen hervorgerufene Bewusstlosigkeit ist das Hervorrufen eines pathologischen – also von Normalzustand abweichender – Zustand. Mithin liegt eine Gesundheitsschädigung vor.

c) Kausalität

Der Taterfolg müsste kausal auf die Handlung des V zurückzuführen sein. Kausalität liegt gemäß der conditio-sine-qua-non-Formel immer dann vor, wenn eine Handlung nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass der tatbestandsmäßige Erfolg in seiner konkreten Form entfiele. 

Hätte der V die K.O. Tropfen nicht in die Getränke von A und B gemischt, wäre es zu keiner Bewusstlosigkeit von A und B gekommen. Die Handlung des V kann also nicht hinweggedacht werden, ohne dass der konkrete Erfolg – die Bewusstlosigkeit – nicht eingetreten wäre. Somit ist die Handlung des V kausal für die Gesundheitsschädigung und körperliche Misshandlung.

d) Objektive Zurechnung 

Des Weiteren müsste der Erfolg dem V objektiv zurechenbar sein. Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn durch das Verhalten des Täters eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen wurde und sich genau diese Gefahr im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.

Durch die Verabreichung der K.O. Tropfen hat V die rechtlich missbilligte Gefahr des Bewusstseinszustands oder gar der Bewusstlosigkeit für die beiden Frauen geschaffen. Diese Gefahr hat sich konkret im tatbestandsmäßigen Erfolg der Bewusstlosigkeit realisiert. 

Anmerkung: Zurechnungsunterbrechung

Es findet auch keine Zurechnungsunterbrechung statt, da die beiden Frauen selbst die Getränke nahmen und sie austranken. In Betracht käme allenfalls die eigenverantwortliche Selbstgefährdung. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich die Geschädigte in Kenntnis der Gefahr aussetzt. Dies ist hier nicht der Fall. Weder A noch B wussten davon oder mussten damit rechnen, dass V das Getränk mit K.O. Tropfen versetzt.

Mithin ist der Erfolg dem V objektiv zurechenbar.

2) Qualifikation 
a) § 224 I Nr. 1 StGB

Möglicherweise hat V die Körperverletzung durch Beibringung von Gift oder einem anderen gefährlichen Stoff begangen. 

Gift ist jeder (organische oder anorganische) Stoff, der unter bestimmten Bedingungen durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung nach seiner Art und der vom Täter eingesetzten Menge generell geeignet ist, ernsthafte gesundheitliche Schäden zu verursachen. Andere gesundheitsschädlicher Stoff sind dagegen solche, die auf mechanischem oder thermischem Wege wirken. Hierunter werden Bakterien, Viren und beispielsweise auch Schlafmittel gefasst.[1]Fischer, StGB 72. Aufl. 2025 § 224 Rn. 4 f. Die anderen gesundheitsschädlichen Stoffe unterscheiden sich von den Giften durch die Wirkungsweise. Die Zusammensetzung von K.O. Tropfen sowie die Wirkung auf den menschlichen Körper werden als gesundheitsschädigender Stoff und nicht als Gift eingeordnet.[2]Vgl. BGH, NStZ 2009, 505f. Insbesondere wird für einen gesundheitsschädigenden Stoff auf die Art der Substanz und danach, ob er geeignet ist, nachdem konkreten Einsatz zur erheblichen Gesundheitsschädigung herbeizuführen.[3]Fischer, StGB 72. Aufl. 2025, § 224 Rn. 6. Durch die Wirkungsweise der K.O. Tropfen und der Verbindung mit alkoholischen Getränken ist der Einsatz dieser Substanz geeignet, bei A und B eine erhebliche Gesundheitsschädigung hervorzurufen.

Die K.O. Tropfen wurden der A und der B durch den V auch beigebracht, indem diese durch das Getränk, welches sie selber tranken, in den Körper der beiden eingeführt wurden, um dort ihre schädigende Eigenschaft zu entfalten. 

b) § 224 I Nr. 2 StGB 

Darüber hinaus könnte V die Gesundheitsschädigung mittels einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeuges begangen haben. Vorliegend kommt die Begehung mittels eines gefährlichen Werkzeugs bei der Verwendung der K.O. Tropfen in Betracht. 

Ein gefährliches Werkzeug ist jeder bewegliche Gegenstand, mittels dessen durch Einwirkung auf den Körper eine Verletzung zugefügt werden kann. Gefährlich ist dieses, wenn es nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach Art seiner konkreten Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen.[4]Fischer, StGB, 72. Aufl. 2025, § 224 Rn. 12 f.  

Dies könnte hier problematisch sein. Zum einen stellt sich bereits die Frage, ob K.O. Tropfen ein Werkzeug i.S.d § 224 I Nr. 2 StGB darstellen können. Dagegen spricht insbesondere der Wortsinn der Norm. Unter einem Werkzeug wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein Gegenstand gemeint, der zu einem bestimmten Zweck geformt wurde, mit dessen Hilfe etwas bearbeitet wird.[5]So der BGH, NJW 2024, 3735. Flüssigkeiten werden nicht zu solch einem Zweck geformt, sodass sie nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bereits nicht unter den Wortlaut der Norm fallen können. Andernfalls würde dies eine Überschreitung der Wortlautgrenze darstellen und damit gegen Art. 103 II GG verstoßen.

Fraglich ist, ob für das Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs auf die von V verwendete Pipette abgestellt werden könne. Denn der V gibt mithilfe der Pipette die K.O. Tropfen in das Getränk der A und B. Jedoch hat der V die Pipette nur als Dosierungshilfe verwendet. Ihr haftete die erforderliche potenzielle Gefährlichkeit nicht an, sodass die Einstufung als Werkzeug ebenfalls ausscheidet.[6]BGH, NJW 2024, 3736.

Vernetztes Lernen: Stellt die Verwendung von Pfefferspray oder Salzsäure nach diesem Argument auch kein gefährliches Werkzeug dar?

In ähnlichen Fällen, in denen es um Flüssigkeiten geht, hat der BGH durchaus die Eigenschaft des Werkzeuges bejaht. In diesen Fällen wurde dem Opfer Salzsäure in das Gesicht geschüttet und einem anderen Opfer wurde Pfefferspray in die Augen gesprüht. Es könnte daher inkonsequent erscheinen, in diesen Fällen Flüssigkeiten als Werkzeug einzuordnen. Jedoch wurde in diesen gelagerten Fällen für die Werkzeugqualität auf die Behältnisse abgestellt werden, die der Täter verwendet. Das Pfefferspray befindet sich in einer Spray-Dose, die Salzsäure in einem Gefäß, womit das Opfer überschüttet wurde. Hier wurde nämlich der Gegenstand unmittelbar zur Herbeiführung der erheblichen Körperverletzung genutzt. Es gehe nämlich darum, dass die Verletzung vermittelt durch die kinetische Energie , das heißt durch ihren Einsatz ihre Wirkweise verstärkt wird.[7]Vgl. dazu (kritisch) Jäger, JA 2025, 79, 80f.

 Dies wird durch systematische Überlegungen gestützt. Das Merkmal des „gefährlichen Werkzeugs“ findet sich auch in anderen, wortlautgleichen Qualifikationstatbeständen. Für § 250 II Nr. 1 StGB hat der BGH bereits entschieden, dass ein Mittel, das erst nach einem Stoffwechselprozess im Körper sedierend oder narkotisierend wirkt, nicht als (gefährliches) Werkzeug gilt. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber für den wortgleichen Tatbestand des § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB anders verstanden werden sollte.[8]BGH, NJW 2024, 3735, 3736. 

Zudem enthalten § 224 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB keine Spezialitätsbeziehung zueinander. Denn Nr. 2 ist kein Oberbegriff von Nr. 1, da nicht jeder gesundheitsgefährdende Stoff gleichzeitig ein gefährliches Werkzeug im Sinne von Nr. 2 ist. Beide Tatbestände sind eigenständig und erfassen unterschiedliche Handlungen: Nr. 1 behandelt die Beibringung von Gift oder gesundheitsschädlichen Stoffen, während Nr. 2 die Körperverletzung „mittels“ einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs betrifft.

Auch historische betrachtet, liegt es nahe, die K.O. Tropfen nicht als gefährliches Werkzeug einzuordnen. Denn in dem 6. Strafrechtsreformgesetz wurde der Vergiftungstatbestand in § 229 a.F. in § 224 I StGB integriert, wobei die Beibringung von Gift als eigenständiger Qualifikationstatbestand aufgeführt wurde. 

Anmerkung: Historische Argumente
In den Klausuren ist es immer gut, mit den Auslegungsmethoden zu arbeiten. Bei der Verwendung von historischen Argumenten ist aber Vorsicht geboten. Es wird nicht erwartet, dass die historische Auseinandersetzung bekannt ist – in Hausarbeiten ist dies beispielsweise anders – wenn jedoch ein historisches Argument bekannt ist, kann es auch angeführt werden. Dabei sollte man aber sichere Kenntnis von dem Problem aufweisen.

Zum anderen erscheint die Begehungsweise „mittels“ eines solchen Werkzeuges problematisch. Dies kann der Fall sein, wenn Flüssigkeiten, Gase oder Strahlen mithilfe eines Gegenstands auf den Körper gerichtet und mit ihm in Kontakt gebracht werden. Entscheidend ist, dass der Gegenstand unmittelbar von außen auf den Körper einwirkt. Dies war hier jedoch nicht gegeben. Die Pipette diente lediglich zur Dosierung und hatte keinen direkten Kontakt zu A oder B. Ebenso wenig kann die Tasse als bloßes Trinkgefäß als Mittel der Einwirkung gewertet werden, da die Frauen das versetzte Getränk eigenständig tranken.[9]Vgl. BGH NJW 2024, 3735, 3736.

Vernetztes Lernen: Standardproblem: Sind unbewegliche Gegenstände gefährliche Werkzeuge?
Umstritten ist, ob sich der Tatbestand des § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB auf bewegliche Gegenstände allein bezieht oder ob eine Hauswand oder ähnliches unbewegliches ebenfalls erfasst ist.

Die Rechtsprechung und herrschende Literatur erfassen nur die beweglichen Gegenstände. Argumentiert wird insbesondere mit der Wortlautgrenze gem. Art. 103 II GG. Nach diesem können unbewegliche Gegenstände keine Werkzeuge sein. (Vgl. dazu Fischer, 72 Aufl. 2025, § 224 Rn. 12.))

c) § 224 I Nr. 3 StGB

Weiter in Betracht kommt die Begehung mittels eines hinterlistigen Überfalls. Ein Überfall ist ein Angriff auf den Verletzten, dessen er sich nicht versieht und auf den er sich nicht vorbereiten kann. Hinterlistig ist der Überfall, wenn sich die Absicht des Täters, dem anderen die Verteidigungsmöglichkeit zu erschweren, manifestiert.[10]Fischer, 72. Aufl. 2025, StGB § 224 Rn. 22. 

Indem der V die K.O. Tropfen heimlich in die Getränke gemischt hat, haben weder A noch B sich eines Angriffs versehen, sodass ein Überfall vorliegt. Dieser war auch hinterlistig, da der V dies absichtlich, ohne gesehen zu werden, tat. Ein hinterlistiger Überfall liegt somit vor.

d) § 224 I Nr. 5 StGB 

Zuletzt könnte die Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen worden sein. 

Die Anforderung an die gefährdende Behandlung ist umstritten. Einerseits wird eine konkrete Lebensgefahr für die Verwirklichung des Tatbestandes gefordert. Anderseits fordert die Rechtsprechung diese konkrete Lebensgefahr nicht. Es sei ausreichend aus, wenn die Art der Misshandlung unter den spezifischen Umständen des Falls grundsätzlich geeignet ist, das Leben zu gefährden.[11]BGH, NStZ 2013, 345, 346. Maßgeblich ist danach die schädliche Einwirkung auf das Opfer im konkreten Einzelfall. Daher stellt die herrschende Meinung stets auf die Gefährlichkeit der Behandlung, nicht auf die eingetretene Gefahr ab.[12]Fischer, 72. Aufl. 2025, StGB § 224 Rn. 27.

Die Einnahme oder Verabreichung von K.O. Tropfen ist bereits mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden. In Kombination mit Alkohol kann die Gefahr noch weiter steigen und sogar lebensbedrohlich werden. Die beiden Frauen haben das Bewusstsein verloren, insbesondere aufgrund der Verbindung mit Alkohol besteht die Gefahr der Erstickung. Daher handelt es sich nicht nur um eine abstrakte, sondern auch um eine konkrete Gefährdung, sodass eine Streitentscheidung entbehrlich ist.[13]So auch BGH, NJW 2024, 3735, 3737.

II. Subjektiver Tatbestand

V handelte dabei auch mit Wissen und Wollen im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung und der Benutzung der K.O. Tropfen als Gift. Er nahm auch das lebensgefährdende Risiko billigend in Kauf und gab bewusst, ohne bemerkt zu werden, die K.O. Tropfen in die Getränke. Mithin handelte V vorsätzlich im Hinblick auf die Körperverletzung sowie der Qualifikationstatbestände.  

B. Rechtswidrigkeit 

V handelte rechtswidrig, da keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind.

C. Schuld 

V handelte auch schuldhaft. Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere gibt es keine hinreichenden Angaben dafür, dass der V aufgrund seiner Alkoholisierung vermindert schuldfähig handelte.

Vernetztes Lernen: Wie sind die Promillegrenzen für die Schuldunfähigkeit bzw. verminderte Schuldfähigkeit? Wie wird diese anhand einer Blutprobe berechnet?

Die verminderte Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB setzt einen Promillewert von 2,0 voraus, bei vorsätzlichen Tötungsdelikten sogar 2,2 Promille.

Schuldunfähig nach § 20 StGB ist bei einem Promillewert ab 3,0 bzw. bei vorsätzlichen Tötungsdelikten bei 3,3 Promille möglich.

Liegt eine Blutprobe vor, so ist die Tatzeit-BAK hinsichtlich der Schuldfähigkeit per Rückrechnung zu ermitteln. Da in dieser Hinsicht eine möglichst hohe BAK für den Täter günstig ist, werden dem Blutprobenwert je vergangener Stunde ein Promillewert von 0,2 sowie ein Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille hinzugerechnet. Auch die ersten beiden Stunden nach Trinkende sind in die Rückrechnung mit einzubeziehen (hier ist gerade der Unterschied zur Ermittlung der Fahruntüchtigkeit zu sehen).

D. Ergebnis 

V hat sich somit wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 1 Alt. 2, Nr. 3, Nr. 5 StGB strafbar gemacht. 


Zusatzfrage

Stellt ein Skalpell, welches bei der Operation genutzt wurde, ein gefährliches Werkzeug im Sinne der Norm dar?

Früher wurde ein Skalpell im medizinischen Kontext nicht als gefährliches Werkzeug angesehen, da Ärzt:innen damit fachgerecht umgehen können. Der BGH[14]BGH, Beschluss vom 19.12.2023 – 4 StR 325/23. stellt nun jedoch klar, dass dies nicht mehr relevant ist. Juristisch betrachtet stellt jede Operation eine Körperverletzung dar, die aber durch eine wirksame Einwilligung gerechtfertigt ist.

Der BGH widersprach nun der Ansicht, dass ärztliche Instrumente generell keine gefährlichen Werkzeuge seien, da sie von Fachpersonal genutzt werden. Auch chirurgische Geräte können eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben darstellen. Entscheidend sei stets die objektive Beschaffenheit des Gegenstands sowie die konkrete Art der Verwendung. Insbesondere sei auch kein Einsatz als Angriffs- oder Verteidigungsmittel mehr erforderlich.

Zu dieser Problematik kann vertieft das Urteil Die Zahnextrationszange gelesen werden

Relevant für die Klausur im zweiten Examen: Welche Verdachtsgrade gibt es und für welche Maßnahmen werden die unterschiedlichen Verdachtsgrade benötigt?

Ein dringender Tatverdacht ist nur dann anzunehmen, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dahingehend besteht, dass der Beschuldigte auch tatsächlich Täter der ihm zur Last gelegten Tat ist.

Ein hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn nach Abschluss der Ermittlung eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch.

Ein Anfangsverdacht ist gegeben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt.

Je nach Verdachtsgrad können die Ermittlungsbehörden verschiedene Maßnahmen ergreifen. Ein Anfangsverdacht ist erforderlich, damit die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleitet (§ 152 II StPO). Liegt ein solcher Verdacht vor, können sodann Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchungen, Wohnraumüberwachung oder Blutentnahmen angeordnet werden.

Lediglich für die Untersuchungshaft gem. § 112 StPO sowie die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis § 111 StPO wird ein dringender Tatverdacht benötigt. Ob ein dringender Tatverdacht besteht, wird anhand der Aktenlage bestimmt.

Sobald ein hinreichender Tatverdacht besteht, kann Anklage gem. §§ 170 I, 203 StPO erhoben werden.

Anmerkung: Daher wird im 2. Examen von den Kandidat:innenen nicht gefordert, die Strafbarkeit des Täters zu prüfen, sondern ob jemand sich hinreichend verdächtigt gemacht hat.


Zusammenfassung

1. K.O. Tropfen gelten nicht als gefährliche Werkzeuge, da sie nach allgemeinem Sprachverständnis nicht als Werkzeuge einzustufen sind. Zudem lässt die zwingende Wortlautgrenze gemäß Art. 103 II GG keine erweiternde Auslegung zu.

2. Auch das Verwenden der Pipette zur Dosierung führt nicht zur Annahme eines gefährlichen Werkzeuges, da diese nicht unmittelbar dazu verwendet wurde, die Körperverletzung herbeizuführen. 

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