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Informations-Tweet der Polizei

OVG Münster, Urteil vom 28.11.2022, 5 A 2808/19

Sachverhalt

(abgewandelt und gekürzt)

Am 24.02.2017 spielten der MSV Duisburg gegen den 1 FC Magdeburg in der dritten deutschen Fußballiga in Duisburg gegeneinander. Aufgrund vergangener Ausschreitungen beider Fangruppen wurde das Spiel als Hochrisikospiel eingestuft. Wie üblich reisten die Fans aus Magdeburg zusammen zum Spiel an und wollten bei der Ankunft den Eingang zum Gästeblock ins Stadion nehmen. An der Eingangskontrolle stieg ein Anführer einer Fangruppe des 1. FC Magdeburg auf eine Absperrung und teilte per Megaphon mit, dass für jedes Mitglied der Fangruppe ein Regencape zur Verfügung stehe. Das Regencape sollte von jedem Gruppenmitglied angezogen werden, um im Stadion eine „weiße Wand darzustellen“. Einzelne Mitglieder der Gruppe führten in großformatigen Taschen und Kartons die verpackten Regencapes mit und gaben sie in der Folge an mitgereiste Fans aus. Angemeldet war die geplante Choreografie nicht. Der polizeiliche Einsatzleiter entschied in dieser Situation, den Zugang zum Stadion zu verschließen. Dazu wurde eine polizeiliche Sperrlinie vor dem Gästeeingang gezogen, um das Vordringen der mit den Capes bekleideten Fans zum Eingang des Stadions zu unterbinden. Die Polizei befürchtete insbesondere versteckte Pyrotechnik unter den Capes. Aufgrund der Sperre kam es zu leichten Ausschreitungen der auswärtigen Fans. Der Beginn des Fußballspiels wurde wegen der Einlasssituation von 18.30 Uhr auf 18.45 Uhr verschoben. Im Verlauf des Spiels wurden tatsächlich im Bereich der Gästefans bengalische Fackeln gezündet.

Die einsatzbegleitende Einheit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei veröffentlichte um 17.44 Uhr über den offiziellen Twitter-Account der Polizei Duisburg einen Beitrag („Tweet“) mit dem Text:

#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.

Unter dem Text und der Zeit- und Datumsangabe war in den Tweet ein kurz zuvor aufgenommenes Farbfoto eingebunden, das im Vordergrund eine Sperranlage und im Hintergrund ein Haus, Bäume und den Himmel zeigt. In einem schmalen Streifen, der auf der linken Seite des Bildes beginnt und über ungefähr drei Viertel der Breite geht, sind Menschen zu sehen, die überwiegend weiße, ungefähr über das Gesäß reichende Plastikregencapes tragen oder sich diese gerade über den Kopf ziehen.

Der Tweet wurde zu einem nicht mehr genau zu bestimmendem Zeitpunkt auf dem Twitteraccount der P gelöscht. Das genaue Bild konnte nicht rekonstruiert werden. Es bestehen jedoch Screenshots von dem Foto.

Der ebenfalls anwesende A meint, dass der Post rechtswidrig war und wendet sich daher an die zuständige Polizeibehörde. Er sei nach dem Absetzen des Tweets von zahlreichen Personen angesprochen und gefragt worden, warum er denn eine Durchsuchung habe verhindern wollen und ob er etwas zu verbergen gehabt habe. In der Sache unterliege die Öffentlichkeitsarbeit des Staates dem Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot. Dieses sei vorliegend verletzt worden, da der Tweet das Geschehen wahrheitswidrig mit suggestiver Wirkung dargestellt habe. Weder er noch die anderen Fußballfans hätten die Absicht gehabt, die Durchsuchung zu verhindern. Es habe keine sachliche Grundlage dafür gegeben, den Fans diese Absicht zu unterstellen. Ferner habe es keine Notwendigkeit gegeben, neben dem Text das Foto in den Tweet einzubinden. Auf dem von A gemachten Screenshot des Tweets ist am linken Bildrand eine eher kleine Person zu erkennen, was sich insbesondere aus dem Vergleich mit der unmittelbar links danebenstehenden, vermutlich im Gespräch befindlichen Person ergibt. Größe, Statur, Gesichtsform, Frisur und Haarfarbe stimmen mit dem A überein.

Dagegen wendet die P ein, dass die Erstellung des Tweets lediglich zu dem Zweck erfolgt sei, den Grund der polizeilichen Maßnahmen schnell zu kommunizieren, um mit Blick auf die wartenden Fans im hinteren Bereich eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern. Für die Polizeikräfte habe sich das Anziehen der Regencapes aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht unter Berücksichtigung von Ort und Zeit des Geschehens so dargestellt, dass dies ausschließlich zur Erschwerung der Durchsuchungsmaßnahmen erfolgt sei.

Insofern sei die P zur Veröffentlichung der Information befugt gewesen. Der Tweet habe auch nicht gegen das Sachlichkeitsverbot verstoßen, da die objektiven Umstände die getroffene Gefahrenbewertung zugelassen hätten und keine subjektive Äußerung mit dem Zweck der Beeinflussung des Bürgers vorgelegen habe. Selbst wenn, sei der A nicht individuell betroffen. Die Internetplattform ermögliche es nur, dass ein Bild begrenzt vergrößert werden kann. Bei einer weiteren Vergrößerung wird das Bild unscharf. Daher könne der A auf dem Bild gar nicht richtig erkennbar gewesen sein. Zudem ließe sich das auch nicht mehr rekonstruieren, da der Post gelöscht wurde. Die Beweislast träge in diesem Fall der A, als derjenige der sich auf diese Tatsache beruft. Unabhängig davon sei das Foto eh nur exemplarisch herangezogen wurden. Offensichtlich beziehe sich der Inhalt des Posts nicht auf alle abgebildeten Personen. Bild und Text würden so nur gemeinsam ein Werturteil der Behörde darstellen. Daraufhin erhob der A Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht mit dem Ziel feststellen zulassen, dass der besagte Tweet der Polizeibehörde rechtswidrig war.

Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?


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Skizze


Gutachten

Die Klage des A hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.

A. Zulässigkeit

Zunächst müsste die Klage des A zulässig sein.

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges richtet sich mangels aufdrängender Sonderzuweisung nach § 40 I 1 VwGO. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist dabei nach der modifizierten Subjektstheorie eine solche, bei der die streitentscheidenden Normen einseitig einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten.[1]Reimer, in: BeckOK VwGO 66. Ed. 1.1.2023, VwGO § 40 Rn. 45.4. Vorliegend geht es um das Handeln der Polizeibehörde. Diese wird aufgrund ihrer Aufgabenzuweisung oder aufgrund von Normen des Polizei- und Ordnungsrechts tätig, welche die Polizeibehörde berechtigen und verpflichten.

Fraglich ist einzig ob eine abdrängende Sonderzuweisung in Betracht kommt. Nach § 23 I EGGVG, unter dem auch Realakte fallen, ist im Bereich der Justizverwaltungsakte der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Die Polizei wird dabei als Hilfsorgan von Justizbehörden tätig. Das betrifft aber nur Maßnahmen der Polizei zur Verfolgung begangener Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, also wenn die Polizei repressiv tätig wird. Das muss anhand des Schwerpunktes der Maßnahme beurteilt werden. Die Polizei wollte mit dem Tweet verhindern, dass sich die Menge weiter staut und illegale Feuerwerkskörper mit ins Stadion gelangen. Ziel war daher in der Zukunft liegende gefahrenträchtige Ereignisse zu vermeiden und somit die Gefahrenabwehr. Insofern ist die P präventiv, nicht repressiv i.S.d. § 23 EGGVG, tätig geworden.

Da die Streitigkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art ist, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

Vernetztes Lernen: Beurteilung des Verwaltungsrechtswegs bei doppelfunktionalen Maßnahmen?

Umstritten sind Rechtslage und die Einordnung des Verwaltungsrechtswegs bei doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei. Das sind solche Maßnahmen, die sowohl repressiv der Strafverfolgung als auch präventiv der Gefahrenabwehr dienen. Gelöst werden diese Konstellationen entweder über den objektiven Schwerpunkt der Maßnahme. Es muss dann beurteilt werden, ob die Maßnahme primär repressiv oder präventiv ist. Für die Beurteilung komme es darauf an, wie sich für einen objektiven Beobachter die polizeiliche Maßnahme ihrem Gesamteindruck nach darstelle.[2]BVerwG, Urteil vom 03.12.1974 – BVerwG I C 11.73 -, juris Rn. 24; VGH Hessen, Beschluss vom 7. September 2018 – 8 E 2283/17 –, juris Rn. 18ff; v. Albedyll, in: … Continue reading Andererseits wird vertreten, dass dem Betroffenen ein Wahlrecht zusteht. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass bei doppelfunktionalen Maßnahmen in Wahrheit zwei Akte vorliegen.[3]Graulich, NVwZ 2014, 685, 690. Dagegen wird jedoch vorgebracht, dass ein und dieselbe Maßnahme sich nicht in verschiedene Akte aufspalten ließe.[4]Schneider, in :Schoch/Schneider/Ehlers/Schneider, 44. EL März 2023, VwGO § 40 Rn. 607.

II. Statthafte Klageart

Des Weiteren müsste eine statthafte Klageart gegeben sein. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, vgl. § 88 VwGO. Da A die Feststellung begehrt, ob der Tweet der P rechtmäßig war, kommt eine Feststellungsklage nach § 43 I Alt. 1 VwGO in Betracht. Die Feststellungsklage ist gemäß § 43 I VwGO statthaft, wenn der Kläger die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt. Schon aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich aber die Subsidiarität der Feststellungsklage. Nach § 43 II VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Das wäre hier aber nur der Fall, wenn der Tweet ein Verwaltungsakt darstellen würde. Dann wäre in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft. Nach § 35 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Es fehlt hier sowohl an der Regelung als auch an dem Merkmal des Einzelfalls. Mit dem Tweet wollte die P über die Situation informieren um weitere Gefahren zu vermeiden. Zudem war der Post nicht an den A gerichtet. Aufgrund der fehlenden Regelungswirkung kommt auch keine Allgemeinverfügung nach § 35 2 VwVfG in Betracht. Somit ist grundsätzlich die Feststellungsklage statthaft.

Fraglich ist, wie es sich auf die Statthaftigkeit der Klage auswirkt, dass der Tweet nicht mehr existent ist. Von dem feststellungsfähigen Rechtsverhältnissen nach § 43 I VwGO sind zweifelsohne aktuell bestehende Rechtsverhältnisse, aber auch vergangene umfasst.[5]OVG NRW, Urteile vom 17. September 2019 – 15 A 4753/18, juris, Rn. 40 Auch wenn die P den Tweet gelöscht hat, liegt ein vergangenes Rechtsverhältnis durch den Post vor. Dies gilt umso mehr, dass die Veröffentlichung über eine Social-Media-Plattform stattfand. Die Reichweite und Öffentlichkeitswirksamkeit sind daher besonders groß. Insofern ist auch für den gelöschten Tweet die Feststellungsklage statthaft.

III. Klagebefugnis

Fraglich ist, ob es einer Klagebefugnis in Fällen der allgemeinen Feststellungsklage bedarf. Nach dem Wortlaut des § 42 II VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Daher gilt die Norm der Klagebefugnis ihrem Wortlaut nach nur für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Es könnte jedoch eine analoge Anwendung auf die Feststellungsklage in Betracht kommen. Nach einer Ansicht bestehe keine planwidrige Regelungslücke, da ohnehin ein besonderes Feststellungsinteresse für die Zulässigkeit der Feststellungsklage notwendig sei.[6]Schoch, in: Schneider/Wahl/Schütz, 44. EL März 2023, § 42 Rn 23ff. Nach der anderen Ansicht bedürfe es einer Klagebefugnis, um Popularklagen zu vermeiden. Es seien durchaus atypische Fälle denkbar, in denen ein Feststellungsinteresse ohne eine subjektive Rechtsgutsverletzung vorliege.[7]So BVerwG NVwZ 1991, 470, 471.

Eine Stellungnahme kann dahinstehen, wenn A ohnehin die sonst erforderliche Klagebefugnis hat. Dafür ist erforderlich, dass der Kläger geltend macht, an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt zu sein oder dass vom Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen.[8]BVerwG, NVwZ 2009, 1305 Rn. 24. Der A behauptet auf dem Bild identifizierbar zu sein. Infolgedessen wurde er mehrfach auf die Situation angesprochen. Daher kann er geltend machen durch die Veröffentlichung des Lichtbildes in Verbindung mit dem Text möglicherweise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG verletzt zu sein, indem er auf dem öffentlich zugänglichen Lichtbild zu identifizieren war und die Nachricht seinen sozialen Geltungsanspruch nachteilig berührt hat.[9]OVG NRW, Urteil vom 28.11.2022, 5 A 2808/19, Rn. 37

IV. Klagegegner

Die Klage ist gemäß § 78 I Nr. 1 VwGO gegen den Rechtsträger der zuständigen Behörde zu richten, in diesem Fall das Land NRW.

V. Beteiligten- und Prozessfähigkeit

A ist gem. § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO und das Land gem. § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig. A ist gem. § 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig. Das Land ist gem. § 62 III VwGO prozessfähig, wenn sie von einem zuständigen Vertreter vertreten wird.

VI. Feststellungsinteresse

Zudem müsste das Feststellungsinteresse vorliegen. Nach § 43 I VwGO ist die Feststellungsklage nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein solches ist bei jedem nach Lage des Falles anzuerkennenden schutzwürdigen Interesse, sei es rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, gegeben.[10]Marsch, in: Schoch/Schneider, 44. EL März 2023, VwGO § 43 Rn. 32. Ein vergangenes Rechtsverhältnis – wie vorliegend – kann zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden, wenn das nicht mehr bestehende Rechtsverhältnis über dessen Beendigung hinaus noch anhaltende Wirkungen entfaltet.

1. Präjudizinteresse

Zunächst käme ein präjudizielles Interesse in Betracht. Ein solches liegt vor, wenn die Feststellung der Vorbereitung eines Schadensersatz- oder Amtshaftungsprozesses dient. Der A wendet sich gegen einen erledigten Realakt. Insofern sind die ordentlichen Gerichte von sich aus in der Lage, vorfrageweise über das Bestehen oder Nichtbestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses zu befinden. Ebenso hat A nicht geltend gemacht durch die Veröffentlichung wirtschaftliche Nachteile erlitten zu haben. Ein Präjudizinteresse scheidet daher aus.

2. Wiederholungsgefahr

Der A könnte jedoch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungshandelns vor dem Hintergrund einer Wiederholungsgefahr geltend machen. Eine solche Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Dafür müsste sowohl die Situation eines vergleichbaren Fußballspieles, als auch die Öffentlichkeitsarbeit der P zukünftig hinreichend wahrscheinlich sein. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einem erneuten Spiel des 1. FC Magdeburg gegen den MSV Duisburg eine Wiederholung der Situation vom 24. Februar 2017 hinreichend wahrscheinlich ist. Denn die anlassgebenden Umstände, die zur Einstellung des Tweets geführt haben, waren äußerst spezifisch und die Maßnahme an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientiert.[11]VG Düsseldorf, Urteil vom 06.06.2019 – 18 K 16606/17, Rn. 36. Es ist zudem nicht vorgetragen wurden, dass wieder eine Choreo mit Regencapes geplant sei.

3. Rehabilitationsinteresse

Letztlich könnte aber ein Rehabilitationsinteresse vorliegen. Ein Rehabilitationsinteresse ist gegeben, wenn die Handlung diskriminierenden Charakter hatte und sich daraus eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergab. Eine solche rechtliche Erheblichkeit ist anzunehmen, wenn das Rehabilitationsinteresse bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist.[12]BVerwG NVwZ-RR 2010, 154 Rn. 4. Nicht ausreichend ist, wenn der Betroffene die Maßnahme als lediglich diskriminierende Wirkung wahrgenommen hat.[13]BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 39.12 –, juris, Rn 24. Vielmehr muss sich zusätzlich eine objektive Stigmatisierung des Betroffenen ergeben, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Die Wirkung muss trotz der Beendigung der Maßnahme weiter anhalten. Die Stigmatisierung muss also Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern.

Der A hat insoweit vorgetragen, er sei nach Absetzen des Tweets von zahlreichen Personen angesprochen und gefragt worden, warum er denn eine Durchsuchung habe verhindern wollen. Insofern hat er selbst die Wirkung als diskriminierend empfunden. Maßgebend ist aber nicht das subjektive Empfinden, sondern, ob bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise abträgliche Nachwirkungen fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns wirksam begegnet werden kann. Legt man dies zu Grunde ist zunächst maßgebend, dass der Tweet mit der Thematik und dem dazugehörenden Foto im Internet öffentlich gemacht wurde. Anders als bei einem nur an den Betroffenen gerichteten Verwaltungsakt, dessen Inhalt dieser selbstbestimmt an Dritte weitergibt, ist eine Veröffentlichung auf Twitter für eine breite Öffentlichkeit zugänglich und sogar für diese bestimmt. Die stigmatisierende Wirkung wird dabei durch den Text erreicht. Der von P veröffentlichte Text stellte das Anziehen der Regencapes durch die finale Verknüpfung zur Verhinderung der Durchsuchung als polizeilicherseits zu missbilligen heraus.[14]OVG NRW, Urteil vom 28.11.2022, 5 A 2808/19, Rn. 44f. Demnach ist ein Rehabilitationsinteresse gegeben.

Vernetztes Lernen: Welche Fallgruppen hat das Fortsetzungsfeststellungsinteresse?

Bei der Fortsetzungsfeststellungsklage reicht nicht jedes berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung. Vielmehr muss eine der folgenden Fallgruppen einschlägig sein:
– Wiederholungsgefahr
– Rehabilitationsinteresse
– Schwerwiegender Grundrechtseingriff
– Präjudizinteresse (nicht bei Erledigung nach Klageerhebung)

VII. Zwischenergebnis

Die Klage ist zulässig.

B. Begründetheit

Die Klage müsste auch begründet sein. Die Feststellungsklage ist begründet, wenn das Handeln der P rechtswidrig war.

I. Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch den Tweet

Der Tweet könnte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des A eingegriffen haben. A kann sich als natürliche Person auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen. Bezüglich des sachlichen Schutzbereichs ist in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG GG sowohl die Ehre als auch weitere Aspekte des sozialen Geltungsanspruchs einer Person schützt.[15]ausführlich dazu Schoch, NVwZ 2011, 193, 194.

Dabei kann auch staatliches Informationshandeln in den Schutzbereich eingreifen. Das staatliche Informationshandeln kann sowohl einen klassischen als auch einen mittelbaren Grundrechtseingriff darstellen. Dazu bezeichnet die Rechtsprechung das staatliche Informationshandeln als „funktionales Äquivalent”, wenn es nach seiner Zielsetzung und seinen Wirkungen einem „klassischen” Eingriff gleichkommt.[16]BVerfG, NJW 2002, 2621, 2624; BVerwG, NJW 2006, 1303, 1304. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn staatliche Äußerungen zu einer Stigmatisierung der betroffenen Person führen und diese in den Äußerungen veranlasst war.

1. Mittelbarer Eingriff durch den Text

Der Tweet war nicht unmittelbar an A gerichtet und auch nicht auf ihn unmittelbar bezogen. Es könnte aber ein mittelbarer Eingriff vorliegen. Nach dem Tweet wird der Vorgang des Anziehens von Regencapes mit einer beabsichtigten Verhinderung einer Durchsuchung verknüpft. Durch die Aufgabenzuweisung der Polizei, Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verhindern, wird klar erkennbar, dass in dem Post eine Gefährdungslage thematisiert wird. Dem steht auch nicht entgegen, dass die P meint nur exemplarisch das Foto für die Situation herangezogen zu haben und sich der Inhalt nicht auf alle abgebildeten Personen beziehe. Bild und Foto würden so nur gemeinsam ein Werturteil der Behörde darstellen. Die P kann sich als staatliche Behörde jedoch nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Es muss daher objektiv bestimmt werden, wie der Post zu verstehen war. Bei der Ermittlung der Bedeutung einer Aussage kann dabei auf den in § 133 BGB niedergelegten allgemeinen Grundsatz zurückzugreifen, wonach der Inhalt anhand eines objektiven Empfängerhorizonts zu ermitteln ist.[17]OVG NRW, Urteil vom 28.11.2022, 5 A 2808/19, Rn. 73 Unter Hinzuziehung des Textes wird ersichtlich, dass zumindest eine Missbilligung des Vorgangs zum Ausdruck gebracht wurde. Das sorgt dafür, dass eine stigmatisierende Wirkung erreicht wird, auch wenn die Aussage keinen Vorwurf strafbaren Verhaltens beinhaltete. Demnach war der Tweet so zu verstehen, dass sich die Aussage auf alle abgebildeten Personen bezog und das für die P ein missbilligendes Verhalten vorlag.

Vernetztes Lernen: Grundrechtsfähigkeit von Behörden

Ausgangspunkt ist bei der Beurteilung der Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts das Konfusionsargument. Es besagt, dass der gemäß Art. 1 III GG grundrechtsgebundene Staat nicht zugleich Verpflichteter und Berechtigter der Grundrechte sein kann.[18]BVerfG, NJW 1963, 899 Demgegenüber sind juristische Personen des Privatrechts grundsätzlich grundrechtsfähig, soweit das Grundrecht seinem Wesen nach auf die juristische Person anwendbar ist, vgl. Art. 19 III GG.
Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts greifen dann Ausnahmen, wenn deren Zuordnung zu einem durch ein bestimmtes Grundrecht geschützten Lebensbereich besteht, wie z.B. die Wissenschaftsfreiheit bei Universitäten. Im Übrigen sollen sich juristische Personen des öffentlichen Rechts immerhin auf die Verfahrensgrundrechte in den Art. 101 ff. GG berufen können.

2. Betroffenheit des A

Fraglich ist, ob der A auch von der Wirkung des Textes betroffen war. Der Text des Tweets lässt für sich genommen keinen Rückschluss auf die Person des A zu. Einzig könnte das im Tweet verwendete Bild eine Betroffenheit des A bewirken. Maßgeblich sind die konkrete Zweckbestimmung und der sich daraus ergebende Verwertungskontext.[19]BVerfG, Beschluss vom 12. August 2010 – 2 BvR 1447/10 –, juris, Rn. 17. Bei der auf der Plattform möglichen Verwertungsgröße besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass der A auf dem Foto zu erkennen war. Da das Foto jedoch gelöscht wurde und nicht im Original zu rekonstruieren ist, kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Identifizierbarkeit des A nachgewiesen werden. Insofern handelt es sich um ein sogenannten non liquet. Bei dieser Situation der Unerweislichkeit der Tatsachen gilt in der Regel der allgemeine Grundsatz, dass die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Ungunsten des Beteiligten geht, der aus dieser Tatsache eine für ihn günstige materielle Rechtsfolge herleitet. Das wäre hier grundsätzlich der A. Es könnte jedoch aus dem Grundsatz von Treue und Glauben eine Ausnahme gelten. Dies kommt in Betracht, wenn die Nichterweislichkeit auf einem unbilligen Verhalten des Begünstigten beruht oder aber derjenige, in dessen Wirkungskreis eine Tatsache fällt, der Obliegenheit zur substanziellen Mitwirkung an der Aufklärung nicht nachkommt bzw. nachkommen kann.[20]BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2009 – 1 C 16.08 –, juris, Rn. 36 Die P handelte zwar nicht unbillig, als sie den Tweet löschte, aber jedenfalls mit der Löschung und respektiven Nichtvorlage des digitalen Fotomaterials. Damit hat die P die Nachweisbarkeit der Tatsache verhindert. Insofern geht dies zu Lasten der P. Es ist daher davon auszugehen, dass der A durch das Foto identifizierbar war und deswegen mit dem stigmatisierenden Text in Verbindung gebracht wurde.

Anmerkung: Weitere gerügte Grundrechtsverletzungen im Ausgangsverfahren

In dem Fall zu Grunde liegenden Verfahren rügte die Klägerin noch einen Verstoß gegen Art. 8 GG. Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit umfasst indes nur örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Die Erörterung und Kundgebung müssen Angelegenheiten betreffen, die zur öffentlichen Meinungsbildung bestimmt und geeignet sind. So hat die Vorinstanz dies auch bei der Zusammenkunft von den Fußballfans ausgeschlossen.[21]VG Düsseldorf Urt. v. 6.6.2019 – 18 K 16606/17, BeckRS 2019, 15045 Rn. 32
Das wird typischerweise bei Fußballspielen zumeist der Fall sein. In atypischen Konstellationen ist aber eine Berufung auf Art. 8 GG unter den obig genannten Voraussetzungen denkbar.

II. Rechtfertigung

Der Eingriff könnte jedoch gerechtfertigt sein. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht unter dem Schrankenvorbehalt des Art. 2 I, 2. HS. GG. Demnach hat zwar jeder das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, aber nur soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (sog. Schranken-Trias). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gilt daher auch bei der Preisgabe von Informationen an die Öffentlichkeit nicht absolut, sondern kann, jenseits einer Beeinträchtigung des unantastbaren Bereichs privater Lebensgestaltung, durch staatliche Maßnahmen eingeschränkt werden, wenn die Äußerungen im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen wurden.[22]Schoch, NVwZ 2011, 193, 195 Die P wollt hier durch den Tweet über eine Gefahrenlage informieren. Insofern kommt als Rechtfertigung ein rechtmäßiges staatliches Informationshandeln in Betracht.

1. Notwendigkeit einer Ermächtigungsnorm

Nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes darf die Verwaltung grundsätzlich nur auf Grundlage eines Gesetzes tätig werden. Fraglich ist, ob auch das staatliche Informationshandeln der Polizei einer Ermächtigungsnorm bedarf oder das Handeln schon von der Aufgabenzuweisung gedeckt ist. Dies ist nicht unumstritten. Nach einer Ansicht berechtigt eine Aufgabenzuweisung zu staatlicher Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, selbst wenn dadurch mittelbarfaktisch Grundrechtsbeeinträchtigungen herbeigeführt werden, ohne dass eine darüber hinausgehende Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist.[23]VG Düsseldorf, Urteil vom 06.06.2019 – 18 K 16606/17, Rn. 51. Die Ermächtigung würde sich dann aus der der Polizei zugewiesenen Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren ergeben. Andererseits wird vertreten, dass, wenn sich die Maßnahme nach der Zielsetzung und ihren Wirkungen als Ersatz für eine staatliche Maßnahme darstellt, die als Grundrechteingriff im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren ist, der Vorbehalt des Gesetzes eine besondere Ermächtigungsgrundlage verlangt.[24]Schoch, NVwZ 2011, 193, 196; Holzner, NVwZ 2010, 489, 490. Eine Stellungnahme kann vorliegend dahinstehen, wenn die Grundsätze an das staatliche Informationshandeln ohnehin nicht eingehalten wurden.

2. Einhaltung der Grundsätze staatlichen Informationshandelns

Amtliche Äußerungen haben sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren. Dies erfordert es, dass mitgeteilte Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden und Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen. So müssen die mitgeteilten Tatsachen grundsätzlich zutreffend sein und die Veröffentlichung darf nicht über den damit verfolgten Zweck hinausgehen. Der Tweet muss also auf der Tatsachenlage beruhen, dass die Angaben zu einer realen Gefahrenprognose passen. Wesentlich ist dabei die Aussage „…einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.“

Dabei stützt die P ihre Einschätzung maßgeblich auf die zu erwartende (illegale) Nutzung von Feuerwerkskörpern im Stadion durch Fans des 1. FC Magdeburg. Regencapes begünstigen zwar das Schmuggeln, jedoch stand dieser Annahme entgegen, dass ein Fanführer die Regencapes für eine Choreo verteilen ließ. Das hat der Fanführer klar erkennbar kommuniziert. Insofern Bestand eine Unsicherheit über den Gefahrenfaktor. Auch wenn der tatsächliche Wahrheitsgehalt oder die Belastbarkeit einer auf Tatsachen basierenden Einschätzung nicht zweifelsfrei bestätigt werden kann, kann der Staat an der Verbreitung der Informationen gleichwohl jedenfalls dann nicht gehindert sein, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass der potentielle Empfängerkreis über einen für ihn wichtigen Umstand aufgeklärt wird. Es ist dann aber notwendig, auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit der Information hinzuweisen, um die Rezipienten in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Ungewissheit umgehen wollen.[25] OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2012 – 13 B 127/12 –, juris, Rn. 16. Die Aussage im Tweet wird aber als unausweichliche Tatsache dargestellt. Jedenfalls hätte die Polizei hier die verbleibende Unsicherheit kenntlich machen müssen. Zudem hätte sie den Zweck der Verhinderungen weiterer Staus am Eingang auch ohne den stigmatisierenden Teil der Durchsuchung erreichen können.

3. Zwischenergebnis

Insofern genügte der Tweet nicht den Anforderungen an das staatliche Informationshandeln. Der Tweet war rechtswidrig.

C. Ergebnis

Die Klage ist zulässig und begründet.

Zusatzfragen

1. Kann einen Heimspielverein unter der Figur des Zweckveranlassers verboten werden Karten an das gegnerische Team zu verkaufen, um eine drohende Eskalation der Fanlager abzuwenden?

Nach dem Polizei- und Ordnungsrecht können Maßnahmen vorrangig nur gegen den Störer erlassen werden. Dabei wird grundsätzlich zwischen Verhaltensstörer und Zustandsstörer differenziert. Der Verhaltensstörer ist derjenige, der eine Gefahr verursacht hat.
Will man den Heimspielverein also heranziehen, muss dieser sich als Störer erweisen. Grundsätzlich wird die Störereigenschaft des Verhaltensstörers nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung bemessen. Danach ist Störer, wer bei wertender Betrachtung unter Einbeziehung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles die Gefahrengrenze überschritten und damit die unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt hat, unabhängig davon, ob er der Gefahrnächste oder das letzte Glied in der Ursachenkette war. Insofern ist lediglich erforderlich, dass das Verhalten selbst die Gefahrenschwelle überschritten hat und in unmittelbarem Zusammenhang zum Schadenseintritt steht. Durch die Ausrichtung der Veranstaltung sahen sich die gewaltbereiten Gegner zum Aufruf von Straftaten veranlasst. Nur durch den Ticketverkauf hat der Heimspielverein jedoch die Schwelle nicht überschritten.
Eine Störereigenschaft des Vereins könnte aber aus der Rechtsfigur des Zweckveranlassers hergeleitet werden. Als Zweckveranlasser wird eine Person bezeichnet, der eine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch Dritte aufgrund einer eigenen, für sich betrachtet rechtmäßigen bzw. neutralen Handlung zugerechnet wird.[26]Lindner, in: BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, 16. Edition, Stand: 15.03.2021, Rn. 32.
Uneinheitlich wird beantwortet wie der sogenannte Zweckveranlasser bestimmt wird.
Einerseits wird vertreten, dass die in Anspruch genommene Person die Gefahr bewusst auslösen will oder diese zwangläufig billigend in Kauf nimmt. Andererseits wird eine objektive Betrachtungsweise vertreten. Demnach muss sich die befürchtete Störung als zwangsläufige Folge des Verhaltens einstellen. Entscheidend ist danach, ob die Gefahr naheliegende und typische Folge des Geschehens respektive der Veranstaltung ist. Eine typische und naheliegende Folge der Veranstaltung ist die Gefahr gerade nicht, wenn aufgrund eines ausreichenden Sicherheits- und Verhütungskonzepts die Gefahrenquellen minimiert und aus der Sphäre des Veranstalters ausgeschlossen werden.[27]Hessischer VGH, Beschluss vom 07.07.2023 – 8 B 921/23, Rn. 24 Der Kartenverkauf könnte sich hier als Sonderrisiko darstellen. Mit der Ausrichtung des Fußballspieles hat der Heimspielverein aber gerade nicht subjektiv eine Ausschreitung bezweckt oder billigend in Kauf genommen. Viel mehr will der Veranstalter solcher Events, dass der Ablauf reibungslos ist. Schon aus einem zukünftigen wirtschaftlichen Interesse. Ansonsten bestünde nämlich ein Abschreckungseffekt. Auch objektiv beherbergen Fußballspiele kein immanentes offensichtliches Gefahrenpotenzial. Nur mit dem üblichen Verkauf an Gegentickets wird die Gefahrenschwelle nicht überschritten.
Der Heimspielverein könnte aber als Nichtstörer herangezogen werden.[28]so auch Hamburgisches OVG, Beschluss vom 13.04.2012 – 4 Bs 78/12.

2. Wie ist die derzeitige Rechtslage bei Verteilung von Polizeieinsatzkosten für Hochrisikospiele?

Ausgang der Diskussion war der Rechtstreit, in dem sich die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL), gegen den Gebührenbescheid der Stadt Bremen vom 19.08.2015 in Höhe von zunächst 425.718,11 Euro für den Polizeieinsatz anlässlich des Bundesligaspiels SV Werder Bremen gegen den Hamburger SV am 19.04.2015 (sog. “Hochrisikospiel”) wendete.
Bremen wollte die hohen Einsatzkosten auf den Veranstalter umlegen. Im Wege der Kostentragungspflicht stand die mangelnde Störereigenschaft der Kostenauferlegung entgegen. Sodann wurde versucht über eine Änderung der Gebührenordnung eine Kostenpflicht zu erzeugen. Je nach Ausgestaltung kann dies rechtmäßig sein. Das BVerwG (Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18; NVwZ 2019, 1444) entschied dazu, dass die Erhebung von Gebühren, neben Steuern voraussetzt, dass ein über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehender Sachzusammenhang besteht. Dann kann neben Störern auch der Nutznießer, also wirtschaftlich Bevorteilter, eines staatlichen Aktes, zur Leistung von Gebühren herangezogen werden. Das Verfahren ist gerade beim Bundesverfassungsgericht anhängig. In einem Examensfall wäre dann die Verfassungsmäßigkeit der Gebührenordnung zu prüfen.


Zusammenfassung

1. Eine zu einem Rehabilitationsinteresse führende Außenwirkung ist, anders als bei einem nur an den Betroffenen gerichteten Verwaltungsakt, dessen Inhalt dieser selbstbestimmt an Dritte weitergibt, bei einer Veröffentlichung auf Twitter anzunehmen, weil diese für eine breite Öffentlichkeit zugänglich und sogar für diese bestimmt ist.

2. Für die Frage der Erkennbarkeit einer Person auf einem veröffentlichten Lichtbild kommt es maßgeblich auf die konkrete Zweckbestimmung und den sich daraus ergebenden Verwertungskontext an.

3. Bei polizeilicher Öffentlichkeitsarbeit zu Einsatzgeschehen muss die Äußerung objektiv zutreffen bzw. in ihrer – möglicherweise den Umständen geschuldeten – Unsicherheit kenntlich gemacht werden.

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