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Hausverbot

VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17.7.2024 – 15 K 1173/24, BeckRS 2024, 18465

Sachverhalt

(abgewandelt und gekürzt)

Am 16. Februar 2024 suchte A das Sozialamt in C auf. Dort sprach er außerhalb der Öffnungszeiten vor und forderte direkt ein Gespräch mit der Bereichsleitung. Er äußerte, die ihm zur Verfügung gestellte Wohnung sei „Schrott“. Er sei von Monteuren der Stadt C beklaut worden. Er forderte die unverzügliche Einstellung der Leistungen und gleichzeitig die Auszahlung von Geld, um sich Lebensmittel kaufen zu können. Sein Konto habe er gekündigt, sodass dem Sozialamt keine Möglichkeit bestanden habe, ihm schnell und unkompliziert zu helfen. Die für solche Fälle vorgesehene Möglichkeit, ihm einen Lebensmittelgutschein auszuhändigen, lehnte er ab und forderte erneut das Gespräch mit der Bereichsleitung. Ihm wurde mitgeteilt, es bestehe keine Möglichkeit, ihm sofort zu helfen. Nach einem nochmaligen Hinweis, sich an die Teamleitung zu wenden, schloss eine Mitarbeiterin der Stadt die Tür. A befand sich daher zu diesem Zeitpunkt außerhalb des Raumes. Er stieß die Tür unverzüglich wieder auf und betrat den Raum, sodass die Mitarbeiterin des Amtes einen Schritt zurücktreten musste. Unter Verweis auf das Hausrecht wurde er aufgefordert, das Büro zu verlassen. Daraufhin versuchte die Mitarbeiterin, da sie sich von A bedroht fühlte, diesen von sich fernzuhalten und aus dem Raum zu schieben. In der Folge schlug A ihre Hand weg und erklärte: „Mach das noch einmal, dann klatsche ich dir eine.“ Weitere Mitarbeiter mussten zur Hilfe kommen und riefen die Polizei. Bis zum Eintreffen der Polizei verblieb A im Flur.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2024 hat die Stadträtin der Stadt C gegenüber A ein „sofortiges und unbefristetes Hausverbot für alle Dienstgebäude des Sozialamtes“ ausgesprochen. Zur Begründung verwies sie auf den Vorfall am 16. Februar 2024. Im Hinblick auf ein gegenüber dem Kläger bereits mit Bescheid vom 4. Dezember 2017 wegen der damaligen Bedrohung eines städtischen Mitarbeiters auf sechs Monate befristetes Hausverbot sei nunmehr ein längerfristiges Hausverbot angebracht. Da die Wiederholung derartiger Vorfälle zu befürchten sei, erteilte sie ihm zur Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebs und zum Schutz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein unbefristetes Hausverbot für alle Dienstgebäude des Sozialamtes. Er sei ab sofort nicht mehr berechtigt, die Dienstgebäude des Sozialamtes zu betreten. Sofern er in Zukunft auf die Hilfe des Sozialamtes angewiesen sei, könne er sich fernmündlich oder schriftlich an das Sozialamt wenden oder sich durch eine Person seines Vertrauens, die er gegebenenfalls entsprechend bevollmächtigen müsse, vertreten lassen.

Gegen den Bescheid legte A am 18. März Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht ein. Kurz nach Klageerhebung hat die Stadt C das Hausverbot mit ergänzendem Bescheid vom 20. März 2024 auf einen Zeitraum von zwölf Monaten ab Zustellung des Bescheids vom 28. Februar 2024 befristet. Die Stadt C hat die Sache anschließend mit A nochmals ausführlich telefonisch erörtert.

Zu der Begründung seiner Klage trägt A vor, er habe lediglich zwei Schreiben abgeben wollen. Die Mitarbeiterin habe gesagt, sie habe keine Zeit für ihn. Seine Reaktion darauf sei verständlich gewesen, da er auf Abhilfe angewiesen sei. Keinesfalls rechtfertige dies ein unbefristetes und auf alle Sozialämter bezogenes Hausverbot. Zudem hätte man die Sache vor dem Bescheid doch nochmal mit ihm besprechen können. Der Zeitraum vor der Befristung sei jedenfalls rechtswidrig gewesen. Er befürchte, dass zukünftig wieder ein unbefristetes Hausverbot gegen ihn erlassen werden könnte. Er wende sich gegen alle Maßnahmen der Stadt C.

Hat die Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Aussicht auf Erfolg?

Anmerkung: Es ist davon auszugehen, dass C die richtige Klagegegnerin ist.


 

Skizze


Gutachten

Die Klage hat Aussicht auf erfolgt, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.

A. Zulässigkeit

Die Klage müsste zulässig sein.

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs richtet sich mangels aufdrängender Sonderzuweisung nach § 40 I 1 VwGO. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist dabei nach der modifizierten Subjektstheorie eine solche, bei der die streitentscheidenden Normen einseitig einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten.[1]Reimer, in: BeckOK VwGO, 66. Ed., 1.1.2023, VwGO § 40 Rn. 45.4.

Als Rechtsgrundlagen für die Erteilung von Hausverboten kommen neben öffentlich-rechtlichen Vorschriften auch zivilrechtliche Vorschriften in Betracht. Die Befugnis der Stadträtin der Stadt C, ein Hausverbot zu erteilen, könnte zunächst als Ausdruck der Eigentümer- oder Besitzerrechte der Stadt gemäß §§ 859 ff., § 903, § 1004 BGB betrachtet werden. Grundsätzlich steht es demjenigen, der im privatrechtlichen Sinne Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks ist, frei, zu entscheiden, wem er den Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit erlaubt und wem nicht – auch wenn es Einschränkungen gibt, sobald der Zutritt allgemein (oder unter bestimmten Voraussetzungen) gewährt wird.

Maßgeblich für die Einordnung als öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist daher die Einordnung der Rechtsgrundlage, auf der das Hausverbot erging. Die Abgrenzung erfolgt „im Einzelfall unter Berücksichtigung der besonderen Umstände und des Zwecks des Hausverbots“.[2]BVerwGE 35, 103, 106. Früher wurde daraus abgeleitet, dass es alleine auf den Zweck des Besuchs ankomme.[3]anstatt vieler BayVGH NJW 1980, 2722, 2723. Entscheidend ist jedoch nicht mehr der Zweck, den der Besucher verfolgt, sondern der Zweck, den die Verwaltung mit dem Verbot anstrebt (Zweck des Hausverbots aus Sicht der Behörde). Der Behörde geht es dabei um den Schutz ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben. Das Hausverbot stellt somit ein „Annex“ der behördlichen Tätigkeit dar.[4]Schneider, in: Schoch/Schneider/Ehlers, 45. EL Januar 2024, VwGO § 40 Rn. 330..

Das Hausverbot erging hier per formellem Bescheid. Primärer Zweck war die Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebs sowie der Schutz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zwar ging es auch um eine Besitzstörung, diese verhinderte vor allem die funktionale und sachliche Tätigkeit der Behörde. Das Hausverbot ist daher als öffentlich-rechtlich einzuordnen, weshalb auch die als öffentlich-rechtliche Streitigkeit einzuordnen ist.

Da die Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art ist und keine abdrängende Sonderzuweisung vorliegt, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

Vernetztes Lernen: Verwaltungsrechtsweg bei Subventionen

Fraglich ist, ob der Verwaltungsrechtsweg bei der Gewährung von öffentlichen Zuschüssen eröffnet ist. Die Zuschüsse und deren Rückzahlungen können auf öffentlich-rechtlichen Normen, aber auch auf Vorschriften des Privatrechts beruhen. Zur Lösung wird daher die sogenannte Zwei-Stufen-Theorie herangezogen. Demnach ist grundsätzlich die Entscheidung über das „Ob“ der Subventionierung als öffentlich-rechtliche Streitigkeit einzuordnen, während die zweite Stufe sowohl eine privatrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung über das „Wie“ beinhaltet. Das betrifft dann die Durchführung der Subvention, die Rückzahlung oder das Nutzungsverhältnis
Demnach sind sogenannte verlorene Zuschüsse, also solche, die nicht zurückgezahlt werden müssen, einstufig und deswegen stets als öffentlich-rechtlich einzuordnen. Dies wird überwiegend in Klausuren der Fall sein. Sollte auch eine Rückzahlungsmodalität vereinbart sein, spielt sich die Streitigkeit dennoch auf der ersten Ebene ab. In beiden Fällen dürfte der Verwaltungsrechtsweg über die Zwei-Stufen-Theorie zu lösen sein.

II. Statthafte Klageart

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, vgl. § 88 VwGO. Der A möchte sich gegen alle Maßnahmen der Stadt C wehren. In Betracht kommen daher einmal das nachträgliche befristete Hausverbot und das anfängliche unbefristete Hausverbot.

1. Anfechtungsklage gegen das befristete Hausverbot

Dagegen könnte die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VwGO die statthafte Klageart sein. Dafür müsste es sich bei dem Hausverbot um einen Verwaltungsakt handeln. Nach § 35 S. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die Behörde erließ hier das Hausverbot, dabei handelt es sich um eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung des Einzelfalls gegenüber dem A. Diese Maßnahmen bezogen sich auf das Hausverbot für den angegebenen Zeitraum und mit dem angegebenen Umfang. Es handelte sich um einen VA. Demnach ist eine Anfechtungsklage die statthafte Klageart.

2. Fortsetzungsfeststellungsklage gegen das unbefristete Hausverbot

Nach § 113 I 4 VwGO spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat und sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder auf andere Weise erledigt hat. Das Hausverbot ist nunmehr nicht mehr unbefristet. Mithin hat sich zum Zeitpunkt der Entscheidung, jedoch nach Klageerhebung, durch die nunmehr geltende Befristung des Hausverbots der Verwaltungsakt dahingehend erledigt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist daher statthaft.

Anmerkung: Abgrenzung zur Fortsetzungsfeststellungsklage analog

Hier musste genau mit dem Sachverhalt gearbeitet werden, um nicht in die Falle einer analogen Anwendung der Fortsetzungsfeststellungsklage zu tappen. Der Verwaltungsakt hatte sich nach Klageerhebung erledigt. Genau für solche Fälle schuf der Gesetzgeber § 113 I 4 VwGO. Die Diskussion um eine analoge Anwendung darf nur geführt werden, wenn sich der Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt hat.

III. Klagebefugnis

Zudem müsste A klagebefugt sein. Nach § 42 II VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder dessen Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies gilt sowohl für die Anfechtungs- als auch für die Fortsetzungsfeststellungsklage. Der Adressatengedanke geht davon aus, dass der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG verletzt sein kann. Damit ist zumeist bei einer Anfechtungsklage derjenige klagebefugt, der, wie hier, Adressat des belastenden Verwaltungsakts ist. A ist somit klagebefugt.

Anmerkung: Prüfungsaufbau

Es ist eine getrennte Prüfung der Anfechtungs- und der Fortsetzungsfeststellungsklage denkbar. Da die Klagearten jedoch weitestgehend identische Zulässigkeitsvoraussetzungen haben, ist eine gemeinsame Prüfung aus Zeitgründen sinnvoll.

IV. Klagefrist

Die Klagefrist bemisst sich bei der Anfechtungsklage nach § 74 I VwGO. Für die Fortsetzungsfeststellungsklage gilt, dass der Rechtsbehelf zum Zeitpunkt der Einlegung fristgemäß war. Für den erledigten Teil galt die Frist bis Ende März und für das befristete Hausverbot bis in den April, sodass mit Klageerhebung am 18. März die Frist gewahrt wurde.

V. Fortsetzungsfeststellungsinteresse

Zudem müsste A für die Fortsetzungsfeststellungsklage das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse haben. Aufgrund der Erledigung des Verwaltungsakts ist es erforderlich, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers zu verbessern. Es muss daher ein Interesse an der Feststellung bestehen, dass über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit hinausgeht.[5]Hoffmann JA 2024, 229, 230..

In Betracht kommt hier eine Wiederholungsgefahr. Dies erfordert die konkrete Gefahr, dass in Zukunft ein ähnlicher Verwaltungsakt erlassen wird, und zwar unter weitgehend unveränderten rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen.[6]BVerwG NVwZ 2013, 1481 Rn. 21. Die Wiederholungsgefahr liegt hier darin begründet, dass A weiterhin die Sozialämter aufsuchen muss und sein Verhalten nicht ändern will. Er geht daher davon aus, dass C auch zukünftig gegen ihn unbefristete Hausverbote aussprechen wird. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt daher vor.

Vernetztes Lernen: Welche Fallgruppen hat das Fortsetzungsfeststellungsinteresse?

Bei der Fortsetzungsfeststellungsklage reicht nicht jedes berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung. Vielmehr muss eine der folgenden Fallgruppen einschlägig sein:
– Wiederholungsgefahr
– Rehabilitationsinteresse
– Schwerwiegender Grundrechtseingriff
– Präjudizinteresse (nicht bei Erledigung nach Klageerhebung)

B. Objektive Klagehäufung

Alle Klagen richten sich gegen C, stehen miteinander im Zusammenhang und sind vor demselben Gericht zu verfolgen. Somit ist für die Klagen die objektive Klagehäufung nach § 44 VwGO zulässig.

C. Begründetheit

Die Klage müsste auch begründet sein.

I. Begründetheit der Anfechtungsklage

Die Klage gegen das befristete Hausverbot ist begründet, soweit der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

1. Ermächtigungsgrundlage

Fraglich ist, auf welche Ermächtigungsgrundlage das Hausverbot gestützt werden kann, wenn keine spezialgesetzliche Regelung, wie eine Satzung oder Gemeindeordnung, existiert. Die Rechtsgrundlage für das Hausverbot könnte sich aus der Zuständigkeit der C zur Erfüllung der ihr übertragenen Verwaltungsaufgaben, insbesondere dem Betrieb der kommunalen Sozialämter, ergeben. Das Hausrecht ist ein notwendiger Bestandteil dieser Zuständigkeit. Ein Träger öffentlicher Gewalt, dem eine bestimmte Verwaltungsaufgabe zugewiesen wird, muss eigenständig entscheiden können, wem der Zugang zu den Räumlichkeiten gestattet und wem er verwehrt wird, insbesondere dann, wenn die ordnungsgemäße Erfüllung des Widmungszwecks gefährdet oder gestört ist und eine Wiederholung solcher Vorfälle zu erwarten ist.[7]VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17.07.2024 – 15 K 1173/24, BeckRS 2024, 18465 Rn. 17.

2. Formelle Rechtmäßigkeit

Zudem müsste der Verwaltungsakt formell rechtmäßig gewesen sein. Bedenken bestehen hier gegen das Anhörungserfordernis. Nach § 28 I VwVfG ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies ist hier nicht geschehen. Der Verfahrensfehler könnte jedoch geheilt worden sein. Die C hat nach § 45 I Nr. 3 VwGO die Anhörung nachgeholt.

Vernetztes Lernen: Anhörung im Klageverfahren durch den Schriftsatzwechsel

Eine Heilung ist allgemein nur möglich, wenn der Zweck der Anhörung – die Möglichkeit des Beteiligten, durch seine Stellungnahme die Entscheidung zu beeinflussen – weiterhin erreicht werden kann. Ob dieser Zweck im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens noch erfüllt werden kann, ist jedoch umstritten. Eine Heilung kann nur erfolgen, wenn den Beteiligten eine substanzielle Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 28 VwVfG eingeräumt wird, sodass die Anhörung ihre Funktion im Entscheidungsprozess der Behörde vollständig erfüllen kann. Dies setzt voraus, dass eine „offene“ Entscheidungssituation besteht, die es ermöglicht, die Anliegen der Beteiligten gegebenenfalls durch eine Änderung der getroffenen Entscheidung zu berücksichtigen. Ein Schriftsatzwechsel, der lediglich subjektiv als Angriffs- und Verteidigungsmittel dient, reicht daher nicht aus.

3. Materielle Rechtmäßigkeit

Das Hausverbot müsste auch materiell rechtmäßig sein.

a) Tatbestandvoraussetzungen

Zunächst müssten die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Aufgrund des präventiven Charakters des Hausverbots setzt dieses voraus, dass es notwendig ist, um zukünftige Störungen des Betriebsablaufs in der Behörde abzuwehren oder die Bediensteten und Besucher zu schützen. Entsprechend diesem Schutzzweck des öffentlich-rechtlichen Hausrechts setzt dessen Ausübung also allgemein eine „nachhaltige Störung des Dienstbetriebs“ voraus.[8]OVG Lüneburg, NJW 2010, 2905.

Daher müssen konkrete Tatsachen angeführt werden, die in der Vergangenheit zu Störungen des Hausfriedens geführt haben und die darauf hindeuten, dass in Zukunft erneut mit Störungen zu rechnen ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn Bedienstete beleidigt oder bedroht werden oder der Besucher auf nicht akzeptable Weise aggressiv reagiert und eine Wiederholung solcher Vorfälle zu erwarten ist.[9]VG Gelsenkirchen Urt. v. 17.7.2024 – 15 K 1173/24, BeckRS 2024, 18465 Rn. 21.

Zunächst ist diesbezüglich festzustellen, dass A den Betrieb wesentlich gestört hat und den Anweisungen der Mitarbeiter nicht gefolgt ist. So hat er eine vor ihm geschlossene Tür mit aggressiver Wirkung für die Mitarbeiterin der C wieder aufgestoßen. Durch sein Auftreten mussten weitere Mitarbeiter hinzukommen. Ein Hausverbot zum Schutz der Mitarbeiter könnte sich auch aus den Aussagen des A ergeben. Diese könnten als Bedrohung im Sinne des § 241 StGB eingestuft werden. Der Tatbestand setzt die Bedrohung eines Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahe stehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert voraus. Nicht erforderlich ist jedoch, wie in der alten Fassung, dass ein Verbrechen nach § 12 StGB angedroht wird.[10]Schluckebier, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 241 StGB, Rn. 6. In Betracht kommt vorliegend die Drohung zur Begehung einer Körperverletzung. Die Ankündigung, jemandem „eine zu klatschen“, fällt bereits nach allgemein geläufiger Diktion sowie im Hinblick auf die Synonyme „Backpfeife, Ohrfeige“ unter die Ankündigung einer mindestens drohenden Körperverletzung (§ 223 StGB).[11]VG Gelsenkirchen Urt. v. 17.7.2024 – 15 K 1173/24, BeckRS 2024, 18465 Rn. 23.

Daher ist zumindest in der Gesamtschau durch das Verhalten des A der ordnungsgemäße Betrieb und die Sicherheit der Mitarbeiter konkret gefährdet. Die Gefahrenprognose müsste zudem ergeben, dass auch in Zukunft der Betrieb oder die Mitarbeiter durch A gefährdet werden. Der A hat sich nicht einsichtig gezeigt. Viel mehr verteidigt er seine Verhaltensweise. Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt ist daher davon auszugehen, dass in ähnlichen Situationen der A wiederholt das gezeigte Verhalten an den Tag legen würde.

b) Rechtsfolgen

Das Hausverbot erfordert auch das die Behörde ermessensfehlerfrei gehandelt haben muss. Die C müsste daher ihr Ermessen auch rechtmäßig ausgeübt haben. Insbesondere muss das Hausverbot verhältnismäßig gewesen sein. Um den reibungslosen Ablauf der Einrichtung zu gewährleisten und mit dem Schutz der Mitarbeiter verfolgt die Maßnahme einen legitimen Zweck. Das Hausverbot ist auch geeignet diesen Zweck zu fördern, da durch das Hausverbot der A keine Zugriffsmöglichkeiten mehr auf die Einrichtung und die Mitarbeiter hat. Fraglich ist indes, ob das Hausverbot erforderlich war. Dafür dürfte kein gleich effektiveres aber gleichzeitig milderes Mittel vorhanden gewesen sein. Wie die bisherigen Vorfälle zeigen, besteht das Gefährdungspotential des A insbesondere bei einem persönlichen Zusammentreffen in den Diensträumen, weshalb das Hausverbot genau diese Situationen verhindern soll. Das Verhalten bezog sich nicht nur auf einen konkreten Mitarbeiter oder eine konkrete Mitarbeiterin, wie ua die alten Vorfälle zeigen, sondern Bezog sich auf die Einrichtung als solche. Ein partielles Verbot kam daher nicht in Betracht. Letztlich müsste das Verbot angemessen gewesen sein. Dafür müssten der Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit der Beschäftigten sowie die Sicherstellung eines störungsfreien Dienstbetriebs schwerer wiegen als das Interesse des A, die Räumlichkeiten der Sozialämter aufzusuchen. Der A hat zwar ein dringliches Interesse um die Angelegenheiten seines Sozialbezugs zu regeln, dies ist ihm durch das Hausverbot jedoch nicht gänzlich verwehrt. Die C hat darauf hingewiesen, dass der A weiterhin die Möglichkeit hat, seine Angelegenheiten telefonisch, schriftlich oder durch einen Bevollmächtigten zu regeln. Die Befristung des Hausverbots ab dem 20. März 2024 stellt sicher, dass es nur für den notwendigen und verhältnismäßigen Zeitraum gilt.

3. Zwischenergebnis

Der Bescheid war daher materiell rechtmäßig. Die Anfechtungsklage ist daher unbegründet.

II. Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt vor seiner Erledigung rechtswidrig war und der Kläger dadurch tatsächlich in seinen Rechten verletzt wurde.

1. Formelle Rechtmäßigkeit

Fraglich ist, ob auch für die Fortsetzungsfeststellungsklage der Anhörungsfehler geheilt wurde. Diesbezüglich könnte bei einem erledigten Verwaltungsakt eine Heilung ausgeschlossen sein, da unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Verfahrensvorschriften eine Heilung dadurch gekennzeichnet ist, dass für den Betroffenen materiell gesehen ein vergleichbarer Zustand wie bei einer korrekten Verfahrensgestaltung hergestellt wird. Das kann bei einer Erledigung nicht der Fall sein.[12]Guckelberg, JA 2011, 1, 4.

Hier kann jedoch die spätere Handlung noch zum Gegenstand der neuen Regelung gemacht werden, sodass die Annahme einer Heilung in dieser Konstellation zu bejahen ist.[13]a.A. vertretbar.

2. Materielle Rechtmäßigkeit

Der Verwaltungsakt müsste auch materiell rechtmäßig gewesen sein. Im Unterschied zum nun geltenden Hausverbot war das ursprüngliche Hausverbot, das sich nun erledigt hat, unbefristet. Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen zwar vor, jedoch könnte das unbefristete Hausverbot unverhältnismäßig sein. Die unbefristete Regelung könnte dabei schon am Erfordernis der Erforderlichkeit scheitern. Ein gleich effektives Mittel könnte hier eine Befristung sein. Denn seit dem letzten Hausverbot aus dem Jahr 2017 kam es zu keiner Auseinandersetzung mehr. Eine befristete Regelung zeigte bei dem A daher grundsätzlich Wirkung, jedoch nur für einen gewissen Zeitraum. Sein Verhalten gänzlich ändern konnte das Hausverbot nicht. Zumindest könnte das unbefristete Hausverbot indes an der Angemessenheit scheitern. Die unbefristete Beschränkung versperrt den A jede Verhaltensänderung. Sie steht deshalb außer Verhältnis. Insbesondere da der A zeigte partiell zu einer Verhaltensänderung fähig zu sein.

3. Subjektive Rechtsgutsverletzung

Durch die nachträgliche Befristung des Hausverbots vom 20. März 2024 auf zwölf Monate ab Zustellung des Bescheids vom 28. Februar 2024 war das Verbot für den Zeitraum zwischen dem 20. März 2024 und der mündlichen Verhandlung rechtmäßig. Die fehlende Befristung des Hausverbots, die gegen das Übermaßverbot verstößt, hatte in dem für die Fortsetzungsfeststellungsklage maßgeblichen Zeitraum – also von der Zustellung des Hausverbots bis zum 20. März 2024 – keine Auswirkungen, da diese Zeitspanne so oder so rechtmäßig war.[14]VG Gelsenkirchen Urt. v. 17.7.2024 – 15 K 1173/24, BeckRS 2024, 18465 Rn. 32. Der A ist daher nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt

D. Ergebnis

Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Zusatzfragen

1. Gleichzeitig mit der Klageerhebung hat der A einstweiligen Rechtschutz eingelegt. Noch vor der nachgeholten Anhörung entscheidet das Gericht. Welcher Rechtsbehelf ist statthaft und wie wird das Gericht entscheiden?

Der A müsste einen statthaften Antrag wählen. Dafür ist das Interesse des Antragsstellers auszulegen, §§ 122 I, 88 VwGO. Der A begehrt vorliegend einstweiligen Rechtsschutz gegen das Hausverbot. In Betracht kommt ein Antrag nach § 80 V VwGO oder § 123 VwGO. § 123 VwGO ist aber nur einschlägig, wenn in der Hauptsache keine Anfechtungsklage oder ein Anfechtungswiderspruch statthaft ist. A will die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO) erreichen und damit im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung vorgehen. Dafür kann der A einen Antrag nach § 80 V 1 HS. 2 VwGO stellen.
Der Antrag nach § 80 V 1 Hs. 2 VwGO ist begründet, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig ist und/oder nach summarischer Prüfung das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Fraglich ist hier in Abweichung zum Ausgangsfalls alleine, wie sich im Rahmen der Interessenabwägung die formelle Rechtswidrigkeit, durch die fehlende Anhörung, auf die Interessenabwägung auswirkt.
In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die auf die Aussetzung der Vollziehung eines befristeten Hausverbots für zwölf Monate gerichtet sind, führt der formelle Mangel einer unterbliebenen Anhörung nicht automatisch zu überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache aufgrund offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Hausverbots. Der Anhörungsmangel kann im weiteren Verlauf des Hauptsacheverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG durch Nachholung der Anhörung geheilt werden.[15]Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 25.03.2024, 15 L 370/24, Rn. 15.


2. Welche Anspruchsgrundlagen kommen in Betracht für die Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen, wenn Parteien diese nutzen wollen?

Es ist bei der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen danach zu differenzieren, ob die Partei örtlich ansässig ist oder nicht. Die Benutzung öffentlicher Einrichtungen richtet sich zunächst nach den jeweils einschlägigen kommunalen Regelungen (zB nach § 8 II – IV GO NRW, § 30 NKomVG). Für andere Personen kann sich ein Benutzungsanspruch aus anderen Gründen ergeben, z.B. aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 I GG (i.V.m. der Selbstbindung der Verwaltung) oder, dies wird meist der Klausurfall sein, aus der Sonderstellung der politischen Parteien aus Art. 21 GG. i.V.m. § 5 ParteiG.


Zusammenfassung

1. Die Einordnung eines Hausverbots als öffentlich-rechtliche Streitigkeit erfolgt „im Einzelfall unter Berücksichtigung der besonderen Umstände und des Zwecks des Hausverbots“. Entscheidend ist dabei nicht der Zweck, den der Besucher verfolgt, sondern der Zweck, den die Verwaltung mit dem Verbot anstrebt (Zweck des Hausverbots aus Sicht der Behörde).

2. Die Ankündigung, jemandem „eine zu klatschen“, fällt bereits nach allgemein geläufiger Diktion sowie im Hinblick auf die Synonyme „Backpfeife, Ohrfeige“, unter den Tatbestand der Bedrohung (§ 241 I StGB). Sie stellt mindestens eine Körperverletzung (§ 223 StGB) in Aussicht und ist daher geeignet, die Anforderungen zu erfüllen, die für den Erlass eines Hausverbots vorliegen müssen.

3. Die Rechtswidrigkeit eines unbefristeten Hausverbots führt nicht zu einer Verletzung der Rechte des Betroffenen, wenn das Verbot nachträglich ohne Beanstandung befristet wird und der zuvor rechtswidrige (unbefristete) Zeitraum in den Zeitraum der nachträglichen Befristung integriert wird.

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