
OLG Bremen, Beschluss vom 16.02.2024 – 3 KLs 350 Js 69580/22 (1/24) – BeckRS 2024, 8151
Sachverhalt
A ist in finanziellen Schwierigkeiten. In einem True-Crime-Podcast hört sie von der Betrugsmasche „falscher Polizist“ und entschließt sich kurzerhand, ihr Glück auf diese Art zu versuchen. Dafür sucht sie im Telefonbuch nach den Nummern solcher Personen, deren Vornamen möglichst „alt“ klingen, um bestenfalls Personen im Rentenalter zu erreichen.
So gelangt A an die Nummer des C, den sie kurzerhand anruft. Sie stellt sich als „Notrufsprecherin der Polizei“ vor und erklärt ihm, dass er sehr wahrscheinlich Opfer einer kriminellen Vereinigung geworden sei, die mit einem bereits festgenommenen Angestellten seiner Hausbank zusammengearbeitet hätte, um echte Banknoten durch Falschgeld zu ersetzen. Er – der C – sei möglicherweise im Besitz eben dieses Falschgeldes, weshalb die A (als Vertreterin der Polizei) ihm dringend raten würde, die Geldscheine zur Überprüfung der Seriennummer an die Polizei zu übergeben. Da es sich bei den Ermittlungen jedoch um eine verdeckte handele, sei es für die Geheimhaltung der Ermittlung erforderlich, dass der C – soweit er sich für eine Mitarbeit und Überprüfung entscheiden würde – die Geldscheine in einer Schachtel verstaue und sie im Rhododendronbusch gegenüber seines Hauses deponiere, wo sie wiederum von Kolleg:innen in Zivil abgeholt werden würden.
C schenkt den Worten der A Glauben und entscheidet sich, die Seriennummer seiner Geldscheine für die Ermittlungen überprüfen lassen, weshalb er sämtliches in seinem Besitz stehendes Bargeld (1000€) in einem Schuhkarton im Rhododendronbusch gegenüber seines Hauses versteckt. Dort wird es einige Zeit später von A abgeholt.
Euphorisiert von ihrem ersten erfolgreichen Telefonat kontaktiert A am folgenden Abend die D. Selbstbewusst beginnt sie, der D dieselbe Geschichte zu erzählen, wie dem C, wird von ihr jedoch bereits nach wenigen Sätzen (A kam gerade einmal dazu zu berichten, dass D möglicherweise Opfer einer kriminellen Vereinigung geworden sein und dadurch in den Besitz von Falschgeld gekommen sein könnte) mit den Worten unterbrochen: „Ich bin nicht sicher, ob ich ihnen glauben kann. Ich würde das Telefonat lieber beenden!“ woraufhin A in sich hineingrummelt „Na gut, dann halt nicht“.
Strafbarkeit der A gem. § 263 I StGB?
Skizze
Gutachten
Tatkomplex 1: Das Telefonat mit dem C
A könnte sich durch den Telefonanruf bei C wegen Betruges gem. § 263 I StGB gegenüber und zu Lasten des C strafbar gemacht haben.
A. Tatbestand
I. Objektiver Tatbestand
1. Täuschungshandlung
Vorliegend spiegelte A dem C vor, sie sei Notrufsprecherin der Polizei und C sei mit hoher Wahrscheinlichkeit Opfer einer kriminellen Vereinigung geworden, gegen die verdeckt ermittelt würde. Damit wollte sie bei C die Vorstellung hervorrufen, seine Mitarbeit (Deponieren seines Bargeldbestandes versteckt im Rhododendronbusch zur späteren Überprüfung der Seriennummern) sei für die Ermittlungen erforderlich. Mithin wirkte A durch das Vorspiegeln falscher Tatsachen auf das Vorstellungsbild des C ein, um einen Irrtum bei ihm hervorzurufen.[1]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 26. Auflage 2024, § 13 Rn. 8, 9, 11.
2. Dadurch hervorgerufener Irrtum
Infolge dieser Täuschung ging C davon aus, es sei für die verdeckte Ermittlung erforderlich, dass er seinen Bargeldbestand zur Überprüfung der Seriennummer im Rhododendronbusch verstecke. Mithin hat A durch ihre Täuschung eine Fehlvorstellung über Tatsachen und damit einen kausalen Irrtum bei C hervorgerufen.[2]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 26. Auflage 2024, § 13 Rn. 41.
3. Dadurch hervorgerufene Vermögensverfügung
Durch den Irrtum müsste C eine Vermögensverfügung vorgenommen haben, worunter jedes Verhalten zu verstehen ist, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt.[3]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 26. Auflage 2024, § 13 Rn. 70. Vorliegend hat C jegliches, in seinem Besitz stehendes Bargeld in einem Schuhkarton im Rhododendronbusch gegenüber seines Hauses versteckt, damit (vermeintlich) Kolleg:innen der Polizei es zu einem späteren Zeitpunkt in Gewahrsam nehmen können. Es fragt sich dabei aus zweierlei Gründen, ob in diesem Verhalten tatsächlich eine Vermögensverfügung zu sehen ist, oder ob nicht vielmehr eine Wegnahme i.S.d. § 242 StGB durch die A erfolgte: Zum einen ließe sich in Frage stellen, ob die Verfügung in Ansehung einer (vermeintlich) polizeilichen Aufforderung noch als freiwillig einzuordnen wäre. Zum anderen, ob sich das Verhalten des C überhaupt bereits unmittelbar vermögensmindernd ausgewirkt hatte, da er die Zugriffsmöglichkeit auf die Geldscheine erst in dem Moment verlor haben könnte, als sie von A (bzw. in seiner Vorstellung den Kolleg:innen der Polizei) abgeholt wurden.
a. Freiwilligkeit der Verfügung
Anmerkung: Verortung im Rahmen der Prüfung von Para. 242 StGBDer Wille zum vollständigen Gewahrsamswechsel stellt zugleich das tatbestandsausschließende Einverständnis i.R.d. Prüfung von § 242 StGB dar.[4]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 22. Auflage 2020, § 13 Rn. 83.
Für die Verfügung von Gegenständen ist es notwendig, dass der Irrende über den vermögensrelevanten Charakter seiner Handlung weiß, er also Bewusstsein darüber hat, den Gewahrsam an der Sache zu übertragen (sog. Verfügungsbewusstsein)[5]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 22. Auflage 2020, § 13 Rn. 64.. An einem solchen Bewusstsein besteht im vorliegenden Fall kein Zweifel, da der C wusste, dass er spätestens in dem Moment, in dem die (vermeintlichen) Kolleg:innen der Polizei die Geldscheine an sich nehmen, Gewahrsam an ihnen überträgt.Für die Abgrenzung zum schlichten Bruch des Gewahrsams durch einen anderen (§ 242 StGB), in dem der Gewahrsamsinhaber den Gewahrsam gegen seinen Willen verliert[6]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 22. Auflage 2020, § 2 Rn. 64. ließe sich allerdings fordern, dass der Irrende den Entschluss zur Gewahrsamsübertragung freiwillig fällt, er also eine echte Handlungsalternative empfindet.[7]Im Allgemeinen vgl. Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 22. Auflage 2020, § 13 Rn. 76; für den Modus Operandi „Falscher Polizeibeamter“ im Speziellen vgl. Zeyher/Zivanic, ZJS 2/2022 S. … Continue reading. An einer solchen Freiwilligkeit könnte es im vorliegenden Fall fehlen, da der C die Geldscheine nur deshalb im Rhododendronbusch versteckte, weil er davon ausging, auf diese Weise zu den polizeilichen Ermittlungen beitragen zu können. Man müsste also davon ausgehen, dass er keine andere Handlungsalternative als die der Mitarbeit empfunden hätte. Da die A dem C am Telefon jedoch lediglich dringend dazu geraten hatte, die Seriennummern seiner Geldscheine überprüfen zu lassen, sah sich C keinem (vermeintlichen) Befehl der Polizei (als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG) und damit keiner unausweichlichen Zwangssituation ausgesetzt. Vielmehr „entschied“ er sich selbst dazu, seine Geldscheine im Rahmen der (vermeintlichen) Ermittlung überprüfen zu lassen. Sein Wille bezog sich damit auf einen vollständigen Gewahrsamswechsel. C handelte mithin freiwillig im Bewusstsein einer Verfügung.
Vernetztes Lernen: Das Kriterium der Freiwilligkeit beim „ausdrücklichen Befehl“ und dem „dringenden Ratschlag“ der PolizeiIn unserem Fall hat die A (als vermeintliche Vertreterin der Polizei) dem C lediglich dringend geraten, die Geldscheine zur Überprüfung der Seriennummer an die Polizei zu übergeben. Denkbar wäre allerdings auch eine Fallkonstellation, in der A dem C den ausdrücklichen Befehl dazu erteilt.
Bei einem „ausdrücklichen Befehl“ der Polizei handelt es sich rechtlich gesehen um einen Verwaltungsakt i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG. Anders als ein „dringender Ratschlag“ kann ein Verwaltungsakt auch zwangsweise im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden. Für C bestünde dann keine echte Handlungsalternative, da das Bargeld (vermeintlich) „so oder so“ an die Polizei gelangen würde.[8]Vgl. Zeyher/Zivanic, ZJS 2/2022 S. 201.
In einem solchen Fall können wir also keine „Freiwilligkeit“ der Verfügung annehmen, sondern gelangen regelmäßig zu einer Strafbarkeit nach § 242 StGB.
In der Klausur ist es sehr wichtig darauf zu achten, wie die Kommunikation zwischen Täter:in und Opfer abläuft, da davon – wie wir soeben gesehen haben – abhängig ist, ob wir eine Verfügung grundsätzlich bejahen können oder nicht.
Beispiel: A entdeckt im Haus ihrer Bekannten B einen wertvollen antiken Ring. Sie fragt die B, ob sie sich den Stein des Rings einmal draußen im Tageslicht anschauen dürfe – er schimmere so schön. B willigt mit den Worten „Klar, schau ihn dir draußen an und leg ihn dann einfach wieder zurück in die Box“ ein. A nimmt den Ring an sich und verschwindet.
Auch in diesem kleinen Fallbeispiel hat die A in ihrem Gegenüber einen Irrtum hervorgerufen, durch den sie Zugriff auf eine ihr fremde Sache erlangen konnte. Jedoch bezieht sich hier das durch die Täuschung von B erlangte Einverständnis – anders als in unserem Hauptfall – lediglich darauf, dass die A „kurz“ mit der Sache nach draußen geht und sie anschließend wieder in die Box legt. Mithin hat die B nicht in einem Gewahrsamswechsel, sondern lediglich in eine Gewahrsamslockerung eingewilligt. Dieser gelockerte Gewahrsam wird anschließend durch das Verschwinden der A gebrochen, weshalb in diesem Fall eine Wegnahme i.S.d. § 242 StGB und keine Vermögensverfügung i.S.d. § 263 StGB vorliegt.[9]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 22. Auflage 2020, § 13 Rn. 83.
b. Unmittelbarkeit der Vermögensminderung
Das irrtumsbedingte Verhalten des C (Verstecken des Geldes) müsste ohne zusätzliche deliktische Zwischenschritte der A zu der Vermögensminderung (Gewahrsamswechsel) geführt haben (sog. Unmittelbarkeit der Vermögensminderung)[10]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 22. Auflage 2020, § 13 Rn. 67.. Da der C jedoch bis zur Abholung des Geldes durch A (bzw. in seiner Vorstellung durch ihre Kolleg:innen der Polizei) grundsätzlich weiterhin auf das versteckte Geld hätte zugreifen können, lässt sich fragen, ob der endgültige Gewahrsamswechsel nicht indes erst durch die Handlung der A erfolgte. Die Beurteilung der Gewahrsamsverhältnisse richtet sich nach der Anschauung des täglichen Lebens nach der jeweiligen Verkehrsauffassung, wobei wertende Aspekte (wie die soziale Zuordnung einer Sache) und die konkreten Umstände des Einzelfalls miteinzubeziehen sind.[11]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 22. Auflage 2020, § 2 Rn. 27. Die bloß räumliche Distanz zwischen C und den Geldscheinen spielt für die Bewertung also grundsätzlich keine Rolle. Allerdings deponierte der C das Geld bereits in der Kenntnis im Rhododendronbusch, dass es alsbald von den (vermeintlichen) Kolleg:innen der Polizei abgeholt und an einen ihm unbekannten Ort verschafft würde. Er fand sich also schon in diesem Zeitpunkt damit ab, dass er die Zugriffsmöglichkeit auf die Geldscheine (und gleichsam seinen Gewahrsam an ihnen) verlieren würde.[12]Vgl. Zeyher/Zivanic, ZJS 2/2022 S. 202 in Analyse der Rechtsprechung der BGH-Strafsenate zum Modus Operandi „Falscher Polizeibeamter“. Schon zu diesem Zeitpunkt gab er seine Geldscheine der Zugriffsmöglichkeit durch A (bzw. vermeintlich der Kolleg:innen der Polizei) preis, worin eine konkrete Vermögensgefährdung zu sehen ist.[13]Vgl. vor allem auch für die Auseinandersetzung mit der Kritik an einem solchen Verständnis Hefendehl/Joecks/Miebach (Hrsg.), MüKo StGB, Bd. 5, 3. Aufl. 2019, § 263 Rn. 431 ff. „Für die … Continue reading Mithin hat das irrtumsbedingte Verstecken des Geldes im Rhododendronbusch durch C ohne zusätzliche deliktische Zwischenschritte der A zu der Vermögensminderung geführt.
Anmerkung: Abgrenzung nach dem äußeren ErscheinungsbildSoweit wir eine Abgrenzung von Trickdiebstahl und Sachbetrug anhand des äußeren Erscheinungsbildes vornehmen wollten, könnten wir für unsere Konstellation einerseits argumentieren, der C habe das Bargeld durch das eigenhändige Verstecken „übergeben“ (dann § 263 StGB), andererseits könnten wir aber auch sagen, die A habe das von C versteckte Geld durch das Einsammeln weggenommen und der C habe diese Wegnahme lediglich „geduldet“ (dann § 242 StGB). Dieses Spannungsfeld können wir allerdings auflösen, soweit wir weiter am Kriterium der Unmittelbarkeit festhalten, denn dann ist der entscheidende Zeitpunkt die konkrete Vermögensgefährdung, also das Verstecken durch C und damit die „Übergabe“.[14]Vgl. Zeyher/Zivanic, ZJS 2/2022 S. 202.
c. Zwischenergebnis
C hat durch den Irrtum einer Vermögensverfügung vorgenommen.
Anmerkung: Alternative Lösung bei Ablehnung einer konkreten Vermögensgefährdung (als unmittelbare Vermögensminderung)Da A mangels räumlicher Nähe noch keinen Gewahrsam an den Geldscheinen begründen konnte, wären die Geldscheine also ab dem Zeitpunkt des Versteckens durch C bis zur Abholung durch A gewahrsamslos gewesen, weil C mit seiner Zugriffsmöglichkeit auch den Gewahrsam an den Scheinen verlor. Da gewahrsamslose Sachen nicht weggenommen werden können (es kann kein fremder Gewahrsam „gebrochen“ werden) wäre also in diesem Fall lediglich an eine Strafbarkeit der A nach § 246 StGB zu denken.
Zu einem anderen Ergebnis kämen wir nur dann, wenn wir eine Parallele zwischen dem zivilrechtlichen Verständnis von Besitz und dem strafrechtlichen Verständnis von Gewahrsam sehen würden. Dann könnten wir nämlich sagen, dass durch die (vermeintliche) polizeiliche Sicherstellung ein Verwahrungsverhältnis und damit ein Besitzmittlungsverhältnis i.S.d. § 868 BGB begründet würde. Der Verwahrer (die Polizei) würde dann unmittelbarer Besitzer (§ 854 I BGB) an den Geldscheinen, wohingegen der C als Hinterleger mittelbarer Besitzer (§ 868 BGB) der Geldscheine bleiben würde. Der C würde die Geldscheine dann nicht in der Kenntnis des Verlustes seiner Zugriffsmöglichkeit verstecken, sondern in der Kenntnis, weiterhin mittelbaren Besitz bzw. dann mit-/mittelbaren Gewahrsam an ihnen zu haben. Dieser mittelbare Gewahrsam würde dann durch A gebrochen, womit wir zu einer Strafbarkeit nach § 242 StGB kämen.[15]Vgl. ausführlich Zeyher/Zivanic, ZJS 2/2022 S. 202.
In der Examensklausur wollen wir jedoch von solchen Gelichziehungen zwischen dem zivilrechtlichen Verständnis des Besitzes und dem strafrechtlichen Verständnis des Gewahrsams Abstand nehmen und bleiben deshalb bei der Lösung über die unmittelbare Vermögengefährdung[16]Vgl. ausführlicher Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I., 22. Auflage 2020, § 2 Rn. 24, 36. (und damit auch der Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 263 StGB).
1. Liegt eine Gewahrsamsverschiebung vor, ist eine Vermögensminderung zu bejahen.
2. Liegt keine Gewahrsamsverschiebung, sondern nur eine Gewahrsamslockerung vor, ist entsprechend eine Vermögensminderung zu verneinen. Führt die Täuschung also lediglich zu einer Gewahrsamslockerung, ist eine Vermögensverfügung zu verneinen und ein Betrug (§ 263 StGB) scheidet aus. Denkbar ist dann aber, dass der Täter in einem weiteren Schritt den Gewahrsam verschiebt und die Sache wegnimmt.
3. Liegt hingegen eine konkrete Vermögensgefährdung vor, ist grundsätzlich an eine Vermögensverfügung und damit eine Betrugsstrafbarkeit (§ 263 StGB) zu denken.[17]Vgl. ausführlich Zeyher/Zivanic, ZJS 2/2022, S. 198 ff.
4. Dadurch hervorgerufener Vermögensschaden
Der aus dem Verstecken des Geldes im Rhododendronbusch folgenden konkreten Vermögensgefährdung steht kein kompensierendes Äquivalent gegenüber. Mithin ist dem C ein kausaler Vermögensschaden entstanden.[18]Kindhäuser/Böse, Strafrecht BT II, 12. Auflage 2022, § 27 Rn 57.
II. Subjektiver Tatbestand
1. Vorsatz
A wollte dadurch, dass sie dem C vorspiegelte, sie sei Notrufsprecherin der Polizei und C sei mit hoher Wahrscheinlichkeit Opfer einer kriminellen Vereinigung geworden, gegen die verdeckt ermittelt würde (Täuschungshandlung), die Vorstellung bei ihm hervorrufen, seine Mitarbeit sei für die Ermittlungen erforderlich (kausaler Irrtum). Sie wollte ihn auf diese Weise dazu bringen, seinen Bargeldbestand im Rhododendronbusch zu verstecken (kausale Vermögensverfügung) und sein Vermögen auf diese Art konkret zu gefährden (kausaler Vermögensschaden). A handelte mithin mit dem Willen zur Verwirklichung des Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatbestandsmerkmale[19]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 15. Auflage 2023, § 14 Rn. 5. und damit vorsätzlich.
2. Bereicherungsabsicht – Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung
A kam es gerade darauf an, sich durch das Telefonat mit C selbst einen Vermögensvorteil zu verschaffen (Bereicherungsabsicht)[20]Kindhäuser/Böse, Strafrecht BT II, 12. Auflage 2022, § 17 Rn 50., dessen Kehrseite in dem durch das Verstecken des Geldes im Rhododendronbusch entstanden Schaden des C zu finden ist (Stoffgleichheit)[21]Kindhäuser/Böse, Strafrecht BT II, 12. Auflage 2022, § 27 Rn 79.. Zuletzt hatte A auch keinen Anspruch auf den Bargeldbestand des C (Rechtwidrigkeit der Bereicherung)[22]Kindhäuser/Böse, Strafrecht BT II, 12. Auflage 2022, § 27 Rn 83.. A handelte mithin mit Bereicherungsabsicht.
B. Rechtswidrigkeit
Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. A handelte rechtswidrig.
C. Schuld
Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich. A handelte schuldhaft.
D. Ergebnis
A hat sich durch den Telefonanruf bei B wegen Betruges gem. § 263 I StGB gegenüber und zu Lasten des C strafbar gemacht.
Tatkomplex 2: Das Telefonat mit der D
A könnte sich durch den Telefonanruf bei D wegen versuchten Betruges gem. §§ 263 I, 22, 23 StGB gegenüber und zu Lasten der D strafbar gemacht haben.
A. Tatbestand
I. Vorprüfung
D hat der A keinen Glauben geschenkt und ihren Bargeldbestand deshalb nicht zur Überprüfung durch die Polizei versteckt. Mithin ist die Tat nicht vollendet. Die Strafbarkeit des Versuches ergibt sich aus § 263 II StGB.
II. Tatentschluss
A müsste Tatentschluss, also Vorsatz, bzgl. aller objektiver Tatbestandsmerkmale und besonderer subjektiver Merkmale des Betrugstatbestandes gehabt haben.[23]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 14. Auflage 2022, § 34 Rn. 7.Vorliegend stellte A sich vor, dass sie dadurch, dass sie der D vorspiegelte, sie sei Notrufsprecherin der Polizei und D sei mit hoher Wahrscheinlichkeit Opfer einer kriminellen Vereinigung geworden, gegen die verdeckt ermittelt würde (Täuschungshandlung), in D die Vorstellung hervorrufen würde, ihre Mitarbeit sei für die Ermittlungen erforderlich (kausaler Irrtum). A wollte D auf diese Weise dazu bringen, ihren Bargeldbestand zu verstecken (kausale Vermögensverfügung) und ihr Vermögen auf diese Art konkret zu gefährden (kausaler Vermögensschaden). Auch kam es ihr gerade darauf an, sich durch das Telefonat mit D selbst einen Vermögensvorteil zu verschaffen (Bereicherungsabsicht), dessen Kehrseite in dem durch das Verstecken des Geldes entstandenen Schaden der D zu finden gewesen wäre, obwohl sie wusste, dass sie keinen Anspruch auf den Bargeldbestand der D hatte (Rechtswidrigkeit der Bereicherung).
III. Unmittelbares Ansetzen
A müsste zu dieser Tat unmittelbar angesetzt haben (§ 22 StGB). A hätte durch das Telefonat mit D unmittelbar zur Tat angesetzt, wenn nach ihrer Vorstellung von der Tat die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten gewesen wäre und sie mit dem Telefonat mit D objektiv eine Handlung vorgenommen hätte, die – nach ihrem Tatplan – in ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenakte unmittelbar zur Tatbestandserfüllung geführt oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr gestanden hätte.[24]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 14. Auflage 2022, § 34 Rn. 22.Vorliegend kam die A lediglich dazu, der D gegenüber zu behaupten, sie sei möglicherweise Opfer einer kriminellen Vereinigung geworden, wodurch sie in den Besitz von Falschgeld geraten sein könnte. Bereits darin ist das Vorspiegeln falscher Tatsachen und damit grundsätzlich eine Täuschungshandlung i.S.d. § 263 I StGB zu sehen, womit A bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes erfüllt hat. Grundsätzlich genügt die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals für die zur Überschreitung der Versuchsstrafbarkeit maßgeblichen Schwelle.[25]Vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16 Rn. 4. Jedoch hatte A anders (als bei dem Telefonat mit C) nicht die Gelegenheit, die D davon zu überzeugen, ihren Bargeldbestand zur Überprüfung durch die Polizei an einem näher zu bestimmenden Ort zu verstecken, da die D das Telefonat vorher beendete. Ob in der Täuschungshandlung der A also bereits ein unmittelbares Ansetzen gesehen werden kann, ist deshalb entsprechend davon abhängig, ob die Erzählungen der A nach ihrem Tatplan bereits ohne wesentliche Zwischenakte unmittelbar zur Tatbestandserfüllung hätten führen können. Bei mehraktigen Geschehensabläufen wie dem vorliegenden Betrug ist ein unmittelbares Ansetzen erst dann anzunehmen, wenn der Täter eine Täuschung vornimmt, die der vermögensschädigenden Verfügung unmittelbar vorgeschaltet sein soll (Nähe zum Schadenseintritt). Maßgeblich ist mithin diejenige Täuschungshandlung, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll. Hingegen reicht es nicht aus, wenn die Handlung des Täters die spätere Täuschung als typische Vorbereitungshandlung lediglich ermöglichen soll.[26]Vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 19.03.2024 – 1 Ws 28/24 – BeckRS 2024, 8151, Rn. 9; Hoffmann-Holland/Joecks/Miebach (Hrsg.), MüKo StGB, Bd. 1, 5. Aufl. 2024, § 22 Rn. 108.
Vernetztes Lernen: Klassisches Beispiel für eine typische Vorbereitungshandlung beim Betrug als mehraktigem GeschehensablaufEin klassisches Beispiel für eine typische Vorbereitungshandlung beim Betrug als mehraktigen Geschehensablauf wäre folgender kleiner Fall: Die K behauptet gegenüber dem L wahrheitswidrig, sie sei eine alte Bekannte, um sich langfristig sein Vertrauen erschleichen zu können. Ihr Ziel ist es, den L zu einem späteren Zeitpunkt dazu veranlassen zu können, ein Darlehen an sie auszuzahlen, welches sie ihm nie zurückzahlen würde.
In unserer Betrugsprüfung könnten wir unproblematisch bejahen, dass es sich bei der Aussage der K um eine Täuschungshandlung i.S.d. § 263 I StGB handelt. Diese Täuschungshandlung hat jedoch noch keine Nähe zum späteren Schadenseintritt, sondern soll vielmehr den Nährboden für viele weitere vertrauensstiftende Handlungen bilden. Es kann für die Bejahung des unmittelbaren Ansetzens also nicht ausreichen, dass der Täter ein beliebiges Tatbestandsmerkmal verwirklicht hat. Vielmehr benötigen wir eine Handlung, die der vermögensschädigenden Verfügung unmittelbar vorgeschaltet ist.[27]Hoffmann-Holland/Joecks/Miebach (Hrsg.), MüKo StGB, Bd. 1, 5. Aufl. 2024, § 22 Rn. 108.
Vorliegend plante A, die D (wie schon erfolgreich den C) bereits durch die Behauptung, sie sei möglicherweise im Besitz von Falschgeld geraten, dazu zu bewegen, ihren Bargeldbestand an einem näher zu bestimmenden Ort zu deponieren. Wäre die D nicht misstrauisch geworden, wäre sie durch A auch noch im selben Telefonat dazu aufgefordert worden. D hätte dabei keine Möglichkeit gehabt, anhand der Seriennummer oder ähnlichem zu erkennen, dass es sich in Wirklichkeit gar nicht im Besitz von Falschgeld ist. Im weiteren Verlauf des Telefonats wären lediglich (wie auch im Telefonat mit C) die näheren Umstände der „Übergabe“ des Geldes besprochen worden. Es war mithin bereits die Behauptung der A, die D sei möglicherweise in den Besitz von Falschgeld gekommen, die die D unmittelbar zu der irrtumsbedingten Vermögensverfügung bewegen und dadurch den Vermögensschaden bei ihr herbeiführen sollte.[28]OLG Bremen, Beschluss vom 16.02.2024 – 3 KLs 350 Js 69580/22 (1/24) – BeckRS 2024, 8151 Rn. 10.
Anmerkung: Weitere Argumentation des OLG BremenZunächst einmal: An dieser Stelle ist es mit entsprechender Argumentation auch vertretbar, ein unmittelbares Ansetzen der A abzulehnen.
Das OLG Bremen argumentiert jedoch, der Bereich der Versuchsstrafbarkeit bei mehraktigen Geschehensabläufen, wie dem vorliegenden, würde zu eng gefasst, würde man für das unmittelbare Ansetzen fordern, die angerufene Person müsste „unter fortdauernder Täuschung über die Identität des Anrufers und der dargestellten Sachverhalte auch tatsächlich dazu aufgefordert worden seien, die angestrebte Vermögensverfügung vorzunehmen“ (also das Bargeld zur Abholung zu verstecken).[29]OLG Bremen, Beschluss vom 16.02.2024 – 3 KLs 350 Js 69580/22 (1/24) – BeckRS 2024, 8151 Rn. 11. Der hiesige Sachverhalt unterscheide sich von den „klassischen“ Fällen des mehraktigen Geschehensablaufs maßgeblich dadurch, dass die Täuschungshandlung nicht zu verschiedenen Zeitpunkten, sondern einzig in einer zusammenhängenden telefonischen Kommunikation an einem einzigen Tag erfolgen sollte.[30]OLG Bremen, Beschluss vom 16.02.2024 – 3 KLs 350 Js 69580/22 (1/24) – BeckRS 2024, 8151 Rn. 11.
B. Rechtswidrigkeit
Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. A handelte rechtswidrig.
C. Schuld
Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich. A handelte schuldhaft.
D. Persönlicher Strafausschließungsgrund – Rücktritt
Indem A nicht erneut bei D anrief, könnte sie jedoch nach der Maßgabe des § 24 StGB strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten sein. Dafür dürfte der Betrugsversuch nicht fehlgeschlagen sein und die A hätte eine taugliche und freiwillige Rücktrittshandlung vornehmen müssen.[31]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 15. Auflage 2023, § 37 Rn. 1 ff.
Der Versuch der A wäre fehlgeschlagen, wenn sie zu der Annahme gelangt wäre, sie könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur und ohne Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs mit den eingesetzten oder anderer zur Verfügung stehender Mittel erreichen.[32]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 15. Auflage 2023, § 37 Rn. 1 ff.
Vorliegend grummelte A „Na gut, dann halt nicht“ in sich hinein, nachdem die D misstrauisch geworden war und das Telefonat mit den Worten „Ich bin nicht sicher, ob ich ihnen glauben kann. Ich würde das Telefonat lieber beenden!“ beendet hatte. Daraus lässt sich schließen, dass A bewusst war, dass ihr Versuch, die D von ihrer Geschichte zu überzeugen, gescheitert war und ein erneuter Anruf nicht dazu führen würde, dass sie den tatbestandlichen Erfolg erreichen könnte.Der Versuch der A war mithin fehlgeschlagen, weshalb sie nicht strafbefreiend zurücktreten konnte.
E. Ergebnis
A hat sich durch den Telefonanruf bei D wegen versuchten Betruges gem. §§ 263 I, 22, 23 StGB gegenüber und zu Lasten der D strafbar gemacht.
Vernetztes Lernen: Unterschied zwischen dem sog. „Kriminalbeamten-Fall“ („Pseudo-Beschlagnahme-Fall“) und dem Fall „falscher Polizeibeamter“Würde es sich bei unserem Fall um den klassischen Kriminalbeamtenfall (auch häufig als „Pseudo-Beschlagnahme“ bezeichnet) handeln, dann hätte unsere A den C und die D nicht angerufen, sondern wäre in Polizeiuniform bei ihnen zuhause aufgetaucht. Dort hätte sie dann das Bargeld für beschlagnahmt erklärt. C und D hätten der A das Geld dann überreicht oder schlicht geduldet, dass A es als „Polizistin“ entwendet, weshalb in einer solchen Konstellation regelmäßig von einer Strafbarkeit nach § 242 StGB ausgegangen wird (teilweise umstritten).
Zwischen dem klassischen Kriminalbeamten-Fall und unserer Fallkonstellation („falscher Polizeibeamter“) bestehen also zwei offenkundige Unterschiede:
1. Bei uns haben C und D die A als vermeintliche Polizeibeamtin nicht visuell wahrgenommen. Sie konnten keine Uniform o.ä. sehen. Dass zumindest C davon ausging, dass es sich bei A um eine Mitarbeiterin der Polizei bzw. um eine Beamtin handelte, war einzig der kommunikativen Fähigkeit der A geschuldet.[33]Zeyher/Zivanic, ZJS 2/2022 S. 199.
Wir merken uns also: visuelle Wahrnehmbarkeit vs. kommunikativer Akt.
2. Bei uns ging es um eine Sicherstellung (präventive Maßnahme), wohingegen es in den „klassischen“ Fallkonstellationen um eine Beschlagnahmung (repressive Maßnahme) geht.[34]Zeyher/Zivanic, ZJS 2/2022 S. 199.
Wir merken uns also: präventive vs. repressive Maßnahme.
Ob diese Unterschiede für unsere Fallbearbeitung eine Rolle spielen, ist abhängig davon, ob die bei den Opfern anrufende Person – in unserem Fall die A – zum Verstecken des Bargeldes „dringend rät“ oder „ausdrücklich befielt“. Wie wir weiter oben gesehen haben, führt der „Befehl“ mangels Freiwilligkeit der Verfügung zu einer Strafbarkeit nach § 242 StGB, weshalb die aufgezeigten Unterschiede zu keiner unterschiedlichen rechtlichen Bewertung der Konstellationen führen. Denn: Zum einen schützt das Strafrecht auch die leichtgläubigen Personen vor einfach zu durchschauenden Tricks[35]Vgl. mit weiteren Erläuterungen bei Zeyher/Zivanic, ZJS 2/2022., zum anderen handelt es sich sowohl bei der präventiven als auch bei der repressiven um eine hoheitliche Maßnahme.
Wird hingegen lediglich zum Verstecken des Geldes „dringend geraten“ ergibt sich, wie wir in unserer Prüfung gesehen haben, eine Strafbarkeit nach § 263 StGB, weshalb es an dieser Stelle einen erheblichen Unterschied macht, in welcher Konstellation wir uns befinden.
Was für die Klausur allerdings am wichtigsten ist, ist, dass wir uns nicht durch die unterschiedlichen Begrifflichkeiten („Kriminalbeamten-Fall“, „Pseudo-Beschlagnahme-Fall“, „falscher Polizeibeamter“) beirren oder von ihnen leiten lassen. Entscheidend ist allein der Sachverhalt des konkreten Falls und inwieweit er sich unter die Tatbestandsmerkmale subsumieren lässt.
Regelmäßig werden bei der Betrugsmasche „falscher Polizeibeamter“ nicht alle „Rollen“ von einer Person erfüllt, wie in unserem Fall. Normalerweise gibt es diejenigen, die bei den Opfern anrufen, („Anrufer:innen“) diejenigen, die das Geld aus dem Versteck abholen („Abholer:innen“) und diejenigen, die das Geld von den Abholer:innen übernehmen und an die Hintermänner übergeben (sog. „Logistiker:innen“).
Die Strafbarkeiten von Anrufer:in und Abholer:in lassen sich relativ leicht über die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) lösen (einzige Schwierigkeit bildet dabei die Frage nach einer Strafbarkeit der Abholer:in gem. § 132 Var. 1 StGB (dazu sogleich unter Zusatzfrage 2)).
Die Bestimmung der Strafbarkeit der Logistiker:innen gestaltet sich hingegen komplizierter. Fraglich ist nämlich, ob sich eine Strafbarkeit gem. § 263 StGB, § 259 StGB oder § 261 StGB begründen ließe.[36]Vgl. hierzu ausführlicher: BGH, Beschluss vom 14.05.2024 – 3 StR 88/24.
Zusatzfragen
Hat sich A gem. Para. 132 StGB strafbar gemacht?A könnte sich dadurch, dass sie sich gegenüber C und D als Polizeibeamtin ausgegeben hat wegen Amtsanmaßung gem. § 132 Var. 1 StGB strafbar gemacht haben.
I. Tatbestand
In objektiver Hinsicht wäre dafür erforderlich, dass sich A unbefugt mit der Ausübung eines öffentlichen Amts befasst hätte. Die bloße Anmaßung der Amtsträgereigenschaft ist dafür nicht ausreichend. Vielmehr müsste A sich als Inhaberin eines solchen (nicht notwendigerweise existierenden) Amtes ausgegeben haben, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht bekleidet und eine Handlung vorgenommen haben, die sich als Ausübung des angemaßten Amtes oder eines anderen Amtes darstellt[37]MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl. 2021, § 132 Rn. 12 m.w.N., sich also so verhalten haben als nehme sie Aufgaben und Befugnisse der ihr verliehenen Amtsstellung – hier: Notrufsprecherin der Polizei – wahr. Insoweit würde es genügen, dass ihr Handeln nach außen als Ausübung hoheitlicher Tätigkeit erscheint, wobei auf den Empfängerhorizont eines unbefangenen Dritten abzustellen ist. Dabei wird § 132 StGB maßgeblich dadurch bestimmt, dass die sachlich angemaßte Amtsbefugnis missbräuchlich ausgeübt wird, auf die Nutzung einer förderlichen Bezeichnung oder Hervorhebung von Namen und Art des öffentlichen Amtes kommt es hingegen (anders als bei § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB) nicht an.[38]Vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 16.02.2024 – 3 KLs 350 Js 69580/22 (1/24) – BeckRS 2024, 8151 Rn. 16; Hohmann, MüKoStGB, 4. Aufl. 2021, § 132 Rn. 12 m.w.N.; vgl. BGH NJW 2016, 3111, 3112..
Vorliegend gab sich A gegenüber C und D als Notrufsprecherin der Polizei aus. Innerhalb des Telefonats nahm sie auf (interne) Ermittlungen (ihrer Kolleg:innen) Bezug, erörterte die Umstände um die vermeintliche kriminelle Vereinigung, das Zusammenwirken mit der Bankmitarbeiterin und die Notwendigkeit zur Überprüfung der Seriennummern der Geldscheine.
Aus Sicht eines unbefangenen Dritten handelt es sich bei diesen Handlungen um solche, die in den Zuständigkeitsbereich der Polizei fallen, mithin um die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten.[39]Vgl. auch OLG Bremen, Beschluss vom 16.02.2024 – 3 KLs 350 Js 69580/22 (1/24) – BeckRS 2024, 8151 Rn. 16; Modrey, RÜ 10/2024 (577).
Dies wusste und wollte die A auch (Vorsatz).
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
Es sind weder Rechtfertigungs-, noch Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe ersichtlich. A handelte mithin rechtswidrig und schuldhaft.
III. Ergebnis
A hat sich dadurch, dass sie sich gegenüber C und D als Polizeibeamtin ausgegeben hat wegen Amtsanmaßung gem. § 132 Var. 1 StGB strafbar gemacht.
Bei der Rolle der K handelt es sich um die der sog. „Abholerin“. Für die Frage nach einer Strafbarkeit gem. § 132 Var. 1 StGB ist zunächst einmal wichtig festzustellen, dass die Abholer:innen zu keinem Zeitpunkt (kommunikativ) mit den Opfern in Kontakt treten und darüber den Tatbestand der Amtsanmaßung selbst verwirklichen könnten. Eine Strafbarkeit ließe sich demnach ausschließlich über die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) konstruieren. Entscheidend ist also die Frage, ob eine Strafbarkeit wegen mittäterschaftlicher Amtsanmaßung (§ 132 Var. 1 StGB i.V.m. § 25 Abs. 2 StGB) überhaupt möglich ist, oder ob es sich bei der Amtsanmaßung um ein eigenhändiges Delikt[40]Zuletzt offengelassen von BGH BeckRS 2019, 13091 Rn. 7. handelt, was zur Folge hätte, dass der Tatbestand der Amtsanmaßung nur durch ein eigenes Handeln des Täters persönlich erfüllt werden könnte.[41]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 15. Auflage 2023, § 10 Rn. 29, 30.
Eigenhändige Delikte zeichnen sich dadurch aus, dass das maßgebliche Unrecht weniger in der Gefährdung eines Rechtsguts und mehr in dem eigenen verwerflichen Tun liegt.[42]Vgl. BGHSt 48, 189 [193] – NJW 2003, 1541. Der BGH argumentiert nun folgendermaßen: Zweck des § 132 StGB sei der Schutz des Staates und seiner Behörden. Für diese drohe eine Gefahr, soweit Unbefugte anderen gegenüber die öffentlich-rechtlichen Funktionen eines vermeintlich bekleideten Amtes in Anspruch nehmen und auf diese Weise der Schein amtlichen Handelns erweckt wird, obwohl die Handlung in Wahrheit nicht unter der Kontrolle der staatlichen Organe zustande gekommen ist. § 132 StGB beschreibe damit weniger ein höchstpersönliches sozialschädliches Verhalten als vielmehr Handlungen, mit denen die abstrakte Gefährdung des Bürgervertrauens in die legitime Staatsmacht einherginge. Bei § 132 StGB handle es sich demnach um ein abstraktes Gefährdungsdelikt in Form eines schlichten Tätigkeitsdelikts[43]BGH, Beschluss vom 14.4.2020 – 5 StR 37/20 – NJW 2020, 2201 Rn. 11, 12., womit eine mittäterschaftliche Begehung grundsätzlich möglich ist.
Den Abholer:innen kommt regelmäßig eine entscheidende Rolle bei der Vortäuschung amtlicher Ingewahrsamnahme zu. So ist das Abholen des Bargeldes durch die vermeintlichen Kolleg:innen in Zivil notwendig, um gegenüber den Angerufenen das Bild einer echten Sicherstellung durch die Polizei zu erzeugen. In den Worten des BGH: „Sein Tun [des Abholers] war in das gemeinsame Handeln aller anderen Tatbeteiligten so eingepasst, dass alle Tatbeiträge zusammen der „Legende“ polizeilicher Sicherstellung dienten, die Ausdruck der Amtsanmaßung war.“[44]BGH, Beschluss vom 14.4.2020 – 5 StR 37/20 – NJW 2020, 2201 Rn. 16. Ohne das Abholen des Bargeldes wäre das Vortäuschen eines polizeilichen Handelns also sinnlos gewesen. „Erst das dem gemeinsamen Tatplan entsprechende Auftreten der Anrufer als Polizeibeamte sorgte (…) für den ganz erheblichen Druck, dem sich die Geschädigten ausgesetzt sahen und schließlich beugten.“[45]BGH, Beschluss vom 14.4.2020 – 5 StR 37/20 – NJW 2020, 2201 Rn. 16..
Die Komplizin K, die das Bargeld an Stelle der A bei den Angerufenen abholt, könnte sich also gleichsam nach § 132 Var. 1 StGB strafbar machen, in dem ihr die Strafbarkeit der A nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 StGB mittäterschaftlich zugerechnet wird.
Zusammenfassung
1. Soweit lediglich kommunikativ und nicht visuell auf das Opfer eingewirkt und so der Eindruck erweckt wird, es handle sich bei dem/der Täter:in um ein:e Polizist:in, ist für die Frage danach, ob das Opfer einen Wertgegenstand i.S.d. § 263 StGB verfügt (in Abgrenzung zur Wegnahme, § 242 StGB) entscheidend, ob der/die Täter:in dem Opfer lediglich zur Herausgabe „dringend geraten“ oder es ihm „ausdrücklich befohlen“ hat.
2. Bereits in dem Zeitpunkt des Versteckens des Wertgegenstandes an einem mit dem/der Täter:in näher bestimmten Ort, gibt das Opfer den Gegenstand der Zugriffmöglichkeit des/der Täter:in preis, worin eine konkrete Vermögensgefährdung und damit eine unmittelbare Vermögensminderung zu sehen ist.