
Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 29.04.205, 10 B 368/24
Sachverhalt
(abgewandelt und gekürzt)
A ist Eigentümerin eines Grundstücks in der Stadt D in Nordrhein-Westfalen. Das Grundstück liegt in einem durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet. Der Bebauungsplan enthält jedoch keine Regelungen zur Zulässigkeit von Anlagen zur Tier- oder Kleintierhaltung. Das Baugebiet stellt eine kleine Siedlung mit dichter, kleinteiliger Wohnbebauung dar. Es ist geprägt durch eine Mischung aus Einzel- und Doppelhäusern. Die überbaubaren Grundstücksflächen auf beiden Seiten der Straße liegen nur rund 20 Meter auseinander. Die Bebauung erfolgt in enger Nachbarschaft; die Gärten grenzen direkt aneinander. Die rückwärtigen Gartenflächen sind mit etwa 14 bis 16 Metern eher klein, sodass die meisten Anwohner dort lediglich eine Gartenbestuhlung aufstellen.
In ihrem Garten hält A fünf Hennen und einen Hahn namens „Bigfoot“. Diese Kleintierhaltung ist Teil ihrer privaten Lebensführung und Ausdruck einer nachhaltigen, auf Eigenversorgung ausgerichteten Freizeitbeschäftigung. Die Haltung erfolgt in einer kleinen, genehmigungsfreien Hütte, die aus einfachen Bauprodukten errichtet wurde und unmittelbar an die Gärten zweier Nachbargrundstücke angrenzt. Aus Sicht der A ist die Haltung eines Hahns zur artgerechten Hühnerhaltung unerlässlich – unter anderem zum Schutz der Hennen vor Greifvögeln und für das soziale Gefüge der Tiere.
Der Hahn kräht indes jeden Morgen in erheblicher Lautstärke. Die Nachbarn haben sich mehrfach über die Lärmbelästigung beschwert. Nachdem die Beschwerden anhielten, leitete die zuständige Bauaufsichtsbehörde ein Verfahren ein. Nach Anhörung der Beteiligten und einem Ortstermin erließ die Stadt D am 18.06.2025 eine formell rechtmäßige Ordnungsverfügung. Darin wurde A aufgegeben, die Haltung des Hahns „Bigfoot“ auf ihrem Grundstück einzustellen und ihr die Nutzung der Hütte für die Haltung eines Hahns untersagt. Insbesondere sei zu befürchten, dass ohne weiteres behördliches Einschreiten Präzedenzfälle geschaffen würden. Die Verfügung wurde mit sofortiger Vollziehbarkeit versehen, zu der A jedoch nicht nochmals angehört wurde.
Die Stadt begründete ihre Entscheidung damit, dass die Haltung eines Hahns in einem allgemeinen Wohngebiet nicht mehr als typische Form der Kleintierhaltung im Rahmen privater Freizeitgestaltung angesehen werden könne. Vielmehr führe das Krähen des Hahns – auch wenn es sich nur um kurzzeitige Geräusche handele – zu erheblichen Lärmimpulsen, die für die Nachbarschaft unzumutbar seien. In einem dicht bebauten Gebiet mit kleinen Grundstückszuschnitten und unmittelbarer Nähe zu anderen Wohnhäusern beeinträchtige dies die Wohnruhe und Nachbarschaft in erheblichem Maße und passe daher nicht in ein allgemeines Wohngebiet, zumindest aber füge es sich nicht in die Eigenart des Gebietes ein.
Die sofortige Vollziehung begründete die Behörde unter anderem wie folgt:
„Die sofortige Vollziehung werde im öffentlichen Interesse angeordnet. Ein besonderes Vollziehungsinteresse ergibt sich bereits aus der Ordnungsfunktion des formellen Baurechts. Darüber hinaus kommt es zu erheblichen Beeinträchtigungen der Nachbarn. Durch das Halten des Hahns kommt es regelmäßig zu Lärmbelästigungen, insbesondere in den frühen Morgenstunden. Diese führt zu erheblichen Störungen der Nachbarschaft und beeinträchtigt die Wohnnutzung in der näheren Umgebung. Das öffentliche Interesse an der umgehenden Beseitigung des rechtswidrigen Zustands überwiegt. Die sofortige Vollziehung ist geboten, um die bestehende Störung umgehend zu unterbinden und die bauordnungsrechtliche Durchsetzung nicht ins Leere laufen zu lassen.„
A will gegen den Bescheid vorgehen. Der Bescheid sei bereits formell fehlerhaft, da sie vor Anordnung der sofortigen Vollziehung hätte angehört werden müssen. Zudem sei die sofortige Vollziehung nicht hinreichend begründet. Darüber hinaus sei es im allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich erlaubt, Kleintiere zu halten – insbesondere, wenn der Bebauungsplan hierzu keine konkreten Regelungen enthalte.
A habe bereits Maßnahmen zur Lärmminderung getroffen – etwa die nächtliche Einstallung des Hahns und den Einbau zusätzlicher Schalldämmung im Stall. Dennoch sah die Behörde die Störung als nicht hinreichend reduziert an.
A beantragte am 25.06.2025 beim zuständigen Gericht Eilrechtsschutz gegen die Nutzungsuntersagung. Für eine Klage in der Hauptsache möchte sie zunächst die Klagefrist ausschöpfen.
Hat der Antrag Aussicht auf Erfolg?
Hat der Antrag der A auf einstweiligen Rechtsschutz Aussicht auf Erfolg?
Auszüge aus der BauO NRW
§ 82 – Beseitigung von Anlagen, Nutzungsuntersagung
(1) Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, kann diese Nutzung untersagt werden.
(2) Soweit bauliche Anlagen nicht genutzt werden und im Verfall begriffen sind, kann die Bauaufsichtsbehörde die Grundstückseigentümerin oder den Grundstückeigentümer und Erbbauberechtigte verpflichten, die Anlage zu beseitigen. Die Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes bleiben unberührt.
§ 58 – Aufgaben und Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden
(1) Die den Bauaufsichtsbehörden obliegenden Aufgaben gelten als solche der Gefahrenabwehr. § 89 bleibt unberührt.
(2) Die Bauaufsichtsbehörden haben bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
(3) Bauaufsichtliche Genehmigungen und sonstige Maßnahmen gelten auch für und gegen Rechtsnachfolgerinnen oder gegen Rechtsnachfolger.
(4) Die Bauaufsichtsbehörden können bei der Errichtung oder Änderung baulicher Anlagen verlangen, dass die Geländeoberfläche erhalten oder verändert wird, um eine Störung des Straßen-, Orts- oder Landschaftsbildes zu vermeiden oder zu beseitigen oder um die Geländeoberfläche der Höhe der Verkehrsflächen oder der Nachbargrundstücke anzugleichen.
(5) Die Bauaufsichtsbehörden können zur Erfüllung ihrer Aufgaben Sachverständige und sachverständige Stellen heranziehen. Für die bauaufsichtliche Prüfung des Brandschutzes einschließlich des Brandschutzkonzeptes und die Zulassung von Abweichungen von Anforderungen an den Brandschutz kann eine Prüfingenieurin oder ein Prüfingenieur für den Brandschutz beauftragt werden.
(6) Auch nach Erteilung einer Baugenehmigung nach § 74 oder einer Zustimmung nach § 79 können Anforderungen gestellt werden, um dabei nicht voraussehbare Gefahren oder unzumutbare Belästigungen von der Allgemeinheit oder denjenigen, die die bauliche Anlage benutzen, abzuwenden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn Anlagen ohne Genehmigung oder Zustimmung errichtet werden dürfen oder sie im Rahmen eines Verfahrens nach § 66 Absatz 5 als genehmigt gelten.
(7) Die mit dem Vollzug dieses Gesetzes beauftragten Personen sind berechtigt, in Ausübung ihres Amtes Grundstücke und Anlagen einschließlich der Wohnungen zu betreten. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 des Grundgesetzes wird insoweit eingeschränkt.
Auszug – BauNVO
§ 14 – Nebenanlagen; Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen
(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.
(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.
(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
Skizze
Gutachten
Der Antrag der A hat Aussicht auf Erfolg, wenn dieser zulässig und soweit er begründet ist.
A. Zulässigkeit
Zunächst müsste der Antrag zulässig sein.
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Der Verwaltungsrechtsweg müsste eröffnet sein. Da keine aufdrängende Sonderzuweisung vorliegt richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 I 1 VwGO. Dafür müsste es sich bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art handeln und es dürfte keine abdrängende Sonderzuweisung vorliegen.
Eine Streitigkeit ist nach der modifizierten Subjektstheorie öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen solche des öffentlichen Rechts sind, also einen Hoheitsträger berechtigen oder verpflichten.[1]Reimer, in: BeckOK VwGO, 61. Ed. 01.04.2022, § 40 Rn. 45.4. Die streitentscheidenden Normen sind solche des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts. Die Normen berechtigen jeweils einen Hoheitsträger. Damit liegt eine Norm des öffentlichen Rechts vor und es handelt sich folglich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.
Die Streitigkeit ist auch nicht-verfassungsrechtlicher Art, da sich mit dem A und der B nicht zwei Verfassungsorgane um Verfassungsrecht (doppelte Verfassungsunmittelbarkeit) streiten.
Eine abdrängende Sonderzuweisung ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Der Verwaltungsrechtsweg ist gem. § 40 I 1 VwGO eröffnet.
II. Statthafte Antragsart
Die A müsste einen statthaften Antrag wählen. Dafür ist das Interesse der Antragsstellerin auszulegen, §§ 122 I, 88 VwGO. Die A begehrt vorliegend einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ordnungsverfügung. In Betracht kommt ein Antrag nach § 80 V VwGO oder § 123 VwGO. § 123 VwGO ist aber nur einschlägig, wenn in der Hauptsache keine Anfechtungsklage oder ein Anfechtungswiderspruch statthaft ist. Die Ordnungsverfügung ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG. Dieser wurde durch den Bescheid der Stadt D mit sofortiger Vollziehung versehen, sodass eine Klage keine aufschiebende Wirkung hat. A will die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO) erreichen und damit im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung vorgehen. Dafür kann der A einen Antrag nach § 80 V 1 HS. 2 VwGO stellen.
Vernetztes Lernen: Welche Fälle des sofortigen Rechtsschutzes gibt es noch?Nach § 123 V VwGO sind die §§ 80 und 80a VwGO vorrangig. Eine Anwendbarkeit des § 123 VwGO scheidet damit immer aus, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage, sowie ein Anfechtungswiderspruch statthaft ist. Mithin muss in der Prüfung zunächst festgestellt werden, dass keine Anfechtungsklage oder ein Anfechtungswiderspruch erhoben wurde oder dieser in der Hauptsache statthaft wäre. Ebenfalls ist ein einstweiliger Rechtsschutz nicht anzuwenden, wenn der Antragssteller sich gegen eine landesrechtliche Satzung oder Rechtsverordnung wendet. Dann ist § 47 I VwGO einschlägig. Somit verbleiben grundsätzlich für den § 123 VwGO die Fälle des einsteiligen Rechtsschutzes bei einer Verpflichtungsklage/ einem Verpflichtungswiderspruch und der allgemeinen Leistungsklage.
Klassische Klausurfälle sind somit das Begehren eines Stands auf einem Volksfest oder die Nutzung einer städtischen Einrichtung.
III. Antragbefugnis
Weiter müsste die Antragsbefugnis nach § 42 II VwGO analog vorliegen. Antragsbefugt ist demnach, wer geltend macht, durch den angegriffenen Rechtsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Ist dies nicht bereits von vornherein ausgeschlossen, liegt die Antragsbefugnis vor. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass der A durch die Ordnungsverfügung und deren sofortiger Vollziehung in seiner Handlungsfreiheit gem. Art. 2 I GG verletzt ist. Die Antragsbefugnis liegt vor.
Vernetztes Lernen: Was steckt hinter dem Adressatengedanken?Der Adressatengedanke geht davon aus, dass der Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG verletzt sein kann. Damit ist zumeist bei einer Anfechtungsklage derjenige klagebefugt, der Adressat des belastenden Verwaltungsaktes ist. In der Klausur kann ohne weiteres auf den Adressatengedanken abgestellt werden, um die Klagebefugnis zu bejahen.
IV. Antragsgegner
Antragsgegnerin ist hier, laut Sachverhalt, die Stadt D.
V. Beteiligten- und Prozessfähigkeit
Die Verfahrensbeteiligten müssten gem. § 61 VwGO beteiligten- und gem. § 62 VwGO Prozessfähig sein. Die A ist gem. § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligten- und nach § 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die D ist gem. § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig und gem. § 62 III VwGO im Verfahren durch den gesetzlichen Vertreter fähig, Verfahrenshandlungen vorzunehmen.
VI. Rechtsschutzbedürfnis
Außerdem müsste A ein Rechtsschutzbedürfnis haben. Der A dürften keine einfacheren Mittel zur Verfolgung ihres Antragsinteresses zur Verfügung stehen, und die Hauptsache darf nicht unzulässig sein. Fraglich ist, ob zuvor ein Antrag bei der Behörde hätte gestellt werden müssen und ob eine gleichzeitige Erhebung der Klage in der Hauptsache erforderlich war.
1. Vorheriger Antrag bei der Behörde
Zunächst ist fraglich, ob ein vorheriger Antrag bei der Behörde auf Aussetzung der Vollziehung notwendig ist. Nach § 80 VI VwGO ist ein solcher Antrag aber nur für Fälle nach § 80 II 1 Nr. 1 VwGO verpflichtend. § 80 VI VwGO normiert, dass in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig ist, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Daraus folgt, dass in den anderen Fällen ein vorheriger Antrag keine Zulässigkeitsvoraussetzung ist.
2. Gleichzeitige Einlegung der Klage in der Hauptsache
Es könnte aber eine gleichzeitige Einlegung der Anfechtungsklage erforderlich gewesen sein. Dazu trägt A selbst vor, dass sie die Klagefrist noch ausschöpfen will und daher vorab unabhängig einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellt.
Für das Erfordernis der zumindest gleichzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache spricht, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nur für einen bereits bestehenden Rechtsbehelf möglich erscheint [2]Schoch, in: Schoch/Schneider, § 80 VwGO Rn. 460. Andernfalls wäre unklar, worauf sich die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beziehen würde. Die Anordnung des Suspensiveffekts würde ohne bisher eingelegten Rechtsbehelf sprichwörtlich „ins Leere“ laufen.
Dagegen sprechen jedoch Gründe des effektiven Rechtsschutzes. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet es, auch ohne die Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können. Falls man einstweiligen Rechtsschutz nur gleichzeitig mit dem Rechtsbehelf in der Hauptsache beantragen könnte, würde die Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs unzulässig verkürzt [3]Gersdorf, in: BeckOK VwGO, § 80 Rn. 164.
Dies ist mit rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu vereinbaren. Voraussetzung ist jedoch, dass die Klage in der Hauptsache nicht offensichtlich unzulässig ist. Die Klagefrist beträgt nach § 74 Abs. 1 VwGO einen Monat nach Bekanntgabe. Der Bescheid vom 18.06.2025 kann daher zum Zeitpunkt der Einlegung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz noch angefochten werden.
Vernetztes Lernen: Ist für die Zulässigkeit des Antrags erforderlich, dass vorher oder gleichzeitig ein Rechtsbehelf in der Hauptsache eingelegt werden muss?Für das Erfordernis der zumindest gleichzeitigen Einlegung des Rechtbehelfs in der Hauptsache spricht, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Bedingung nur für einen bereits bestehenden Rechtsakt möglich erscheint.[4]Schoch, in: Schoch/Schneider, § 80 VwGO Rn. 460. Dagegen sprechen jedoch Gründe des effektiven Rechtschutzes. § 19 IV GG gebietet es, auch ohne die Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Falls man nur einen einstweiligen Rechtsschutz zumindest gleichzeitig mit dem Rechtsbehelf in der Hauptsache einreichen könnte, würde die Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs unzulässig verkürzt.[5]Gersdorf, in: BeckOK VwGO, § 80 Rn. 164.
VII. Zwischenergebnis
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der A ist zulässig
B. Begründetheit
Der Antrag müsste des Weiteren begründet sein.
Der Antrag nach § 80 V 1 Hs. 2 VwGO ist begründet, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig ist und/oder nach summarischer Prüfung das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt.
I. Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung sofortigen Vollziehung
Zunächst müsste die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig sein. Die Zuständigkeit der Stadt D ergibt sich aus § 80 V VwGO.
1. Anhörung
Problematisch könnte hier zunächst das Erfordernis der Anhörung sein. Grundsätzlich ist der Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes nach § 28 I VwVfG vor dem Erlass des Verwaltungsaktes anzuhören. Die A wurde nicht angehört vor dem Erlass der sofortigen Vollziehung. Fraglich ist im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung, ob eine Anhörung nach § 28 VwVfG vor Erlass der Anordnung erfolgen muss.
Eine direkte Anwendung scheidet nach überwiegender Ansicht aus, da es sich bei der Anordnung nicht um einen Verwaltungsakt handelt.[6]Anstatt vieler siehe Gersdorf, in: BeckOK VwGO, 61. Ed. 1.7.2021, § 80 Rn. 81; Schoch, in: Schoch/Schneider, 42. EL Februar 2022, § 80 VwGO Rn. 258.
Gegen eine analoge Anwendung wird richtigerweise vorgetragen, dass die Analogievoraussetzungen nicht erfüllt sind. Es fehle an der planwidrigen Regelungslücke. Die § 80 II 1 Nr. 4, III VwGO regeln abschließend die formellen Voraussetzungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Außerdem läge keine vergleichbare Interessenlage vor. Die Anhörung dient auch dazu, dem Beteiligten vor Fristversäumung und Bestandskraft die Möglichkeit der Stellungnahme zu geben. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann im Gegensatz zum Verwaltungsakt jedoch nicht bestandskräftig werden. Also ist eine Anhörung nicht erforderlich.[7]Gersdorf, in: BeckOK VwGO, 61. Ed. 1.7.2021, § 80 Rn. 81; a.A. Müller, NVwZ 1988, 702ff.
2. Begründungserfordernis
Zudem müsste die Anordnung der sofortigen Vollziehung ordnungsgemäß begründet worden sein.
Gemäß § 80 III 1 VwGO ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Diese Begründung darf sich nicht in formelhaften Aussagen zur Eilbedürftigkeit erschöpfen, sondern muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls konkret darlegen, weshalb ein sofortiger Vollzug erforderlich ist. Ob die Begründung auch inhaltlich überzeugt, betrifft die materielle Rechtmäßigkeit der Maßnahme.
Aus formeller Sicht ist allein entscheidend, dass die Begründung schlüssig und hinreichend substantiiert ist. Eine bloße Wiedergabe des Gesetzestextes genügt dabei nicht. Vielmehr muss die schriftliche Begründung nachvollziehbar die Überlegungen erkennen lassen, die die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben. Unter Berücksichtigung des konkreten Falls müssen zudem die Ermessenserwägungen aus der Begründung hervorgehen [8]Gersdorf, in: BeckOK VwGO, 61. Ed. 1.7.2021, § 80 Rn. 87.
Insbesondere der Absatz zur Anordnung der sofortigen Vollziehung erschöpft sich in allgemeinen Floskeln zur Dringlichkeit im Bauordnungsrecht. Dabei ist fraglich, ob der Verweis auf einen Verstoß gegen das formelle Baurecht ausreicht, da es grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegen dürfte, ein rechtswidriges Nutzungsverhalten zu unterbinden. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Begründung im Folgenden explizit auf die Umstände mit den Hähnen und die davon ausgehenden Belästigungen eingeht.
Daher wurde das Begründungserfordernis eingehalten.
3. Zwischenergebnis
Die Anordnung war formell rechtmäßig.
II. Interessenabwägung
Jedoch könnte das private Aussetzungsinteresse der A das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegen. Dazu sind zunächst die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu prüfen.
1. Ermächtigungsgrundlage
Fraglich ist, auf welche Ermächtigungsgrundlage die angegriffene Verfügung gestützt werden kann. In Betracht kommen grundsätzlich sowohl die baurechtliche Generalklausel (§ 58 Abs. 1 BauO NRW 2018) als auch eine spezielle Bauordnungsverfügung, in Form der Nutzungsuntersagung (§ 82 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2018). Ebenso lautete auch der Wortlaut der Verfügung.
Zwar kann auch die Generalklausel herangezogen werden, dies jedoch nur dann, wenn sich die behördliche Maßnahme nicht gegen die Nutzung einer baulichen Anlage richtet. Vorliegend stellt die Behörde jedoch ausdrücklich auf die Nutzung eines der Hütte– also einer baulichen Anlage – ab. Stattdessen ist hier vorliegend aus dem Sachverhalt zu entnehmen, dass eine Nutzungsuntersagung einschlägig.
Die angegriffene Verfügung ist bei sachgerechter Auslegung als Nutzungsuntersagung im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2018 zu verstehen. Dies ergibt sich aus dem Inhalt des Bescheids, in die Antragstellerin die Nutzung der baulichen Anlage – konkret das Halten mehrerer Hähne – untersagt wird. Anknüpfungspunkt für die bauordnungsrechtliche Verfügung sind daher die der Bauaufsicht unterfallenden Anlagen, deren Nutzung von Gesetzes wegen zu überwachen und gegebenenfalls zu untersagen ist.
Jedenfalls ist so oder so aufgrund der Genehmigungsfreiheit der Hütte erforderlich, dass die Nutzung im Widerspruch zum öffentlichen Baurecht steht, also ob die Nutzung materiell illegal ist.
2. Formelle Rechtmäßigkeit
Die Ordnungsverfügung erging formell rechtmäßig.
3. Materielle Rechtmäßigkeit
Maßgeblich ist, wie schon erwähnt, die planungsrechtliche Zulässigkeit, die sich nach den Festsetzungen des Bebauungsplans richtet. Festgesetzt wurde ein allgemeines Wohngebiet.
In einem Allgemeinen Wohngebiet richtet sich die zulässige Regelbebauung nach § 4 II BauNVO.
a) Nebenanlage
Hier könnte die Nutzung im Widerspruch zu § 14 BauNVO stehen. Dazu müsste zunächst eine Nebenanlage vorliegen. Laut § 14 I BauNVO sind Nebenanlagen „solche baulichen Anlagen, die der zweckmäßigen Nutzung des Baugrundstücks durch die auf ihm zulässige Hauptanlage dienen und dieser untergeordnet sind. Dies ist hier durch die Nutzung im Garten des hauptsächlich zum Wohnen genutzten Grundstücks der Fall.
b) Zulässigkeit der Nebenanlage
Indes müsste die Nutzung der Nebenanlage zulässig sein. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO stellt klar, dass auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen für die Kleintierhaltung nach der Wertung des Verordnungsgebers dem Nutzungszweck des Grundstücks oder des Baugebietes dienen. Dazu kann auch Kleintierhaltung zählen, wie Satz 2 klarstellt.
Allerdings setzt die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Anlagen für die Kleintierhaltung nach der Art der baulichen Nutzung ebenso wie die entsprechende Zulässigkeit aller übrigen Nebenanlagen und Einrichtungen zum einen ihre Unterordnung unter den Hauptzweck des Grundstücks oder des Baugebietes voraus.[9]VG Düsseldorf, Beschluss vom 28.04.2024, 4 L 2878/23, Rn. 18.
Hier also im Allgemeinen dem Wohnzweck. In Wohngebieten ist die Kleintierhaltung nur zulässig, soweit sie den typischen Rahmen einer wohnbezogenen Freizeitbetätigung nicht überschreitet. Darüber hinaus setzt die Zulässigkeit entsprechender Anlagen und Einrichtungen voraus, dass sie mit der Gebietscharakteristik vereinbar sind. Denn gemäß § 14 I 2 BauNVO bleibt die Vorgabe aus Satz 1 unberührt, wonach alle Nebenanlagen die Eigenart des Baugebiets wahren müssen.[10]BVerwG -, Beschluss vom 01.03.1999 – 4 B 13/99 -, juris Rn. 4.
aa) Grundsätzliche Zulässigkeit von Kleintieren
Was die geforderte Unterordnung unter den Hauptzweck des Grundstücks oder des Baugebiets betrifft, kann bei typisierender Betrachtung grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass das Halten ungefährlicher Kleintiere den Rahmen einer für Wohngebiete typischen Freizeitbetätigung nicht überschreitet.[11]OVG NRW, Beschlüsse vom 10.07.2002 – 10 A 2220/02 -, juris Rn. 9.. Demnach wäre hier eine Nutzung möglich, da die A indes vorwiegend die Haltung als Freizeitbeschäftigung betreibt. Jedoch kann nicht nur, wie die A meint, allein die Stadt in einem Bebauungsplan über die Zulässigkeit der Kleintierhaltung in einem Gebiet befinden, Nach der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO „kann“ im Bebauungsplan die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Dem Plangeber wird damit lediglich eine Regelungsmöglichkeit eröffnet. Nutzt er diese nicht, schließt dies aber die Anwendung von § 14 I 1 und 2 BauNVO keinesfalls aus.[12]OVG NRW, Beschluss vom 29.05.2024, 10 B 368/24, Rn. 14.
Der Grundsatz der Zulässigkeit in einem Wohngebiet gilt daher nicht uneingeschränkt. Die Nebenanlage darf eben auch nicht der Eigenart des Wohngebiets widersprechen
bb) Widerspruch zur Eigenart des betroffenen Wohngebiets
Für diese Prüfung ist eine Betrachtung des Einzelfalles anzustellen, die auf die jeweilige örtliche Situation wie Lage und Größe der Grundstücke im Baugebiet oder die Bebauungsdichte abzustellen sowie Art, Zahl und Störpotential der Tiere und die Haltungsbedingungen zu berücksichtigen hat.[13] VG Düsseldorf, Beschluss vom 28.04.2024, 4 L 2878/23, Rn. 25.
Das Gebiet hat eine hohe Bebauungsdichte mit eng aneinander liegenden Gärten. Daher sprengt das Halten eines lautstarken Haustieres gar die sonstige Nutzung.
Angesichts der Haltungsbedingungen – insbesondere der Unterbringung eines Hahns im rückwärtigen Gartenbereich unter 200 m² großen Fläche einschließlich Stallgebäude und in unmittelbarer Nähe zum Grundstück der Nachbarn – ergibt sich ein erhebliches Störpotenzial. Die zum Störpotential führenden Faktoren widersprechen der sonst vorzufindenden Eigenart des Gebiets, das geprägt ist durch kleine Gärten ohne Nebenanlagen. Die Haltung mehrerer Tiere und insbesondere des Geräuschintensiven Hahns stehen im Widerspruch zur prägenden Eigenart des eng parzellierten und zentral gelegenen Baugebiets, das im Zuge der Innenverdichtung durch kleinteilige Grundstückszuschnitte und eine dichte Wohnbebauung gekennzeichnet ist.[14]so auch im Beschluss OVG NRW, Beschluss vom 29.05.2024, 10 B 368/24, Rn. 13.
Mithin ist die Nebenanlage nicht zulässig.
c) Rechtsfolge
Die Vorschrift der Nutzungsuntersagung räumt der Behörde Ermessen ein. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere verweist die D rechtmäßig auf die Verhütung von Präzedenzfällen.
4. Besondere Vollzugsinteresse
Für die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs muss ein besonderes öffentliches Interesse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten an der sofortigen Vollziehung bestehen. Dies wurde hier mit den Auswirkungen auf die Nachbarn begründet. Die Anlage verstößt mit ihrer belästigenden Wirkung gegen das öffentliche Baurecht.
C. Ergebnis
Der Antrag ist daher zulässig, aber unbegründet.
Zusatzfragen
1. Reicht die formelle illegalität für eine Nutzungsuntersagung aus?Als baurechtliche Maßnahmen sehen die meisten Landesgesetze neben der Beseitigungsverfügung als weitere Maßnahmen auch die Nutzungsuntersagung und den Baustopp vor.
Für den Baustopp reicht nach einhelliger Meinung die formelle Illegalität. Demgegenüber müssen für die Beseitigungsverfügung grundsätzlich die formelle und die materielle Illegalität vorliegen. Fraglich ist, ob ebenfalls für den Erlass der Nutzungsuntersagung die materielle Illegalität erforderlich ist oder es ausreicht, wenn das Bauvorhaben formell illegal ist. Eine Ansicht argumentiert mit der Vergleichbarkeit zur Beseitigungsanordnung. Auch eine Nutzungsuntersagung könnte ähnliche negative Konsequenzen für die Betroffenen haben, wie die Beseitigungsanordnung. Andererseits wird vertreten, dass die formelle Illegalität (Baurechtswidrigkeit) ausreiche. Dies wird damit begründet, dass bei einer Nutzungsuntersagung keine Substanzeinwirkung erfolge und die Nutzungsuntersagung jederzeit rückgängig gemacht werden könne. Überzeugend ist die Ansicht vor allem, da sie den Bauherrn, aufgrund der sonst drohenden Konsequenzen, veranlasst, rechtmäßig vor Baubeginn eine Baugenehmigung zu beantragen.
Fraglich ist, ob bei mangelnder oder fehlender Begründung diese noch nachgeholt werden kann. Zunächst käme durch eine nachträgliche Begründung eine Heilung nach § 45 I Nr. 2 VwVfG in Betracht. Der § 45 VwVfG gilt seinem Wortlaut nach nur für Verwaltungsakte, sodass auch hier, wenn überhaupt, eine analoge Anwendung möglich wäre. Eine Heilungsmöglichkeit wird mit dem rechtsstaatlichen Standpunkt der Prozessökonomie begründet, sodass eine Nachholung der fehlenden bzw. unzureichenden Begründung bis zur Stellung eines Eilantrags gemäß § 80 V VwGO oder sogar noch im gerichtlichen Aussetzungsverfahren möglich sein soll [15]OVG Berlin NJW 1966, 798; LKV 1992, 333; OVG Bln-Bbg NVwZ-RR 2008, 727; OVG Bremen NJW 1968, 1539, 1540 f.
Nach der anderen Ansicht ist eine Heilung nicht möglich. Eine Heilungsmöglichkeit widerspräche dem Schutzzweck der Vorschrift und könnte in der Praxis zu deren Aushöhlung führen. Es wäre mit der Warn- und Appellfunktion des Schriftlichkeitserfordernisses unvereinbar, da beim Fehlen jeglicher Sanktionen diese Anforderung andernfalls nicht mehr ernst genommen würde. Deswegen müsse im Zeitpunkt der Verfügung der Maßnahme die Warnfunktion nach § 80 II 1 Nr. 4 VwGO in der Begründung seinen Niederschlag finden, und nicht etwa bei einer späteren Gelegenheit.[16]Schoch, in: Schneider/Schoch, 44. EL März 2023, VwGO § 80 Rn. 249.
Der Behörde steht es nach den die Nachholung ablehnenden Ansichten offen, eine neue formell ordnungsgemäße sofortige Vollziehung zu erlassen. Ebenso kann in Einzelfällen in einer schriftlichen Nachbesserung eine erneute sofortige Vollziehung gesehen werden, die jedoch dann ebenso nur für die Zukunft gilt.[17]München NJW 2002, 3044; Schenke VerwArch 2000, 587, 600, 604.
Zusammenfassung
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung bedarf einer eigenständigen schriftlichen Begründung. Diese Begründung darf sich nicht in formelhaften Aussagen zur Eilbedürftigkeit erschöpfen, sondern muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls konkret darlegen, weshalb ein sofortiger Vollzug erforderlich ist.
2. Nach § 14 I 2 BauNVO zählen auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zur Kleintierhaltung können zum zulässigen Nutzungszweck eines Grundstücks im Wohngebiet. Voraussetzung ist jedoch, dass sie dem Hauptzweck des Grundstücks – in Wohngebieten also dem Wohnen – untergeordnet bleiben. Dies zeichnet sich durch eine Freizeitbeschäftigung aus.
3. Darüber hinaus dürfen Nebenanlagen die Eigenart des Baugebiets nicht beeinträchtigen. Dies kann insbesondere bei der Haltung eines Hahns in einem dicht besiedelten Wohngebiet der Fall sein.