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Gebührenpflicht bei Hochrisikospielen
BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18; NVwZ 2019, 1444

Sachverhalt

Bei sog. Hochrisikospielen in der Bundesliga kommt es zu zahlreichen, teils schwersten Straftaten der Fangruppen untereinander. Die Polizeikräfte werden immer wieder gewalttätig angegangen. Die Gefahrenabwehr durch die massiven Polizeieinsätze mit zum Teil mehr als 1.000 Polizistinnen und Polizisten verursacht hohe Kosten, die von dem Land getragen werden, in dem das Hochrisikospiel stattfindet. Auch die Kosten für zusätzlich angeforderte Kräfte aus anderen Ländern bezahlt das jeweilige Land.

Im Land B bricht eine Debatte darüber aus, wie man die Profiteure des sehr lukrativen Profifußballs an den bei den Hochrisikospielen entstehenden hohen Kosten beteiligen könnte. Man einigt sich schließlich auf eine Neuregelung des Gebührengesetzes (GebG) und fügt einen neuen § 4 IV GebG ein (sog. Veranstaltergebühr). Die Vorschrift lautet jetzt:

„(4) Eine Gebühr wird von Veranstaltern erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird. Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht. Der Veranstalter oder die Veranstalterin ist vor der Veranstaltung über die voraussichtliche Gebührenpflicht zu unterrichten …“

Die D-GmbH (D) organisiert und trägt die Spiele der Fußball-Bundesliga und der 2. Bundesliga aus und ist berechtigt die Vermarktungsrechte zu verwerten. Die D hält § 4 IV GebG für verfassungswidrig. Nicht nur, fehle dem Land B die Zuständigkeit, weil die Finanzverfassung des Grundgesetzes abschließend sei. Vielmehr könnten polizeiliche Aufgaben nicht aus Gebühren finanziert werden, sondern müssten steuerfinanziert sein. Außerdem sollten die einzelnen Störer vorrangig in Anspruch genommen werden. Überdem läge ein Verstoß gegen das Verbot von Einzelfallgesetzen vor und es handele sich um eine zu unbestimmte Regelung. Die Grundrechte aus Art. 3, 12 und 14 GG von D seien auch verletzt. Jedenfalls sei das Gesetz unverhältnismäßig, da die Allgemeinheit ja auch ein Interesse an der Gefahrenabwehr hätte.

B hält dem entgegen, dass gerade nicht die weiterhin kostenlos zur Verfügung stehende Grundsicherung bei Großveranstaltungen betroffen sei. Die D würde jedoch von den Einsätzen und den – über die normale Grundsicherung hinaus – anfallenden Kosten im hohen Maße profitieren. Sie sei als Nutznießer als Gebührenschuldner heranzuziehen. Es könne nicht den Steuerzahlenden zugemutet werden, über die kostenlose polizeiliche Grundsicherung bei Großveranstaltungen auch noch für die Sicherheit des sehr lukrativen Profifußballs bei Hochrisikospielen aufzukommen. § 4 IV GebG erfasse nur den individuell zurechenbaren Mehraufwand für Polizeieinsätze bei zu erwartenden Gewalthandlungen. Die entsprechenden Kostensätze seien durch Rechtsverordnung eindeutig festgelegt worden.

Ist die Regelung verfassungsgemäß?


Skizze


Gutachten

A. Verfassungskonformität

§ 4 IV GebG ist verfassungskonform, wenn diese Regelung formell und materiell verfassungsgemäß ist.

I. Formelle Verfassungsmäßigkeit

Die Vorschrift des § 4 IV GebG könnte formell verfassungswidrig sein.

1. Gesetzgebungskompetenz

Zunächst müsste das Land B die Gesetzgebungskompetenz inne haben. Gemäß Art. 70 I GG haben grundsätzlich die Länder die Gesetzgebungskompetenz soweit nicht durch das Grundgesetz dem Bund die Gesetzgebungskompetenz übertragen ist. Eine derartige Übertragung könnte sich zunächst aus den Katalogen der Arts. 73, 74 GG ergeben. Das Gefahrenabwehrrecht ist jedoch – gerade im Gegensatz zur Strafverfolgung – nicht dem Bund übertragen. Die Zuständigkeit der Länder für den Erlass des GebG ergibt sich insoweit als Annexkompetenz zum Gefahrenabwehrrecht.[1]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 18.

Welche ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen gibt es?
Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhang ergibt sich, wenn eine „dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerlässliche Voraussetzung ist, für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie.“[2]BVerfG NJW 1999, 841, 842.

Eine Zuständigkeit aus Annexkompetenz betrifft Fälle, in denen dem Bund eine Regelungsmaterie zugewiesen ist und dieser darüber hinausgehend auch die Stadien der Vorbereitung und Durchführung mitregeln muss /möchte. Dem materiell zugewiesenen Gehalt, folgen also auch die Zuständigkeit für die für die Umsetzung notwendigen Normen.[3]Uhle in Maunz/Dürig, GG, Werkstand 94. EL, Januar 2021, Rn. 71.

Demgegenüber betreffen Fälle der ungeschriebenen Kompetenz kraft Natur der Sache solche Angelegenheiten, die begriffsnotwendig nur vom Bund geregelt werden können.[4]Uhle in Maunz/Dürig, GG, Werkstand 94. EL, Januar 2021, Rn. 75. Davon umfasst sind die Nationalhymne oder die Flagge des deutschen Bundes.

a) (P) Veranstaltergebühr als Steuer

Jedoch könnte die Zuständigkeit zum Erlass einer Regelung wie in § 4 IV GebG durch die spezielleren Normen des Finanzverfassungsrechts, Art. 104a ff. GG, an den Bund übertragen worden sein. Das Finanzverfassungsrecht regelt u.a. die Kostenteilung zwischen Bund und Ländern, als auch die Zuständigkeit für den Erlass von Steuern (Art. 105 ff. GG). Dafür müsste es sich bei § 4 IV GebG um eine Steuer im Sinne des Finanzverfassungsrechts handeln.

Steuern sind hoheitlich auferlegte Geldleistungen, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates darstellen, §3 I AO.

Welche Formen öffentlicher Abgaben gibt es neben Steuern?
Gebühren: Entgelt für eine konkrete staatliche Leistung, z.B. Verwaltungsgebühr, Benutzungsgebühr
Beiträge: Kostenbeteiligung für die (bloße) Möglichkeit, eine staatliche Leistung in Anspruch zu nehmen, z.B. Rundfunkbeiträge

Die Veranstaltergebühr errechnet sich ausweislich des Wortlauts der Norm nach dem zusätzlichen Mehraufwand, der über die normalerweise bereitzustellende Gefahrenabwehr hinaus, entsteht. Damit kann hier eine konkrete Gegenleistung benannt werden, die für die Abgabe staatlicherseits erbracht wird.[5]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 27. Es handelt sich damit nicht um eine Steuer.

Eine Regelung, dass derartige Mehrkosten von Verfassungswegen durch Steuern finanziert werden müssen, besteht nicht. Gegen eine Trennung von allgemeinen Kosten polizeilicher Gefahrenabwehr und besonderen Leistungen der Sicherheitsvorsorge bestehen keine Bedenken.[6]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 28.

b) Nichtsteuerliche Abgaben

Doch auch die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben unterliegt finanzverfassungsrechtlichen Beschränkungen. Dem Finanzverfassungsrecht der Art. 104a ff. GG kann auch eine Begrenzungs- und Schutzfunktion gegenüber überbordenden finanziellen Belastungen durch nicht-steuerliche Abgaben entnommen werden. Um dem gerecht zu werden, muss für die Erhebung einer Abgabe ein über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehende besondere sachliche Rechtfertigung gegeben sein.[7]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 21.

Hier könnte es sich um eine Gebühr handeln. Eine Gebühr ist ein Entgelt, für eine konkrete staatliche Leistung.[8]BVerfG NVwZ 1999, 176, 177. Dies ist hier der Fall.[9]s.o.

Weitere Voraussetzung für die Erhebung ist, dass zwischen der kostenverursachenden Leistung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, ihm oder ihr die Amtshandlung individuell zuzurechnen.[10]so weitestgehend im Wortlaut: BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 21. Durch die Möglichkeit der individuellen Zurechenbarkeit ergibt sich die Rechtfertigung dafür, dass man die Leistung nicht aus allgemeinen Steuermitteln erbringt. Fraglich ist, ob den Leistungsschuldnern der Regelung des § 4 IV GebG die Leistungen individuell zugerechnet werden können.

aa) Individuelle Zurechenbarkeit

Die Leistungen wären den Gebührenschuldnern individuell jedenfalls zuzurechnen, wenn sie Störer i.S.d. Gefahrenabwehrrechts wären. Störer ist diejenige Person, die die Gefahr unmittelbar herbeigeführt hat und damit selbst und in eigener Person die Gefahrenschwelle überschritten hat.[11]Lindner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, 16. Edition, Stand: 15.03.2021, Rn. 23 f.

Es ließe sich zunächst überlegen, ob eine Person, die eine solche Veranstaltung ausrichtet, eine derartig unkontrollierbare Gemengelage schafft, dass sie selbst zum Verhaltensstörer wird. Jedoch führt die Organisation einer solchen Veranstaltung nicht bereits zwangsläufig zu Ausschreitungen, die von Personen bei der Veranstaltung ausgehen, auf welche die Organisator:innen auch keinen Einfluss haben.

Jedoch könnte es sich bei den Organisator:innen einer vom Gesetz umfassten Veranstaltung um Zweckveranlasser handeln.

Als Zweckveranlasser wird eine Person bezeichnet, der eine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch Dritte aufgrund einer eigenen, für sich betrachtet rechtmäßigen bzw. neutralen Handlung zugerechnet wird.[12]Lindner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, 16. Edition, Stand: 15.03.2021, Rn. 32.

Umstritten ist, ob der Zweckveranlasser subjektiv bezwecken muss, dass eine Gefahr verursacht wird oder ob das objektiv gefahrerhöhende Verhalten ausreicht.[13]Genau deswegen hatte sich der Gesetzgeber in der dem Fall zu Grunde liegenden Konstellation dagegen entschieden auf das Konstrukt zurückzugreifen, BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 36. Von der Norm sind nur diejenigen Organisator:innen betroffen, die einen Raum eröffnen, den – nach langjähriger Erfahrung erwartungsgemäß – einzelne hinzutretende Dritte für ihre (gewalttätigen) Zwecke nutzen. Ob dies ausreicht, um von den Veranstaltenden als Zweckveranlasser auszugehen ist umstritten.[14]zu den unterschiedlichen Ansichten: BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 37. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, wenn die Veranstalter als Nutznießer herangezogen werden könnten.

(1) Nutznießer

Die Organisator:innen einer entsprechenden Veranstaltung könnten hier Nutznießer der polizeilichen Mehraufwendungen sein. Nutznießer ist derjenige, der einen Vorteil durch die staatliche Maßnahme erlangt. Die Veranstalter einen von der Vorschrift betroffenen Veranstaltung profitieren hier von den staatlichen Leistungen.

Der Gedanke eines Vorteilsausgleichs ist dem Verfassungsrecht und dem Gebührenrecht auch nicht fremd. Es gibt auch im Gefahrenabwehrrecht keinen Grundsatz, dass man bestimmte Kosten nur dem Störer auferlegen darf, wie es die D behauptet.

Damit der Nutznießer herangezogen werden kann, muss jedoch ein besonderes Näheverhältnis zwischen Gebührenschuldner und der Inanspruchnahme, welches die Zurechnung begründet.[15]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 38.

(a) Die individuelle Zurechenbarkeit

Die individuelle Zurechenbarkeit könnte sich hier daraus ergeben, dass der Erfolg der Veranstaltungen gerade auf der Sicherheit der Veranstaltungen beruht. Die gewinnorientierten Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen könnten – ohne einen Mehraufwand bei der Polizei – darunter leiden, dass durch die gewalttätigen Störer auch andere Besucher:innen nicht sicher zum Veranstaltungsort kommen können. Es könnte gar sein, dass einzelne Veranstaltungen dieser Art abgebrochen werden müssten oder nicht in der Form durchgeführt werden könnten, wenn die im Interessenkreis des Veranstalters entstehenden Gefahren nicht von der Polizei kontrolliert würden. Dass neben den Interessen der Veranstalter:innen auch öffentliche Interessen berührt sind, schließt ein öffentliches Interesse keineswegs aus.[16]so auch OVG Bremen NVwZ 2018, 913, 914 f.  Die Veranstalter:innen erlangen durch die Risikominimierung einen wirtschaftlichen Vorteil, den sie sonst auf eigene Kosten herstellen müssten.

Fraglich ist jedoch, ob dem auch die An- und Abfahrtswege zu zurechnen sind. Auf der einen Seite gehören die An- und Abfahrtswege nicht mehr zu dem Bereich, den die Veranstalter:innen unmittelbar kontrollieren können – bzw. deren Kontrolle man mit eigenem Personal erwarten könnte. Doch auch hier können die Veranstalter:innen die Gewinne nur wegen des massenhaften Besuchs der Veranstaltung generieren. Die Sicherung der An- und Abfahrtswege ist gerade bei besonders gefährlichen Fangruppen (wie man sie z.B. im Fußball antrifft [Hooligans]) notwendiger Bestandteil der Sicherung des Veranstaltungsortes. Die Großveranstalter:innen stehen deutlich näher an der Leistung als die Allgemeinheit.[17]Zum Ganzen: Denz, HanLR 2018, 282, 285.

Die für die Gebühr erforderliche individuelle Zurechenbarkeit ist mithin gegeben.

(b) Ergebnis – Nutznießer

Die Veranstalter können mithin als Nutznießer des polizeilichen Mehraufwands in Anspruch genommen werden.

c) Ergebnis

Mithin verstößt eine derartige Gebühr auch nicht gegen die Begrenzungsfunktion des Finanzverfassungsrechts. Das Land B war damit zuständig für den Erlass der Norm.  

2. Verfahren und Form

Anhaltspunkte gegen Verstöße gegen die Verfahrens- und Formvorschriften des Gesetzgebungsverfahren sind nicht ersichtlich.

3. Ergebnis

§ 4 IV GebG ist formell verfassungskonform ergangen.

II. Materielle Verfassungsmäßigkeit

Das Gesetz müsste weiterhin materiell verfassungskonform sein.

1. Unzulässiges Einzelfallgesetz, Art. 19 I S. 1

Zunächst könnte es sich um ein unzulässiges Einzelfallgesetz gem. Art. 19 I S. 1 GG handeln.

Ein solches liegt vor, wenn eine Vorschrift nicht abstrakt-generell, sondern lediglich auf einen konkreten Fall bezogen ist. Diese Anforderungen sind dann erfüllt, wenn sich aufgrund der Fassung des gesetzlichen Tatbestands nicht absehen lässt, auf wie viele und welche Fälle sich das Gesetz anwenden lässt.[18] Remmert in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 84. Auflage 2018, Art 19 Rn. 14ff

Der Wortlaut der in Frage stehenden Regelung ist zunächst ausreichend abstrakt formuliert. Das Gesetz knüpft an einen Sachverhalt an, der in unterschiedlicher Ausformung entstehen kann. Art. 19 I S. 1 GG soll nicht davor schützen, dass ein Gesetz nur einen Fall betrifft.[19] BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 19. Vielmehr soll die Regelung davor schützen, dass bei mehreren gleichgelagerten Fällen durch den Gesetzgeber ein Einzelfall herausgegriffen und gesondert geregelt werden soll. Hier ist eine Regelung geschaffen worden für Fälle, die in unterschiedlichen Zusammenhängen entstehen könnten. Bedenken, wie sie D formuliert hat, bestehen nicht.  

2. Bestimmtheitsgebot, Art. 20 III

Jedoch könnte ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vorliegen. Das Bestimmtheitsgebot ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG und verlangt, dass der Inhalt von Normen eindeutig bestimmbar ist.[20]Huster/Rux in BeckOK Grundgesetz, Epping / Hillgruber, 48. Ed., Stand 15.08.2021, Rn. 182. Regelung und Rechtsfolge müssen jedenfalls durch die Anwendung der bekannten Auslegungsmethoden unzweifelhaft ermittelt werden können. Damit kommt es auf die Bestimmbarkeit des Inhalts an (angemessene Regelungsdichte), wodurch eine willkürliche Handhabung durch die Behörden ausgeschlossen wird.[21]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 42.

Hier könnten die folgenden Begriffe zu unbestimmt sein: Gewalthandlungen, erfahrungsgemäß, vor während oder nach der Veranstaltung und der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird.

Der Begriff Gewalthandlungen erscheint jedoch in Anlehnung an strafrechtliche Delikte, wie Körperverletzung (§ 223 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB), aber auch den besonders schweren Landfriedensbruch (§ 125a StGB). Der Begriff verlangt zudem eine Häufung von mehr als nur vereinzelten Fällen. Der Begriff ist jedoch mithin auslegungsfähig.

Auch der Begriff erfahrungsgemäß lässt sich interpretieren: Wenn nachprüfbare Tatsachen vorliegen, die in der Vergangenheit auftraten und die man auf eine Situation in der Zukunft übertragen kann, kann man von erfahrungsgemäß sprechen. Der Begriff ist mithin auch nicht unbestimmt. Zudem wird durch das Merkmal „Vor, während oder nach der Veranstaltung“einräumlich zeitlicher Zusammenhang zu der vom Gebührenschuldner organisierten Veranstaltung verlangt.  

Zuletzt könnte die Anforderung, dass der „Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird“ zu unbestimmt sein. Es ist zunächst nicht offensichtlich, was die Vergleichsgröße für die Berechnung ist. Doch lässt sich aus dem Sinn und Zweck der Norm herleiten, dass es um einen Vergleich zwischen einer Veranstaltung in vergleichbarer Größenordnung bei friedlichem Verlauf handelt. Auch die Veranstaltenden von gewinnorientierten Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Teilnehmenden verfügen regelmäßig über Bewertungsverfahren für die Risikoeinschätzung einer Veranstaltung. Auch die polizeilich vorzunehmende Gefahrenprognose – auf die es letzten Endes ankommt – unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle. Mithin verbleibt für eine willkürliche Anwendung kein Raum.

Überdem muss auch die Gebührenhöhe für die Gebührenschuldner ausreichend bestimmbar sein, bevor man eine Veranstaltung durchführt. Hier könnte es problematisch sein, dass die polizeilichen Einschätzungen von Fall zu Fall variieren können und der Gebührenschuldner keinen Einfluss auf die polizeilichen Entscheidungen hat. Die genaue Höhe kann dementsprechend nicht vorab errechnet werden. Jedoch sind die Bemessungsfaktoren bekannt, so dass es für die Betroffenen möglich ist eine wesentliche Schätzung im Vorhinein abzugeben. Schließlich hängt die abschließende Summe auch von der Zahl der Einsatzstunden ab, welche durch die Lage vor Ort verändert sein kann.

Die Norm genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit des Rechtsstaatsprinzip, aus Art. 20 III GG.

3. Verstoß gegen Grundrechte

Jedoch könnte die Norm gegen Grundrechte verstoßen.

a) Eigentumsrecht, Art. 14 I

Ein Verstoß gegen Art. 14 I GG kommt in Betracht, wenn die Vorschrift über Gebühr in die Eigentumsfreiheit der Betroffenen eingreift. Die Eigentumsfreiheit schützt jedoch nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, die aus dem Vermögen als solches und nicht aus einem bestimmten Eigentumsobjekt beglichen werden müssen. Umstritten ist außerdem, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb von Art. 14 I GG geschützt ist. Dieser schützt jedoch insbesondere den Bestand an vermögenswerten Rechten und richtet sich nicht auf das Vermögen als solches. Damit wäre der Schutzbereich hier nicht betroffen.[22]Zum Ganzen Absatz: BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 68.

b) Berufsfreiheit, Art. 12 I

Die Vorschrift könnte jedoch gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG verstoßen.

aa) Schutzbereich

Dafür müsste zunächst der sachliche Schutzbereich eröffnet sein. Art. 12 I GG schützt jede auf Dauer angelegte Tätigkeit, zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage, die nicht schlechthin gemeinschädlich ist.[23]Ruffert in BeckOK Grundgesetz, Epping / Hillgruber, 48. Ed., Stand 15.08.2021, Art. 12, Rn. 40. Umfasst ist dementsprechend auch die Durchführung von gewinnorientierten Veranstaltungen.

bb) Eingriff

In den Schutzbereich des Art. 12 I GG müsste durch die Regelung eingegriffen worden sein. Nach dem modernen Eingriffsbegriff liegt ein Eingriff bei jedem staatlichen Handeln vor, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht.[24]BVerfGE 105, 279, 299 ff.

Öffentliche Abgaben stellen jedoch weder nach dem klassischen noch nach dem modernen Eingriffsbegriff einen Eingriff dar. Es handelt sich lediglich um die Änderung der Rahmenbedingungen. Der Schutz vor derartig mittelbaren Eingriffen ist jedoch jedenfalls dann gegeben, wenn die Vorschrift berufsregelnde Tendenzen aufweist, welche den Schwerpunkt beruflich ausgeübter Tätigkeiten betrifft.[25]Ruffert in BeckOK Grundgesetz, Epping / Hillgruber, 48. Ed., Stand 15.08.2021, Art. 12, Rn. 55. Die aus der Norm resultierende Belastung durch einen Gebührenbescheid kann unmittelbaren Einfluss auf die Durchführung eines Bundesligaspiels haben, indem zur Refinanzierung die Ticketpreise erhöht oder zur Vermeidung weiterer Kosten weniger Tickets verkauft werden.[26]Schiffbauer, Unhaltbar? Zum Bremer Vorstoß einer Kostentragungspflicht für Polizeieinsätze im Profifußball, NVwZ 2014, 1282, 1284. Gewinnorientierte Großveranstaltungen, wie in der Vorschrift anvisiert, werden regelmäßig beruflich organisiert. Ein Eingriff liegt damit vor.

cc) Rechtfertigung

Der Eingriff könnte jedoch gerechtfertigt sein. Die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 12 I GG richten sich nach der sog. 3-Stufen-Theorie. Auf der ersten Stufe steht ein Eingriff welcher die Berufsausübung betrifft. Auf der zweiten Stufe stehen subjektive Berufswahlbeschränkungen und auf der dritten Stufe objektive Berufswahlbeschränkungen.[27] Zum Ganzen: Ruffert in BeckOK Grundgesetz, Epping / Hillgruber, 48. Ed., Stand 15.08.2021, Art. 12, Rn. 93 ff.)) Hier ist lediglich die Berufsausübung betroffen und damit liegt ein Eingriff in die erste Stufe der Berufsausübung vor. Zur Rechtfertigung von Eingriffen auf der ersten Stufe müssen vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls vorliegen.[28] BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 69.

Die Veranstaltergebühr soll hier hier durch Erwägungen zur Lastengerechtigkeit gerechtfertigt werden. Die zuletzt immens gestiegenen Kosten, sollen nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen, gerade bei gewinnorientierten Veranstaltungen. Der wirtschaftlich begünstigte soll zur Lastentragung herangezogen werden. Schließlich wird die Gebührenhöhe im Regelfall in einem angemessenen Verhältnis zum – auch dank des verstärkten Polizeieinsatzes – realisierbaren Gewinn stehen.[29]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 69. Die Kosten entsprechen aber der erbrachten öffentlichen Leistung. Darüber hinaus werden dem Veranstalter nur die Mehrkosten auferlegt.[30]OVG Bremen NVwZ 2018, 913, 918. Dabei handelt es sich um vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, welche zur Rechtfertigung ausreichen. Mithin ist der Eingriff in Art. 12 I GG gerechtfertigt.

c) Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 I

Die Regelung könnte jedoch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 I GG darstellen.

aa) Ungleichbehandlung

Dafür müsste zunächst eine Ungleichbehandlung vorliegen. Durch den allgemeinen Gleichheitssatz müssen Akte der öffentlichen Gewalt wesentlich gleiches gleich und wesentliches ungleiches ungleich behandeln.[31]Kischel in BeckOK Grundgesetz, Epping / Hillgruber, 48. Ed., Stand 15.08.2021, Art. 3, Rn. 15 ff.)) Im Vergleich zu Veranstaltungen mit weniger als 5.000 Personen, die friedlich und nicht gewinnorientiert organisiert werden, liegt in Hinblick auf jedes Merkmal eine Ungleichbehandlung durch das Gesetz vor.

bb) sachliche Rechtfertigung

Diese Ungleichbehandlung könnte jedoch gerechtfertigt sein. Eine Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, wenn ein sachliches Differenzierungskriterium vorliegt

(1) Großveranstaltung

Zwischen großen und kleinen Veranstaltungen zu unterscheiden ist sachlich gerechtfertigt. Eine Grenzziehung zwischen kleineren und großen Veranstaltungen ist notwendig. Dabei eine Unterscheidung zwischen Veranstaltungen, welche eine Teilnehmerzahl von mehr als 5.000 Personen haben und solchen darunter erscheint auch unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass sich hieran die Vermutung knüpfen lässt, dass derartige Veranstaltungen professionell-beruflich organisiert werden. Diese Schwelle wird auch in § 1 I Nr. 3 MusterversammlungsstättengVO verwendet wird, was zur Einheitlichkeit der Rechtsordnung beiträgt.

(2) Ausschluss kommerzieller Veranstaltungen

Der Unterschied zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Veranstaltungen wird häufig darin liegen, dass nicht-kommerzielle Anbieter keinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Veranstaltung ziehen, welchen man abschöpfen könnte. Das Ziel des Gesetzes, die Nutznießer zur Kostentragung heranzuziehen könnte hier nicht erreicht werden. Darin liegt ein sachlicher Grund.

(3) Friedliche Veranstaltung

Bei friedlichen Veranstaltungen bedarf es – im Gegensatz zu unfriedlichen Veranstaltungen – nur einem normalen Aufwand bei der Gefahrenabwehr. Unfriedliche Veranstaltungen stellen gerade zusätzliche Anforderungen für die über das normale Maß hinausgehender Aufwand betrieben werden muss. Darin liegt ein sachlicher Grund.

cc)  Rechtfertigung  

Wie von D vorgebracht könnte gegen eine Rechtfertigungsmöglichkeit sprechen, dass die aufzuerlegenden Gebühren einem Bereich zuzuordnen sind, in dem eine individual-Finanzierung gegen den Gleichheitssatz verstößt. Das BVerwG hat in der Vergangenheit entschieden, dass die Auferlegung von Abgaben für Aufgaben, die der Befriedigung von Allgemeininteressen dienen, allein von einer bestimmten Gruppe getragen werden müssen.[32] BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 78. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall ging es um eine Abgabe für Anlieger, für die Straßenreinigung.

Vorliegend steht jedoch nicht die Finanzierung der im Interesse der Allgemeinheit liegenden Gefahrenabwehr und Sicherung einer öffentlichen Veranstaltung in Frage – diese bleibt steuerfinanziert. Es geht vielmehr darum, dass durch den zusätzlich zu betreibenden Aufwand die Veranstaltungen in der bisherigen Form weiter durchgeführt werden können. Es geht nicht um Aufgaben die ohnehin von der Allgemeinheit durchgeführt werden. Durch den zusätzlichen Aufwand wird gewährleistet, dass auch diese besonderen Veranstaltungen für die Veranstalter gewinnbringend durchgeführt werden können.

dd) (P) Doppelabrechnung

Einer Rechtfertigung stünde auch entgegen, wenn die Regelung zu einer Doppelabrechnung führen würde, so dass die öffentliche Hand hierdurch über Gebühr entlastet werden würde. Dieses Gebot der Folgerichtigkeit setzt voraus, dass Kosten, die anderen (insbesondere einzelnen Störern) in Rechnung gestellt werden könnten, auch von diesen getragen werden müssen. Diese Frage ist jedoch nicht im Gesetz entscheidend angelegt, sondern wird in der Anwendung im Einzelfall nachzuprüfen sein.

ee) Ergebnis Rechtfertigung

Der Eingriff in Art. 3 I GG ist damit gerechtfertigt.

4. Ergebnis: Grundrechte

Mithin ist kein Grundrechtsversto´ß ersichtlich.

III. Ergebnis: Materielle Rechtmäßigkeit

Die Regelung des § 4 IV GebG ist damit materiell rechtmäßig.

B. Ergebnis

Die Regelung des § 4 IV GebG ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig und ist demnach verfassungskonform.


Zusatzfragen

1. Kann die Figur des Zweckveranlassers bei Versammlungen uneingeschränkt angewendet werden?
Als Zweckveranlasser wird eine Person bezeichnet, der eine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch Dritte aufgrund einer eigenen, für sich betrachtet rechtmäßigen bzw. neutralen Handlung zugerechnet wird.[33]Lindner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, 16. Edition, Stand: 15.03.2021, Rn. 32.
Umstritten ist, ob der Zweckveranlasser subjektiv bezwecken muss, dass eine Gefahr verursacht wird oder ob das objektiv gefahrerhöhende Verhalten ausreicht.
Jedenfalls bedarf es aber einer weiteren Einschränkung: Könnten Versammlungen oder politische Veranstaltungen als Zweckveranlasser uneingeschränkt zum Adressat von polizeilichen Anordnungen gemacht werden, würde es ausreichen eine gewaltsame Gegendemo (oder ähnliches) zu organisieren, um ein Verbot einer Versammlung zu ermöglichen. Dann müssten diejenigen, die eine friedliche Veranstaltung abhielten, diese abbrechen, weil die Gegendemonstranten zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit würden. Damit obläge es den Gegendemonstranten ob eine Veranstaltung stattfindet oder nicht. Mithin steht der Schutz von Versammlungen durch Art. 8 I GG über der Möglichkeit den Zweckveranlasser zur Aufgabe der Tätigkeit zu bringen.
2. Wäre die D-GmbH aus dem Sachverhalt überhaupt als Veranstalter anzusehen?
Hintergrund: Im Verwaltungsrechtlichen Verfahren müsste das Tatbestandsmerkmal des Veranstalters gegeben sein, um einen Kostenbescheid erlassen zu können. Bei Sportverbänden stellt sich dabei die Frage, ob der Sportverband selbst oder die einzelne Vereine Veranstalter der jeweiligen Spiele sind.
Zudem müsste die D Veranstalterin sein. Als Veranstalter ist nach allgemeinem Wortverständnis derjenige anzusehen, der bei einer Veranstaltung auf die Planung und Durchführung Einfluss nehmen kann. Insofern könnten auch die einzelnen austragenden Vereine wie Hannover 96, als Veranstalter angesehen werden. Die jeweiligen Heimvereine haben nach § 4 Nr. 1a der Satzung des Ligaverbands (DFL) unter anderem die „Austragung der Fußballspiele“ in den Lizenzligen zur Aufgabe. Zudem tragen sie durch die Polizeisicherung der Spiele auch einen finanziellen Vorteil aus den Sicherungsvorkehrungen, da die dadurch erzielten Ticketverkäufe auch Einnahmen für den Verein sind. Im Profisport ist aber wesentliches Merkmal der Veranstaltereigenschaft die für das Zustandekommen der Veranstaltung und deren Abwicklung notwendige organisatorische Arbeit.[34]OVG Bremen NVwZ 2018, 913, 919f. Diese Tätigkeiten übernimmt überwiegend die DFL. Sie legt den Spielbetrieb fest und regelt die Spielansetzungen. Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, dass auch die DFL durch die Vermarktungsrechte finanziell profitiert. Mithin ist die DFL als Veranstalterin (zumindest als Mitveranstalterin anzusehen) anzusehen.[35]Dieser Absatz ist – freundlicherweise – zur Verfügung gestellt von und entnommen aus: Christian Denz, HanLR 2018, 282, 288.

Zusammenfassung:

1. Die Erhebung von Gebühren, neben Steuern, setzt voraus, dass ein über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehender Sachzusammenhang besteht.

2. Neben Störern kann auch als Nutznießer, also wirtschaftlich Bevorteilter, eines staatlichen Aktes, eine Person zur Leistung von Gebühren herangezogen werden.

3. Während die Grundversorgung steuerlich finanziert wird und auch ein Abgabe-Verbot für staatliche Aufgaben, die ohnehin im Sinne der Allgemeinheit erledigt werden, besteht; kann ein dem wirtschaftlichen Vorteil eines Einzelnen dienender Sondervorteil abgeschöpft werden.


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