
BGH, Beschluss vom 27.10.2021 – 2 StR 203/21, NStZ 2022, 483
Sachverhalt
A und B befinden sich nach ausgelassenen Feierlichkeiten auf dem nächtlichen Heimweg. Dabei kommen sie an einem Hotel vorbei und bemerken, dass die Tür zum beleuchteten Lagerraum offensteht. Im vorderen Bereich des Lagerraums befinden sich Leergutkästen, im hinteren Container für Papier-, Restmüll und Glas. Die Hotelmitarbeitenden nutzen ihn regelmäßig tagsüber während des Hotelbetriebs, eine nächtliche Nutzung ist eher ungewöhnlich. A und B beschließen, den Lagerraum zu betreten, um ihn nach interessanten Dingen zu durchsuchen. Frustriert darüber, lediglich Müll und Altglas vorzufinden, greift A zwei Plastiksäcke in dem Container und zündet sie mit seinem Feuerzeug an. Wie von A beabsichtigt, beginnt das Plastik zu schmelzen und der restliche Containerinhalt gerät in Brand. A nimmt hierbei billigend in Kauf, dass der gesamte Container Feuer fängt und im Zuge seines Vollbrandes auch schwere Beschädigungen am Lagerraum entstehen können. Hingegen geht er weder davon aus, dass Schäden außerhalb des Lagerraums entstehen könnten, noch dass der Raum über die Nacht von Hotelmitarbeitenden betreten wird. Von den unmittelbar über dem Lagerraum liegenden (bewohnten) Hotelzimmern weiß A nichts. Als B den Lichtschein des Feuers als solchen erkennt, flieht er ohne Umschweife aus dem Lagerraum, wenige Sekunden später gefolgt von A.
Die im Verlauf der nächsten Minuten von den Hotelmitarbeitenden alarmierte Feuerwehr kann das Feuer, welches sich bereits auf weitere Container ausgebreitet hat, löschen. Im Bereich der Lagerraumdecke kam es aufgrund der Hitzeentwicklungen zu großflächigen Putz- und Betonabplatzungen. Die ebenfalls an der Decke verlaufenden Metallrohre wurden stark verfärbt und brachen teilweise herunter, brannten jedoch nicht eigenständig. Die Elektroinstallation des Raumes wurde durch die Hitze zerstört und die Wände durch erhebliche Rußablagerungen beschädigt. Die entsprechend erforderlichen Renovierungsmaßnahmen dauerten mehrere Monate an, in denen der Lagerraum nicht genutzt werden konnte.
Die sich über dem Lagerraum befindlichen (bewohnten) Hotelzimmer wurden bis auf den durch die gekippten Fenster hineingezogene Rauch nicht beschädigt. Sie konnten durch gezieltes Lüften und Reinigen unverzüglich weitervermietet werden. Weder bei Hotelgästen noch -mitarbeitenden kam es zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung.
Wie haben sich A und B strafbar gemacht? Erforderliche Strafanträge sind gestellt.
Skizze
Gutachten
A. Strafbarkeit des A gem. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB
A könnte sich wegen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er die zwei Plastikmüllsäcke in dem sich im Lagerraum befindlichen Container anzündete.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Täterfremdes Tatobjekt
Bei dem Hotel handelt es sich um ein Gebäude, das zumindest auch im Miteigentum eines anderen steht und somit für den A fremd ist.
b) Tathandlung: In Brand setzen oder Zerstören durch Brandlegung
A müsste das Hotel in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört haben.
aa) In Brand setzen
Ein Objekt ist in Brand gesetzt, wenn zumindest Teile, die für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlich sind, so vom Feuer erfasst werden, dass das Feuer aus eigener Kraft, d.h. ohne Fortwirken des Zündstoffs, weiterbrennt.[1]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II., 24. Auflage 2023, § 40 Rn. 14 Bei Gebäuden genügt die Inbrandsetzung eines für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlichen Bestandteils. Dabei ist der Bestandteil eines Gebäudes dann wesentlich, wenn er nicht jederzeit entfernt werden kann, ohne dass das Bauwerk selbst beeinträchtigt würde.[2]Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, 47. Auflage 2023, § 21 Rn. 948
Zwar kam es im Bereich der Lagerraumdecke sowie an den an ihr verlaufenden Metallrohren und der Elektroinstallation zu teilweise schwerwiegenden Beschädigungen, allerdings brannte keine dieser Vorrichtungen eigenständig, sondern nur die Container, welche jederzeit aus dem Gebäude entfernt werden könnten und damit nicht als ein wesentlicher Bestandteil dessen einzuordnen sind. A hat das Hotel nicht in Brand gesetzt.
Anmerkung: Wesentliche Bestandteile eines Gebäudesbb) Zerstören durch Brandlegung
Eine Brandlegung ist jede Handlung, die auf das Verursachen eines Brandes zielt.[4]Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Auflage 2023, § 306 Rn. 4 Ein Objekt ist ganz zerstört, wenn es vernichtet ist oder seine bestimmungsgemäße Brauchbarkeit vollständig verloren hat. Es ist teilweise zerstört, wenn einzelne, für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Objekts wesentliche Teile unbrauchbar gemacht worden sind.[5]Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, 47. Auflage 2023, § 21 Rn. 948
Anmerkung: Restriktive InterpretationVorliegend geriet durch das Entzünden der Plastikmüllsäcke durch A der gesamte Container in Brand. In Folge dieser Handlung entstanden großflächige Putz- und Betonabplatzungen an der Raumdecke sowie schwerwiegende Beschädigungen an Metallrohren und Elektroinstallationen. Der Lagerraum konnte aufgrund der erforderlichen Renovierungsarbeiten über Monate nicht genutzt werden, war mithin über diesen Zeitraum auf eine Art unbrauchbar, dass dieser Gebäudeteil seinen Zweck gänzlich verlor. A hat das Hotel teilweise zerstört.
2. Subjektiver Tatbestand
A intendierte beim Entzünden der Plastikmüllbeutel, den gesamten Container in Brand zu setzen und nahm dabei billigend in Kauf, dass der gesamte Container Feuer fängt und im Zuge seines Vollbrandes auch schwere Beschädigungen am Lagerraum entstehen können. A handelte vorsätzlich.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
A handelte rechtswidrig und schuldhaft.
Anmerkung: Tätige ReueFür eine intensive Auseinandersetzung mit dem § 306e StGB siehe schon den Fall Brennende Liebe.
III. Ergebnis
A hat sich wegen Brandstiftung gem. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Die durch dieselbe Handlung ebenfalls verwirklichten §§ 303 Abs. 1, 305 Abs. 1 StGB treten im Wege der Spezialität hinter § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB zurück.[8]Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Auflage 2023, § 306 Rn. 6
B. Strafbarkeit des A gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB
A könnte sich wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er die zwei Plastikmüllsäcke in dem sich im Lagerraum befindlichen Container anzündete, so dass Beschädigungen am Lagerraum entstanden und Rauch in die darüberliegenden Hotelzimmer zog.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Tatobjekt
aa) Hotelzimmer
Bei den Hotelzimmern könnte es sich entsprechend § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB um Räumlichkeiten handeln, die der Wohnung von Menschen dienen. Eine Räumlichkeit dient der Wohnung von Menschen, wenn sie von ihren Bewohnenden zumindest vorübergehend tatsächlich als Mittelpunkt ihrer (privaten) Lebensführung zu Wohnzwecken genutzt wird. Entscheidend ist der tatsächliche Wohnzweck, also die reale Widmung zum Wohnen.[9]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II., 24. Auflage 2023, § 40 Rn. 32 Bei Räumlichkeiten wie Hotelzimmern, die zeitweise gewerblich gegen Entgelt an beliebige Interessenten überlassen werden, lässt sich eine Wohnungsqualität dann bejahen, wenn sie zum Zeitpunkt der Brandstiftung tatsächlich – wie hier – wohnlich genutzt werden.[10]Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2022, § 306 a Rn. 14
Anmerkung: Eigentumsverhältnisse i.R.d. BrandschutzdelikteBeispiel: Entscheidet Hoteleigentümerin C, ihr Hotel niederzubrennen (in dem sie bis zu diesem Zeitpunkt auch selbst gelebt hat), weil sie nie mehr als ein Zimmer an den dauermietenden Popstar in Ruhestand vermietet hat und das Hotel ansonsten leer steht und möchte aber eben jener Popstar weiter in dem Zimmer wohnen, so handelt es sich bei dem Hotel trotz des Entschlusses der C um eine Räumlichkeit, die i.S.v. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB der Wohnung von Menschen dient, eben weil nicht jede Objektbewohnerin die Räumlichkeit (im Falle der C konkludent) entwidmet hat.
Für eine Auseinandersetzung mit der Relevanz der Eigentumsverhältnisse siehe schon den Fall Brennende Liebe.
bb) Lagerraum
Bei dem Lagerraum könnte es sich entsprechend § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB um eine Räumlichkeit handeln, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient. Dafür ist ein Anwesendsein von einer gewissen Dauer erforderlich, das noch als ein „Sichaufhalten“ angesehen werden kann. Ein bloß flüchtiges oder gelegentliches Betreten zur Vornahme von kurzen Vorrichtungen genügt nicht.[13]BGH Beschl. V. 27.10.2021 – 2 StR 203/21, NStZ 2022, 483, Rn. 18
Der Lagerraum eines Hotels wird nur dann betreten, wenn Abfall zur Lagerung angefallen oder Leergut aus Bar- und Restaurantbereich zur Entsorgung beiseitezuschaffen ist. Beide Anwendungsfälle bedürfen eines lediglich überschaubaren Verhaltens und eines begrenzten zeitlichen Aufwands. Gleichwohl fällt in Hotelanlagen wesentlich mehr Müll und Altglas an, als in privaten Haushalten, weshalb durchaus von einem regelmäßigen Aufenthalt der Hotelmitarbeitenden im Lagerraum auszugehen sein kann. Je nach dem, wo die Mülltrennung der Mülleimer aus den Hotelzimmern stattfindet, ist es auch möglich, dass sich Mitarbeitende über einen nicht unerheblichen Zeitraum im Lagerraum aufhalten müssen.
Ob sich dieses Verhalten als ein „Sichaufhalten“ einordnen ließe, könnte jedoch dahinstehen, wenn die Tathandlung – wie von § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB gefordert – nicht zu einem Zeitpunkt begangen worden wäre, zu dem sich üblicherweise Menschen dort aufzuhalten pflegen (sog. „Tatzeitformel“). Dabei ist nicht relevant, ob sich zum Tatzeitpunkt tatsächlich Menschen (zufällig) in der Räumlichkeit aufgehalten haben. Vielmehr ist maßgeblich, dass sich im Zeitpunkt der Brandstiftung Menschen nach der konkreten Nutzung des Objektes typischerweise in der Räumlichkeit aufhalten.[14]Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2022, § 306 a Rn. 28 Vorliegend ist der Lagerraum des Hotels nur tagsüber regelmäßig in Benutzung und eine Nutzung in der Nacht – d.h. zur Tatzeit – eher ungewöhnlich. Die Anforderungen des § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB sind damit nicht erfüllt und der Lagerraum mithin kein taugliches Tatobjekt.
Anmerkung: Tatzeitformelb) Tathandlung: In Brand setzen oder durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstören
A müsste die Hotelzimmer in Brand gesetzt oder durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört haben. Vorliegend wurden die Hotelzimmer jedoch weder vom Feuer erfasst noch wurden durch den durch die gekippten Fenster eingezogenen Rauch wesentliche ihrer Teile unbrauchbar gemacht. Vielmehr waren keinerlei Reparaturmaßnahmen notwendig und sie konnten nach gezieltem Lüften und Reinigen unverzüglich weitervermietet werden.
2. Zwischenergebnis
Der objektive Tatbestand des § 306a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB ist nicht erfüllt.
II. Ergebnis
A hat sich nicht wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB strafbar gemacht.
C. Strafbarkeit des A gem. §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB
A könnte sich wegen versuchter schwerer Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er die zwei Plastikmüllsäcke in dem sich im Lagerraum befindlichen Container anzündete, so dass Beschädigungen am Lagerraum entstanden und Rauch in die darüberliegenden Hotelzimmer zog.
I. Keine Vollendung und Strafbarkeit des Versuchs
Die Tat ist nicht vollendet. Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus §§ 306a Abs. 1, 12 Abs. 1, 23 Abs. 1 StGB.
II. Tatentschluss
1. Bzgl. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB
A müsste Tatentschluss bzgl. des in Brand Setzens oder der durch Brandlegung ganz oder teilweisen Zerstörung einer Räumlichkeit gehabt haben, die der Wohnung von Menschen dient.
Vorliegend ging A jedoch weder davon aus, dass Schäden außerhalb des Lagerraums entstehen könnten, noch wusste er von den über dem Lagerraum liegenden Hotelzimmern. Er hatte mithin keinen entsprechenden Tatentschluss.
2. Bzgl. § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB
A müsste Tatentschluss bzgl. des in Brand Setzens oder der durch Brandlegung ganz oder teilweisen Zerstörung einer Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen, gehabt haben.
Vorliegend ging A jedoch nicht davon aus, dass der Lagerraum über die Nacht – und damit zum Zeitpunkt der Tat – von Hotelmitarbeitenden betreten wird. Er hatte mithin keinen entsprechenden Tatentschluss.
III. Ergebnis
A hat sich nicht wegen versuchter schwerer Brandstiftung gem. §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
D. Strafbarkeit des B gem. §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB
B könnte sich gem. §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem A die zwei Plastikmüllsäcke in dem sich im Lagerraum befindlichen Container anzündete.
Vorliegend hatten A und B allerdings schon keinen gemeinsamen Tatplan, in dessen Ausführung A hätte handeln können. Eine Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB scheidet entsprechend aus. B hat sich nicht gem. §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
E. Strafbarkeit des B gem. §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 27 StGB
B könnte sich gem. §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 27 StGB strafbar gemacht haben, indem er sich im Lagerraum befand, während A die zwei Plastikmüllsäcke in dem sich im Lagerraum befindlichen Container anzündete. Hier wäre an eine psychische Beihilfe zu denken, welche zu bejahen wäre, soweit B den A in seinem Tatentschluss bestärkt hätte – sei es auch lediglich durch die Vermittlung eines erhöhten Gefühls der Sicherheit.[16]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 15. Auflage 2023, § 45 Rn. 88
Zwar befand sich B gemeinsam mit A im Lagerraum, dem Sachverhalt lassen sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte dahingehend entnehmen, dass die Anwesenheit des B einen irgendwie gearteten Einfluss auf das Verhalten oder den Entschluss des A, die Plastikmüllsäcke anzuzünden, gehabt hätten. B hat dem A keine Hilfe geleistet. Eine Strafbarkeit nach §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 27 StGB scheidet aus.
F. Strafbarkeit des B gem. § 323c Abs. 1 StGB
B könnte sich gem. § 323c Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er die Flammen nicht löschte, nachdem er den Lichtschein als Flammen erkannte.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Tatsituation: Unglücksfall
Bei dem Entzünden der Plastikmüllsäcke durch A müsste es sich um einen Unglücksfall gehandelt haben. Ein Unglücksfall ist jedes (plötzlich eintretende) Ereignis, das die unmittelbare Gefahr eines erheblichen (weiteren) Schadens für andere Menschen oder fremde Sachen von bedeutsamem Wert hervorruft oder hervorzurufen droht.[17]Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, 47. Auflage 2023, § 23 Rn. 1059
Vorliegend kam es durch das Entzünden der Plastikmüllsäcke durch A bereits zu Beschädigungen am Müllcontainer. Darüber hinaus wohnt dem Brennen des Inhalts eines Müllcontainers aber die unmittelbare Gefahr inne, dass das Feuer auf andere Objekte oder sogar das Gebäude übergreift, mithin einen erheblichen Schaden für Hotelgebäude sowie Hotelgäste und -mitarbeitende verursacht.
b) Unterlassen einer Hilfeleistung, die erforderlich, möglich und zumutbar ist
Vorliegend floh B ohne Umschweife aus dem Lagerraum, als er den Lichtschein der Flammen als solche erkannte, anstatt das Feuer zu löschen oder die Feuerwehr zu alarmieren (Handlungsmöglichkeiten). Nach dem ex-ante Urteil eines verständigen Beobachters der Situation wäre dies aber notwendig gewesen, um den Schaden abzuwenden oder zumindest abzumildern,[18]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II., 24. Auflage 2023, § 42 Rn. 9-12 da sich (außer dem A als Täter) keine anderen Personen im Lagerraum oder seiner unmittelbaren Nähe befanden, die an der Stelle des B hätten handeln können. Gründe, die für eine Unzumutbarkeit dieser Handlungsmöglichkeiten sprechen, sind nicht ersichtlich.
2. Subjektiver Tatbestand
B handelte vorsätzlich.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
B handelte rechtswidrig und schuldhaft.
III. Ergebnis
B hat sich gem. § 323c Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
G. Strafbarkeit von A und B gem. § 123 Abs. 1 StGB
A und B könnten sich gem. § 123 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem sie den Lagerraum des Hotels betraten.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
A und B müssten in einen Geschäftsraum eingedrungen sein. Bei einem Hotel handelt es sich um eine Räumlichkeit, die bestimmungsgemäß für gewerbliche Tätigkeiten verwendet wird. Bei dessen Lagerraum um eine solche, die als Nebenraum ebenfalls von § 123 Abs. 1 StGB geschützt wird.[19]Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, 47. Auflage 2023, § 13 Rn. 555 In diese geschützte Räumlichkeit sind A und B auch eingedrungen, da sie den Lagerraum gegen den Willen des Hausrechtsinhabers betreten haben.[20]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II., 24. Auflage 2023, § 30 Rn. 8 Vor allem unterliegt der Lagerraum eines Hotels auch keiner generellen Zutrittserlaubnis durch den Hoteleigentümer als Hausrechtsinhaber, da der Raum weder von Gästen noch von einem Publikumsverkehr, sondern nur von Hotelmitarbeitenden, betreten werden soll.
2. Subjektiver Tatbestand
A und B handelten vorsätzlich.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
A und B handelten rechtswidrig und schuldhaft.
III. Ergebnis
A und B haben sich gem. § 123 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
H. Endergebnis
A hat sich nach. §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 123 Abs. 1, 52 StGB wegen Brandstiftung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch strafbar gemacht. B hat sich nach §§ 323 c Abs. 1, 123 Abs. 1, 52 StGB wegen unterlassener Hilfeleistung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch strafbar gemacht.
Zusatzfragen
1. Kann ein gemischt genutztes Gebäude Tatobjekt des Para. 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB sein?Als Räumlichkeiten, die gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB der Wohnung von Menschen dienen, gelten auch solche einheitlichen Gebäude, die sowohl zu gewerblichen als auch zu Wohnzwecken (d.h. „gemischt“) genutzt werden.[21]Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, 47. Auflage 2023, § 21 Rn. 958
Mit gemischt genutzten Gebäuden sind im Kontext des § 306a Abs. 1 StGB zwei Rechtsprobleme verbunden. Einerseits geht es um die Frage der Einheitlichkeit des Tatobjekts als solchem (1), andererseits geht es um die Bestimmung des Vollendungszeitpunktes der Tat (2).
(1) Nach dem BGH bemisst sich die Einheitlichkeit eines Gebäudes danach, wie es in Bezug auf Brandübertragung und -entwicklung baulich beschaffen ist. Dementsprechend spricht es eher gegen die Einheitlichkeit eines Gebäudes, wenn es bspw. Brandschutzmauern enthält, die die Verbreitung eines potenziellen Brandes von einem Gebäudeteil in den anderen verhindern würden. Hingegen kann es für eine Einheitlichkeit sprechen, wenn bspw. die verschieden genutzten Gebäudeteile durch ein und dasselbe Treppenhaus verbunden sind, womit die Weiterverbreitung eines potenziellen Brandes von einem Teil in den anderen begünstigt würde.[22]m.w.N. Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2022, § 306 a Rn. 32 ff.
In unserem Beispielsfall handelt es sich also um ein gemischt genutztes einheitliches Gebäude und damit um ein taugliches Tatobjekt des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB.
(2) Für die Frage der Vollendung der Tat muss zwischen den verschiedenen Tathandlungen unterschieden werden.
(a) Beim „In Brand setzen“ (Var. 1) reicht es nach h.M. für die Vollendung aus, wenn zwar nur der nicht als Wohnung genutzte Gebäudeteil in Brand gesetzt wird, das Übergreifen des Brandes auf den Wohnbereich allerdings „nicht auszuschließen“ ist und es sich bei dem in Brand gesetzten Teil um einen wesentlichen Bestandteil des nicht als Wohnung genutzten Gebäudeteils handelt.
Ausgangspunkt dieser Bewertung ist, dass § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt solche Handlungen unter Strafe stellt, die typischerweise das Leben von Menschen gefährden, die sich in Räumlichkeiten aufhalten. Diese Gefahr bestehe auch dann schon, wenn „das Gebäude“ (in seiner Einheitlichkeit) brenne und sich der Brand ausbreiten könnte.[23]Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, 47. Auflage 2023, § 21 Rn. 958 f.; m.w.N. Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2022, § 306 a Rn. 32 ff.
In unserem Beispielsfall wäre § 306a Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB also erfüllt, wenn bspw. im Restaurantbereich – also im Erdgeschoss des Gebäudes – Türen, Fenster und Fußboden in unmittelbarer Treppenhausnähe brennen würden und damit ein Übergreifen des Brandes auf den Wohnbereich nicht ausgeschlossen ist. Nicht erfüllt wäre Var. 1 bspw., wenn lediglich die Tischdecke eines im hinteren Bereich des Restaurants platzierten Tisches brennen würde.
(b) Beim „durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstören“ (Var. 2) fordert der BGH, dass zumindest ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des als Wohnung genutzten Gebäudeteils („eine zum Wohnen bestimmte abgeschlossene Untereinheit“) durch die Brandlegung für Wohnungszwecke unbrauchbar gemacht wird. Die Unbrauchbarkeit müsse sich aus einer Einwirkung auf die Sachsubstanz des als Wohnung genutzten Gebäudeteils selbst ergeben.
Dieser Bewertung liegt die Notwendigkeit zu Grunde, in Bezug auf die Gefährlichkeit für Leben und Gesundheit der Bewohnenden eine Vergleichbarkeit zu Var. 1 herzustellen (ebd.).
In unserem Beispielsfall könnte § 306a Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB also erfüllt sein, wenn es in einem begrenzten Bereich des Restaurants der Art brennt, dass es durch den durch die gekippten Fenster in den Wohnbereich gezogenen Qualm zu solchen Rußablagerungen an Wänden und Decke kommt, dass die Wohnung über Wochen nur mit Schutzmaske betreten werden darf. Nicht erfüllt wäre Var. 2 hingegen, wenn durch den Brand im Restaurant die Rohrleitungen im Keller beschädigt würden, so dass es in der Wohnung über mehrere Wochen kein fließendes Wasser gäbe, da hier höchstens eine Unbenutzbarkeit, jedoch keine Unbrauchbarkeit hervorgerufen würde.
An dieser Stelle lässt sich kein Subsumtionsergebnis „auswendig lernen“. Entscheidend ist vielmehr die Ausgestaltung des Jagdhochsitzes im zu bewertenden Einzelfall. Hier ist besonders darauf zu achten, wie groß die Bodenfläche des Hochsitzes ist, ob er zu den Seiten und zur Decke begrenzt ist (durch Wände und Dach), ob er von Menschen betreten und zum Aufenthalt genutzt werden kann und ob er hinreichend fest mit dem Boden verbunden ist (Erdverbundenheit) – und sei es nur aufgrund seines Eigengewichts.
Der BGH hatte in seinem Urteil vom 08.09.2021 einen mannshohen Jagdhochsitz mit über 100 kg Gewicht und einer Grundfläche von 1,44 m2 als Hütte i.S.v. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB eingeordnet.[26]vgl. BGH Urt. v. 08.09.2021 – 6 StR 174/21, BeckRS 2021, 27985.
Zusammenfassung
1. Voraussetzung für die Annahme eines tauglichen Tatobjekts i.S.v. § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB ist es, dass die Tathandlung zu einem Zeitpunkt begangen wird, zu dem sich üblicherweise Menschen in dem Objekt aufzuhalten pflegen („Tatzeitformel“). Entscheidend ist also, ob sich zum Tatzeitpunkt nach der konkreten Nutzung des Objekts typischerweise Menschen in den Räumlichkeiten aufhalten. Die Anforderungen sind hier entsprechend hoch zu stellen, um der Strafandrohung des § 306a Abs. 1 StGB gerecht werden zu können.
2. Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB genügt es nicht, dass sich ein Mensch tatsächlich in den Räumlichkeiten aufhält, wenn keine entsprechende Regelhaftigkeit dahinter steht (der Aufenthalt also nur „zufällig“ ist).