BVerfG, Urteil vom 05.05.2020 – 2 BvR 859/15 u.a.; NJW 2020, 1647
Sachverhalt
(leicht geändert und gekürzt)
Die deutsche A wendet sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB), das Public Sector Purchase Programme (PSPP), welches seit 2015 läuft.
Durch das PSPP soll die Inflationsrate auf knapp unter 2 % erhöht werden. Im Rahmen des PSPP hat das Eurosystem Wertpapiere im Gesamtwert von 2 Billionen Euro erworben. Bei den Beschlüssen zur Ein- und Durchführung des PSPP nahm die EZB – davon ist hier auszugehen – nur oberflächliche Verhältnismäßigkeitserwägungen vor und gab an, ein währungspolitisches Ziel zu verfolgen.
A meint, die Anleihekaufprogramme verstießen gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 I EUV i.V.m. Art. 119, 127 ff. AEUV). Schließlich handele es sich bei den zugrundeliegenden Maßnahmen doch aufgrund deren Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft und die Sozialpolitik um wirtschaftspolitische und nicht nur um währungspolitische Maßnahmen. Für wirtschaftspolitische Maßnahmen habe weder die EU und schon gar nicht die EZB eine Kompetenz. Insoweit seien die zugrundeliegenden Beschlüsse der EZB ultra vires, also sog. ausbrechende Rechtsakte. Die Bundesregierung und der Bundestag hätten es unterlassen durch die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel gegen die Anleihekaufprogramme vorzugehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat das Verfahren am 18.07.2017 ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen betreffend das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung, das Mandat der EZB für die Währungspolitik und die Frage eines Übergriffs der EZB in die Zuständigkeit der Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat daraufhin mit Urteil vom 11.12.2018 die Einhaltung des Mandats der EZB angenommen. Eine Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Auswirkungen des PSPP und insgesamt eine wertende Gesamtbetrachtung nahm der EuGH dabei nicht vor. Der EuGH billigt die Behauptung der EZB, es handele sich um eine geldpolitische Zielsetzung. Die wirtschaftspolitischen Dimensionen der Anleihekäufe seien unmaßgeblich.
Hat die Verfassungsbeschwerde von A Erfolg?
Bearbeitungsvermerk: Eine Auseinandersetzung mit einer etwaigen Kompetenzüberschreitung der Beschlüsse der EZB zum PSPP und mit dem Urteil des EuGH vom 11.12.2018 ist nicht erforderlich, soweit ein Verstoß des PSPP gegen Art. 123 I AEUV also das Verbot der monetären Staatsfinanzierung im Raum steht.[1]Hierzu näher BVerfG NJW 2020, 1647, 1661 ff. Rn. 180-221. Auch auf die Risikoverteilung zwischen nationalen Zentralbanken ist nicht einzugehen.[2]Vgl. hierzu BVerfG NJW 2020, 1647,1667 f. Rn. 222-228 mit dem Hinweis, dass eine nachträgliche Änderung der Risikoverteilung im Rahmen des PSPP die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des … Continue reading
Skizze
Gutachten
Die Verfassungsbeschwerde von A hat gem. Art. 93 I Nr. 4a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.
A. Zulässigkeit
I. Zuständigkeit
Das Bundesverfassungsgericht ist für die Entscheidung über Verfassungsbeschwerden gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG zuständig.
II. Beteiligtenfähigkeit
Als natürliche Person deutscher Staatsangehörigkeit (Art. 116 I GG) ist A Trägerin aller Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte, damit „Jedermann“ i.S.v. § 90 I BVerfGG und beteiligtenfähig.
III. Beschwerdegegenstand
Tauglicher Beschwerdegegenstand ist nach § 90 I BVerfGG jede Maßnahme der öffentlichen Gewalt, d.h. der Legislative, Exekutive und Judikative. A wendet sich hier gegen das Unterlassen der Bundesregierung und des Bundestages, die nicht gegen das Anleihekaufprogramm der EZB vorgegangen sind.[3]Zum Unterlassen als Beschwerdegegenstand s. näher Grünewald, in: BeckOK BVerfGG, 10. Ed. 01.01.2020, § 90 Abs. 1 Rn. 66 ff.
Dabei handelt es sich nicht unmittelbar um Maßnahmen von Organen der EU. Wendete sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Urteil des EuGH vom 11.12.2018 oder gegen die Beschlüsse der EZB, wäre dies kein tauglicher Beschwerdegegenstand.[4]S. BVerfG NJW 2020, 1647, 1649 Rn. 93. Diese können vielmehr die Basis von Handlungen der deutschen Gewalt sein oder aus der Integrationsverantwortung (Art. 23 GG) folgende Pflichten der deutschen Gewalt hervorrufen. Rechtsakte der Unionsorgane werden seitens des BVerfG daher insoweit überprüft, als an die Integrationsverantwortung deutscher Staatsorgane bei der Umsetzung der Unionsrechtsakte angeknüpft wird. Die Unionsrechtsakte werden damit mittelbarer Prüfungsgegenstand, indem sie daraufhin überprüft werden, ob sie vom Integrationsprogramm gedeckt sind bzw. die aus dem Grundgesetz folgenden Grenzen der Mitgliedschaft Deutschlands in der EU einhalten.[5]S. zu diesem Absatz BVerfG BeckRS 2020, 7327 Rn. 89.
Vernetztes Lernen: Können Unionsrechtsakte ansonsten Gegenstände einer Verfassungsbeschwerde sein?Werden die Grenzen des Vorrangprinzips überschritten, nimmt das BVerfG eine Prüfung aber vor. Die Grenzen ergeben sich aus Art. 23 I 3 i.V.m. Art. 79 III GG. Demnach prüft das BVerfG in der Identitätskontrolle, ob Maßnahmen der Unionsorgane die Grundsätze aus Art. 1 und Art. 20 GG berühren.
In der Ultra-vires-Kontrolle prüft das BVerfG, ob die Organe der EU das übertragene Integrationsprogramm (Art. 23 I 2 GG) „offensichtlich und in strukturell bedeutsamer Weise überschreiten und dadurch gegen den Grundsatz der Volkssouveränität verstoßen“.[9]BVerfG NJW 2016, 2473, 2475 Rn.121. Dazu näher im Fall.
In Bezug auf Handlungen der deutschen Staatsgewalt, die Unionsrecht umsetzen (Ausführungshandlungen), unterscheidet das BVerfG nach einer vollständig unionsrechtlich determinierten Rechtsmaterie und einer Materie, die den Mitgliedsstaaten Umsetzungsspielraum belässt. Soweit der Umsetzungsspielraum reicht, überprüft das BVerfG anhand der Grundrechte des Grundgesetzes und ein tauglicher Beschwerdegegenstand liegt vor. Soweit die Materie aber vollständig unionsrechtlich determiniert ist, überprüft das BVerfG seit „Recht auf Vergessen II“ die Anwendung des Unionsrechts anhand der Unionsgrundrechte.[10]BVerfG NJW 2020, 314, 318 Rn. 50 ff. Auch insofern liegt also ein tauglicher Beschwerdegegenstand vor.[11]S. näher dazu die Aufbereitung von Recht auf Vergessen I und Recht auf Vergessen II unter www.examensgerecht.de/recht-auf-vergessen-i-ii/. Das Problem der unionsrechtlichen Determinierung kann ebenso gut in der Antragsbefugnis oder ggf. auch unter „Prüfungsmaßstab“ zu Beginn der Begründetheit angeführt werden, wenn man sich beim Beschwerdegegenstand auf die Feststellung des Vorliegens eines Aktes deutscher Staatsgewalt durch die mitgliedsstaatliche Ausführungshandlung beschränkt.
IV. Beschwerdebefugnis
A müsste geltend machen, möglicherweise in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein, § 90 I BVerfGG. Bei den dem PSPP zugrundeliegenden Beschlüssen der EZB könnte eine Überschreitung der Kompetenzen der EU vorliegen. Die Bundesregierung und der Bundestag wirkten nicht auf die EZB ein, um einer etwaigen Kompetenzüberschreitung entgegenzuwirken. Mit diesem Unterlassen könnten die Bundesregierung und der Bundestag ihrer Integrationsverantwortung nicht gerecht geworden sein und das grundrechtsgleiche Recht der A aus Art. 38 I 1 GG verletzt haben. Art. 38 I 1 GG könnte neben dem Recht, unter Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze an der Bundestagswahl teilzunehmen auch das Recht eines grundlegenden demokratischen Gehalts dieses Wahlrechts enthalten, sodass die einzelne Person „Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen und etwas bewirken“[12]BVerfG NJW 2017, 907, 909 f. Rn. 51. kann.[13]S. m.w.N. Grünewald, in: BeckOK BVerfGG, 10. Ed. 01.01.2020, § 90 Abs. 1 Rn. 88. Insofern wäre A auch selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt. Folglich ist A beschwerdebefugt.
V. Rechtswegerschöpfung und Grundsatz der Subsidiarität
A müsste den Rechtsweg erschöpft (§ 90 II 1 BVerfGG) und alle ihr darüber hinaus zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten zur Beseitigung einer etwaigen Rechtsverletzung versucht haben (Grundsatz der Subsidiarität), bevor sie sich an das BVerfG wendet. Die Ultra-vires-Kontrolle, die hier im Raum steht, kann dazu führen, dass Unionsrecht in Deutschland nicht angewendet wird, womit die Funktionsfähigkeit der Unionsrechtsordnung und der darin aufgehende Grundsatz der einheitlichen Anwendbarkeit des Unionsrechts gefährdet ist. Das Vorliegen eines Ultra-vires-Aktes muss daher aufgrund des Grundsatzes der Europarechtsfreundlichkeit und in Anlehnung an den Rechtsgedanken des Art. 100 I GG vom BVerfG festgestellt werden.[14]M.w.N. aus der Rspr. des BVerfG Sodan/Ziekow, Grundkurs ÖR, 9. Aufl. 2020, § 5 Rn 19.
Im vorliegenden Fall hat das BVerfG die Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dem letztgenannten Erfordernis ist es mithin nachgekommen. Ein anderer Rechtsweg und andere sonstigen Möglichkeiten sind für die Überprüfung etwaiger Ultra-vires-Akte nach dem Gesagten nicht gegeben, sodass dem Gebot der Rechtswegerschöpfung und dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde genügt wurde.
VI. Form und Frist
Von der Einhaltung der Form- und Fristerfordernisse nach §§ 23 I, 92, 93 I BVerfGG ist auszugehen.
VII. Zwischenergebnis
Die Verfassungsbeschwerde von A ist zulässig.
B. Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn A durch das Unterlassen der Bundesregierung und dem Bundestag tatsächlich in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 I 1 GG verletzt ist.
Anmerkung zum Aufbau:I. Schutzbereich des Rechts aus Art. 38 I 1 GG
Art. 38 I 1 GG umfasst auch den Schutz eines grundlegenden demokratischen Gehalts der Staatsgewalt. Davon umfasst sind der Grundsatz der Volkssouveränität (Art. 20 II 1 GG) und der Anspruch der Bürger*innen nur einer von ihnen legitimierten und beeinflussbaren Staatsgewalt ausgesetzt zu sein. Bürger*innen dürfen damit nicht einer Gewalt unterworfen sein, der sie nicht ausweichen und die sie nicht selbst bestimmen können. Dieser aus Art. 38 I i.V.m. Art. 20 I, II, Art. 79 III GG folgende Anspruch auf demokratische Selbstbestimmung gilt gem. Art. 23 I 1, 3 GG auch für den Prozess der europäischen Integration.[15]BVerfG NJW 2020, 1647, 1649 Rn. 99 ff. Gegen den Ansatz des BVerfG wird angeführt, dem Wahlrecht nach Art. 38 I GG ein subjektives Recht auf Mitentscheidung in der Demokratie mit substantiellem Gehalt zuzusprechen, finde keine Grundlage im Wortlaut der Norm und sei ein Kunstgriff.[16]Ogorek, JA 2020, 795, 797. Jedoch würde das Wahlrecht aus Art. 38 I GG als Grundlage demokratischer Mitbestimmung ausgehöhlt, bliebe dem Bundestag als unmittelbar legitimiertes Organ kein substantieller Entscheidungsraum. Zudem ist es zur Wahrung der Verfassungsidentität schlicht erforderlich, dass das BVerfG zu einer möglichen Kompetenzüberschreitung Stellung beziehen kann.
Nach Art. 23 I 1, 3 i.V.m. Art. 20 I, II, Art. 79 III GG darf die deutsche Staatsgewalt Hoheitsrechte nicht derart auf die EU übertragen, dass hieraus eigene, weitere Zuständigkeiten für die Union entstehen (keine Kompetenz-Kompetenz). Ferner muss die „substanzielle Gestaltungsmacht des Bundestages“ gewahrt werden. Art. 38 I 1 GG schützt daher vor einem Substanzverlust der Herrschaftsgewalt der Wähler*innen, sodass die Rechte und die Gestaltungsmacht des Bundestages wesentlich verkürzt werden. „Eigene Aufgaben und Befugnisse von substanziellem politischem Gewicht [müssen beim Bundestag] verbleiben“. Hierzu zählt besonders das Budgetrecht des Bundestages als unerlässlicher Teil des Demokratieprinzips. Die Bestimmung quantitativ wesentlicher Abgaben darf nicht auf die Unionsebene übertragen und dem Zugriff des Bundestages entzogen werden.[17]Zum Absatz BVerfG NJW 2020, 1647, 1649 f. Rn. 101-104.
Aus Art. 38 I 1 GG i.V.m. Art. 20 I, II 1 GG folgt damit ein Recht der Wahlberechtigten, von der Bundesregierung und dem Bundestag zu verlangen, dass sie über die Einhaltung der Grenzen von Unionsorganen wachen, an Ultra-vires-Akten nicht mitwirken und bei wesentlichen Kompetenzüberschreitungen auf eine Korrektur hinwirken. Die Einschränkungen des Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung darf nicht weitergehen, als es von zulässigerweise auf die EU übertragenden Hoheitsrechten gedeckt ist.[18]BVerfG NJW 2020, 1647, 1650 Rn. 105 ff.
II. Anforderungen an die Feststellung eines Ultra-vires-Aktes
Zur Überprüfung, ob ein Ultra-vires-Akt vorliegt und damit die Pflicht der Bundesregierung und des Bundestages aktiviert wird, bedarf es eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 I 1 EUV), wonach keine Kompetenz-Kompetenz besteht (s.o.). Vorausgesetzt ist ein offensichtlich kompetenzwidriges Handeln der EU, das im Kompetenzgefüge „zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten mitgliedschaftlicher Kompetenzen führt.“[19] BVerfG NJW 2020, 1647, 1650 Rn. 110. Von einer solch bedeutsamen Kompetenzüberschreitung ist auszugehen, wenn das Tätigwerden von Unionsorganen einer Vertragsänderung nach Art. 48 EUV bedürfte.
Die Ultra-vires-Kontrolle seitens des BVerfG ist zurückhaltend und europafreundlich durchzuführen, zumal der EuGH primär über Auslegung und Anwendung des Unionsrechts entscheidet, Art. 19 I 2 EUV. Daher ist auch eine etwaige Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 III AEUV geboten. Das BVerfG setzt seine Auslegung nicht an die Stelle der Auslegung des EuGHs, wenn die Auslegung methodengerecht zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. Dem EuGH steht sogar eine Fehlertoleranz zu. Überschreitet der EuGH aber die Grenze zur offensichtlichen Kompetenzwidrigkeit, weil sich seine Entscheidung nicht mehr auf „anerkannte methodische Grundsätze zurückführen lässt“ und daher „objektiv willkürlich“ ist, kann er seine Entscheidung nicht auf Art. 19 I 2 EUV stützen und die demokratische Legitimation i.S.v. Art. 23 I 2 i.V.m. Art. 20 I, II, Art. 79 III GG fehlt. Soweit Maßnahmen der EU Auswirkungen haben, die die Grundsätze der Art. 1 und 20 GG berühren, gehen sie über die durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen hinaus.[20]zum Absatz BVerfG NJW 2020, 1647, 1651 f. Rn. 111-115.
III. Ultra-vires-Akt des EuGH
Zunächst stellt sich die Frage, ob das Urteil des EuGH vom 11.12.2018 ultra vires ergangen ist. Wäre das der Fall, könnten die Ergebnisse und Ausführungen des EuGH nichts zur Frage beitragen, ob die Beschlüsse der EZB zum PSPP ihrerseits Ultra-vires-Akte sind. Das ist wiederum entscheidend für die Frage der Verpflichtung der Bundesregierung und des Bundestages Ultra-vires-Akten entgegenzuwirken und damit für eine etwaige Rechtsverletzung des A.
Die Entscheidung des EuGH vom 11.12.2018 könnte nach dem oben genannten Maßstab „schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und daher objektiv willkürlich“[21]BVerfG NJW 2020, 1647, 1653 Rn. 118. sein. In Betracht kommt hier eine in diesem Sinne nicht vertretbare Außerachtlassung des auch im Unionsrecht anerkannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, Art. 5 I 2, IV EUV. Der EuGH nahm im Urteil vom 11.12.2018 die bloße Behauptung einer Zielsetzung hin, sprach der EZB einen weiten Bewertungsspielraum zu und nahm dabei gleichzeitig seine eigene Kontrolldichte zurück.
1. Differenzierung zwischen Wirtschafts- und Währungskompetenz
Da der EuGH die währungspolitische Zielsetzung der EZB billigt, gleichzeitig aber die wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Anleihekäufe erkennt, sie aber für nicht maßgeblich erklärt, könnte die währungspolitische Zielsetzung der EZB nur vorgeschoben sein, während in Wahrheit (auch) wirtschaftspolitische Ziele verfolgt werden.[22]BVerfG NJW 2020, 1647, 1656 Rn. 137. Die Währungspolitik (Art. 127 I, 282 II AEUV und Art. 3 I lit. c AEUV) fällt in den Kompetenzbereich der EU und das Mandat der EZB ist grundsätzlich auf diesen Bereich beschränkt. Die Wirtschaftspolitik hingegen fällt in die Kompetenz der Mitgliedstaaten.[23]BVerfG NJW 2020, 1647, 1649 Rn. 97. In Bezug auf die Wirtschaftspolitik kommt der EU nur eine koordinierende Funktion zu, vgl. Art. 4 I EUV, Art. 5 I AEUV.[24]BVerfG NJW 2020, 1647, 1655 Rn. 127.
2. Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Zurücknahme der Kontrolldichte
Bei der Zuordnung der Anleihekaufprogramme zur Wirtschafts- oder Währungspolitik nahm der EuGH eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, in deren Rahmen er aber weder die Folgen des PSPP bewertete, noch die Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik hinreichend berücksichtigte. Das widerspricht der sonstigen Handhabung des EuGH, der in anderen Bereichen eine intensivere Verhältnismäßigkeitsprüfung vornimmt, so etwa bei Unionsgrundrechten, Diskriminierungsverboten, Grundfreiheiten oder auch anderen Kompetenznormen wie Art. 114 AEUV.[25]BVerfG NJW 2020, 1647, 1657 Rn. 146 ff.
Der Ansatz des EuGH in diesem Fall, also die Zurücknahme seiner Kontrolldichte bei gleichzeitigem Zuerkennen eines weiten Beurteilungsspielraums und einer Zielsetzungsprärogative der EZB, läuft darauf hinaus, dass die EZB das aus ihrer Sicht geeignete Mittel wählen kann, mag es auch nur einen geringen Vorteil für die Geldpolitik haben und mit weitreichenden wirtschaftspolitischen Kollateralschäden behaftet sein. Der EuGH verzichtet insofern auf eine effektive Kompetenzkontrolle der EZB. An einer Lockerung der Kontrolle des EuGH ist auch problematisch, dass die EZB unabhängig ist (Art. 130, 282 III 3, 4 AEUV) und das Legitimationsniveau insofern abgesenkt ist. Das Mandat der EZB kann daher nur in engen Grenzen bestehen und diese Grenzen müssen voll gerichtlich überprüfbar sein. Dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung wird der EuGH mit dieser Zurücknahme der Kontrolldichte nicht gerecht.[26]Zum Absatz BVerfG NJW 2020, 1647, 1656 f. Rn.139-143.
Es wird auch den Art. 6 EMRK, Art. 47 GRCh und Art. 23 I 1 i.V.m. Art. 19 IV 1 GG nicht gerecht, wenn die Kontrolle der Voraussetzungen zum Tätigwerden faktisch in die Hand der EZB gelegt wird, die über die Setzung ihrer Ziele ihr eigenes Mandat umgrenzt.[27]BVerfG NJW 2020, 1647, 1657 Rn. 144 f.
3. Konsequenzen im Hinblick auf die erhöhten Anforderungen an die Kompetenzüberschreitung
Diese der EZB durch die geringe Kontrolldichte des EuGH implizit ermöglichte Kompetenzerweiterung verbunden mit der Anerkennung eines weiten Ermessens der EZB widerspricht dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung offensichtlich. Damit einhergehend verschieben sich die Kompetenzen strukturell bedeutsam zulasten der Mitgliedstaaten, die die Gefahr einer „Erosion ihrer Kompetenzen im Bereich der Wirtschafts- und Fiskalpolitik und einer weiteren Schwächung der demokratischen Legitimation“ nicht steuern könnten.[28]BVerfG NJW 2020, 1647, 1659 Rn. 157. Der Verzicht auf eine wertende Gesamtbetrachtung und die Nichtberücksichtigung von Auswirkungen des Handelns der EZB auf die Wirtschaftspolitik haben großes Gewicht in Bezug auf den Grundsatz der Volkssouveränität und das Demokratieprinzip.[29]BVerfG NJW 2020, 1647, 1659 Rn. 160. Der elementare Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gem. Art. 5 I 2, IV EUV lässt es nicht zu, dass der EuGH die tatsächlichen Wirkungen des PSPP bei seinen Ausführungen außer Acht lässt und auch dass er keine wertende Gesamtbetrachtung vornimmt.
Durch die Rücknahme der Kontrolldichte des EuGH gegenüber der EZB spricht er dieser „der Sache nach die Kompetenz zu einer eigenständigen Wirtschaftspolitik“ zu. In diesem Bereich hat die EU aber im Wesentlichen nur eine koordinierende Funktion und die EZB wird nur unterstützend tätig, Art. 119 I, II, Art. 127 I 2 AEUV.[30]BVerfG NJW 2020, 1647, 1659 Rn. 163. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gem. Art. 5 I 1, II EUV wird damit nicht beachtet.[31]Zum Absatz BVerfG NJW 2020, 1647, 1653 ff. Rn. 118, 123 ff.
4. Zwischenergebnis
Damit überschreitet der EuGH in seinem Urteil vom 11.12.2018 das ihm in Art. 19 I 2 EUV erteilte Mandat in offensichtlicher Weise.[32]BVerfG NJW 2020, 1647, 1658 f. Rn. 155 ff. Der EuGH handelte damit ultra vires. Das Urteil vom 11.12.2018 entfaltet in Deutschland daher keine Bindungswirkung und kann damit auch nicht zur Beurteilung der Frage herangezogen werden, ob die Beschlüsse der EZB zum PSPP ultra vires ergangen sind.[33]BVerfG NJW 2020, 1647, 1659 Rn. 163.
IV. Ultra-vires-Akt der EZB
Ob die Bundesregierung bzw. der Bundestag verpflichtet war, entsprechende Maßnahmen zur Einhaltung der Kompetenzen der EU zu bemühen, um ihrer Integrationsverantwortung (Art. 23 GG) gerecht zu werden, hängt davon ab, ob das Handeln der EZB bei der Beschlussfassung und Durchführung des PSPP von der auf sie übertragenen Kompetenz gedeckt war. Hierzu kann auf das dies bejahende Urteil des EuGH nicht zurückgegriffen werden (s.o.).
Die EZB machte keine hinreichenden Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit auch im Sinne einer Abwägung zwischen währungspolitischem Ziel und wirtschaftspolitischen Auswirkungen (so der Sachverhalt[34]Das BVerfG führt an dieser Stelle weiter insb. auch zu den wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Anleihekaufprogramme aus: BVerfG NJW 2020, 1647, 1659 ff. Rn. 164-177. Ein derart breites Wissen … Continue reading), sodass die Beschlüsse der EZB zum PSPP gegen Art. 5 I 2, IV EUV verstoßen und nicht von der währungspolitischen Kompetenz der EZB (Art. 127 I AEUV) oder der unterstützenden Kompetenz für die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten (Art. 127 I 2 AEUV) umfasst sind.[35]BVerfG NJW 2020, 1647, 1661 Rn. 164, 177. Der Verstoß ist auch strukturell bedeutsam, wie die Ausführungen oben zum Ultra-vires-Urteil des EuGH vom 11.12.2018 zeigen.[36]BVerfG NJW 2020, 1647, 1661, Rn. 178. Daher stellen auch die Beschlüsse der EZB zum PSPP Ultra-vires-Akte dar.
V. Pflicht der Bundesregierung zur Beendigung des PSPP
Eine Verletzung der Pflicht, Kompetenzüberschreitungen entgegenzuwirken, kann der Bundesregierung und dem Bundestag jedoch nicht insoweit vorgeworfen werden, als sie nicht auf die Beendigung des PSPP hingewirkt haben. Erst nach Darlegung der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die EZB ließe sich beurteilen, ob das PSPP tatsächlich von der Kompetenznorm des Art. 127 I AEUV gedeckt ist.[37]S. BVerfG NJW 2020, 1647, 1661 Rn. 179.
VI. Konkretisierung der Pflicht der Bundesregierung und des Bundestages und Konsequenzen auf nationaler Ebene
Deutsche Verfassungsorgane sind bei einer „offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitung“ durch Unionsorgane verpflichtet, mit den möglichen Mitteln aktiv auf die Einhaltung der kompetenziellen Grenzen hinzuwirken. Hier ist das PSPP ultra vires, weil die EZB eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht vorgenommen hat. Damit sind die Bundesregierung und der Bundestag verpflichtet, auf die Darlegung der Verhältnismäßigkeit seitens der EZB hinzuwirken.[38]BVerfG NJW 2020, 1647, 1668 f. Rn. 229-233.
Soweit eine Unionsmaßnahme – wie das PSPP – als Ultra-vires-Akt festgestellt wurde und damit nicht vom Integrationsprogramm und von Art. 23 I 2 und Art. 20 II 1 GG gedeckt ist, gilt für diese der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht. Die Maßnahme ist unanwendbar und ohne rechtliche Bindung. Der deutschen Staatsgewalt (etwa auch der Bundesbank) ist vielmehr verboten, an der Umsetzung solcher Akte mitzuwirken.[39]Zum Absatz BVerfG NJW 2020, 1647, 1669 Rn. 234 f.
C. Ergebnis
Da die Bundesregierung und der Bundestag nicht gegen den Ultra-vires-Akt der EZB, die Beschlüsse zum PSPP ohne vorherige Verhältnismäßigkeitsprüfung, vorgegangen sind, verletzten sie das Recht der A aus Art. 38 I 1 GG, das Wahlrecht mit einem grundlegenden demokratischen Gehalt. Die Verfassungsbeschwerde von A ist folglich zulässig, begründet und mithin erfolgreich.
Zusatzfragen
Welche Urteile sind für das Zusammenspiel von deutscher nationaler Ebene und Unionsebene besonders wichtig?In Solange I entschied das BVerfG 1974, dass es die Überprüfung von Gemeinschaftsrecht an den Grundrechten vornimmt, solange, das Gemeinschaftsrecht keinen Grundrechtskatalog enthält, der dem Grundrechtsschutz des GG im Wesentlichen gleicht zu achten ist.
Diese Rspr. nahm das BVerfG in Solange II 1986 zurück und entschied, dass es Gemeinschaftsrecht nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes prüft, solange die EG einen wirksamen Grundrechtsschutz gewährleistet, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist. Ansonsten genüge eine Identitätskontrolle.
Zum Maastricht-Vertrag entschied das BVerfG 1993, dass dem Bundestag Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben müssen. Bei Ultra-vires Akten dürften deutsche Organe Gemeinschaftsrecht außer Acht lassen.
In Bananenmarktordnung entschied das BVerfG 2000, dass eine Prüfung nationaler Umsetzungsakte am Maßstab deutscher Grundrechte dann in Betracht kommt, wenn der vom Europarecht nicht determinierte Umsetzungsspielraum betroffen ist.
In seiner Entscheidung zum Lissabonner Vertrag 2009 mahnte das BVerfG die Notwendigkeit einer Ultra-vires-Kontrolle an. Den Mitgliedstaaten müsse ein ausreichender Raum zur politischen Gestaltung des kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens bleiben. Zum unantastbaren Kernbereich der Verfassungsidentität des GG gehören Kriegsfragen, Strafrecht, Polizei, das Budget, Bildung, Medien und Religion. Diese Bereiche müssen im Wesentlichen in der BRD verbleiben.
In der Honeywell-Entscheidung konkretisierte das BVerfG die Anforderungen an die Ultra-vires-Kontrolle, sodass eine Kompetenzüberschreitung der Unionsorgane hinreichend qualifiziert, offensichtlich und strukturwirksam für das Kompetenzgefüge sein muss.
In Solange III stellte das BVerfG 2015 klar, dass die Identitätskontrolle ausreiche, um den europäischen Grund- und Menschenrechtsstandard in der BRD zu gewährleisten, solange die materielle Kongruenz im Dreieck des europäischen Grundrechtsschutzes aus EGMR, EuGH und BVerfG bestehe.
In Gauweiler/OMT-Programm legt das BVerfG 2016 erstmals dem EuGH vor, um die Tätigkeit der EZB beurteilen zu lassen, ob diese ultra vires gewesen sei. Die das verneinende Entscheidung des EuGH akzeptiert es schließlich.
In Bankenaufsicht/SSM- u. SRM-Programme entscheidet das BVerfG 2019, dass eine Absenkung des Niveaus demokratischer Legitimation nicht unbegrenzt zulässig sei und gerechtfertigt werden müsse. Prekär seien die Errichtung unabhängiger Agenturen auf Unionsebene. Ultra-vires-Akten dürfe der Gesetzgeber nicht zustimmen. Solche seien hier aber nicht gegeben.
In Recht auf Vergessen II wendet das BVerfG 2019 erstmals Unionsgrundrechte eigenständig an. Im unionsrechtlich nicht voll determinierten Bereich prüft das BVerfG anhand der Grundrechte des Grundgesetzes (so der Fall in Recht auf Vergessen I). Im unionsrechtlich determinierten Bereich überprüft das BVerfG den innerstaatlichen Umsetzungsakt anhand der Unionsgrundrechte der Charta.
In seinem Urteil zum PSPP nahm das BVerfG erstmals einen Ultra-vires-Akt an (näher die Fallbearbeitung).[40]S. näher zu den Urteilen Hakenberg, Europarecht, 9. Auflage 2021, Rn. 233 ff.
Brisanter ist die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens der Kommission gegen Deutschland. Deutschland habe mit dem hier vorgestellten Urteil gegen „die Grundsätze der Autonomie, des Vorrangs, der Wirksamkeit und der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts, sowie den Grundsatz der Achtung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV verstoßen“.[43]S. näher Europäische Kommission, Vertragsverletzungsverfahren im Juni: wichtigste Beschlüsse, 09.06.2021, www.ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/inf_21_2743. Zum Vertragsverletzungsverfahren siehe schon den Fall zur „Ausländer-Maut“ unter www.examensgerecht.de/infrastrukturabgabe-oder-auch-auslaender-maut/, dort aber mit der Besonderheit einer Staatenklage, während hier eine Klage der Kommission gem. Art. 258 AEUV im Raum steht.
Interessant und m.E. prekär ist hierbei auch, dass bei Fortschreiten des Vertragsverletzungsverfahrens der EuGH zu entscheiden hätte, obwohl das beanstandete mitgliedsstaatliche Verhalten gerade in der verfassungsgerichtlichen Feststellung der Kompetenzüberschreitung des EuGH liegt. Der EuGH könnte dabei in gewisser Weise in eigener Sache richten. Dabei wird dann auch aus Akzeptanzgründen eine besonders sorgfältige Begründung notwendig sein. Andererseits besteht die Gefahr, dass andere Staaten das PSPP-Urteil des BVerfG als Vorbild nehmen und damit die einheitliche Anwendbarkeit und damit auch die Funktionsfähigkeit der Unionsrechtsordnung untergraben.[44]Vgl. https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bverfg-urteil-ezb-eugh-ultra-vires-anleihekaeufe-vertragsverletzungsverfahren-deutschland-kommission-polen/.
Zusammenfassung:
1. Das in Art. 38 I 1 GG garantierte Wahlrecht als grundrechtsgleiches Recht ist nicht nur eine formale Legitimation der Staatsgewalt, sondern fordert auch einen grundlegenden demokratischen Gehalt des Wahlrechts, wozu auch der in Art. 20 I GG normierte Grundsatz der Volkssouveränität gehört. Danach muss jede Ausübung öffentlicher Gewalt in Deutschland auf die Bürger*innen zurückführbar sein. Diese demokratische Selbstbestimmung gilt auch für die europäische Integration, Art. 23 I GG. Die Maßnahmen der EU müssen sich daher im Rahmen der an sie übertragenen Hoheitsrechte halten. Mit diesem Recht aus Art. 38 I 1 GG korrespondiert eine entsprechende Pflicht der deutschen Verfassungsorgane auf die Einhaltung der Integrationsgrenzen zu achten.
2. Ein Ultra-vires Akt liegt bei einer offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitung durch Unionsorgane vor. Die erhöhten Anforderungen folgen aus dem Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit.
3. Der Auftrag des EuGH zur Rechtsprechung gem. Art. 19 I 2 EUV endet, wo die Auslegung schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und damit objektiv willkürlich ist. Dann ist die Entscheidung für Deutschland gem. Art. 23 I 2 i.V.m. Art. 20 I, II, Art. 79 III GG nicht mehr hinreichend demokratisch legitimiert.
4. Bei wichtigen Belangen, wie etwa einer fraglichen Kompetenzabgrenzung von Unionsorganen, die einer Kompetenz-Kompetenz nahe kommen kann, darf die Kontrolle des EuGH die behaupteten Ziele der EZB nicht ohne nähere Prüfung bestätigen. Ein derartiges Vorgehen wird dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 23 I 2 GG, Art. 5 I 1 EUV) nicht gerecht.
5. Die Bundesregierung und der Bundestag haben wegen ihrer Integrationsverantwortung auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der EZB hinzuwirken, die neben der währungspolitischen Zielsetzung auch die wirtschaftspolitischen Auswirkungen berücksichtigt.