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Ersatzfähigkeit von Verwahrkosten abgeschleppter Fahrzeuge

BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279

Sachverhalt

B – als fürsorgliche Schwester – verleiht ihren neuen BMW an ihren Bruder T. T nutzt die Möglichkeit und fährt in der Innenstadt der Stadt H ohne übergeordnetes Ziel herum. Nach einigen Stunden entschließt sich T eine Pause einzulegen. Kostenpflichtige Parkplätze sind in der Innenstadt nicht vorhanden. Im weiteren Umkreis sind auch alle öffentlichen und kostenlosen Parkplätze belegt. Kurzerhand entschließt sich T, in den Innenhof des Hauses des A hineinzufahren, wo sich ein unbelegter Parkplatz befindet. Über diesem prangt ein Schild, das den Parkplatz als den des Eigentümers A ausweist und darlegt, dass widerrechtlich geparkte Autos abgeschleppt werden würden. T ignoriert das Schild und stellt sich auf den Parkplatz. Nach einigen Stunden kommt A von seiner Arbeit zurück. Erbost sieht er das Fahrzeug des T. Nachdem er vergeblich eine halbe Stunde wartet, ruft er den C, welcher einen Abschleppdienst betreibt. Dieser schleppt das Auto der B ab und verbringt es auf seinen Verwahrplatz. Etwaige Ansprüche des A gegen die B tritt er an den C ab.

Nach fünf Tagen meldet sich die B schriftlich bei dem C und will ihr Fahrzeug zurück. Eine Antwort von C erhält sie nicht. Nach weiteren 30 Tagen ruft die B erneut bei C an. Dieser antwortet ihr, dass sie das Fahrzeug zurückhaben könne, allerdings nur, wenn sie ihm seine Auslagen als Abschleppunternehmen bezahlen würde. Einen konkreten Betrag nennt er indes nicht. Nach 90 Tagen meldet sich B erneut bei C. Auch dieses Mal stellt der C sich auf die Position, erst seine Kosten ersetzt bekommen zu wollen, bevor er das Fahrzeug an die B herausgeben würde. Die Kosten würden sich auf EUR 150,00 für das Abschleppen und EUR 15,00 für jeden Tag, den er das Fahrzeug verwahrt habe, belaufen. Insgesamt also EUR 1.500,00. B ist erbost und weigert sich, diesen Betrag zu zahlen. Nach vielen Schreiben zwischen B und C vergehen 329 Tage. C verlangt inzwischen EUR 4.935,00 (329 Tage x EUR 15,00) für die Verwahrung und EUR 150,00 für das Abschleppen.

Besteht der Anspruch des C gegen die B?

(Es kann unterstellt werden, dass die EUR 15,00 pro Tag für die Verwahrung ihrer Höhe nach ortsüblich und angemessen sind)


Skizze


Gutachten

A. Anspruch auf Zahlung aus abgetretenem Recht

C könnte gegen die B einen Anspruch auf Zahlung der EUR 150,00 aufgrund des Abschleppens und Verbringens sowie EUR 4.935,00 für die Verwahrung aus abgetretenem Recht gem. § 398 BGB haben.

I. Bestehen der Forderung

Dazu müsste eine Forderung des A gegen die B bestanden haben.

1. Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB

Eine solche kommt aufgrund eines Anspruchs aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB, der sogenannten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, in Betracht.

Vernetztes Lernen:Allgemeine Prüfungsreihenfolge im Zivilrecht
1) Vertragliche Ansprüche

2) Quasivertragliche Ansprüche

3) Dingliche Ansprüche

4) Bereicherungsrechtliche Ansprüche

5) Deliktische Ansprüche

a) Führen eines fremden Geschäfts

Dazu müsste A mit dem Abschleppen ein fremdes Geschäft geführt haben. Ein fremdes Geschäft liegt dann vor, wenn es einem fremden Rechts- oder Interessenkreis entstammt.[1]BeckOK BGB/Gehrlein, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 677 Rn. 11 Dabei reicht es aus, dass das Geschäft zumindest auch im fremden Rechts- oder Interessenskreis liegt (sog. auch-fremdes Geschäft).

Das wäre hier dann der Fall, wenn eigentlich B zum Verbringen des Fahrzeugs verpflichtet gewesen wäre und A diese Pflicht für die B wahrgenommen hat.

aa) Anspruch auf Beseitigung aus §§ 862 Abs. 1 S. 1, 861 Abs. 1, i.V.m. § 858 BGB

Eine solche Verpflichtung könnte sich hier aus §§ 862 Abs. 1 S. 1, 861 Abs. 1 i.V.m. § 858 BGB ergeben. Danach kann der Besitzer, welcher durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört wird, von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen, § 862 Abs. 1 S. 1 BGB. Voraussetzung ist danach, dass eine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht vorliegt (§ 858 BGB), der Anspruchsteller unmittelbarer Besitzer oder mittelbarer Besitzer war und der Anspruchsgegner der Störer ist.

A war hier zweifelsfrei Besitzer des Parkplatzes, § 854 BGB. Durch das Parken des T auf dem Parkplatz hat er den Besitz zumindest teilweise entzogen.[2]u.A. BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 9 Mangels Kenntnis des A geschah dies auch ohne seinen Willen. Eine verbotene Eigenmacht liegt damit vor.

Fraglich ist jedoch, ob die B auch die Störerin ist. Dabei umfasst der Störerbegriff des § 862 BGB – wie auch im Rahmen des § 1004 BGB – sowohl den Handlungsstörer als auch den Zustandsstörer. Handlungsstörer ist, wer eine Beeinträchtigung durch eine eigene Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung verursacht.[3]BGH NZM 2019, 893 Rn. 25 ff. mwN; BeckOK BGB/Fritzsche, 68. Ed. 1.8.2023, BGB § 1004 Rn. 17 Da B das Auto indes nicht selber auf den Parkplatz parkte, kommt lediglich ihr Bruder T als Handlungsstörer in Frage.

B könnte jedoch Zustandsstörerin sein. Zustandsstörer ist derjenige, der die Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrechterhalten wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der Inanspruchgenommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat. Darüber hinaus muss ihm die Beeinträchtigung zurechenbar sein.[4]BGH, Urteil vom 18.12.2015 – V ZR 160/14, NJW 2016, 863 Rn. 21; BGH ZfBR 2020, 257 Rn. 22; BeckOK BGB/Fritzsche, 68. Ed. 1.8.2023, BGB § 1004 Rn. 19 B als Halterin beherrschte danach die Quelle der Störung, da sie allein darüber bestimmen kann, wie und von wem ihr Fahrzeug genutzt wird.[5]so u.a. auch BGH, Urteil vom 18.12.2015 – V ZR 160/14, NJW 2016, 863 Rn. 21 Ihr war auch die Beeinträchtigung zuzurechnen, da sie ihr Fahrzeug freiwillig einer anderen Person zur Benutzung im Straßenverkehr überlassen hat.

Folglich besteht ein Anspruch auf Beseitigung aus §§ 862 Abs. 1 S. 1, 861 Abs. 1, i.V.m. § 858 BGB.

bb) Anspruch auf Beseitigung aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB

Da A auch Eigentümer des Grundstücks ist, besteht daneben auch ein Anspruch auf Beseitigung aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB.

cc) Zwischenergebnis

B war zur Entfernung des Fahrzeugs aus §§ 862 Abs. 1 S. 1, 861 Abs. 1, i.V.m. § 858 BGB und § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet. Durch das Abschleppen und Verbringen durch den A wurde sie von dieser Pflicht frei. Es handelt sich mithin zumindest um ein auch-fremdes Geschäft.

b) Fremdgeschäftsführungswille

Der Fremdgeschäftsführungswille wird widerleglich vermutet.

Anmerkung: Gebotene Kürze
Da der Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird, kann dieser Prüfungspunkt in der gebotenen Kürze abgehandelt werden. Sollten im Sachverhalt klar Hinweise für einen entgegenstehenden Willen erkennbar sein, sind hingegen weitere Ausführungen geboten.
c) Ohne Auftrag

Ein Auftrag ist hier nicht ersichtlich.

d) Im Interesse des Geschäftsherrn

Das fremde Geschäft müsste indes auch im Interesse des Geschäftsherren gewesen sein. Das Interesse des Geschäftsherren ist grundsätzlich objektiv zu bestimmen.[6]MüKoBGB/F. Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 683 Rn. 9 Das Geschäft liegt dann im Interesse des Geschäftsherren, wenn es für ihn objektiv nützlich und sachlich vorteilhaft ist.[7]BGH, Urteil vom 15. 12. 1954 – II ZR 277/53, NJW 1955, 257, beck-online Bei der gebotenen objektiven Betrachtung stellt sich die Entfernung des Fahrzeugs der B als vorteilhaft dar, denn sie ist von der Verpflichtung aus §§ 862 Abs. 1 S. 1, 861 Abs. 1, i.V.m. § 858 BGB und § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB frei geworden. Hiergegen spricht auch nicht, dass sie in Folge des Abschleppens mit Aufwendungsersatzansprüchen konfrontiert ist. Denn einerseits würde der § 683 BGB, der eben diesen Aufwendungsersatzanspruch statuiert, ins Leere laufen[8]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 9 und andererseits ist die die Kostentragungspflicht nur die Rechtsfolge und nicht etwa eine Anspruchsvoraussetzung.[9]Baldringer/Jordans, Beurteilung des „Abschleppfalles” nach bürgerlichem Recht, NZV 2005, 75, 77

Das Geschäfts liegt damit im Interesse des Geschäftsherrn.

e) Wirklicher oder mutmaßlicher Wille des Geschäftsherrn

Mangels ausdrücklichem Willen müsste das Geschäfts im mutmaßlichem Willen des Geschäftsherrn liegen. Für die Feststellung des mutmaßlichen Willens sind objektive Kriterien heranzuziehen.[10]OLG München, NJW-RR 1988, 1013, 1015; Baldringer/Jordans, a.a.O, 77 Mangelt es an anderen Anhaltspaunkten, ist als mutmaßlicher Wille derjenige anzusehen, der dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht.[11] BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 9; BGH, Urteil vom 11.3.2016 – V ZR 102/15, NJW 2016, 2407 Da die Entfernung des Fahrzeugs im objektiven Interesse der B liegt (s.o.), entspricht dies auch ihrem mutmaßlichen Willen.

f) Ersatzfähigkeit der Aufwendungen

Fraglich ist indes, ob die Aufwendungen auch erstattungsfähig sind. Der Geschäftsherr ist verpflichtet, dem Geschäftsführer aufgrund der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag Aufwendungsersatz zu leisten. Der Umfang der zu ersetzenden Aufwendungen bemisst sich nach § 683 S. 1 BGB iVm § 670 BGB. Ersatzfähig sind danach solche Aufwendungen, welche der Geschäftsherr zu der Beseitigung der Besitzstörung für erforderlich halten durfte. Das ist nach einem subjektiv-objektiven Maßstab zu beurteilen.[12]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 12; BGH Urt. v. 8.5.2012 – XI ZR 437/11, BeckRS 2012, 14576. Entscheidend ist, was er nach sorgfältiger Prüfung der ihm bekannten Umstände vernünftigerweise aufzuwenden hatte.[13]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 12 Ersatzfähig sind Vermögensopfer des Geschäftsherrn, die nach seinem verständigen Ermessen zu der Verfolgung des Auftragszwecks geeignet sind, notwendig erscheinen und in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Geschäftsführung für den Geschäftsherrn stehen.[14]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 12; BGH Urt. v. 8.5.2012 – XI ZR 437/11, BeckRS 2012, 14576 Rn. 21

aa) Abschleppkosten

Unproblematisch sind die reinen Kosten des Abschleppvorgangs i.H.v. EUR 150,00 selbst.[15]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 14 mwN Denn eine anderweitige Beseitigung der konkreten Besitzstörung ist hier nicht ersichtlich.

bb) Verwahrungskosten dem Grunde nach

Fraglich ist aber, ob auch die Verwahrungskosten dem Grunde nach i.R.d. § 683 S. 1 BGB iVm § 670 BGB erstattungsfähig sind. Maßgeblich ist dabei, ob der Geschäftsführer die Kosten der Verwahrung für erforderlich halten darf.[16]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 16 Möglich erscheint es auch, dass der Geschäftsführer gehalten ist, dass Fahrzeug nicht auf einen kostenpflichtigen Platz abzustellen, sondern einen geeigneten kostenlosen Parkplatz im öffentlichen Verkehrsraum ausfindig zu machen. Dies schiene zunächst naheliegend, wenn in unmittelbarer Nähe ausreichend kostenlose und öffentliche Parkplätze zur Verfügung stehen. Ist dies aber nicht der Fall, ist dem beeinträchtigten Grundstücksbesitzer der Aufwand für eine mitunter zeitintensive Suche nach geeignetem Parkraum nicht zuzumuten, zumal die Verantwortung für die Besitzstörung beim Halter des Fahrzeugs liegt. [17]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 16

Bei einer anderen Beurteilung würde zudem das Selbsthilferecht des durch die verbotene Eigenmacht in seinem Besitzrecht Gestörten unangemessen beschnitten werden. Dem durch die verbotene Eigenmacht in seinem Besitzrecht Gestörten steht zur Durchsetzung des Besitzschutzes bei verbotener Eigenmacht aus § 859 BGB ein Selbsthilferecht zu. [18]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 17 Damit die Besitzstörung rasch beseitigt werden kann, muss das Selbsthilferecht einfach handhabbar sein, und seine Ausübung darf nicht mit Haftungsrisiken belastet sein. Dem liefe es zuwider, wenn der Grundstücksbesitzer nur die Aufwendungen für ein Umsetzen des unbefugt abgestellten Fahrzeugs auf einen Parkplatz in dem öffentlichen Verkehrsraum für erforderlich halten dürfte, nicht aber die Kosten für dessen Verwahrung. Das Selbsthilferecht des Privaten drohte ansonsten schon wegen des Haftungsrisikos entwertet zu werden. Zwar werden Fahrzeuge üblicherweise auf öffentlichen Parkplätzen – auch für längere Zeit – abgestellt, so dass sie ohnehin den Gefahren des Straßenverkehrs ausgesetzt sind. Die Auswahl des Parkplatzes obliegt allerdings im Regelfall dem Halter oder dem berechtigten Fahrzeugführer, der auch das mit der Auswahl des Parkplatzes verbundene Risiko trägt. Müsste der Geschäftsführer im Zuge des Umsetzens einen Parkplatz im öffentlichen Raum auswählen, müsste er die Verantwortung für die ordnungsgemäße Auswahl eines Stellplatzes übernehmen. Dabei hätte er zu berücksichtigen, ob das Fahrzeug ausreichend gegen Abhandenkommen gesichert ist oder besonders schutzbedürftig ist, weil es etwa weit überdurchschnittlich wertvoll ist oder sich in ihm erkennbar wertvolle Gegenstände befinden. [19]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 17

Mithin sind auch die Verwahrungskosten ihrem Grunde nach vom Aufwendungsersatz der §§ 683 S. 1 BGB iVm § 670 BGB erstattungsfähig.

cc) Verwahrungskosten der Länge nach

Der Umfang der Verwahrungskosten könnte jedoch dadurch beschränkt sein, dass B bereits nach fünf Tagen ihr Fahrzeug herausverlangt hat. Grundsätzlich kann der Geschäftsherr die Ausführung gegenüber dem Geschäftsführer jederzeit durch Weisung untersagen.[20]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 28; Erman/Dornis, 17. Aufl., BGB § 683 Rn. 3; MüKoBGB/Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 683 Rn. 16; RGRK/Steffen BGB, 12. Aufl., BGB Vorb. … Continue reading Ab dem Zeitpunkt der Weisung darf der Geschäftsführer weitere Aufwendungen nicht mehr iSv § 670 BGB für erforderlich halten.[21]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 28; MüKoBGB/Schäfer BGB § 683 Rn. 16. In Folge dessen ist der Aufwendungsersatz für die Verwahrung nur innerhalb der ersten fünf Tage erforderlich gewesen, denn die A drücke ab dann durch das Herausgabeverlangen gleichzeitig ihre Weisung aus, die Verwahrung zu beenden.

dd) Verwahrungskosten der Höhe nach

Die Verwahrungskosten müssten mit EUR 15,00 pro Tag auch der Höhe nach ersatzfähig sein. Entstehen Kosten durch das Eingehen einer Verbindlichkeit zu der Beseitigung der Besitzstörung ist dies dann der Fall, wenn die Kosten für die Beseitigung ortsüblich und angemessen sind.[22] BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 22. Dies ist hier mit EUR 15,00 pro Tag der Fall.

g) Zwischenergebnis

Ein Anspruch des A gegen die B aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB besteht in Höhe von EUR 150,00 für das Abschleppen und EUR 75,00 für die Verwahrung.

2. Anspruch aus §§ 684 S. 1, 812 ff. BGB

Möglich erscheint aber, dass ein Anspruch des A gegen die B in voller Höhe aus §§ 684 S. 1, 812 ff. BGB, sogenannter unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag, besteht. Hierzu müsste die B i.S.d. § 812 BGB etwas erlangt haben. Dies ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere hat die B auch keine Parkgebühren erspart, da keine kostenpflichtigen Parkplätze in der Nähe zur Verfügung standen. Die Befreiung von der eigenen Pflicht zur Beseitigung der Besitzstörung ist auch nicht als vermögenswerter Vorteil einzustufen, denn der B wäre es ohne Probleme möglich gewesen das Fahrzeug zu entfernen.

Vernetztes Lernen:Handelt es sich um eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung?
Es ist umstritten, ob es sich bei dem § 684 S. 1 BGB um eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung handelt. Die Mindermeinung hält es für einen Rechtsgrundverweis, denn andernfalls würden die Wertungen der §§ 814, 815 und 817 S. 2 – welche keine Anwendung finden beim Rechtsfolgenverweis – unterlaufen werden. Die ganz herrschende Meinung sieht in dem § 684 BGB allerdings einen Rechtsfolgenverweis, denn eine zusätzliche Prüfung der Voraussetzungen des § 812 BGB ergäbe keinen Sinn. Schließlich steht die Rechtsgrundlosigkeit bereits fest. Überdies besteht ein ausreichender Schutz des Anspruchsgegners aus § 818 BGB.
3. Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 858 Abs. 1 BGB

Weiter erscheint auch ein Anspruch in voller Höhe aus §§ 823 Abs. 2 i.V.m. 858 Abs. 1 BGB möglich.

a) Schutzgesetz

Hierzu müsste es sich bei dem § 858 BGB um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handeln. Dies wird unterschiedlich beurteilt. Schutzgesetz ist eine Rechtsnorm dann, wenn sie gerade dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts zu schützen [23]BGH, Urteil vom 29. 4. 1966 – V ZR 147/63, NJW 1966, 2014. In Teilen wird davon ausgegangen, dass der § 858 BGB in erster Linie den Schutz des Rechtsfriedens bezweckt.[24]Dörner, JuS 1978, 666, 668; Gursky, JZ 1997, 1094, 1095;Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 621 Allerdings wird durch den § 858 BGB auch der (berechtigte) Besitzer geschützt.[25]u.A. BGH, Urteil vom 21. 2. 1979 – VIII ZR 124/78, NJW 1979, 1358 mwN Dies zeigt bereits das Sanktionssystem der §§ 858 ff. BGB, welches – soweit es den berechtigten Besitz betrifft – auch nicht dem § 823 BGB zuwiderläuft.

b) Verstoß gegen das Schutzgesetz

Durch die verbotene Eigenmacht hat die B auch gegen dieses Schutzgesetz verstoßen (s.o.).

c) Rechtswidrigkeit und Schuld

B handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.

d) Rechtsfolge, § 249 BGB

In der Rechtsfolge bemisst sich der Umfang des Schadens nach § 249 BGB. Ersatzfähig sind damit solche Schäden, die in adäquatem Zusammenhang mit der von dem Störer verübten verbotenen Eigenmacht stehen und von dem Schutzbereich der verletzten Norm erfasst werden.[26]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 33 mwN Die Beauftragung eines Unternehmens mit der kostenpflichtigen Verwahrung steht regelmäßig in adäquatem Zusammenhang mit der von dem Störer verübten verbotenen Eigenmacht. Allerdings die durch die kostenpflichtige Verwahrung entstehenden Kosten nur innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm, soweit die Verwahrung zu der Beseitigung der Besitzstörung unbedingt notwendig ist.[27]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 33 Insoweit besteht ein Gleichlauf zwischen dem Umfang des Aufwendungsersatzes durch die GoA und dem Umfang des Schadensersatzes im Rahmen des § 249 BGB. Nach dem Herausgabeverlagen ist die Erforderlichkeit indes entfallen (s.o.). Somit besteht gem. §§ 823 Abs. 2, 858 Abs. 1 BGB ebenfalls nur ein Anspruch in Höhe von EUR 150,00 für das Abschleppen und EUR 75,00 für die Verwahrung.

4. Anspruch aus § 304 BGB aus eigenem Recht

II. Einigung über die Abtretung

Eine Einigung zur Abtretung zwischen C und A liegt vor.

III. Übertragbarkeit der Forderung

Bedenken hinsichtlich der Übertragbarkeit der Forderung bestehen nicht.

B. Anspruch aus eigenem Recht gem. § 304 BGB

Letztlich erscheint auch ein Anspruch des C gegen die B auf Aufwendungsersatz aus § 304 BGB in Bezug auf die übrigen Abschleppkosten möglich. Danach kann der Schuldner im Falle des Verzugs des Gläubigers Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die er für das erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstands machen musste. Möglich erscheint dies hier, wenn die B mit der Rücknahme des Fahrzeuges im Annahmeverzug war.

Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt (§ 293 BGB). Ist der Schuldner nur gegen eine Leistung des Gläubigers zu leisten verpflichtet, so kommt der Gläubiger nach § 298 BGB in Verzug, wenn er zwar die angebotene Leistung anzunehmen bereit ist, die verlangte Gegenleistung aber nicht anbietet. Danach muss der Schuldner nicht nur die Leistung anbieten, sondern auch sein Zurückbehaltungsrecht ausüben.[28]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 42

Ein Annahmeverzug nach der ersten Aufforderung der B zur Herausgabe kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der C hierauf überhaupt nicht reagierte.

Möglich erscheint aber, dass ein Annahmeverzug eingetreten ist, nachdem der C auf die zweite Aufforderung der B reagierte und angab, nur unter Zahlung der bisherigen Kosten zur Herausgabe bereit zu sein. Allerdings muss bei der Ausübung der Einrede der geltend gemachte Gegenanspruch genau bezeichnet werden. Ansonsten weiß der Gläubiger nicht, in welcher Höhe er seine Gegenleistung anbieten muss.[29]BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 42 C bezifferte indes seine Gegenforderung nicht. Folglich entstand auch zu diesem Zeitpunkt kein Annahmeverzug.

Letztlich könnte C die B dadurch in Annahmeverzug gesetzt haben, dass er nach 90 Tagen einen Betrag in Höhe von EUR 150,00 für das Abschleppen und Verbringen sowie EUR 1.350,00 für die Verwahrung verlangte, bevor er das Auto herausgeben würde. Hierbei müsste es sich jedoch um ein ordnungsgemäßes wörtliches Angebot i.S.d. § 295 BGB handeln. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn die mit dem Angebot verbundene Forderung der Zug um Zug zu erbringenden Leistung nicht nur unerheblich höher ist als der geschuldete Betrag.[30]BGH Urt. v. 29.11.2022 – VI ZR 376/20, BeckRS 2022, 37589; BGH Urteil vom 17.11.2023 – V ZR 192/22, NJW 2024, 279 Rn. 42. Der tatsächlich geschuldete Betrag lag hier allerdings lediglich bei EUR 150,00 für das Abschleppen und EUR 75,00 für die Verwahrung. Ein wörtliches Angebot i.S.d. § 295 BGB lag damit nicht vor.

Folglich besteht kein Anspruch auf Ersatz der Mehraufwendungen aus § 304 BGB.

C. Ergebnis

C hat gegen die B einen Anspruch aus abgetretenem Recht, allerdings nur in Höhe von EUR 225,00.


Zusatzfragen

Was ist die Streitverkündung und was ist die Streithilfe?
Anlass: im Urteil des BGH wurde das Abschleppunternehmen durch eine Hausverwaltung beauftragt. Die Hausverwaltung trat dann die Ansprüche gegen die Halterin des Autos an das Abschleppunternehmen ab. Die Halterin des Autos war dann im Rechtsstreit Klägerin und das Abschleppunternehmen Beklagte. Der Hausverwaltung wurde der Streit verkündet, woraufhin sie dem Rechtsstreit als Streithelferin beitrat.

Die Streitverkündung i.S.d. §§ 72 ff, ZPO ist die förmliche Benachrichtigung eines Dritten von einem Rechtsstreit. Ziel der Streitverkündung ist die sogenannte Interventionswirkung. Die Interventionswirkung i.S.d. § 68 ZPO bedeutet, dass ein anderes Gericht in einem Folgeprozess nach §§ 68, 74 an die Ergebnisse des Erstgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht grundsätzlich gebunden ist. Vorstellbar ist beispielsweise folgende Konstellation: A beauftragt den B mit der Herstellung eines Werkes. B bedient sich hierzu eines Teils des C. A macht nun in einem Rechtsstreit gegen B geltend, dass ein Mangel an dem Werk vorliegt, weil das Teil des C defekt sei. Sollte B verurteilt werden, könnte er bei C Regress nehmen. Ohne die Streitverkündung könnte das Gericht im Prozess A gegen B den B verurteilen und ein anderes Gericht in dem Regressprozess B gegen C aber eine andere Auffassung vertreten – beispielsweise das Teil des C sei überhaupt nicht defekt – und die Klage gegen C abweisen. Verkündet aber B den Streit im ersten Prozess dem C, so ist das Gericht in dem Regressprozess an die Ergebnisse aus dem ersten Prozess gebunden. B verringert sein Risiko.

Wird einem Dritten der Streit verkündet, so kann er ihm auch einer Seite beitreten. Ab diesem Zeitpunkt ist er Streithelfer (oder Nebenintervenient). Förmlich gesehen ist zwar keine Partei des Prozesses, allerdings hat der Streithelfer die Befugnis, alle Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen vorzunehmen, die auch der Hauptpartei zustehen (§ 67 ZPO).


Zusammenfassung

1. Zu den nach den Vorschriften der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählen auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Verwahrung des Fahrzeugs im Anschluss an den Abschleppvorgang entstehen. Das gilt aber nur bis zu einem Herausgabeverlangen des Halters. Ein konkurrierender deliktischer Anspruch wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes reicht im Ergebnis nicht weiter.

2. Es kommt ein Anspruch auf Ersatz von Verwahrkosten nach § 304 BGB in Betracht, wenn der das Fahrzeug herausverlangende Halter nicht bereit ist, im Gegenzug die für das Abschleppen und die Verwahrung angefallenen ortsüblichen Kosten zu zahlen und der Abschleppunternehmer daraufhin die Herausgabe des Fahrzeugs verweigert, so dass der Halter in Annahmeverzug gerät.


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