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Ermessensauswahl bei mehreren Verantwortlichen und Rechtsnachfolge im Prozess

OVG Schleswig, Urteil vom 26.05.2021 – 1 LB 11/17

Sachverhalt

(geändert und gekürzt)

Der A ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks im Bundesland (B). A überließ seinem Neffen N die Hälfte des Grundstücks zur eigenständigen Nutzung, als Nießbrauchberechtigter.

Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 9. Der Bebauungsplan Nr. 9 enthält in seiner Ursprungsfassung in Teil B folgende textliche Festsetzung:

„7. Nebenanlagen § 14 Abs. 1 BauNVO“

Untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO müssen einen Abstand von mind. 3,00 m zu öffentlichen und privaten Verkehrsflächen einhalten.“

Der N erbaute auf der ihm überlassenden Hälfte des Grundstücks formell und materiell rechtmäßig ein Einfamilienhaus mit angrenzender Terrasse. Bei einer Ortsbegehung stellte der zuständige Behördenmitarbeiter fest, dass südöstlich des neu errichteten Einfamilienhauses eine winkelförmige Mauer mit einer Länge von 10,48 m und einer Höhe von 1,80 m errichtet wurde, die teilweise einen geringeren Abstand als 3,00 m zu der privaten Verkehrsfläche aufweist.

Mit formell rechtmäßiger Ordnungsverfügung vom 1. Juli 2021 forderte die zuständige Baubehörde den A als Zustandsstörer gemäß § 79 Abs. 1 S.1 Nr.1 NBauO auf, die Mauer binnen zwei Monaten nach Bestandskraft der Entscheidung insoweit zu beseitigen, dass ein Abstand zur Erschließungsstraße von mindestens 3,00 m eingehalten wird.

Der A erhob mit Schreiben vom 18. Juli 2018 Widerspruch. Er machte geltend, dass primär der N als Handlungsstörer verantwortlich sei. Er habe mit den „Zuständen“ auf dem Baugrundstück nichts zu tun. Zudem handele es sich bei der Mauer nicht um eine selbstständige Nebenanlage.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2021, wies die Widerspruchsbehörde den Widerspruch zurück. Die Behörde führte ergänzend an, dass die Beseitigungsanordnung an den für den baurechtswidrigen Zustand Verantwortlichen zu adressieren sei. Die Verantwortlichkeit im Baurecht sei weniger personen- als grundstücksbezogen. Es gehe in erster Linie um die Beseitigung eines baurechtswidrigen Zustands, wie er in der auf einem Grundstück errichteten baulichen Anlage in Erscheinung trete. Für diesen Zustand sei verantwortlich, wer für das Grundstück zuständig sei. Es gehe hier nicht um eine Haftung für ein Verhalten, das einen Zustand herbeigeführt habe, sondern um die Haftung für diesen Zustand selbst. Bei der Mauer handele es sich zweifelsfrei um eine selbstständige Nebenanlage, die nicht Bestandteil des Wohnhauses sei. Sie sei auch erst später an das Wohnhaus angebaut worden.

Daraufhin erhob der A frist- und formgerecht Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht.

Hat die Klage des A Aussicht auf Erfolg?


Niedersächsische Bauordnung

(NBauO)

Vom 3. April 2012

§ 79 Baurechtswidrige Zustände, Bauprodukte und Baumaßnahmen sowie verfallende bauliche Anlagen

(1) 1Widersprechen bauliche Anlagen, Grundstücke, Bauprodukte oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht oder ist dies zu besorgen, so kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind. 2Sie kann namentlich

1. die Einstellung rechtswidriger und die Ausführung erforderlicher Arbeiten verlangen,

2. die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Bauprodukte verwendet werden, an denen unberechtigt ein Ü-Zeichen (§ 21 Abs. 3) oder unberechtigt eine CE-Kennzeichnung angebracht ist oder die entgegen § 21 ein erforderliches Ü-Zeichen oder entgegen der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 eine erforderliche CE-Kennzeichnung nicht tragen,

3. die Verwendung von Bauprodukten, die entgegen § 21 mit dem Ü-Zeichen gekennzeichnet sind, untersagen und deren Kennzeichnung ungültig machen oder beseitigen lassen,

4. die Beseitigung von Anlagen oder Teilen von Anlagen anordnen,

5. die Benutzung von Anlagen untersagen, insbesondere Wohnungen für unbewohnbar erklären.

3Die Bauaufsichtsbehörde hat ihre Anordnungen an die Personen zu richten, die nach den §§ 52 bis 56 verantwortlich sind. 4Nach Maßgabe des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes kann sie auch nicht verantwortliche Personen in Anspruch nehmen. 5Die Anordnungen der Bauaufsichtsbehörde gelten auch gegenüber den Rechtsnachfolgern der Personen, an die die Anordnungen gerichtet sind.

(2) Die Bauaufsichtsbehörde kann bauliche Anlagen, Teile baulicher Anlagen und Arbeitsstellen versiegeln und Bauprodukte, Geräte, Maschinen und Hilfsmittel sicherstellen, soweit dies zur Durchsetzung von Anordnungen nach Absatz 1 erforderlich ist.

(3) 1Soweit bauliche Anlagen nicht genutzt werden und verfallen, kann die Bauaufsichtsbehörde die nach § 56 verantwortlichen Personen verpflichten, die baulichen Anlagen abzubrechen oder zu beseitigen, es sei denn, dass ein öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse an ihrer Erhaltung besteht. 2Für die Grundstücke gilt § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 entsprechend.

(4) Die Bauaufsichtsbehörde soll vor Anordnungen nach den Absätzen 1 und 3 die Angelegenheit mit den Betroffenen erörtern, soweit die Umstände nicht ein sofortiges Einschreiten erfordern.


Skizze


Gutachten

Die Klage hat Aussicht Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.

A. Zulässigkeit

Die Klage müsste zulässig sein.

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges richtet sich mangels aufdrängender Sonderzuweisung nach § 40 I 1 VwGO. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist dabei nach der modifizierten Subjektstheorie eine solche, bei der die streitentscheidenden Normen einseitig einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten.[1] BeckOK VwGO/Reimer, 56. Ed. 1.4.2020, VwGO § 40 Rn. 45.4. Streitentscheidend für die Beseitigungsverfügung sind Normen des öffentlichen Baurechts, welche die zuständige Behörde als Träger öffentlicher Gewalt einseitig berechtigen. Da die Streitigkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art ist und keine abdrängende Sonderzuweisung einschlägig ist, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

II. Statthafte Klageart

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, § 88 VwGO. Der A wendet sich gegen eine Beseitigungsverfügung. Mithin wäre eine Anfechtungsklage statthaft, wenn die Beseitigungsverfügung einen Verwaltungsakt iSd § 35 VwVfG darstellen würde. Die Beseitigungsverfügung stellt einen Verwaltungsakt dar. Mithin ist die Anfechtungsklage statthaft.

III. Klagebefugnis

Der A müsste klagebefugt sein. Dafür muss dieser geltend machen, dass die Möglichkeit besteht in eigenen Rechten verletzt zu sein. Grundsätzlich kann im Rahmen der Anfechtungsklage auf den Adressatengedanken abgestellt werden, wonach der Adressat einer belastenden Maßnahme zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzt sein könnte. [2]BVerfGE NJW 1957, 297 Als Adressat der Beseitigungsverfügung ist A klagebefugt.

Vernetztes Lernen: Drittschutz im Bauplanungsrecht?:
Ein weiteres examensrelevantes Problem ist der Drittschutz. Also wenn der Klagende nicht Adressat des Verwaltungsaktes war oder den Erlass eines Verwaltungsaktes an einen Dritten begehrt. Auch in diesen Konstellationen hilft der Adressatengedanke nicht weiter. Vielmehr muss für den Kläger die Verletzung einer drittschützenden Norm vorliegen und dieser davon betroffen sein.
Nach der Schutznormtheorie entfaltet eine Rechtsnorm Drittschutz, wenn diese nicht nur dem Schutz der öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt ist, sondern (auch) dem Schutz eines erkennbar abgrenzbaren oder abgegrenzten Personenkreises dient. [3]Schoch/Schneider VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 2, Rn. 96.

Eine bekannte Klausurkonstellation ist dabei, wenn der Kläger sich gegen eine rechtswidrige Bebauung durch den Nachbarn wehrt. Dann kann aus dem Bebauungsplan und ggf. dessen Festsetzungen der Drittschutz sich ergeben.
Die Vorhaben in einem Baugebiet sind nämlich durch die Festsetzungen hinsichtlich des Zwecks und Charakters jeweils gleich strukturiert. Daraus ergibt sich eine bodenrechtliche Schicksalsgemeinschaft. Diese berechtigt den Eigentümer innerhalb des von ihm bewohnten Baugebiets sich gegen jede artfremde Bebauung zu wehren und den sog. Gebietserhaltungsanspruch geltend zu machen. [4]BeckOK BauNVO/Spannowsky, 25. Ed. 15.12.2020, BauNVO § 1 Rn. 144.

Weitere Nachbarschützende Normen:
§ 30 BauGB vermittelt in Verbindung mit den Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung Nachbarschutz zugunsten aller Eigentümer in dem jeweiligen Plangebiet (Gebietserhaltungsanspruch). Dafür muss der Nachbar selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt sein.

§ 34 I BauGB vermittelt im Einzelfall Nachbarschutz über das Gebot der Rücksichtnahme, das im Tatbestandsmerkmal „Einfügen“ verankert ist.

§ 34 II BauGB vermittelt aufgrund seiner Verweisung auf die Baugebiete der BauNVO auch ein Gebietserhaltungsanspruch. Bei gebietskonformen Vorhaben kommt Nachbarschutz im Einzelfall über § 15 Abs. 1 BauNVO in Betracht, in welchem das Gebot der Rücksichtnahme verankert ist.

– Der drittschützende Charakter des § 35 BauGB kann mithilfe des Rücksichtnahmegebots insbesondere aus § 35 III 1 Nr.3 anhand des Merkmals der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ entnommen werden. [5]Battis/Krautzberger/Löhr, § 31 Rn. 80

IV. Vorverfahren

A hat erfolglos das erforderliche Vorverfahren durchgeführt.

V. Klagegegner

Die Klage ist gemäß § 78 I Nr. 1 VwGO gegen den Rechtsträger der zuständigen Behörde zu richten.

VI. Beteiligten- und Prozessfähigkeit

A ist gem. § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO und N gem. § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig. A ist gem. § 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig. N ist gem. § 62 III VwGO prozessfähig, wenn es von einem zuständigen Vertreter vertreten wird.

VII. Zwischenergebnis

Mithin ist die Klage zulässig.

B. Begründetheit

Die Klage des A müsste begründet sein. Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, § 113 I 1 VwGO.

I. Ermächtigungsgrundlage

Ermächtigungsgrundlage der Beseitigungsverfügung ist § 79 Abs. 1 S.1 Nr.1 NBauO.

II. Formelle Rechtmäßigkeit

Der Bescheid erging laut Sachverhalt formell rechtmäßig.

Vernetztes Lernen: Besonderes Anhörungserfordernis
In einigen ordnungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen wird ein besonderes Anhörungserfordernis statuiert, dass zumeist über die üblichen Erfordernisse des § 28 VwVfG hinausgeht. Für den § 79 Abs. 4 NBauO kann dies z. B. bedeuten, dass die Bauaufsichtsbehörde verpflichtet ist mit dem potentiellen Adressaten den Sachverhalt umfassend zu besprechen. [6]BeckOK BauordnungsR Nds/Franke, 20. Ed. 1.11.2020, NBauO § 79 Rn. 102

III. Materielle Rechtmäßigkeit

Die Beseitigungsverfügung müsste auch materiell rechtmäßig sein.

1. Tatbestand

Dafür müsste das Bauvorhaben formell und materiell illegal sein und der A Verantwortlicher iSd Baurechts sein. Das Vorhaben ist laut Sachverhalt formell und materiell illegal. Zudem ist A als Eigentümer Zustandsverantwortlicher.

2. Rechtsfolge

Der Erlass der Beseitigungsverfügung steht im Ermessen der Behörde.

Oft ist eine Gefährdung der öff. Sicherheit – hier durch das Errichten einer baulichen Anlage und deren Nutzung im Widerspruch zu öff.-rechtl. Vorschriften – durch mehrere verantwortliche Personen  verursacht. Dabei sind die Konstellationen mehrerer Verhaltensverantwortlicher oder mehrerer Zustandsverantwortlicher sowie mehrerer Verhaltens- und Zustandsverantwortlicher denkbar. [7]Hornmann HBO, 3. Aufl. 2019, HBO § 82 Rn. 80.

Der A  ist vorliegend zwar durch seine Eigentümerstellung Zustandsverantwortlicher. Sein Neffe N hat die Mauer jedoch errichtet und könnte deswegen als Verhaltensverantwortlicher herangezogen werden. Insofern müsste die Behörde bei den mehreren Verantwortlichen den „Richtigen“ ausgewählt haben.

Diese Ermächtigung, nach dem sog. Auswahlermessen zu handeln, verpflichtet die Bauaufsichtsbehörde nach § 40 VwVfG, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung des § 82 Abs. 1 S. 1 auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (vgl. § 114 S. 1 VwGO) einzuhalten. [8]Hornmann HBO, 3. Aufl. 2019, HBO § 82 Rn. 82

Im Vorliegenden Fall stehen sich Zustands- und Verhaltensverantwortlicher gegenüber.

a) Auswahlermessen zwischen Zustands- und Verhaltsensverantwortlichen

Grundsätzlich gilt auch bei der Beseitigungsverfügung der Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr. Nichtsdestotrotz wird beim Zusammentreffen von verhaltens- und zustandsverantwortlichen Personen vielfach die Auffassung vertreten, dass der Verhaltensverantwortliche vor dem Zustandsverantwortlichen heranzuziehen sei. Dies folgt aus der Erwägung, dass dieser vielfach effektiver heranzuziehen sein. [9]so auch im Fall, VGH München NJW 1979, 2631  

Ein solcher Grundsatz ist nicht im Gesetz enthalten und auch nicht vom Gesetzgeber gewollt Vielmehr gilt auch hier, eine Betrachtung der einzelnen Konstellationen. So ist zB vorrangig der Zustandsverantwortlichen heranzuziehen, wenn der Handlungsverantwortliche nicht greifbar oder aus rechtlichen, faktischen oder finanziellen Gründen eine wirksame Gefahrenbeseitigung durch ihn nicht gewährleistet ist. [10]Hornmann HBO, 3. Aufl. 2019, HBO § 82 Rn. 87

Der N wäre hier als Bauherr sicherlich schneller zur Beseitigung heranzuziehen. Dagegen spricht nur, dass die A und N direkt nebeneinander wohnen, sodass auch A die Möglichkeit gehabt hätte die Mauer zu beseitigen. Jedoch ist der N Nießbrauchberechtigter und muss somit nicht jede Verhaltensweise des A dulden. Insofern wäre hier effektiver gewesen die Beseitigungsverfügung direkt an N zu adressieren

b) Zwischenergebnis

Mithin handelte die Behörde ermessenfehlerhaft.

C. Ergebnis

Die Klage hat Aussicht auf Erfolg.


Zusatzfragen

1. Wie wäre die Zulässigkeit zu lösen, wenn, wie im Originalfall, folgender Sachverhalt zu Grunde liegt: Nach Klageerhebung wird N Eigentümer des Grundstücks. Daraufhin teilt die Behörde mit, dass nunmehr N als neuer Eigentümer zur Beseitigung verpflichtet sei.
A. Zulässigkeit
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war der A der Adressat der Beseitigungsverfügung. Aufgrund des Eigentümerwechsels adressierte die zuständige Behörde die Verfügung nun an N. Insofern ist A nicht mehr Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes.
Vernetztes lernen: Gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess?
In der obigen Konstellation könnte man an das Rechtsinstitut der gewillkürten Prozessstandschaft für die Klagebefugnis denken. Der § 42 Abs. 2 VwGO verlangt aber die Geltendmachung einer Verletzung eigener Rechte. Im Gegensatz zum Zivilprozessrecht ist die gewillkürte Prozessstandschaft, also die gerichtliche Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen, grundsätzlich nicht zulässig. Ausnahmen gelten nur dann, wenn das Gesetz die Geltendmachung ohne Verletzung eigner Rechte ausdrücklich zulässt.
zB § 2 UmwRG
(1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung…

I. Gesetzliche Prozessstandschaft
A könnte jedoch aus einer gesetzlichen Prozessstandschaft klagebefugt sein. Die Prozessführung kraft gesetzlicher Ermächtigung kann insbesondere vorliegen, wenn der bisherige Rechtsinhaber den begonnenen Rechtsstreit fortführt, obwohl er während dieses Prozesses das streitgegenständliche Recht abgetreten hat. Demnach hat der Eigentumsübergang nach Rechtshängigkeit gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung auf den Prozess keinen Einfluss. [11]OVG Schleswig Urt. v. 26.5.2021 – 1 LB 11/17, BeckRS 2021, 15641 Rn. 28..
II. Zwischenergebnis
A ist klagebefugt.
B. Begründetheit:

Im Rahmen der Begründetheit wäre die Beseitigungsverfügung durch die Umstellung der Ordnungsverfügung nun ermessensfehlerfrei.
Die dann auf den neuen Grundstückseigentümer als Zustandsstörer zielende Störerauswahl der Behörde begegnet jetzt keinen Bedenken mehr, durch die neue Ordnungsverfügung der Adressat (N) als neuer Zustandsstörer gleichzeitig auch Handlungsstörer ist. [12]OVG Schleswig Urt. v. 26.5.2021 – 1 LB 11/17, BeckRS 2021, 15641 Rn. 53, beck-online.

2. Seit einigen Jahren betreibt die N außerdem ohne Baugenehmigung eine Gaststätte in dem Baugebiet. Die zuständige Behörde möchte nun eine aufs Bauordnungsrecht gestützte Nutzungsuntersagung erlassen. Der zuständige Mitarbeiter stellt sich dabei die Frage, ob die Nutzung ohne Baugenehmigung dafür reicht oder weitere Voraussetzungen geprüft werden müssen.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung werden unterschiedlich beurteilt.
Einerseits wird vertreten, dass die formelle Illegalität (Baurechtswidrigkeit) ausreiche, also zB wie in der Zusatzfrage keine Baugenehmigung für das Vorhaben vorliegt. Dies wird damit begründet, dass bei einer Nutzungsuntersagung keine Substanzeinwirkung erfolge und die Nutzungsuntersagung jederzeit rückgängig gemacht werden könne. Zudem würde der Bauherr, aufgrund der sonst drohenden Konsequenzen, veranlasst rechtmäßig vor Baubeginn eine Baugenehmigung zu beantragen.
Andererseits wird vertreten, dass die Nutzungsuntersagung des Vorhabens sowohl die formelle als auch materielle Illegalität voraussetze. Eine Nutzungsuntersagung kann wirtschaftlich genauso einschneidend wie eine Beseitigungsverfügung sein und deswegen bedarf es auch der gesteigerten Voraussetzungen einer materiellen Illegalität.

Zusammenfassung:

1. Im Rahmen von Bauordnungsmaßnahmen gibt es kein gesetzliches Rangverhältnis zwischen Zustands- und Verhaltensverantwortlichen.

2. Unter mehreren Störern ist derjenige auszuwählen, der am effektivsten und schnellsten den rechtswidrigen Zustand beseitigen kann.


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