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Einbruch bei Toten
BGH, Beschluss vom 22.1.2020 – 3 StR 526/19 – BGH NJW 2020, 1750

Sachverhalt

A ist eine geübte Einbrecherin. Normalerweise steigt sie nachts in die Wohnung ein, während die Bewohner schlafen. Nun überlegt sie sich einen neuen Plan: Sie will vorrangig nur noch in die Häuser von Verstorbenen einbrechen. Über die Todesfälle informiert sie sich durch die Traueranzeigen. Für diese Taten holt sich A noch die B mit an Bord.

Entsprechend ihres Planes hebelt A im Mai 2017 ein Fenster im Haus des zwei Wochen zuvor Verstorbenen T auf. Der Erbe E hat die Wohnung aus dem Nachlass übernommen. E hat jedoch nicht vor, diese als eigene Wohnung zu nutzen. A steigt in die Wohnung ein, während B draußen den Fluchtweg absichert. Die Beute von 60 € Bargeld wird untereinander aufgeteilt.

Ein neuer Plan entsteht im Juli 2017, als die A das Vorhängeschloss des Lagercontainers eines Sportvereins aufbricht. Dort erbeutet sie insbesondere einen Werkzeugkoffer. Hier kommt A die Idee, sich durch ähnliche Taten eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen und dafür die Werkzeuge aus dem Werkzeugkoffer zu verwenden.

Strafbarkeit von A und B?


Skizze


Gutachten

Strafbarkeit der A im Mai 2017

A könnte sich wegen eines Wohnungseinbruchdiebstahls gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem sie im Mai 2017 das Fenster aufhebelte, um in die Wohnung zu gelangen und dort 60 € Bargeld erbeutete.

A. Tatbestand

I. Grundtatbestand

1. Objektiver Tatbestand

Dafür müsste A den Grundtatbestand des Diebstahls gem. § 242 I StGB verwirklicht haben.

a) Fremde bewegliche Sache

Bei den 60 € Bargeld müsste es sich um eine fremde bewegliche Sache handeln. Das Tatobjekt kann jeder körperliche Gegenstand sein, der nicht im Alleineigentum des Täters steht und nicht herrenlos ist. Die Sache müsste tatsächlich fortbewegt werden können, auch wenn dies erst durch die Tat bewerkstelligt wird. [1]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 22. Aufl. 2020, § 2 Rn. 6, 8. Bei den 60 € Bargeld handelt es sich um einen körperlichen Gegenstand, der nicht im Eigentum der A lag. Die Geldscheine konnte A fortbewegen. Mithin ist eine fremde bewegliche Sache gegeben.

b) Wegnahme

Weiter müsste eine Wegnahme vorliegen. Die Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht unbedingt tätereigenen Gewahrsam. [2]Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil II, 3. Aufl. 2015, S. 12f. A müsste demnach das Gewahrsam des Gewahrsamsinhabers gebrochen haben und dabei neues Gewahrsam begründen. Gewahrsam bestimmt sich nach der tatsächlichen Sachherrschaft, die von einem Herrschaftswille getragen ist, welcher sich nach der Verkehrsanschauung bestimmt lässt. [3]Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 242 Rn. 15.

Gewahrsamsinhaber war ursprünglich der Tote T. Nach dem Tod kann er jedoch nicht mehr Gewahrsam an den Geldscheinen haben, da ihm die Fähigkeit fehlt den natürlichen Gewahrsamswillen zu bilden. Der Gewahrsam kann an den E über gehen, wenn dieser den Willen zur Sachherrschaft hat. In diesem Fall wäre von einem generellen Gewahrsam auszugehen, da sich der Herrschaftswille des Erben auf den gesamten Nachlass und somit auf die gesamte Wohnung und dessen Bestandteile erstreckt. Eine genaue Kenntnis über den Inhalt der im Gewahrsam stehenden Sachen ist nicht erforderlich. [4]Kühl, in; Lackner/Kühl StGB, 29. Aufl. 2018, § 242 Rn. 11. Jedoch übt E keine tatsächliche Sachherrschaft über die Sachen und somit auch nicht über die erbeuteten 60 € Bargeld aus. Solang jedoch die grundsätzliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache besteht, das heißt, dass der Gewahrsamsinhaber die Möglichkeit hat, ohne Hindernisse das Gewahrsam ausüben zu können und den grundsätzlichen Herrschaftswillen über die Sache hat, kann die Sachherrschaft aufgrund einer Gewahrsamslockerung angenommen werden. [5]Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 242 Rn. 15 Auch wenn E keine tatsächliche Sachherrschaft ausübt, so hat er dennoch den Willen zur Sachherrschaft an den Sachen, die sich im Nachlass der Wohnung des T befinden. E hätte jederzeit die tatsächliche Sachherrschaft ausüben können. Aufgrund der vorliegenden Gewahrsamslockerung ist E als Gewahrsamsinhaber anzunehmen.

Vernetztes Lernen: Können Schlafende und Bewusstlose Gewahrsam ausüben?
Schlafende und Bewusstlose sowie Kinder und Geisteskranke sind fähig Gewahrsam auszuüben, da es lediglich auf die Fähigkeit zur Bildung eines natürlichen Herrschaftswillen ankommt. [6]Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 242 Rn. 18. Tote hingegen können gerade keinen natürlichen Herrschaftswillen mehr bilden. [7]Siehe Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 242 Rn. 18; Kühl, in: Lackner/Kühl StGB, 29. Aufl. 2018, § 242 Rn. 10. Beachte dabei, dass der Übergang zum Erben nicht einfach anzunehmen ist. Hierfür müssen Anhaltspunkte im Sachverhalt gegeben sein. Denn die Sachherrschaft ist ein tatsächliches Verhältnis, dass nicht einfach – wie der Nachlass – auf die Erben übergeht.

Der Bruch fremden Gewahrsams ist die Aufhebung der tatsächlichen Sachherrschaft gegen oder zumindest ohne den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhaber. Neues Gewahrsam wird begründet, indem der Täter oder Dritter die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass ihre Ausübung keine weiteren Hindernisse mehr entgegenstehen. [8]Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 242 Rn. 21, 25 Indem A die Geldscheine mitnahm, brach er das Gewahrsam des E. Von einem Einverständnis seitens des E ist nicht auszugehen, sodass dies auch ohne den Willen des E erfolgt. Bruch fremden Gewahrsams liegt vor. Indem A die Geldscheine ergriff, begründete er damit neues Gewahrsam, da er die tatsächliche Sachherrschaft erlangt, die von einem Herrschaftswillen getragen wird. Mithin wurde die Wegnahme durch A verwirklicht.

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz

A hatte den Willen zur Verwirklichung der Tat in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale zum Tatzeitpunkt. A handelte vorsätzlich.

b) Zueignungsabsicht

Zudem müsste A mit Zueignungsabsicht gehandelt haben. Zueignung ist der Wille den Eigentümer nicht nur vorrübergehend aus seiner wirtschaftlichen Position zu drängen (Enteignung), indem der Täter sich selbst oder einem Dritten nach der Vereinigungstheorie die Sache selbst oder den unmittelbar in ihr verkörperten Sachwert unter Ausschluss des Berechtigten einverleiben will (Aneignung). Die Zueignungsabsicht enthält bzgl. der Enteignung einen zumindest bedingten Vorsatz und bzgl. der zumindest vorrübergehenden Aneignung Absicht. [9]Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 242 Rn. 30 A kam es darauf an den Toten bzw. den Erben aus seiner wirtschaftlichen Position bzgl. der Geldscheine zu verdrängen. Dabei kam es A entscheidend darauf an sich und der B die Sache selbst einzuverleiben. Eine Zueignungsabsicht ist gegeben.

Vernetztes Lernen: Inwiefern ist der Gegenstand der Zueignung problematisch?
Das Ausgangsproblem des Gegenstandes der Zueignung ist der Wortlaut des § 242 StGB. Dort heißt es, der Gegenstand der Zueignung ist „die weggenommene Sache“. Daraus lässt sich vorerst einmal entnehmen, dass die Identität zwischen dem Gegenstand der Wegnahme und dem der Zueignung zumindest im Zeitpunkt der Ausführungshandlung bestehen muss. [10]Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 242 Rn. 31.
Ein Problem ergibt sich immer in den Fällen, in denen sich lediglich der Wert der Sache angeeignet werden soll, jedoch die Sache selbst nicht. Der klassische Beispielsfall dazu ist, dass sich beim Sparbuch, das dort enthaltende Geld angeeignet werden soll, jedoch das Sparbuch als Sache selbst nicht. Demnach läge keine dauerhafte Enteignung des Berechtigten vor, da das Sparbuch an seinen ursprünglichen Besitzer wieder zurückgegeben wird.

Nach der Substanztheorie liegt eine Zueignung immer dann vor, wenn der Täter die fremde Sache ihrer Substanz nach erlangt und sie unter Ausschluss des Berechtigten nutzen will. Das Problem wird insbesondere darin gesehen, dass die Fälle, in denen die Sache selbst zurück zum Täter gelangt aber dessen innewohnender Wert ganz oder zum Teil entzogen ist, von der Straftat eben nicht erfasst ist (Sparbuch-Fall).

Nach der Sachwerttheorie wird angenommen, eine Zueignung läge dann vor, wenn der Täter ohne Rücksicht darauf, wo die Sache endgültig verbleiben soll, den in der Sache verkörperten wirtschaftlichen Wert seinem Vermögen zuführt. Zwar können damit die Sparbuch-Fälle angemessene gelöst werden, aber die Theorie ist immer dann unzureichend, wenn die entwendete Sache keinen wirtschaftlichen Wert verkörpert oder vom Täter anders benutzt wird, als es ihrem wirtschaftlichen Wert entspricht. (Beispielsfall: Der Diebstahl eines wertlosen Fotos würde nach der Sachwerttheorie an dem Gegenstand der Zueignung scheitern, da das Foto selbst keinen wirtschaftlichen Wert hat, dass sich der Täter einverleiben könnte.)

Daher wird nach der herrschenden Meinung die Vereinigungstheorie vertreten, die eine Kombination aus der Substanz- und Sachwerttheorie darstellt. Das heißt der Täter muss entweder die Entziehung der Sachsubstanz oder des ihr innewohnenden Wertes sich einverleiben. [11]Schmitz, in: MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 242 Rn. 135; Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 242 Rn. 31 m.w.N.

Nach der herrschenden Lehre ist der Sachwertgedanke lediglich subsidiär anzuwenden. Die Gefahr des Verwischens der Grenze von Eigentumsdelikten und Bereicherungsdelikten besteht bei einer konsequenten Anwendung des Sachwertgedankens, wenn jeder erlangte wirtschaftliche Vorteil von dem Sachwertgedanken erfasst wird, wird der Sachwertgedanke eng ausgelegt. [12]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 22. Aufl. 2020, Rn. 110. Deshalb wird eine Restriktion dahingehend angenommen, dass nur der spezifisch innewohnenden Wert der Sache – also nach Art und Funktion –von der Sachwerttheorie erfasst wird. Der Wert muss demnach derart eng mit der Sache verknüpft sein, dass sie ohne diesen Wert eine andere Qualität aufweist. Diese wird angenommen, wenn die Sache ohne dem innewohnenden Wert nur noch eine „leere Hülle“ ist. [13]Vgl. Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, § 242 Rn. 49; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil II, 3. Aufl. 2015, S. 62f.

c) Rechtswidrigkeit der Zueignung und Vorsatz der Rechtswidrigkeit

Darüber hinaus müsste die Zueignung rechtswidrig sein. Rechtswidrigkeit liegt immer dann vor, wenn ein Widerspruch zur Rechtsordnung besteht. [14]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 22. Aufl. 2020, § 2 Rn. 187. Da A keinen einredefreien und fälligen Anspruch gegenüber dem Toten oder dem Erbe zusteht, steht die Zueignung im Widerspruch der Rechtsordnung, sodass diese rechtswidrig ist.

Außerdem wusste A von der Rechtswidrigkeit und wollte sich die 60 € rechtswidrig zueignen, sodass Vorsatz bzgl. der Rechtswidrigkeit der Zueignung vorliegt.

3. Zwischenergebnis

A hat tatbestandlich den Diebstahl gem. § 242 StGB verwirklicht.

II. Qualifikation

A könnte bei dem Einsteigen in die Wohnung eine Qualifikation des Diebstahls gem. § 244 I Nr. 3 StGB verwirklicht haben.

1. Objektiver Tatbestand

a) (P) Wohnung

Dafür müsste die Wohnung des Toten ein taugliches Qualifikationsobjekt gem. § 244 I Nr. 3 StGB sein. Eine Wohnung ist eine Räumlichkeit, deren Hauptzweck darin besteht, Menschen zumindest vorübergehend Unterkunft zu gewähren. [15]BGH NSTZ 2008 514, 515. Fraglich ist, ob die Wohnung eines Verstorbenen weiterhin als Wohnung iSd. § 244 I Nr. 3 StGB zu verstehen ist oder ob sie dadurch, dass T nicht mehr lebt, die Wohnungseigenschaft verliert, da sie niemanden mehr als Unterkunft dient.

Das Haus indem T bis zu seinem Tod lebte, war als Wohnstätte voll funktionstüchtig. Die Wohnung an sich eignet sich zur privaten Lebensführung. Laut des BGH verliert die Wohnung diese Eigenschaft nicht allein durch den Tod des Bewohners. [16]BGH NJW 2020, 1750, Rn. 15. Begründet wird dies insbesondere mit dem Wortlaut. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird eine Wohnung nicht durch ihren tatsächlichen Gebrauch als Wohnung verstanden, sondern gemäß ihres Zweckes. Ob diese zur Tatzeit benutzt wird, ist für das Vorliegen der Wohnung i.S.d. § 244 I Nr. 3 StGB unerheblich. [17]BGH NJW 2020, 1750, Rn. 16.

Auch anhand der Gesetzessystematik lässt sich dies Verständnis begründen. Denn in § 244 IV StGB wird ausdrücklich das Strafmaß für die Wohnung angehoben, die dauerhaft als Privatwohnung genutzt werden. Daraus lässt sich entnehmen, dass bei § 244 I Nr. 3 StGB gerade keine dauerhafte Nutzung der Wohnung notwendig ist. Ansonsten bedürfe es das zusätzliche Tatbestandsmerkmal in § 244 IV StGB nicht. [18]BGH NJW 2020, 1750, Rn. 17.

Außerdem gebieten der Sinn und Zweck der Qualifikation, dass auch unbewohnte Immobilien miterfasst sind, solang diese nicht als Wohnstätte entwidmet sind. Denn der Strafzweck ist der Schutz des Eigentums an höchstpersönlichen Gegenständen und die häusliche Integrität. Diese Rechtsgüter können auch verletzt werden, wenn neben den aktuellen Bewohnern die Wohnung weiteren Personen zuzuordnen sind, die einen engen Bezug zu den Räumlichkeiten aufweisen, wie das Elternhaus oder ein Haus indem private Gegenstände gelagert werden. [19]BGH NJW 2020, 1750, Rn.19.

Darüber hinaus entspricht diese Auslegung auch dem Wohnungsverständnis anderer Straftatbestände des StGB. Der Wohnungsbegriff der §§ 123 I, 201a I Nr. 1 StGB umfasst ebenfalls nicht das tatsächliche Bewohnen zur Tatzeit. Unabhängig davon, ob jemand zurzeit in der Wohnung lebt, kann die Strafnorm verwirklicht werden. Gerade im Unterschied zu dem Wohnungsbegriff des § 306a I Nr. 1 StGB wird diese Auslegung des Wohnungsbegriffes deutlich: Denn aufgrund des hohen Strafmaßes der schweren Brandstiftung wird der Wortlaut teleologisch reduziert, sodass bei der Verwirklichung der Tat der Wohnungsbegriff dahingehend verstanden wir, dass die Wohnung zur Tatzeit bewohnt sein sollte [20]vgl. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 306a Rn. 6. Das unterschiedliche Verständnis ergibt sich insbesondere aus den unterschiedlichen Schutzrichtungen. Der § 306a StGB ist darauf ausgerichtet das Leben und die Gesundheit zu schützen, wohingegen der Schutzzweck des § 244 I Nr. 3 StGB vor allem auf das Eigentum sowie die häusliche Privat- und Intimsphäre gerichtet ist. [21]Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 306a Rn. 2; Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 244 Rn. 22. Das heißt, bei der schweren Brandstiftung rührt die besondere Gefährlichkeit daher, dass sich ein Mensch zur Tatzeit in der Wohnung befindet. Bei dem Wohnungseinbruchdiebstahl wird in die Privat- und Intimsphäre eingriffen, unabhängig davon, ob zur Tatzeit die Wohnung bewohnt wird. Denn auch nur vorübergehende Wohnorte – wie Wohnmobile – sind ebenfalls von dem Schutzzweck erfasst [22]BGH NJW 2017, 1186. Daher sind die Schutzausrichtungen nicht miteinander vergleichbar, sodass die Übertragung der Grundsätze aus der schweren Brandstiftung abzulehnen ist und eben nicht die Bewohnung zur Tatzeit hieraus gefordert werden kann. [23]BGH NJW 2020, 1750, Rn. 18. Mithin handelt es sich bei dem Einbruch um eine Wohnung i.S.d § 244 I Nr. 3 StGB.

Anmerkung
In diesem Kontext soll auch auf eine Entscheidung des BGH hingewiesen werden, dass selbst bei Wohnmobilen und Wohnwangen, die zumindest vorübergehend von Menschen als Unterkunft dienen, eine Wohnung im Sinne des § 244 I Nr. 3 StGB angenommen wurde. [24]BGH NJW 2017, 1186. Solang das Wohnmobil zeitweise als Mittelpunkt des Lebens dient, also dem Schlafen, zubereiten von Essen und Ähnlichem, verliert ein Wohnmobil nicht aufgrund seiner zeitweiliger Nutzung die Wohnungseigenschaft nach § 244 I Nr. 3 StGB. Durch dieses BGH-Urteil wurde die Definition um „zumindest vorübergehend zur Unterkunft dienend“ erweitert.
Vernetztes Lernen: Welche Räumlichkeiten werden als Wohnung i.S.d. Qualifikation des Diebstahls verstanden?
Das geschützte Rechtsgut neben dem Eigentum ist die häusliche Privat- und Intimsphäre. Gerade in der Abgrenzung zum Gebäudeeinbruchdiebstahl nach § 243 I S. 3 Nr. 1 StGB geht es um solche Räumlichkeiten, die den Mittelpunkt des privaten Lebens bilden. Wegen der erhöhten Strafandrohung ist der Begriff jedoch eng auszulegen. [25]Kühl, in: Lackner/Kühl StGB, 29. Auf. 2018, § 244 Rn. 11; Schmitz, in: MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 244 Rn. 60.

Erfasst von dem Begriff sind Zimmer von Heimbewohner, Flure oder Keller von Einfamilienhäusern, ausschließlich beruflich genutzte, aber in den Wohnbereich integrierte Räume, [26]BGH NStZ 2013, 120 Wohnwagen und Wohnmobile [27]BGH NJW 2017, 1186 sowie Wochenendhäuser. [28]BGH NStZ-RR 2018, 14, 15.

Nicht erfasst dagegen sind vorübergehend genutzte Hotelzimmer, [29]a.A. BGH 3.5.2001 – 4 StR 59/01. Gartenlauben, freistehende Garagen und Nebengebäuden, in großen Mietshäusern selbstständige Gemeinschaftsräume wie Keller, Außenflure, Speicher und leerstehende Wohnung. [30]Schmitz, in: MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 244 Rn. 60.

b) Tathandlung

A müsste in das Haus eingebrochen sein. Einbrechen ist das gewaltsames Öffnen oder Erweitern des Zugangs zu einem umschlossenen Raum durch nicht ganz unerhebliche körperliche Anstrengung. Eine Substanzverletzung ist nicht notwendig. Vielmehr muss eine Erweiterung des Zutritts durch Schaffung eines Zugangs oder eine Zugriffsmöglich von außen vorliegen. [31]Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 243 Rn. 8. A öffnete ein Fenster, um sich Zugang zu dem Haus zu verschaffen. Beim Aushebeln des Fenster war eine körperliche Anstrengung erforderlich. Durch das Erweitern des Zutritts in das Haus ist A eingebrochen.

2. Subjektive Tatbestand

Als A in die Wohnung einbrach, tat A dies in Kenntnis aller objektiven Tatumstände und willentlich seiner Verwirklichung. Bzgl. der Qualifikation handelte A vorsätzlich.

3. Zwischenergebnis

A verwirklichte die Qualifikation des Wohnungseinbruchdiebstahls.

III. Zwischenergebnis

Der Tatbestand des Wohnungseinbruchdiebstahls wurde von A verwirklicht.

B. Rechtswidrigkeit und Schuld

Für A ist kein ein Rechtfertigungsgrund ersichtlich. Daher handelte A rechtswidrig. Auch ein Entschuldigungsgrund ist für A nicht ersichtlich, sodass sie schuldhaft handelte.

C. Ergebnis

A hat sich wegen eines Wohnungseinbruchdiebstahls gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 3 StGB strafbar gemacht.

Strafbarkeit der B im Mai 2017

B könnte sich in Mittäterschaft mit A wegen des Wohnungseinbruchdiebstahls gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 3, 25 II StGB strafbar gemacht haben, indem A das Fenster aufhebelt, um in die Wohnung des T zu gelangen, dort 60 € Bargeld mitnahm und B den Fluchtweg absicherte.

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1.Verwirklichung des Wohnungseinbruchdiebstahls

Der Wohnungseinbruchdiebstahl und dessen Qualifikationen wurdn durch A verwirklicht.

2. Zurechnung der Handlung

B selbst hat keine Tathandlung i.S.d. §§ 242 I, § 244 I Nr. 3 StGB begangen. In Betracht kommt eine Zurechnung über § 25 II StGB, wenn A und B mittäterschaftlich zusammengewirkt haben. Dafür bedarf es erstens eine gemeinsame Tatausführung und zweitens einen gemeinsamen Tatplan.

a) Gemeinsame Tatausführung

Es müsste eine gemeinsame Tatausführung des Wohnungseinbruchdiebstahles vorliegen. Dies setzt voraus, dass jeder Beteiligte einen objektiven Beitrag zur Tat leistet. [32]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 11. Aufl. 2019, § 44 Rn. 40. Problematisch erscheint, dass B selbst keine Handlung vorgenommen hat, die zum gesetzlichen Tatbestand des Diebstahls gehört, sondern nur außerhalb der Ausführung mitgewirkt hat, indem sie den Fluchtweg absicherte. Ob die Handlung einen objektiven Beitrag zur Tat darstellt oder lediglich die Haupttat fördert, ist fraglich. Daher bedarf es hier die Abgrenzung der Täterschaft von einer bloßen Teilnahme an der Tat.

Von der Rechtsprechung wird die gemäßigte subjektive Theorie vertreten. Nach dem BGH ist die Täterschaft dann geben, wenn der Wille als Täter vorliegt. [33]BGH NJW 1965, 699 (700). Demnach ist der Beteiligte als Täter zu qualifizieren ist, wenn er mit seinem Tatbeitrag nicht nur ein fremdes Tun fördern will (animus socii), sondern die Tat als eigene will (animus auctoris). [34]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 11. Aufl. 2019, § 41 Rn. 8 m.w.N. Mittlerweile begründet die Rechtsprechung die subjektive Theorie auf Grundlage objektiver Grundlagen. Solche objektiven Anhaltspunkte kann der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg sein, das Gewicht des Tatbeitrags in Relation zur gesamten Tat oder der Wille zur Tatherrschaft. [35]BGH NJW 2016, 884; BGH NJW 2007, 1220; BGH NJW 2002, 3788; vgl. hierzu Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 11. Aufl. 2019, § 41 Rn. 41. Die neuste Rechtsprechung verwendet für die bewertenden Gesamtschau, die von Roxin begründete, normative Kombinationslehre. [36]BGH JuS 2019, 77, Roxin, Allgemeiner Teil II, 2003, § 25 Rn. 22 ff. Da B selbst Interesse an der Tat hat, da die Beute unter beiden aufgeteilt werden soll, möchte die B die Tat als ihre eigene. Nach der Gesamtschau ist von einem Täterwillen der B auszugehen, sodass sie als Täter zu qualifizieren wäre.

Nach der Tatherrschaftslehre, die vor allem im Schrifttum vertreten wird, wird die Täterschaft danach beurteilt, ob der Täter das Geschehen tatbestandsmäßig in den Händen hält. Der Beitrag muss nicht unbedingt ein Tatbestandsmerkmal erfüllen. Tatherrschaft wird immer dann angenommen, wenn der Täter als Zentralgestalt des Geschehens gilt und dieses planvoll-lenkt und oder dieses wesentlich mitgestaltet. [37]Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB 29. Aufl. 2018, § 25 Rn. 11 m.w.N. Auch eine Annäherung seitens der Literatur an die Rechtsprechung ist bei der Tatherrschaftslehre vorhanden, da subjektive Elemente zur Begründung der Tatherrschaft mit einbezogen werden. Nach der Tatherrschaftslehre ist anhand einer Gesamtbetrachtung objektiver und subjektiver Kriterien zu entscheiden, ob eine Tatherrschaft oder ein entsprechender Tatherrschaftswille festgestellt werden kann [38]Kudlich, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 25 Rn. 13, 15; Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 11. Aufl. 2019, § 41 Rn. 11. Im Fall der B könnte für das Vorliegen einer bloßen Teilnahme angeführt werden, dass sie während der gesamten Tat untätig bleibt. Außerdem geht A häufiger auf Einbruchs-Touren und B scheint in einen bestehenden Plan miteinbezogen worden zu sein. Dagegen spricht jedoch, wenn A nur deshalb den Einbruch begangen hat, weil B den Fluchtweg absicherte, kann B das Geschehen beeinflussen oder es sogar blockieren, indem sie die ihr zugeteilte Aufgabe nicht erledigt. [39]Vgl. dazu Fall 10 in Seher Grundfälle zur Mittäterschaft JuS 2009, 304 (307). Dies spricht erheblich für das Vorliegen einer Tatherrschaft der B. Da B außerdem ein eigenes Interesse an der Tat und dem Taterfolg hat, und auch auf subjektiver Seite von einem Tatherrschaftswillen ausgegangen werden kann, sprechen die besseren Argumente dafür auch gem. der Tatherrschaftslehre von einer Tatherrschaft der B auszugehen.

Da beiden Ansichten zu demselben Ergebnis kommen, ist eine Stellungnahme entbehrlich. Von einer gemeinsamen Tatausführung sowohl nach der subjektiven Theorie als auch nach der Tatherrschaftslehre ist auszugehen.

b) Gemeinsamer Tatplan

Darüber hinaus müsste ein gemeinsamer Tatplan der Beteiligten vorliegt. Ein gemeinsamer Tatplan liegt vor, wenn sich zwei oder mehrere Personen verabreden ernsthaft, im gegenseitigen Einverständnis, die Tat gemeinsam zu begehen und die jeweiligen Tatausführungen des jeweils anderen als Tatbeitrag anzuerkennen. [40]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 11. Aufl. 2019, § 44 Rn. 11. B und A sprachen sich vorher gemeinsam ab. Sie verabredeten sich zur Begehung des Diebstahls in der Wohnung des T. A sollte in die Wohnung einsteigen, während B den Fluchtweg sicherte. Von einem gemeinsamen Tatplan ist auszugehen.

c) Zwischenergebnis

Es liegt eine mittäterschaftliche Begehung des Wohnungseinbruchdiebstahles vor. Die Tatbestandsverwirklichung der A kann gem. § 25 II StGB zugerechnet werden.

II. Subjektiver Tatbestand

A und B waren auch in Kenntnis des Umstandes der Mittäterschaft und wollten die Tat gemeinschaftlich begehen, sodass von Vorsatz bzgl. der Mittäterschaft ausgegangen werden kann.

B. Rechtswidrigkeit und Schuld

Für B ist weder ein Rechtfertigungsgrund noch ein Entschuldigungsgrund ersichtlich, sodass sie wie A rechtswidrig und schuldhaft handelte.

C. Ergebnis

B hat sich in Mittäterschaft mit A wegen eines Wohnungseinbruchdiebstahl gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 3, 25 II StGB strafbar gemacht.

Strafbarkeit der A im Juli 2017

A könnte sich wegen eines besonders schweren Diebstahls gem. §§ 242 I, 243 I S. 2 Nr. 1 und 3 StGB strafbar gemacht haben, indem sie das Vorhängeschloss eines Lagercontainers aufbrach, das Werkzeug daraus entwendeten und plante dieses Werkzeug für weitere Straftaten bzw. Einbrüche einzusetzen.

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

Dafür müsste der Werkzeugkasten als fremde bewegliche Sache von A weggenommen worden sein. Da der Werkzeugkasten nicht im Alleineigentum der A stand und er als körperlicher Gegenstand frei bewegbar ist, liegt ein taugliches Tatobjekt der fremden beweglichen Sache vor.

Der ursprüngliche Gewahrsamsinhaber des Werkzeugkastens war der Berechtigte des Lagercontainers. Obwohl er die tatsächliche Sachherrschaft nicht ausübte, war er Gewahrsamsinhaber, da er sein Gewahrsam lediglich gelockert hatte. Einen Herrschaftswillen über die sich im Lagercontainer befindlichen Gegenstände und somit über den Werkzeugkasten war vorhanden. Ein genereller Gewahrsamswille bzgl. der Gegenstände kann angenommen werden. Indem A den Werkzeugkasten an sich nahm, brach sie das Gewahrsam, da sie den ursprünglichen Gewahrsamsinhaber seiner Möglichkeit sein Gewahrsam ausüben zu können, entzieht. Mit dem Ergreifen des Werkzeugkasten begründete A neues Gewahrsam, da sie die tatsächliche Sachherrschaft übernahm und diese auch von einem Herrschaftswillen getragen wurde. Von einem Einverständnis des ursprünglichen Gewahrsamsinhaber kann nicht ausgegangen werden, sodass die Gewahrsamsbegründung durch A gegen den Willen geschah. Somit liegt die Wegnahme vor. Der objektive Tatbestand wurde verwirklicht.

II. Subjektiver Tatbestand

A handelte mit Wissen und Wollen, sodass A vorsätzlich handelte. Auch bei der Zueignung ist davon auszugehen, dass A den Eigentümer aus seiner Eigentumsposition verdrängen wollte (Enteignen) und die Absicht hatte, sich die Eigentümerstellung bzgl. des Werkezugkastens auch anzueignen (Aneignung), sodass eine Zueignungsabsicht vorliegt. Des Weiteren hatte A auch keinen fälligen und einredefreien Anspruch auf den Werkzeugkasten, sodass die Zueignung rechtswidrig war. Von der Rechtswidrigkeit wusste A auch, sodass auch bzgl. der Rechtswidrigkeit der Zueignung Vorsatz vorliegt. Der subjektive Tatbestand ist erfüllt.

III. Zwischenergebnis

A hat den Tatbestand des Diebstahls erfüllt.

B. Rechtswidrigkeit und Schuld

Weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgründe sind ersichtlich, sodass A den Tatbestand rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht hat.

C. Strafzumessung

In Betracht kommt die Verwirklichung eines Regelbeispiels gem. § 243 I S. 2 Nr. 1 und Nr. 3 StGB, indem A das Schloss des Lagercontainers aufknackte und den Werkzeugkisten für spätere Einbrüche mitnahm.

I. Verletzung eines räumlichen Schutzbereiches

Indem A das Vorhängeschloss aufbrach, könnte sie § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht haben. Demnach müsste A sich unbefugt Zutritt zu einem umschlossenen Raum verschafft haben. Umfasst von umschlossenen Räumen sind Raumgebilde, die zumindest auch zum Betreten von Menschen bestimmt und mit einer Vorrichtung versehen ist, die das Eindringen von Unbefugten abwehren sollen und ein tatsächliches nicht erhebliches Hindernis bildet. [41]Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 243 Rn. 5. Der Lagercontainer ist ein umschlossener Raum, da dieser mit Wänden umschlossen ist. [42]Vgl. dazu Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 243 Rn. 7. Mit dem Anbringen des Vorhängeschlosses wurde das Eindringen Unbefugter zu schützen versucht. Indem A das Schloss aufbrach, umwand sie ein tatsächliches Hindernis und verschaffte sich somit unbefugt Zutritt zu dem Lagercontainer.

A verwirklichte dies alles mit der Absicht, damit den eigentlichen Diebstahl verwirklichen zu können. Daher wurde der räumliche Schutzbereich zur Ausführung der eigentlichen Tat verletzt. [43]Vgl. Schmitz, in: MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 243 Rn. 11. Mithin hat A das Regelbeispiel der Nr. 1 verwirklicht.

Anmerkung
Beachte hierbei die Beziehung zu § 244 I Nr. 3 StGB: Häufig sind § 243 I Nr. 1 und § 244 I Nr. 3 StGB erfüllt. Jedoch ist der Strafrahmen des § 244 I Nr. 3 StGB von vornherein höher angesetzt, da tiefer in die Privat- und Intimsphäre eingebrochen wird und der Einbruch ernsthafte psychische Störungen hervorrufen kann. Der Verlust des Sicherheitsgefühls ist hierbei häufig schlimmer als der materielle Verlust. Daher ist das begangen Unrecht schwerwiegender und § 243 StGB tritt hinter § 244 StGB zurück. Auf das Eingehen des Regelbeispiels kann sogar in Gänze verzichtet werden. [44]Siehe dazu Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 22. Aufl. 2020, § 4 Rn. 82f.

II. Gewerbsmäßiges Stehlen

Weiterhin könnte A das Regelbeispiel des gewerbsmäßigen Stehlens gem. § 243 I S. 2 Nr. 3 StGB verwirklicht haben, indem sie mit der Absicht handelte, das Werkzeug für spätere Einbrüche nutzen zu können. Gewerbsmäßigkeit liegt immer dann vor, wenn der Täter sich aus wiederholten Begehungen von Diebstählen eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einer gewissen Dauer verschaffen will. [45]Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 243 Rn. 20. Da es allein um die Vorstellung des Täters geht, sich aus wiederholtem Diebstahl eine Einnahmequelle zu verschaffen, erfüllt auch die erste Tat bereits das Regelbeispiel. Insbesondere dass A den Werkzeugkasten für die Begehung weiter Diebstähle mitnimmt, entfaltet die Indizwirkung zum Vorliegen einer besonders schweren Tat. [46]Siehe hierzu Schmitz, in: MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 243 Rn. 41; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 22. Aufl. 2020, § 3 Rn. 34. Da A nicht das erste Mal einen Einbruch begeht, sich aber ab diesem Zeitpunkt überlegt, aus den Einbrüchen eine fortlaufende Einnahmequelle zu machen und dass das mithilfe des Werkzeugkasten, hat A das Regelbeispiel des gewerbsmäßigen Stehlens verwirklicht.

III. Kein Ausschluss gem. § 243 II StGB

Des Weiteren darf keine Geringwertigkeit der gestohlenen Sache vorliegen, sodass der Ausschluss gem. § 243 II StGB nicht greift. Der objektive Verkehrswert der Geringfügigkeit liegt je nach Gericht zwischen 25 und 50 €.

Wenn sich die Tat objektiv und subjektiv auf eine geringwertige Sache bezieht, ist die Indizwirkung der Regelbeispiele nicht gegeben, sodass diese gem. § 243 II StGB als Strafzumessung ausgeschlossen sind. [47]Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 243 Rn. 27f. Von einer Geringwertigkeit ist in diesem Fall nicht auszugehen, da ein Werkzeugkasten, der gut ausgestattet ist, den objektiven Verkehrswert von 50 € im Regelfall überschreiten wird.

Anmerkung
Beachte bei § 243 II StGB immer die doppelte Geringwertigkeit. Das heißt, die Tat muss sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht auf die Geringwertigkeit beziehen. Wenn also der Vorsatz bzgl. der Geringwertigkeit fehlt, dann ist Abs. 2 nicht anzuwenden. Allein nach dem Handlungs- und Erfolgsunwert stellt der Diebstahl dann kein Bagatelldelikt mehr da. [48]BGH NJW 1975, 1286; BGH NStZ 1987, 71; BGH NStZ 2012, 571; näher dazu Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 243 Rn. 29 m.w.N.
Vernetztes Lernen: Systemverständnis des Regelbeispiels
Ein Regelbeispiel – wie § 243 StGB – ist als Strafzumessungsregel nach dem Tatbestand, der Rechtswidrigkeit und der Schuld zu prüfen. Das Vorliegen eines Regelbeispiels hat eine Straftatenfolgerelevanz. Denn die Tatumstände, die einen Diebstahl zu einem besonders schweren Fall machen, sind keine Tatbestandsmerkmale. Das heißt, die Verwirklichung in § 243 StGB benannten Regelbeispiele haben keine Tatbestandsqualität. Die Strafzumessungsregeln haben daher keine strafbarkeitsbegründende Relevanz. Vielmehr liegt bereits die Strafbarkeit wegen eines Diebstahls gem. § 242 StGB unabhängig von § 243 StGB vor.

Für die Strafzumessung bedeutet die Verwirklichung eines Regelbeispiels, dass die Vermutung besteht, dass ein besonders schwerer Fall eines Diebstahls begangen worden ist und somit der Strafrahmen entsprechend verschärft werden sollte.

Der Unterschied eines Regelbeispiels zu einem Tatbestandsmerkmal lässt sich insbesondere an der Rechtsfolge ihrer Verwirklichung verdeutlichen. Wenn die Tatbestandsmerkmale des Diebstahls erfüllt sind, ist die Bestrafung und der Strafrahmen durch das Gesetz bestimmt. Der Täter ist demensprechend zu bestrafen.

Bei der Erfüllung eines Regelbeispiels hingegen muss der Strafrahmen nicht zwangsläufig angepasst werden. In konkreten Fällen könnte es – trotz des Vorliegens eines Regelbeispiels – bei dem Strafrahmen des § 242 StGB bleiben. Dies ist auf die Vermutung des Regelbeispiels zurückzuführen. Auch wenn durch das Vorliegen eines Regelbeispiels die Indizwirkung besteht, es läge ein besonders schwerer Fall des Diebstahls vor, so muss bei der Urteilsbegründung eine umfassende Gesamtwürdigung aller tat- und täterbezogenen Umstände, die das Unrecht und den Schuldgehalt der Tat beeinflussen. Handelt es sich bei diesen Umständen um unwertmindernde Faktoren, so kann die rechtliche Wirkung darin bestehen, dass trotz der Erfüllen des Regelbeispiels der Strafrahmen des § 242 StGB anzuwenden ist (dies wird immer eher die Ausnahme sein – im Regelfall wird durch die Indizwirkung der Strafrahmen zu erhöhen sein). Demnach ist die Vermutung der Indizwirkung des Regelbeispiels widerlegbar.[49]Zur näheren Vertiefung des Regelbeispiels Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil II, 3. Aufl. 2015, S. 80ff.

D. Ergebnis

A hat sich wegen eines besonders schweren Diebstahls gem. §§ 242 I, 243 I S. 2 Nr. 1 und 3 StGB strafbar gemacht.


Zusatzfragen

Was wird unter der Begrifflichkeit des „gefährlichen Werkzeuges“ bei der Qualifikation des Diebstahls verstanden?
Die Auslegung des Wortlautes der Gefährlichkeit wird kontrovers diskutiert. Verschiedene Ansichten werden vertreten:

a. Abstrakt-objektive Ansicht:
Nach der abstrakt-objektiven Ansicht ist ein gefährliches Werkzeug allein nach der objektiven Beschaffenheit zu definieren. Nach der herrschenden Meinung bezieht sich das auf die konkreten Tatumstände. Einige Vertreter hingegen verlangen einen waffenähnlichen Charakter. [50]Vgl. dazu Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 22. Aufl. 2020, § 4 Rn. 21. Wenn ein Werkzeug aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit zur Zufügung erheblicher Verletzungen geeignet ist, ist die Gefährlichkeit des Werkzeuges anzunehmen.

Dafür spricht insbesondere der Wortlaut, da dieser keine subjektive Sichtweise des Täters fordert. Gerade im Vergleich zu Nr. 1b. Denn dort wird auf die subjektive Sicht des Täters im Wortlaut abgestellt. Im Umkehrschluss sind daher lediglich objektive Kriterien zur Bestimmung der Gefährlichkeit relevant.

Kritisiert wird an der abstrakt-objektiven Theorie hingegen, dass der Kreis der Werkzeuge somit zu unbestimmt und zu weit gefasst ist. Die Qualifikation sei zu schnell verwirklicht.

b. Konkret-objektive Ansicht:
Die konkret-objektive Ansicht stellt auf die korrekten Tatumstände ab, ob das Werkzeug als gefährlich einzustufen ist. [51]Streng GA 2001, 359 (364 ff.); Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 244, Rn. 5a. Der subjektive Charakter liegt allein darin, dass der Verdacht besteht, dass der Gegenstand gerade zum Einsatz gegen den Menschen bestimmt ist und zu gefährlichen Verletzungen führen kann. Die objektive Betrachtung zieht tatsächliche Tatumstände mit ein.
Diese Theorie ist vor allem mit dem Wortlaut vereinbar und schließt die Fälle des Tragens von normalen bzw. sozialtypischen Werkzeugen aus, denen keine Waffenfunktion zugeschrieben wird (z.B. der Handwerker, der bei einem Einbruch sein Werkzeug dabei hat.).

Entgegen gehalten wird dieser Theorie, dass die Gefährlichkeit zu unbestimmt ist, da der Kreis der gefährlichen Werkzeuge sich nicht eindeutig bestimmen lässt. [52]Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 22. Aufl. 2020, § 4 Rn. 27 ff. m.w.N

c. Konkret-subjektiven Ansicht:
Nach der konkret-subjektiven Ansicht meint das Beisichführen eines gefährlichen Werkzeuges, dass der mitgeführte Gegenstand bei der Tat im Bedarfsfalls verwendet werden soll. Im Fall des Einsatzes ist dann § 244 I Nr. 2 StGB verwirklicht. Diese Ansicht fordert die teleologische Reduktion des Wortlautes und fordert beim dem Täter zumindest einen inneren Verwendungsvorbehalt, um die Gefährlichkeit begründen zu können. Somit sind auch Gegenstände von der Norm umfasst, denen eine generelle Verletzungseignung fehlt, jedoch in einer konkreten verletzungseignenden Weise verwendet werden sollen. [53]Graul Jura 2000, 205f.; auch Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 22. Aufl. 2020, § 4 Rn. 38.
Nur so kann dem Bestimmtheitsgebot gem. Art. 103 II GG Rechnung getragen werden und entspricht auch der Gefährlichkeit der Gesetzesbegründung, die sich dabei auf die Kriterien des § 224 StGB stützen. Die Gefährlichkeit lässt sich nicht allein objektiv wie bei einer Waffe bestimmt.

Entgegengehalten kann der Meinung jedoch die deutliche Differenzierung des Wortlautes aus Nr. 1a und Nr. 1b. Der Wortlaut unterscheidet sich insbesondere durch die subjektive Komponente bei Nr. 1b.

d. Rechtsprechung:
Die Rechtsprechung fordert keine subjektive Komponente. Die Gefährlichkeit soll sich allein nach rein objektiven Kriterien bestimmen lassen. Die Gefährlichkeit ergibt sich daraus, dass der Täter ein Werkzeug bei sich führt, dass dann im Falle seines Einsatzes gegen einen Menschen aufgrund seiner Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzung herbeizuführen. Das Beisichführen führt zu einer latenten Gefahr seines Gebrauchs. [54]BGH NJW 2008, 2861 (2864).
Die Gefahr einer Einzelfallrechtsprechung entsteht durch diese Art der Bestimmung der Gefährlichkeit und führt mithin zu einer gewissen Rechtsunsicherheit. Dadurch lässt sich auch an dem Bestimmtheitsgebot gem. Art. 103 II GG zweifeln. Außerdem besteht dadurch die Gefahr, dass der Täter zu schnell sich der Verwirklichung der Qualifikation ausgesetzt sieht, nur weil er einen beliebigen Gegenstand mit sich führt, dass jedoch geeignet ist, Verletzung hervorzurufen. [55]Siehe dazu Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 22. Aufl. 2020, § 4 Rn. 42.

Wenn ein Berufswaffenträge bei einem Diebstahl seine Waffe trägt, ist dann die Qualifikation automatisch mitverwirklich?

Die Problematik knüpft an der Auslegung des Wortlautes „Beisichführen“ des Tatbestandes § 244 I Nr. 1a StGB an. Denn das Beisichführen einer Waffe (auch wenn diese nicht in der Hand gehalten wird) erhöht die Gefährlichkeit der Tat, da bei einer zumindest griffbereiten Waffe diese jederzeit zum Einsatz kommen kann. [56]Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil II, 3. Aufl. 2015, S. 119.. Durch das bloße Mitführen der Waffe entsteht eine abstrakte Gefährlichkeit, auf der die erhöhte Strafandrohung begründet wird. [57]Vgl. dazu Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 244 Rn. 10.

Fraglich ist, ob diese besondere Gefährlichkeit auch bei Berufswaffenträgern gegeben ist, da diese i.d.R. die Waffe nicht bei sich führen, um damit eine Tat zu begehen, sondern aufgrund seines Berufes verpflichtet ist, eine Waffe bei sich zu führen.

Nach der h.L. und Rechtsprechung wird die Qualifikation des § 244 StGB immer bei einem Berufswaffenträger verwirklicht. Denn durch das Tragen einer Waffe entsteht automatisch die erhöhte Gefährlichkeit. Mit dem Gesetzeszweck wäre eine Einschränkung nicht vereinbar, da die abstrakte Gefährlichkeit durch das Beisichführen der Waffe weiterhin bestehen bleibt. [58]BGH NJW 1981, 1107; Köln NJW 78, 652; Bosch, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, § 244 Rn. 6 m.w.N.; Wittig, in: BeckOK StGB, 46. Edition 2020, § 244 Rn. 10.1; Mitsch, Strafrecht … Continue reading Außerdem kann von demjenigen, der berufsbedingt eine Waffe trägt, im Zweifelsfall sogar eine höhere Gefährlichkeit ausgehen, da er möglicherweise eher von seiner Waffe Gebrauch machen würde, weil bei einer Entdeckung der Tat seine Berufslaufbahn auf dem Spiel stünde. [59]BGH NJW 1981, 1107.

Die Gegenansicht möchte eine Einschränkung für diese Fälle vornehmen, da es bei dem Tragen der Waffe zu der besonderen Beziehung zur Tat fehle. Es soll insbesondere auf das Bewusstsein ankommen, gerade bei der Tatbegehung eine Waffe zu tragen. Diese innere Beziehung fehlt bei einem Berufswaffenträger. Ein sachlicher Zusammenhang der Waffe und Tat fehlt. Darüber hinaus erscheint ein Widerspruch allein deshalb zu bestehen, dass das Tragen der Waffe an sich pflichtmäßig ist, anderseits bei der Begehung der Tat eine unrechtserhöhende Wirkung habe. [60]Eser, in: Schönke/Schröder StGB, 27. Aufl. 2006, § 244 Rn. 6 m.w.N.

Anmerkung:
Dasselbe Problem wird auch bei dem gefährlichen Werkzeug diskutiert. Der klassische Beispielfall ist der Handwerker, der bei einem Diebstahl sein Werkzeug bei sich führt.


Zusammenfassung

1. Die Wohnungseigenschaft entfällt nicht dadurch, dass der Bewohner nicht (mehr) am Leben ist. Die wesentlichen Eigenschaften lassen sich nach dem Sinn und Zweck der Norm, dem Sprachgebrauch „Wohnung“ und der Gesetzessystematik herleiten

2. Wohnungen sind abgeschlossene und überdachte Räume, die Menschen „zumindest vorübergehend“ als Unterkunft dienen, sodass auch Wohnmobile u.ä. von dem Schutzzweck der Norm erfasst sind.

3. Der Schutzweck des Wohnungseinbruchsdiebstahls liegt neben des Eindringens in die Räumlichkeiten insbesondere in der Verletzung der Privat- und Intimsphäre und der Sicherheitsgefühls vor. Damit wird die höhere Strafandrohung begründet.

4. Mittäterschaftliche Begehung in Abgrenzung zur Teilnahme wird mittels der Tatherrschaftslehre (vertreten von der Literatur) oder der subjektiven Theorie (vertreten durch die Rechtsprechung) vorgenommen. Wenn der Beteiligte lediglich den Fluchtweg absichert, kommt es entscheidend darauf an, ob dieser die Tat als eigene will (subjektive Theorie) und oder eine wesentlichen Beitrag leistet, da ohne der Absicherung die Tat nicht vollzogen wird (Tatherrschaftslehre).

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