
BGH, Beschluss vom 04.07.2024 – 5 StR 280/24, BeckRS 2024, 21066
Sachverhalt
Im März 2020 suchte die A nach jemandem, der bei ihren Eltern im Haus einbrechen sollte, um dort Geld und Schmuck zu entwenden. A nahm Kontakt zu dem vorbestraften Einbrecher V auf, welcher wiederum seinen Komplizen K hinzuzog.
A informierte V und K darüber, dass sie glaube, es befänden sich knapp 50.000,00 € Bargeld sowie hochwertiger Schmuck im Haus. Sie verabredeten, dass die Einbrecher die Hälfte der Tatbeute als Bezahlung erhalten sollten.
Daraufhin teilte sie V und K die Adresse des Wohnhauses mit und beschrieb das Versteck des Bargeldes sowie des Schmucks. Dabei war A bewusst, dass sich ihre Eltern während des Einbruchs möglicherweise im Haus befinden könnten. Zudem billigte sie eine mögliche Gewaltanwendung, indem sie gegenüber V und K sagte, dass es ihr nichts ausmachen würde, wenn ihre Eltern bei dem Einbruch die Treppe hinunterfallen würden. Weitere Einzelheiten hinsichtlich der Tatausführung wurden nicht besprochen.
V kundschaftete daraufhin das Objekt aus und installierte selbst Überwachungskameras, um die Gewohnheiten der Eltern zu beobachten. Nachdem er ausreichend Erkenntnisse gesammelt hatte, brachen V und K im Juni 2020 über den Wintergarten in das Haus ein. Dabei beschädigten sie die Wintergartentür. Im Keller fanden sie 20.000,00 € Bargeld sowie Schmuck im Wert von 10.000,00 €. Sie steckten die Beute in eine mitgebrachte Tasche. Außerdem entdeckten sie eine Pistole und Munition, die sie ebenfalls einsteckten. Als der Hund zu bellen begann, verließen die Täter das Haus, ohne bemerkt zu werden.
Nach dem Einbruch im Juni 2020 gab es keinen weiteren Kontakt zwischen V und A. Dennoch betrachtete V den Einbruch als unvollendet, da er davon ausging, dass sich noch mehr Bargeld im Haus befand. Daher plante er einen weiteren Einbruch. Aufgrund der Erfahrung aus dem ersten Einbruch nahm er an, dass ein gewaltsames Vorgehen notwendig sein könnte, und engagierte den gewalterfahrenen G. Gemeinsam planten sie, die Eltern von A am frühen Morgen beim Ausführen ihres Hundes maskiert zu überwältigen und anschließend im Haus nach Bargeld zu suchen.
Im September 2020 warteten sie im Garten auf die Eltern. Jedoch wurden sie durch die neu installierten Überwachungskameras entdeckt und direkt von der Polizei festgenommen.
Wie haben sich A und V strafbar gemacht?
Bearbeitervermerk: Auf § 123, 201a, 246, 259 und 261 StGB ist nicht einzugehen.
Skizze
Gutachten
Tatkomplex 1: Juni 2020
A. Strafbarkeit des V
V könnte sich gem. §§ 242 I, 244 IV, 244 I Nr. 1 lit. a) Alt. 1, 25 wegen schwerem Wohnungseinbruchdiebstahls strafbar gemacht haben, indem er im Haus der Eltern der A Geld sowie Schmuck im Wert von 30.000,00 Euro entwendete.
I. Tatbestand
1. Grundtatbestand
Dafür müsste der V eine fremde bewegliche Sache weggenommen haben.
Sowohl das Geld als auch der Schmuck sind bewegliche Gegenstände. Ob eine Sache fremd ist, richtet sich nach einer zivilrechtlichen Betrachtung.[1]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 242 Rn. 5. Die entwendeten Gegenstände standen nicht im Alleineigentum des V, sondern vielmehr im Eigentum der Eheleute. Somit war das Geld sowie der Schmuck eine für V fremde bewegliche Sache.
Des Weiteren müssten die Gegenstände weggenommen worden sein. Eine Wegnahme ist der Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Gewahrsam ist die nach einer Verkehrsanschauung bemessene tatsächliche Sachherrschaft, getragen von einem Herrschaftswillen. Gebrochen wird der Gewahrsam, wenn diese tatsächliche Sachherrschaft ohne den Willen der ursprünglichen Gewahrsamsinhaber aufgehoben wird. Begründet ist ein neuer Gewahrsam, wenn der Täter die tatsächliche Sachherrschaft erlangt hat.[2]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 242 Rn. 10, 11, 16, 17. Die Eltern hatten keine tatsächliche Sachherrschaft über das Geld und den Schmuck, da jene sich im Keller des Hauses befanden. Jedoch ist aufgrund der Bemessung nach der Verkehrsanschauung davon auszugehen, dass die Eltern über alle Gegenstände in ihrem Haus einen generellen Gewahrsamswillen besitzen. Somit sind die Eltern die ursprünglichen Gewahrsamsinhaber. Indem V und K das Bargeld sowie den Schmuck in die Tasche steckten, brachen sie den Gewahrsam der Eltern und begründeten die neue Sachherrschaft bei sich selbst. Eine Wegnahme liegt somit vor.
Vernetztes Lernen: Wieso wird hier keine Mittäterschaft geprüft?Die Mittäterschaft ist keine besondere Form der Täterschaft, vielmehr dient sie der Zurechnung fremden Handelns. Sie ist gegeben, wenn mehrere Personen täterschaftlich gemeinsam einen Tatbestand erfüllen, jedoch nicht jeder von ihnen alle Tatbestandsmerkmale erfüllt.[3]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 25 Rn. 23. MaW: Erfüllen beide Mittäter die Tatbestandsmerkmale, bedarf es der Zurechnung über § 25 II StGB nicht.
2. Qualifikation
a) § 244 IV StGB
Möglicherweise hat V die Qualifikation des Wohnungseinbruchdiebstahls gem. § 244 IV StGB verwirklicht. V könnte zusammen mit K in eine Privatwohnung eingebrochen sein. Einbrechen liegt vor, wenn in einen umschlossenen Raum durch Aufhebung einer Umschließung durch gewaltsame Beseitigung eines entgegenstehenden Hindernisses gelangt wird. Dafür benötigt es die Aufwendung nicht unerheblicher Kraftentfaltung oder die Verletzung der Substanz der Umschließung.[4]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 243 Rn. 4, 5. V ist mit K durch den Wintergarten in das Haus der Eheleute gelangt. Sowohl der Wintergarten als auch das Haus stellen einen umschlossenen Raum in diesem Sinne dar, da sie dazu bestimmt sind, von Menschen betreten zu werden. Da dabei die Tür zum Wintergarten beschädigt wurde, liegt auch ein Einbrechen vor. Zudem haben die Eheleute in dem Haus ihren dauerhaften Wohnsitz, sodass es sich hier um ihre dauerhaft genutzte Privatwohnung i.S.d. § 244 IV StGB.
Vernetztes Lernen: Welche Räumlichkeiten werden unter dem Wohnungsbegriff erfasst und wieso ist der Begriff als solcher umstritten?Jedoch beabsichtigte der Gesetzgeber bei der Einführung des § 244 I Nr. 3 StGB eine Verschärfung zu schaffen. In der Gesetzesbegründung wird erklärt, dass diese Verschärfung notwendig war, weil ein Wohnungseinbruch nicht nur das Eigentum verletzt, sondern auch tief in die Privatsphäre der Opfer eindringt. Dies kann zu schweren psychischen Belastungen (wie Angstzuständen) führen und birgt zudem das Risiko, dass es zu Gewalt oder Sachbeschädigungen kommt.[5]BT-Drs. 18/12359, S. 10.
Um diesen besonderen Schutz zu gewährleisten, wird der Wohnungsbegriff in § 244 I Nr. 3 StGB enger verstanden als in § 123 StGB. Während § 123 StGB grundsätzlich alle geschlossenen und überdachten Räume erfasst, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen, bezieht sich der Wohnungsbegriff im Sinne von § 244 I Nr. 3 StGB nur auf Räume, die zur häuslichen Privat- und Intimsphäre gehören.[6]Bock/Manheim, HRRS 2020 S. 341, 342.
Daher sind Wohnung im Sinne dieser Norm abgeschlossene und überdachte Räume, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen.[7]BGH NStZ 2008, 51. Damit sind also bereits alle Arbeits-, Geschäfts- oder Laderäume ausgeschlossen. Die Rechtsprechung fordert explizit nicht das Vorhandensein von Schlafräumen. Ebenso unterfallen dem Begriff möblierte vermietete Zimmer und Zimmer in Wohnheimen. Auch können die Unterkünfte beweglich sein, wie Schiffe, Wohnmobile oder Wohnanhänger.[8]Dazu ausführlich Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 244 Rn. 46a.
Unter die „private Wohnung“ i.S.d. § 244 IV StGB fallen nach der Gesetzesbegründung sowohl private Wohnungen oder Einfamilienhäuser als auch die dazugehörenden, von ihnen nicht getrennten weiteren Wohnbereiche wie Nebenräume, Keller, Treppen, Wasch- und Trockenräume sowie Zweitwohnungen von Berufspendlern.[9]BT-Drs. 18/12359, S. 10.
Was man sich auch immer merken sollte: Das Versterben des Bewohners hebt die Eigenschaft der Wohnung nicht auf.[10]Dazu siehe Einbruch bei Toten
b) § 244 I Nr. 1 lit. a) Alt 1 StGB
Möglicherweise hat V außerdem die Qualifikation des § 244 I Nr. 1a lit. a) Alt. 1 StGB verwirklicht, indem er die Pistole mit der Munition im Keller einsteckte und ab dann in seiner Tasche trug.
Die Pistole stellt eine Waffe im Sinne der Norm da. Seit dem Einstecken, führte der V diese Waffe auch bei sich, da sie in der Tasche lag und sich somit in Griffweite befand, so dass V sie ihrer ohne nennenswerten Zeitaufwand hätte bedienen können.[11]Vgl. Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 244 Rn. 27.
Problematisch erscheint es jedoch, dass V die Pistole erst an sich nahm, nachdem er das Geld und den Schmuck bereits in seine Tasche gesteckt hatte, deren Wegnahme mithin bereits vollendet war. Das „Beisichführen“ einer Waffe nach Maßgabe des § 244 I Nr. 1 lit. a) Alt. 1 StGB fand also erst im Beendigungsstadium statt. Fraglich ist, ob auch in diesem Zeitpunkt noch eine Qualifikation verwirklicht werden kann.
Nach der Rechtsprechung muss die Waffe in irgendeinem Zeitpunkt vom Ansetzen zur Tat bis zur Beendigung der Tat bei sich geführt worden sein.[12]BGH NStZ-RR 2003, 186, 188. Demnach könne auch zwischen der Vollendung und der Beendigung die Qualifikation erfüllt werden. Jedoch trete der § 244 I Nr. 1 lit. a) StGB im Wege der Spezialität hinter § 244 IV StGB zurück.
3. Subjektiver Tatbestand
V müsste auch vorsätzlich gehandelt haben, also willentlich und wissentlich im Hinblick auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale. V kam es gerade darauf an die erbeuteten Gegenstände an sich zu bringen, sodass er vorsätzlich handelte.
Weiter müsste er mit Zueignungsabsicht gehandelt haben. Danach müsste der V in der Absicht gehandelt haben, sich zumindest vorübergehend eine eigentümerähnliche Verfügungsgewalt über die Sache anzumaßen und eventualvorsätzlich dazu, den Eigentümer dauerhaft aus seiner Position zu verdrängen.[13]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, Rn. 33f. Die Handlung des V zielte darauf ab, die Verfügungsgewalt über die Gegenstände zu erhalten, sodass er mit Aneignungsabsicht handelte. Zudem wollte er das Ehepaar als Eigentümer dauerhaft aus ihrer Position verdrängen, sodass der Enteignungsvorsatz ebenfalls vorlag. Folglich handelte V mit Zueignungsabsicht.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
Da keine Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe ersichtlich sind, handelte V rechtswidrig und schuldhaft.
III. Ergebnis
V hat sich wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls strafbar gemacht. Der ebenfalls verwirklichte § 243 I Nr. 1 StGB wird durch den § 244 IV StGB verdrängt.
B. Strafbarkeit des V gem. §§ 249 I, 22, 23, 25 II StGB
V könnte sich gem. §§ 249 I, 22, 23 I, 25 II StGB wegen versuchten mittäterschaftlichen Raubes strafbar gemacht haben, indem er im Haus der Eltern der A Geld und Schmuck mit K zusammen entwendete.
0. Vorprüfung
Da kein qualifiziertes Nötigungsmittel bei der Wegnahme eingesetzt wurde, wurde der Raub nicht vollendet. Der versuchte Raub ist als Verbrechen gem. §§ 23 I, 12 I, 249 I StGB strafbar.
I. Tatbestand
1. Tatenschluss
V müsste mit Tatentschluss gehandelt haben, das heißt, er müsste Vorsatz im Hinblick auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gefasst haben. Hinsichtlich der Diebstahlskomponente im Raub handelte V – wie bereits geprüft – vorsätzlich. Fraglich ist, ob er auch vorsätzlich hinsichtlich des qualifizierten Nötigungsmittels handelte. V war gewillt, Gewalt gegen die Eltern der A einzusetzen, um sich damit die Wegnahme des Geldes und des Schmuckes zu ermöglichen. Folglich handelte er auch bzgl. des qualifizierten Nötigungsmittels vorsätzlich. Zudem handelte er – wie ebenfalls bereits geprüft – mit Zueignungsabsicht und damit insgesamt mit Tatentschluss.
2. Unmittelbares Ansetzen
Weiter müsste V unmittelbar zur Tatausführung angesetzt haben. Unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter die subjektive Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschritten hat und objektiv zur Tatausführung derart angesetzt hat, dass keine wesentlichen Zwischenakte mehr erforderlich sind, um den Taterfolg herbeizuführen.[14]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, Rn. 10. Der V müsste also kurz davor gewesen sein, Gewalt anzuwenden. Vorliegend befanden sich die Eheleute noch im oberen Geschoss als V und K im Haus waren. Sie hatten keinen direkten Kontakt zu den Eheleuten, sodass es weitere wesentlicher Zwischenakte bedurft hätte, um das qualifizierte Nötigungsmittel verwirklichen zu können. Somit fehlt es am unmittelbaren Ansetzen.
II. Ergebnis
V hat sich nicht wegen versuchten Raubes strafbar gemacht.
C. Strafbarkeit des V gem. §§ 249 I, 30 II StGB
V könnte sich wegen Bereiterklärung zur Begehung eines Raubes gem. §§ 249 I, 30 II StGB strafbar gemacht haben, indem er den Vorschlag der A zustimmte, das Geld aus dem Haus der Eltern der V zu stehlen und dabei Gewalt anzuwenden.
I. Tatbestand
1. Bezugstat: geplantes Verbrechen
Zunächst müsste als zukünftige Tat ein Verbrechen i.S.d. § 12 I StGB geplant worden sein. Vorliegend wurde ein Raub konkret zwischen V und A geplant. Der Raub stellt aufgrund seiner Strafandrohung gem. § 249 I StGB ein Verbrechen dar, sodass ein geplantes Verbrechen vorliegt.
2. Bereiterklären
Weiter müsste V sich zu dem Raub bereiterklärt haben. Sich Bereiterklären meint eine an eine andere Person gerichtete Erklärung, eine jedenfalls in groben Zügen hinreichend konkretisierte Tat begehen zu wollen. Die bloße Kundgabe, ein Verbrechen begehen zu wollen, reicht nicht aus; die Erklärung muss vielmehr darauf gerichtet sein, sich ernsthaft zu binden.[15]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 30 Rn. 14a. V äußert gegenüber der A, dass er bereit wäre, auch Gewalt anzuwenden, wenn es für die Wegnahme der geplanten Gegenstände notwendig werden würde. Auch wenn die Einzelheiten des Vorgehens dem V überlassen bleiben sollten, war die Tat hinreichend konkretisiert i.S.d. § 30 II StGB.
3. Subjektiver Tatbestand
V müsste auch vorsätzlich gehandelt haben. Der subjektive Tatbestand des § 30 II StGB ist nur dann erfüllt, wenn die Ausführung der Tat ernsthaft gewollt wird, die bloße Tatgeneigtheit reicht dafür nicht aus.[16]BGH NJW 2017, 2134. Vorliegend wollte V den Raub tatsächlich begehen. Er bereitete sich darauf vor, auch Gewalt anzuwenden, sodass es den Anforderungen des subjektiven Tatbestandes genügte.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
V handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
III. Kein Rücktritt
Zu prüfen ist weiter, ob ein Rücktritt vom Versuch gem. § 31 I Nr. 2 StGB gegeben ist. Dafür wäre es erforderlich, dass V seine Tat aufgegeben hätte, aus seiner Sicht also ein noch fortführbares Vorgaben endgültig aufgegeben hätte.[17]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 31 Rn. 4. Zwar ist der V im Haus nicht weiter vorgedrungen, dies jedoch nur, weil er vom Hundebellen unterbrochen wurde. Aus seiner Sicht hätte er die Tat also nicht fortführen können – zumindest nicht ohne weiterhin unentdeckt zu bleiben. Seine Rücktrittsmöglichkeit ist damit (ähnlich zum Fehlschlag des Versuches gem. § 24 StGB) ausgeschlossen. V ist somit nicht strafbefreiend zurückgetreten.
IV. Ergebnis
V hat sich gem. §§ 249 I, 30 II StGB strafbar gemacht.
Vernetztes Lernen: Wie ist das Konkurrenzverhältnis zwischen Para. 30 II StGB und einem strafbaren Versuch?Zur geplanten Haupttat besteht grundsätzlich ein Subsidiaritätsverhältnis. Der § 30 II StGB tritt daher zurück, wenn ein Versuch der Haupttat begangen wird.[18]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 30 Rn. 27.
D. Strafbarkeit der A
A könnte sich wegen Anstiftung zum schweren Wohnungseinbruchdiebstahl gem. § 242 I, 244 IV, 26 StGB strafbar gemacht haben, indem sie den V engagierte, damit dieser im Haus ihrer Eltern das Geld und den Schmuck stehlen kann.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Haupttat
Dafür müsste zunächst eine teilnahmefähige Haupttat vorliegen. Eine teilnahmefähige Haupttat setzt eine vorsätzlich und rechtswidrig begangene Straftat voraus, die hier durch V in Form eines schweren Wohnungseinbruchdiebstahls gemäß §§ 242 I, 244 IV StGB verwirklicht wurde.
b) Bestimmen
Weiter müsste A den V zur Haupttat bestimmt haben. Bestimmen meint dabei das Hervorrufen des Tatentschlusses.[19]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 26 Rn. 3. A nahm Kontakt zu V auf und erzählte ihm von der Möglichkeit, Bargeld und hochwertigen Schmuck im Haus ihrer Eltern zu stehlen. Sie gab V auch die Adresse. Durch ihre Handlung weckte sie den Tatentschluss zur Begehung des Wohnungseinbruchdiebstahls, sodass ein Bestimmen durch A vorliegt.
Vernetztes Lernen: Wieso kommt vorliegend keine Mittäterschaft der A in Betracht?Für eine Mittäterschaft gem. § 25 II StGB bedarf es eines gemeinsamen Tatplans. Dieser Tatplan muss die Tatbegehung im Wesentlichen erfassen.[20]Fischer StGB, 72. Aufl. 2025, § 25 Rn. 34. Vorliegend hat jedoch A den V nur die Adresse des Hauses mitgeteilt. Alle weiteren Einzelheiten der Tatausführungen besprachen V und K miteinander, aber nicht die A. Daher kommt hier keine Mittäterschaft in Betracht.
2. Subjektiver Tatbestand
A handelte auch vorsätzlich hinsichtlich des Wohnungseinbruchdiebstahls des V und dem Bestimmen. Der doppelte Anstiftervorsatz liegt folglich vor.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
A handelte rechtswidrig und schuldhaft, da keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe ersichtlich sind.
III. Ergebnis
A hat sich wegen Anstiftung zum Wohnungseinbruchdiebstahls strafbar gemacht.
E. Strafbarkeit der A gem. §§ 249 I, 30 I StGB
A könnte sich wegen versuchter Anstiftung zum Raub gem. §§ 249 I, 30 I StGB strafbar gemacht haben, indem sie dem V mitteilte, dass es in Ordnung wäre, wenn ihre Eltern bei dem Einbruch auch die Treppe hinunterfallen würden.
0. Vorprüfung
Der Raub wurde nicht vollendet, da V keine Gewalt gegen die Eheleute einsetzte. Somit befindet sich die Haupttat im Versuchsstudium und ist nicht vollendet. Daher befindet sich auch die Anstiftung im Versuchsstadium. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus der Versuchsstrafbarkeit der Haupttat. Der Raub ist gem. § 23 I, 12 I StGB als Verbrechen stets als Versuch strafbar.
I. Tatbestand
1. Tatentschluss
A müsste mit Tatentschluss gehandelt haben, den V zu einem Raub anzustiften. Sie müsste also die Verwirklichung der Haupttat und das Bestimmen von V zu dieser mit mindestens bedingtem Vorsatz gewollt haben.
Vorliegend sagte A gegenüber V, dass es für sie in Ordnung sei, wenn ihre Eltern während des Einbruchs die Treppe runterfallen würden. Damit billigte sie eine mögliche Gewaltanwendung durch V. Auch hinsichtlich des Bestimmens handelte A mit Tatentschluss, da sie V bewusst von dem Geld und dem hochwertigen Schmuck berichtete und ihm die Adresse des Hauses gab. Damit wollte sie ihn ihm den Tatentschluss hervorrufen, dort einen Raum zu begehen. Mithin handelte A mit Tatentschluss.
2. Unmittelbares Ansetzen
A hat ihre Einwirkung auf S abgeschlossen und somit unmittelbar angesetzt.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
A handelte rechtswidrig und schuldhaft.
III. Kein Rücktritt
A ist zudem nicht strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten gem. § 31 I Nr. 1 StGB, da sie nicht versucht hat, nach der Tat nach dem Bestimmen noch abzuwenden, indem sie auf V einwirkte.
IV. Ergebnis
A hat sich gem. §§ 30 I, 249 StGB strafbar gemacht.
Tatkomplex II: September 2020
F. Strafbarkeit des V gem. §§ 249, 22 StGB
V könnte sich gem. §§ 249, 22 StGB wegen versuchten Raubes strafbar gemacht haben, indem er sich im Garten der Eheleute versteckte, um sie zu überwältigen und im Haus nach Bargeld zu suchen.
Die Versuchsstrafbarkeit liegt auch hier vor, jedoch scheitert die Strafbarkeit erneut am unmittelbaren Ansetzten. Weder zur Wegnahme noch zur Gewaltanwendung wurde unmittelbar angesetzt. V und G saßen nur im Garten und waren bereit loszulegen. Jedoch fehlten noch wesentlichen Zwischenakte, wie das Eindringen in das Haus und das Suchen bzw. das Auffinden des Bargeldes im Haus. Die Eheleute tauchten nicht im Garten auf, so wie es nach ihrer Vorstellung hätte passieren müssen. Vielmehr wurden sie direkt von der Polizei gefasst. Somit fehlt es an dem unmittelbaren Ansetzen. V hat sich daher nicht strafbar gemacht.
H. Strafbarkeit A gem. §§ 249 I, 30 I StGB
A könnte sich wegen versuchter Anstiftung zum Raub gem. §§ 249 I, 30 I StGB strafbar gemacht haben, indem sie dem V mitteilte, dass es in Ordnung wäre, wenn ihre Eltern auch die Treppe hinunterfallen könnten und für V der Einbruch nach dem Juni 2020 noch nicht beendet war.
0. Vorprüfung
Hier ist ebenfalls die Versuchsstrafbarkeit gegeben und der Raub nicht vollendet, da V und G ergriffen werden konnten, bevor sie überhaupt unmittelbar ansetzen konnten.
I. Tatbestand
1. Tatentschluss
A müsste Tatentschluss hinsichtlich eines Raubes im September 2020 sowie des Bestimmens zur Tat gehabt haben.
a) Raub
Grundsätzlich handelte A vorsätzlich und damit mit Tatentschluss hinsichtlich des möglichen Einsatzes von Gewalt bei dem Einbruch im Haus ihrer Eltern. Problematisch erscheint, dass sich die Aussage der A, dass es in Ordnung sei, wenn ihre Eltern die Treppe herunterfallen würden, auf den ersten Einbruch im Juni bezog. Da der Einbruch für V jedoch noch nicht vollbracht war, ging er (aufgrund dessen, dass er nicht alles Geld geklaut habe und um sich abzusichern) davon aus, dass es noch einen weiteren Einbruch bedarf, bei dem ebenfalls Gewalt notwendig sei. A hat somit den Tatentschluss zur Begehung des Raubes mitursächlich bei S geweckt.
Fraglich ist jedoch, ob seitens der A nur der eine Raub erfolgen sollte, sodass sich der zweite versuchte Raub als Exzess des V darstellen würde. Das Treffen von A und V fand im März statt. Es wurde nicht besprochen, wann V die Tat tatsächlich umsetzen sollte. Weiter wurden keine Einzelheiten der Tatbegehung besprochen. Die innere Tatseite der A als Anstifterin bleibt auch dann bestehen, wenn V den geplanten Raub erst mit Verzögerung nach dem missglückten Wohnungseinbruch vollenden wollte. Dies stellt nur eine geringe Abweichung vom ursprünglichen Plan der A dar. A hatte V ausdrücklich dazu aufgefordert, Gewalt anzuwenden, falls es nötig wäre. V hielt sich daher im Rahmen der Anstiftung durch A, ohne dass das Unrecht seiner Tat ihren Vorsatz überstieg. Ein eigenmächtiges Überschreiten der Tat (Exzess) lag somit nicht vor.[21]BGH BeckRS 2024, 21066, Rn. 10. Die zweigeteilte Vorgehenswese des V stellt sich somit als unwesentliche Abweichung dar. Der Tatentschluss ist somit gegeben.
b) Bestimmen
Zudem handelte A auch mit Tatentschluss hinsichtlich des Bestimmens zur Tat.
2. Unmittelbares Ansetzen
A hat ihre Einwirkung auf S abgeschlossen, und unmittelbar angesetzt.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
A handelte rechtswidrig und schuldhaft.
III. Rücktritt
A ist außerdem nicht strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten gem. § 31 I Nr. 1 StGB, da sie nicht versucht hat, nach der Tat im Juni einen weiteren Raub, der in der Zukunft lag, abzuwenden.
IV. Ergebnis
A hat sich wegen versuchter Anstiftung zum Raub strafbar gemacht.
Gesamtergebnis
Für die Tat im Juni 2020 hat sich V wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls gem. § 244 IV StGB in Tateinheit gem. § 52 StGB wegen versuchter Beteiligung eines Raubes gem. §§ 249 I, 30 II StGB und A wegen versuchter Anstiftung zum Raub gem. §§ 249 I, 30 I StGB strafbar gemacht.
Bei der Tat im September hat sich V gem. §§ 249 I, 30 II StGB und A gem. §§ 249 I, 30 I StGB strafbar gemacht.
Zusatzfrage
Wie ist das Konkurrenzverhältnis vom vollendenten Einbruchdiebstahl und einem versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl?Bezüglich der Konkurrenzverhältnisse gilt, dass ein versuchter Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung (§ 244 IV StGB) neben einem vollendeten Einbruchdiebstahl (§§ 242, 243 StGB) nicht zurücktritt. Stattdessen besteht Tateinheit (§ 52 StGB), um den besonderen Schutz der Privatwohnung zu betonen. Dies gilt auch, wenn beide Delikte am selben Tatobjekt begangen wurden.
Grundsätzlich verdrängt jedoch der schwerere Tatbestand (§ 244 IV StGB) den Grundtatbestand (§ 244 I Nr. 3 StGB), wenn beide vollständig erfüllt sind. Wird jedoch der Grundtatbestand vollendet, während der schwerere Tatbestand nur versucht wurde, liegt Tateinheit vor. Dadurch wird im Schuldspruch klar, dass der Täter sowohl den Wohnungseinbruchsdiebstahl vollendet als auch versucht hat, ein noch schwereres Delikt zu begehen.[22]Dazu BGH NStZ 2023, 291.
Die Verjährung einer Straftat richtet sich gemäß § 78 III StGB nach dem Höchstmaß der angedrohten Strafe. Ist die Verjährungsfrist abgelaufen, stellt dies ein Verfolgungshindernis dar, sodass das Verfahren gemäß § 170 II StPO eingestellt wird. Eine Verlängerung der Verjährungsfrist aufgrund der Verwirklichung einer Qualifikation erfolgt nicht (§ 78 IV StGB); stattdessen bestimmt sich die Verjährung weiterhin nach dem Grunddelikt.
Zusammenfassung