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E-Scooter und brennende Autos

LG Bonn Urt. v. 30.10.2023 – 9 O 19/22, NJW 2024, 684; BGH Urt. v. 12.12.2023 – VI ZR 76/23, NJW 2024, 1037

Sachverhalt

K ist Eigentümer eines Autos. A, ein Zwölfjähriger, der in einer intensivpädagogischen Wohngruppe lebt und einen Ergänzungspfleger hat, stößt bei der unbefugten Nutzung eines E-Scooters (Höchstgeschwindigkeit 20 km/h) der F-GmbH, also ohne vorherige Registrierung und Freischaltung über die entsprechende App, mit dem ordnungsgemäß geparkten Auto des K zusammen. Die F-GmbH ist Halterin des E-Scooters. Bei dem Vorfall beachtet A nicht die beim Führen des E-Scooters gebotene Sorgfalt. A weiß zudem, dass E-Scooter nur nach vorheriger Registrierung über die App in Betrieb genommen werden dürfen.

Am Auto des K sind nach dem Zusammenprall weder Kratzer noch Verformungen sichtbar, jedoch aber leichte Reifenabriebspuren. Die Reparaturkosten für die Instandsetzung belaufen sich auf € 80,00. 

K fordert nun von A, der F-GmbH sowie der V-AG (der Haftpflichtversicherung der F-GmbH) als Gesamtschuldner Schadensersatz in Höhe von € 80,00 für die Reparaturkosten sowie 25,00 € als Kostenpauschale. 

Anmerkung: Eignung für das zweite Examen
In der Originalentscheidung forderte der Kläger zur Zahlung von über € 4.000,00 Reparaturkosten samt Sachverständigenkosten für ein privates Gutachten auf (das private Gutachten nahm im Ergebnis einen Schaden von über € 4.000,00 an). Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass nur ein Schaden von 80,00 € gegeben ist. Dem folgte das Gericht dann auch. Diese Konstellation würde sich tendenziell gut für eine Beweiswürdigung in einer Klausur zum zweiten Examen eignen. Der „Clue“ ist hier dann, dass die Sachverständigenkosten aufgrund des sehr niedrigen Schadens nicht ersatzfähig sind: Zwar darf der Geschädigte zur vorprozessualen Begutachtung eines Unfallschadens grundsätzlich einen Sachverständigen beauftragen und wird die Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten generell auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Gutachten objektiv ungeeignet ist. Allerdings besteht keine Erstattungspflicht, wenn aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt die Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich ist. Dabei ist die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens insbesondere dann nicht erforderlich, wenn ein offensichtlicher Bagatellschaden vorliegt, denn hier genügt jedenfalls ein Kostenvoranschlag durch eine Kfz-Werkstatt. Dies war vorliegend der Fall[1]NJW 2024, 684 Rn. 18.

Jedoch damit nicht genug: Die Misere des K geht weiter. K ist wohlhabend und hat demnach glücklicherweise noch ein zweites Auto. Mit diesem Fährt er nach den Ereignissen mit A von nun an. Knapp zwei Wochen nach den Vorfällen mit A parkt er das Auto abends nach Feierabend am Straßenrand. Die Straße hat ein leichtes Gefälle. Vor und hinter ihm parken weitere Autos. Über Nacht fängt das hinter ihm stehende Auto des D, welcher bei der X-AG haftpflichtversichert ist, Feuer. Durch den Brand des angrenzenden Autos wird auch das Auto des K vollständig zerstört. Die Ursache des Brandes kann im Nachhinein nicht mehr geklärt werden; ein Verschulden des D kann nicht festgestellt werden. Der Schaden beläuft sich unstreitig auf € 50.000,00.

Frage 1: Hat K einen Anspruch gegen A, die F-GmbH und/oder die die V-AG auf Zahlung der geltend gemachten Forderungen? 

Frage 2: Hat K einen Anspruch gegen die X-AG auf Zahlung in Höhe von € 50.000,00?


Skizze


Gutachten

Frage 1:

Zu prüfen ist, ob K einen Anspruch auf Zahlung der Reparaturkosten in Höhe von € 80,00 sowie der Kostenpauschale in Höhe von € 25,00 gegen A, die F-GmbH und/oder die V-AG zusteht.

A. Ansprüche gegen A

K könnte einen Anspruch gegen A haben. Mangels vertraglicher oder anderweitiger Beziehungen zwischen K und A könnte dieser vorwiegend deliktischer Natur sein. In Betracht kommt insofern zunächst ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Dieser setzt eine Rechtsgutverletzung, eine Handlung oder Unterlassen, haftungsbegründende Kausalität, Rechtswidrigkeit, Verschulden, einen Schaden und die haftungsausfüllende Kausalität voraus.

Vernetztes Lernen: Ansprüche bei Sachverhalten mit Bezug zu Kraftfahrzeugen
Bei Sachverhaltskonstellationen, in denen Kraftfahrzeuge Bestandteil sind, ist immer auch an einen Anspruch aus StVG, insb. § 7 Abs. 1 StVG, zu denken. Dieser sollte vorrangig zu einem Anspruch aus §§ 823 ff. BGB geprüft werden. Hintergrund ist, dass § 7 Abs. 1 StVG eine Gefährdungshaftung[2]Ausführlich: BeckOGK/Walter, 1.1.2022, StVG § 7 Rn. 3, 4. vorsieht. Es ist also, im Gegensatz zu §§ 823 ff. BGB, kein Verschulden vonnöten, sodass die Voraussetzungen für ein Vorliegen geringer sind. Es genügt bereits, dass mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs eine Gefahr geschaffen wird. Vorliegend könnte man durchaus in vertretbarer Weise einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG auch kurz anprüfen. Dabei mag man nach herrschender Meinung auch das Vorliegen eines Kraftfahrzeugs nach § 1 StVG annehmen.[3] Koehl, in: SVR 2022, 95; Tomson/Wieland, in: NZV 2019, 446. Der Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG scheidet jedoch aufgrund dessen aus, dass A nicht Halter ist. Zudem scheidet der Anspruch auch nach § 8 Nr. 1 StVG aus, wonach § 7 Abs. 1 StVG nicht gilt, wenn „der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 Kilometer in der Stunde fahren kann“. Den Ausführungen im Sachverhalt nach liegt die Höchstgeschwindigkeit des E-Scooters bei 20 km/h, sodass die Ausnahme des § 8 Nr. 1 StVG greift. Dies hat auch das Gericht im Originalfall angeprüft und entsprechend erkannt.
I. Rechtsgutsverletzung

A müsste ein Rechtsgut des K verletzt haben. A ist mit einem E-Scooter gegen das Auto von K gekommen und hat dieses dabei beschädigt. Das Auto steht im Eigentum des K. Es liegt eine Rechtsgutsverletzung in Form einer Verletzung des Eigentums vor.

II. Verletzungshandlung

A ist mit dem E-Scooter und mit diesem gegen das Auto des K gefahren. Darin liegt ein Tun. Eine Verletzungshandlung ist gegeben.

III. Haftungsbegründende Kausalität

Die Handlung müsste auch kausal für die Rechtsgutverletzung gewesen sein. Die Kausalität bestimmt sich nach der sog. „Conditio-sine-qua-non“-Formel.[4] MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 823 Rn. 72. Danach ist Kausalität gegeben, wenn die Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Wäre A nicht mit dem E-Scooter gefahren und dabei gegen das Auto von K gekommen, wäre dieses nicht beschädigt worden. Kausalität ist gegeben. Darüber hinaus müsste auch Adäquanz des haftungsbegründenden Verhaltens für die Verursachung der Rechtsgutsverletzung gegeben sein. Es liegt nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass die Kollision zwischen einem E-Scooter und einem Auto eine Beschädigung des Autos zur Folge hat. Auch ist objektive Zurechenbarkeit gegeben. 

Haftungsbegründende Kausalität liegt vor.

IV. Rechtswidrigkeit

Die Rechtswidrigkeit wird durch die Erfüllung des Tatbestandes indiziert. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. A handelte rechtswidrig.

V. Verschulden

A müsste auch schuldhaft gehandelt haben. Maßstab ist hier § 276 BGB, wonach Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten ist. Nach dem Sachverhalt liegt Fahrlässigkeit vor, sodass grundsätzlich ein Verschulden zu bejahen wäre. Problematisch erscheint jedoch, dass A erst zwölf Jahre alt ist und zugleich in einer intensivpädagogischen Wohngruppe lebt und einen Ergänzungspfleger hat. Die Zurechnungsfähigkeit erscheint insofern problematisch. Da A nicht sein 18. Lebensjahr vollendet hat, ist § 828 BGB zu prüfen. Nach § 828 Abs. 3 BGB ist der, der das 18. Lebensjahr nicht vollendet hat und dessen Verantwortlichkeit nicht bereits nach § 828 Abs. 1,2 BGB ausgeschlossen ist, für den Schaden, dem er einen anderen zugefügt hat, nicht verantwortlich, wenn er bei Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. A hat das zehnte Lebensjahr vollendet, sodass die Abs. 1 und 2 seine Verantwortlichkeit nicht ausschließen. Er ist insofern nach § 828 Abs. 3 BGB beschränkt deliktsfähig und seine Verantwortlichkeit richtet sich nach seiner Einsichtsfähigkeit. 

Die Einsichtsfähigkeit setzt einen Stand der geistigen Entwicklung voraus, der es dem Jugendlichen ermöglicht, das Unrecht seiner Handlung und damit die Verpflichtung zu erkennen, für die Folgen seines Tuns einstehen zu müssen.[5] NJW 2024, 684 Rn. 15. Vorliegend ist A zwölf Jahre alt und lebt in einer intensivpädagogischen Wohneinheit. Ihm steht ein Ergänzungspfleger zur Seite. Mit zwölf Jahren sind Jugendliche noch in Ihrem Entwicklungsstadium und wissen oftmals nicht, was richtig und falsch ist. Darüber hinaus spricht gegen die Einsichtsfähigkeit, dass A in einer intensivpädagogischen Wohngruppe wohnt und einen Ergänzungspfleger hat und im Vergleich zu gleichaltrigen Jugendlichen eine verminderte Einsichtsfähigkeit haben könnte. 

Für eine Einsichtsfähigkeit spricht hingegen, dass A bewusst mit dem E-Scooter gefahren ist, obwohl er wusste, dass er sich dafür eigentlich hätte registrieren und die App nutzen müssen. Er hätte trotz seines Alters erkennen müssen, dass sein Handeln falsch („Unrecht“) ist, da er die vorherige Registrierung nicht abgeschlossen hat und eine Gefährlichkeit von dem Betrieb des E-Scooters ausgeht. Es genügt für das Vorliegen von Einsichtsfähigkeit, dass der Jugendliche versteht, dass seine Handlung generell gefährlich ist.[6]Ebd. Dann wird er auch wissen, dass er für ihre Konsequenzen zur Verantwortung gezogen werden kann, so dass es auf die Voraussicht der konkret eingetretenen Schadensfolgen nicht ankommt.[7]Ebd. Zudem kann nicht per se bzw. pauschal aus dem Umstand, dass A in einer pädagogischen Wohneinheit untergebracht ist und einen Pfleger hat, eine verminderte Einsichtsfähigkeit innehat. 

Die Zurechnungsfähigkeit ist zu bejahen. Verschulden des A ist gegeben. 

Anmerkung: Andere Ansicht vertretbar
In einer Klausur werden hier ggf. weitere/andere Argumente gegen/für die Einsichtsfähigkeit angeführt, die entsprechend zu würdigen sind. Wichtig ist, dass Sie diese Argumente nutzen und würdigen. Das Ergebnis ist dann zumeist zweitrangig, wobei Sie klausurtaktisch denken sollten.
VI. Schaden

Darüber hinaus müsste ein Schaden entstanden sein. Unter Schaden wird ein unfreiwilliges Vermögensopfer verstanden. K ist ein Schaden am Auto in Höhe von € 80,00 entstanden. Diesen kann er nach § 249 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen. Auch kann er pauschal € 25,00 für seine Kosten als Schaden geltend machen. Ein Schaden in Höhe von insgesamt € 105,00 ist gegeben. 

Vernetztes Lernen: Kostenpauschale
Der Grundsatz ist, dass Schäden konkret vorzutragen und zu beziffern sind. Eine Ausnahme bildet hier die anerkannte Kostenpauschale bei Verkehrsunfällen: „Soweit bei Abwicklung von Verkehrsunfallschäden von näherem Vortrag zu entstandenen Kosten abgesehen und dem Geschädigten eine Auslagenpauschale ohne konkreten Sachvortrag zuerkannt wird, ist dies dem Umstand geschuldet, dass es sich bei der Regulierung von Verkehrsunfällen um ein Massengeschäft handelt, bei welchem dem Gesichtspunkt der Praktikabilität besonderes Gewicht zukommt. Eine generelle Anerkennung einer solchen Pauschale für anderweitige Schadensfälle ohne nähere Darlegung der getätigten Aufwendungen lehnt die Rechtsprechung ab.[8] Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Wimber, 28. Aufl. 2024, BGB § 249 Rn. 252.“ Mit der Kostenpauschale sollen insbesondere pauschal Kosten für Kommunikation abgedeckt werden (Porto, Telefon…). Als Höhe hat sich in der Rechtsprechung über die Jahre ein Betrag von € 20,00 – € 25,00 herausgebildet. In einer Klausur muss dies zumeist nicht in dieser Ausführlichkeit dargestellt werden, es sei denn, dass der Sachverhalt darauf abzielt.
VII. Haftungsausfüllende Kausalität

Haftungsausfüllende Kausalität liegt vor. 

VIII. Rechtsfolge

K hat einen Anspruch auf Zahlung von € 105,00 gegen A aus § 823 Abs. 1 BGB.

B. Anspruch gegen F-GmbH

Darüber hinaus könnte A einen Anspruch gegen F-GmbH haben. 

Anspruchsgrundlage könnte hier § 7 Abs. 1 StVG sein. Der E-Scooter ist ein Kraftfahrzeug nach § 1 StVG und die F-GmbH ist die Halterin des Fahrzeugs. Auch war der E-Scooter in Betrieb und es wurde mit dem Auto des K eine Sache beschädigt. Jedoch gilt § 7 Abs. 1 StVG aufgrund § 8 Nr. 1 StVG nicht [9]Vgl. dazu bspw. auch: https://examensgerecht.de/verkehrssicherungspflichten-beim-aufstellen-von-e-rollern\, da der Roller nicht schneller als 20 km/h fahren kann. Ansprüche gegen F-GmbH sind nicht gegeben.

Anmerkung: Verkehrssicherungspflichten der F-GmbH
Je nach Ausgestaltung des Sachverhalts können hier noch Verkehrssicherungspflichten der F-GmbH angedacht werden. Dafür bietet der Sachverhalt hier aber keine Anhaltspunkte.

C. Ansprüche gegen V-AG

K könnte jedoch gegen die Haftpflichtversicherung V-AG einen Anspruch haben. Ein solcher ergibt sich vorliegend aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.  Bei dem A geführten E-Scooter handelt es sich um ein Kraftfahrzeug gem. § 1 StVG, für welches eine Versicherungspflicht gem. § 1 S. 1 PflVG besteht. In Verbindung mit dem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB (unter A., s. oben) besteht insofern auch ein Anspruch gegen die V-AG. 

D. Gesamtergebnis

Mithin hat K somit einen Anspruch gegen A aus § 823 Abs. 1 BGB und gegen die V-AG aus § 115 Abs. 1 VVG. A und die V-AG haften nach § 115 Abs. 1 S. 4 VVG als Gesamtschuldner.

Frage 2:

A. Anspruch aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 7 Abs. 1 StVG

K könnte einen Anspruch gegen die X-AG auf Zahlung von € 50.000,00 haben. Zwischen K und der X-AG bzw. dessen Versicherungsnehmer, dem D, gibt es keinerlei vertragliche noch anderweitige Beziehungen. Es kommt ein deliktischer Anspruch in Betracht.

Anmerkung: Weitere Anspruchsgrundlagen
Durch die Ausführungen im Sachverhalt, dass kein Verschulden des D gegeben ist bzw. die Ursache des Brandes nicht ermittelt werden kann, wird bereits deutlich, dass hier ausschließlich ein Anspruch aus Gefährdungshaftung in Betracht kommen kann; §§ 823 ff. BGB scheiden aus.

Ein Anspruch gegen die Versicherung könnte sich aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 7 Abs. 1 StVG ergeben.

I. Voraussetzung des § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG

Zunächst müsste ein etwaiger Anspruch gegen die X-AG gerichtet werden können. Dies ist der Fall, da die X-AG als Haftpflichtversicherin nach § 1 S. 1 PflVG des potenziellen Schädigers fungiert.

II. Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG gegen D

Dies setzt voraus, dass K einen Anspruch gegen den D hätte. Ein solcher könnte sich aus § 7 Abs. 1 StVG ergeben. § 7 Abs. 1 StVG setzt eine Rechtsgutverletzung bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs voraus. 

1. Kraftfahrzeug

Kraftfahrzeug ist in § 1 Abs. 2 StVG legaldefiniert. Kraftfahrzeuge sind danach Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Dies ist bei D’s Auto der Fall. Ein Kraftfahrzeug ist gegeben.

Vernetztes Lernen: Kraftfahrzeug
Sofern es sich nicht um ein klassisches Auto handelt, sollte stets auch noch § 1 Abs. 3 StVG sowie § 8 StVG geprüft werden. Diese Normen grenzen den Begriff des Kraftfahrzeugs ein (§ 1 Abs. 3 StVG) bzw. beschränken den Anwendungsbereich der üblichen Anspruchsgrundlage des § 7 Abs. 1 StVG hinsichtlich bestimmter Kraftfahrzeuge (§ 8 StVG). Sofern nach der Prüfungsordnung erlaubt, kann ein Verweis auf § 8 StVG neben § 1 Abs. 3 StVG oder § 7 Abs. 1 StVG angedacht werden.
2. Rechtsgutsverletzung

Es müsste eine Rechtsgutsverletzung gegeben sein. In § 7 Abs. 1 StGB ist auch die Beschädigung einer Sache enumerativ als mögliche Rechtsgutsverletzung aufgeführt. Dies ist vorliegend einschlägig. Das Auto des K ist vollständig ausgebrannt. Eine Rechtsgutsverletzung ist gegeben.

3. Bei Betrieb

Ferner müsste das Kraftfahrzeug des D auch bei der Rechtsgutsverletzung im Betrieb gewesen sein. Hier werden verschiedene Auffassungen vertreten. Nach einer Ansicht soll „im Betrieb“ dann gegeben sein, wenn der Motor des Kraftfahrzeugs eingeschaltet ist und es sich infolgedessen fortbewegt. Nach dieser Ansicht läge die Voraussetzung „im Betrieb“ nicht vor. 

Nach einer anderen Auffassung genügt es bereits, wenn es sich im öffentlichen Verkehrsbereich bewegt oder in irgendeiner verkehrsbeeinflussenden Art und Weise ruht. Danach wäre das Tatbestandsmerkmal weiter auszulegen. Ein Schaden wäre demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat.[10]Ebd. Grundsätzlich kann auch das Parken eines Autos zur Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals ausreichen.[11]Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Burmann, 28. Aufl. 2024, StVG § 7 Rn. 6. Die Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle allein rechtfertigt aber noch nicht die Annahme, ein Schaden sei bei dem Betrieb dieses Fahrzeugs entstanden; erforderlich ist vielmehr, dass der Betrieb dieses Fahrzeugs zu dem Entstehen des Schadens beigetragen hat.[12]NJW 2024, 1037 Rn. 12.

Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.[13]NJW 2024, 1037 Rn. 6. Im Falle eines Fahrzeugbrandes reicht allein der Umstand, dass Kraftfahrzeuge wegen der mitgeführten Betriebsstoffe oder der verwendeten Materialien leicht brennen, nicht aus, um eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG zu begründen.[14]Ebd. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Brand als solcher in irgendeinem ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht.[15]Ebd. Dies ist hier nicht ersichtlich. Vielmehr ist unklar, wie der Brand entfachte. 

Auch nach der weiteren Auffassung liegt insofern das Tatbestandsmerkmal „im Betrieb“ nicht vor. Ein Streitentscheid ist nicht vonnöten.[16] Vgl. für mögliche Argumente bei einem Streitentscheid: https://examensgerecht.de/abgestellt-und-abgebrannt/#III_Bei_dem_Betrieb_eines_Kraftfahrzeuges.

B. Ergebnis

Ein Anspruch nach § 7 Abs. 1 StVG ist nicht gegeben, da es am Tatbestandsmerkmal „im Betrieb“ fehlt. Somit scheitert auch ein Anspruch aus § 115 Abs. 1 VVG gegen die X-AG. 


Zusatzfragen

Wonach richtet sich der Innenausgleich nach Par. 115 Abs. 1 S. 4 VVG? Welche Probleme können hier entstehen?
Auf das Gesamtschuldverhältnis finden grundsätzlich die bekannten Regeln der §§ 421 ff. BGB Anwendung. Dies heißt auch, dass die Versicherung ihre/ihren Versicherungsnehmer/in in Regress nehmen kann.
In Klausuren ergibt sich hieraus dann häufig das Problem der gestörten Gesamtschuld. Wie bei Vorliegen jedwelcher Gesamtschuld sollte insbesondere auch in diesen Konstellationen, in denen aus SGB oder VVG Ansprüche hergeleitet werden, geschaut werden, ob eine der beteiligten Personen ggf. privilegiert ist und die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld Anwendung finden könnten – denn dies ist regelmäßig Schwerpunkt einer Klausur.[17] Vgl. dazu insbesondere: Fischinger/Schröer, in: JA 2022, 982.

Zusammenfassung

1. Beschädigt ein in einer intensivpädagogischen Wohngruppe untergebrachter Zwölfjähriger mit Ergänzungspfleger ein Auto mit einem E-Scooter, kann die erforderliche Einsichtsfähigkeit vorliegen, wenn er erkannt hat, dass er den E-Scooter mangels App, Registration und Freischaltung unberechtigt und in verbotener Weise nutzt. 

2. Gerät ein Fahrzeug in Brand, so ist eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG nicht allein deswegen begründet, dass Kraftfahrzeuge wegen der mitgeführten Betriebsstoffe oder der verwendeten Materialien leicht brennen. Daraus alleine verwirklicht sich nicht die Gefährdungshaftung. Vielmehr ist erforderlich, dass der Fahrzeugbrand in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht. 


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