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„Du navigierst, ich zerquetsche!“

BGH, Beschluss vom 15.08.2023 – 4 StR 227/23, BeckRS 2023, 41499

Sachverhalt

A und sein Bruder B fassen den Plan, den verhassten O zu töten. B steuert den auf A zugelassenen und in dessen Eigentum stehenden PKW während A auf der Rückbank sitzt und B zum Aufenthaltsort des O navigiert. Als A den O auf dem Bürgersteig entdeckt, weist er B an, absprachegemäß mit 25 km/h auf den O zuzufahren, um diesen zwischen PKW und Hausfassade zu zerquetschen. Der Bürgersteig befindet sich unmittelbar neben der Fahrbahn, auf der B das Fahrzeug führt und es befinden sich keinerlei andere Fahrzeuge, Radfahrer oder Fußgänger in der Nähe. O gelingt es jedoch in letzter Sekunde auf das Autodach zu springen und sich über das Fahrzeug abzurollen. Er bleibt unverletzt und kann sofort flüchten und außer Sichtweite von A und B gelangen. Als A und B das erkennen, begeben sie sich sofort zu ihrem Haus zurück, um unentdeckt zu bleiben.

Strafbarkeit von A nach dem StGB? (§ 211 StGB ist nicht zu prüfen.)

      


Skizze

Gutachten

A. Strafbarkeit des A gem. §§ 212 I, 22, 23 I, 25 II StGB

A könnte sich des versuchten Totschlags in Mittäterschaft gem. §§ 212 I, 22, 23 I, 25 II StGB strafbar gemacht haben, indem er mit dem B plante, den O mit dem Fahrzeug an der Hauswand zu zerquetschen und O lediglich im letzten Moment ausweichen konnte.

I. Vorprüfung

Der Versuch ist gem. §§ 23 I, 12 I StGB strafbar, weil es sich bei dem Totschlag um ein Verbrechen (Mindestfreiheitsstrafe über ein Jahr) handelt. Da O ausweichen konnte und unverletzt blieb, bleibt der Totschlag unvollendet.

II. Tatbestand

1. Tatentschluss/Tatplan

A und B planten gemeinsam den O mittels des von A navigierten und von B geführten Fahrzeugs zu zerquetschen. Sie hatten jeweils Tatentschluss hinsichtlich des Todes des O. Auch planten sie eine gemeinsame Tatausführung der Tat, bei der beide ihren Tatbeitrag im Ausführungsstadium der Tat erbringen wollten: Der B sollte die Tötung durch das Führen des Fahrzeugs steuern; der A sollte einen zentralen (tatherrschaftlichen) Tatbeitrag durch die Bereitstellung des Fahrzeugs (noch im Vorbereitungsstadium) und sodann durch die Navigation im Einzelnen erbringen. Daher planten A und B auch die gemeinsame Tatausführung und damit die mittäterschaftliche Begehung (§ 25 II StGB). 

Anmerkung: Strenge und gemäßigte Tatherrschaftslösung
Vgl. zum Streit, ob es für eine funktionelle Tatherrschaft ausreicht, wenn der Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium erbracht werden soll, den Beitrag „Wer wird Millionär?“

2. Unmittelbares Ansetzen

A müsste zur Tat auch unmittelbar angesetzt haben. Unmittelbares Ansetzen ist das subjektive Übertreten der Schwelle zum „Jetzt-geht´s-los“ während objektiv keine weiteren wesentlichen Handlungsakte notwendig sind, um in die objektive Verwirklichung des Tatbestandes einzumünden. Bei der mittäterschaftlichen Begehung ist indessen fraglich, ob es für ein unmittelbares Ansetzen darauf ankommt, dass einer der Mittäter unmittelbar ansetzt (sog. Gesamtlösung) oder ob es für jeden Mittäter einzeln entscheidend ist, dass zum Tatbeitrag unmittelbar angesetzt wird (sog. Einzellösung). Hier hat A seinen Tatbeitrag in Form der Navigation jedenfalls schon selbst erbracht, sodass er zu seinem individuellen Tatbeitrag angesetzt hat. Daher liegt auch nach der strengeren Einzellösung ein unmittelbares Ansetzen vor und eine Stellungnahme ist entbehrlich. 

Anmerkung: Unmittelbares Ansetzen bei mittelbarer Täterschaft
Für die Frage, wann bei einer mittelbaren Täterschaft unmittelbar angesetzt wird vgl. die Beiträge „Vergiftete Babygläschen“ und „Süßes für Saures“.

II. Rechtswidrigkeit

A handelt rechtswidrig.

III. Schuld

A handelt auch schuldhaft. 

IV. Rücktritt

Ein Rücktritt gem. § 24 II StGB muss ausscheiden, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist. Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn der Täter die Tat aus dem Rücktrittshorizont, also nach seiner Vorstellung während der Tat, nicht mehr mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vollenden kann. Da O sofort flieht, können A und B die Tat nach ihrem Plan (tödliche Zerquetschung des O mit dem Fahrzeug) nach ihrer Vorstellung nicht mehr vollenden, sodass der Versuch fehlgeschlagen ist und eine gemeinsame Aufgabe des Tatplans nicht zu einem strafbefreienden Rücktritt führen kann. 

Anmerkung: Rücktritt nach Para. 24 II StGB bei mittelbarer Täterschaft
Vgl. zur Frage, ob sich ein Rücktritt des mittelbaren Täters (stets) nach § 24 II StGB richtet, den Beitrag „Vergiftete Babygläschen“.

V. Ergebnis

A hat sich gem. §§ 212 I, 22, 23 I, 25 II StGB strafbar gemacht. 

B. Strafbarkeit des A gem. §§ 315b I Nr. 3, III i.V.m. § 315 III Nr. 1 a), 25 II StGB 

A könnte sich des mittäterschaftlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in einem besonders schweren Fall gem. §§ 315b I Nr. 3, III i.V.m. § 315 III Nr. 1 a), 25 II StGB strafbar gemacht haben, indem er das Fahrzeug navigierte und B auf O zufuhr, um ihn zwischen Fahrzeug und Hausfassade zu zerquetschen.

I. Tatbestand

1. Öffentlicher Straßenverkehr

Zunächst müsste sich das Geschehen im öffentlichen Straßenverkehr ereignet haben. Der Begriff „Straßenverkehr“ umfasst jede Verkehrsart auf für jedermann bestimmten Straßen, Wegen und Plätzen. Darunter fällt auch der für jedermann zugängliche Bürgersteig, wie der, auf dem sich O bewegt. Daher liegt ein öffentlicher Straßenverkehr vor. 

2. Handlungsteil: Ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff (Nr. 3)

Sodann müsste A die Sicherheit des Straßenverkehrs abstrakt durch einen zu § 315b I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB ähnlichen und ebenso gefährlichen Eingriff beeinträchtigt haben. Ein solcher Eingriff könnte im Befahren des Bürgersteiges durch B zu sehen sein, um den O zu töten, der dem A im Rahmen der Mittäterschaft zuzurechnen sein könnte. 

a) Verkehrsfremder Inneneingriff

Fraglich ist aber, inwiefern die Gefährdungshandlungen des § 315b I StGB auf Eingriffe in den Straßenverkehr von außen begrenzt sind. Ein solcher Ausschluss von Inneneingriffen ergibt sich dabei zwar nicht aus dem Wortlaut des § 315b I StGB, jedoch (insbesondere) aus einem systematischen Blick auf § 315c StGB. Denn § 315c StGB soll Handlungen erfassen, die aus dem Straßenverkehr selbst vorgenommen werden und durch die Außerachtlassung von Straßenverkehrsregeln gefährlich sind. Aus dieser systematischen Perspektive ergibt sich ein Exklusivitätsverhältnis zwischen § 315b StGB und § 315c StGB

Fraglich ist aber, ob sich der Eingriff des B derart vom Bild einer Außerachtlassung von Verkehrsregeln entfernt, dass es sich nicht mehr um einen Inneneingriff i.S.v. § 315c StGB handelt. Eine Ausnahme ist nämlich dann anzunehmen und dem § 315b StGB zuzuordnen, wenn es sich um einen verkehrsfeindlichen Inneneingriff handelt. Voraussetzung für diese Ausnahme ist es, dass es sich um eine grobe Einwirkung auf den Straßenverkehr handelt, eine Pervertierungsabsicht i.S.e. bewussten Zweckentfremdung des Fahrzeugs als Waffe oder Verletzungswerkzeug vorliegt und der Fahrer eventualvorsätzlich hinsichtlich einer Schädigung handelt.[1]BGH BeckRS 2023, 41499, Rn. 7; Eisele, JuS 2024, 471, 472; abw. König, in: LK-StGB, § 315b Rn. 13 ff., 41 ff. Um eine grobe Einwirkung in Pervertierungsabsicht bei – sogar – Tötungsabsicht handelt es sich beim Zufahren auf den O. Daher handelt es sich um einen verkehrsfeindlichen Inneneingriff, der dem § 315b StGB zuzuordnen ist.

b) Mittäterschaftliche Zurechnung gem. § 25 II StGB

Darüber hinaus müsste dem A auch der verkehrsfremde Eingriff des B mittäterschaftlich zurechenbar sein. A und B hatten jedenfalls den gemeinsamen Tatplan, das Fahrzeug als Schädigungswerkzeug zu pervertieren und erbrachten beide ihre Tatbeiträge (Führen des Fahrzeuges durch B und Navigation durch A) während des Ausführungsstadiums. Fraglich ist indessen, ob tatbestandliche Besonderheiten, namentlich die Eigenhändigkeit des Delikts, einer mittäterschaftlichen Zurechnung entgegenstehen. Ein eigenhändiges Delikt ist dadurch gekennzeichnet, dass die Täterschaft an eine bestimmte Ausführungshandlung gebunden ist, sodass das maßgebliche Unrecht in einem eigenen verwerflichen Tun liegt und nicht in erster Linie aus der Gefährdung oder Verletzung eines Rechtsguts hergeleitet wird.[2]BGH BeckRS 2023, 41499, Rn. 9. Grundsätzlich ergibt sich aus der tatbestandlichen Fassung des § 315b I StGB, dass das Delikt durch jedermann und besonders deutlich ausweislich des § 315b I Nr. 3 StGB durch jede mögliche Ausführungshandlung begangen werden kann. Ein anderes könnte sich lediglich mit einem erneuten Blick auf § 315c I StGB daraus ergeben, dass es sich eben weiterhin um einen (wenn auch verkehrsfremden) Inneneingriff handelt, bei dem die situative Eigenschaft als Fahrzeugführer vorausgesetzt wird. Überzeugend ist es aber, das Eigenhändigkeitserfordernis bei § 315c StGB nicht in der Sonderkonstellation des verkehrsfeindlichen Inneneingriffs auf § 315b StGB zu übertragen. Denn der spezifische Unrechtsgehalt dieser Fallkonstellation liegt darin, dass das Fortbewegungsmittel gerade nicht mehr verkehrstypisch verwendet, sondern als Fremdkörper im Straßenverkehr zu Zwecken der Nötigung oder Verletzung eingesetzt wird.[3]BGH BeckRS 2023, 41499, Rn. 12. Auch bei systematischer Auslegung legt ein Blick auf § 315c StGB nahe, dass die gesetzliche Fassung des § 315b StGB gerade einen anderen Anknüpfungspunkt wählt, nämlich die Pervertierung durch jedermann, nicht nur durch verkehrstypische Regelverstöße von Fahrzeugführern.[4]BGH BeckRS 2023, 41499, Rn. 13. Daher ist auch in der Konstellation des verkehrsfeindlichen Inneneingriffs keine Eigenhändigkeit der Tatausführung zu verlangen, die eine Begehung in Mittäterschaft oder mittelbarer Täterschaft ausschließen würde. 

Vernetztes Lernen: Zum besseren Verständnis folgender Fall: A will (dem bzgl. Alkohol unerfahrenen) B eine Lektion erteilen. Er schüttet B in seinen zuckersüßen Morgen-Smoothie 300ml Vodka. B fährt danach mit 1,1 pro Mille BAK von ihm unbemerkt und ohne besondere Vorkommnisse zur Arbeit. Strafbarkeit von A und B nach dem StGB?
An diesem kleinen Fall zeigt sich ein „Normalfall“ der Eigenhändigkeit. B macht sich mangels Vorsatzes hinsichtlich seiner absoluten Fahruntüchtigkeit nicht gem. § 316 StGB strafbar. Bei A ist §§ 316 I, 25 I Alt. 2 StGB zu prüfen. Grundsätzlich verursacht er die vorsatzlose Fahruntüchtigkeit des B und besitzt Tatherrschaft aus überlegenem Wissen. Jedoch handelt es sich bei § 316 I StGB um ein eigenhändiges Delikt, das die bestimmte Ausführungshandlung des Fahrzeugführens voraussetzt. Diese Ausführungshandlung nimmt lediglich der B vor, sodass eine Begehung durch A in mittelbarer Täterschaft ausscheiden muss.

3. Abstrakte Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs

Aus dem Eingriff, hier dem verkehrsfeindlichen Inneneingriff, müsste sich auch eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs, mithin eine abstrakte Gefährdung ergeben. Versteht man diese abstrakte Gefährdung als ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal, so kann es zur Bejahung nicht ausreichen, dass eine konkrete Gefährdung eines Individuums vorliegt, wenn es sich um einen verkehrsfeindlichen Inneneingriff handelt. Die Gefährdung des Straßenverkehrs darf sich gerade nicht in einer konkreten Gefährdung eines Individuums erschöpfen. In diesen Fällen, in denen die allgemeine Gefährdung ausgeschlossen ist, repräsentiert das einzeln ausgewählte Opfer nicht länger das Allgemeinrechtsgut der Sicherheit des Straßenverkehrs.[5]Kudlich, in: BeckOK-StGB, 61. Ed., § 315b Rn. 24; anders BGH NJW 2003, 836, 838; König, in: LK-StGB, § 315b Rn. 60; Pegel, in: MüKo-StGB, § 315b Rn. 4.

Vernetztes Lernen: Zur Klarheit: Wie lassen sich die Gefahrbegriffe der Para. 315b f. StGB demnach abschichten?
In einem ersten Schritt ist die abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs festzustellen („Beeinträchtigung der Sicherheit“), um sodann zu fragen, ob sich eine Verdichtung der abstrakten Gefahr für Individualrechtgüter ergibt („dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet“).
In aller Regel wird man mit Vorliegen einer konkreten Individualgefahr erst recht eine abstrakte Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs annehmen können. Nach hier vertretener Ansicht liegt es vorliegend aber gerade bei dem (seltenen) Ausnahmefall, dass zwar eine konkrete Gefahr für Leib und Leben von O vorliegt, nicht aber eine abstrakte Gefahr für den Straßenverkehr und damit andere Verkehrsteilnehmer, die darüber hinaus geht. Eine andere Ansicht, die in der abstrakten Gefährlichkeit für die Sicherheit des Straßenverkehrs kein eigenständiges Merkmal erkennen will oder eine Repräsentation der abstrakten Gefahr in der konkreten Gefahr sieht, ist ebenso vertretbar (und h.M.). Dann wäre hier nach der konkreten Gefährdung noch ein gefahrspezifischer Zusammenhang zu bejahen (vgl. dazu den Beitrag „Steinschlag“). Anschließend wäre noch die Erfolgsqualifikation (Vorsatz-Vorsatz-Kombination) des § 315b III i.V.m. § 315 III Nr. 1a zu prüfen.
So geht schließlich auch der BGH in seiner Entscheidung vor, der die abstrakte Gefährdung nicht weiter problematisiert.[6]BGH BeckRS 2023, 41499, Rn. 7. Das dürfte schon daran liegen, dass sich in den Feststellungen keine Angaben dazu finden, dass weitere Verkehrsteilnehmer ersichtlich waren und damit eine verdichtete Gefährdung für weitere Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Insofern wurde der Sachverhalt angereichert, um für dieses unscheinbare Problem zu sensibilisieren. Aber selbst bei entsprechenden Feststellungen scheint fraglich, ob der BGH mit der bisherigen Linie der Rechtsprechung gebrochen hätte und dem abstrakten Gefährdungsmerkmal eine derartige Bedeutung beigemessen hätte.

II. Ergebnis

A hat sich nicht gem. §§ 315b I Nr. 3, III i.V.m. § 315 III Nr. 1 a), 25 II StGB strafbar gemacht.

Vernetztes Lernen: Konkurrenzen bei abweichendem Ergebnis
Geht man mit der h.M. und gesteht dem eigenständigen Merkmal der abstrakten Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs in der Konstellation des auf die Schädigung eines Individuums zielgerichteten verkehrsfeindlichen Inneneingriff kein derartiges Restriktionspotenzial zu, so ist abschließend festzustellen, dass zwischen §§ 212 I, 22, 23 I, 25 II StGB und §§ 315b I Nr. 3, III i.V.m. § 315 III Nr. 1 a), 25 II StGB eine tateinheitliche Verurteilung (keine Gesetzeskonkurrenz) vorzunehmen ist.

Zusatzfragen

1. Handelt es sich im Ausgangsfall um einen versuchten Mord wegen der Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels?
Ein gemeingefährliches Mittel liegt vor, wenn das Tatwerkzeug in der konkreten Tatsituation geeignet ist, eine Mehrzahl von Menschen an Leib oder Leben zu gefährden, weil der Täter seine Wirkungsweise und damit die Ausdehnung der Gefahr nicht beherrschen kann. Das Tatwerkzeug eines PKW kann nach den Umständen des Einzelfalles in der Lage sein, eine Leibes- oder Lebensgefahr für eine Mehrzahl von Menschen herbeizuführen, etwa wenn der Täter rasend in eine Menschenmenge steuert, auch wenn er nur eine Person treffen will und tatsächlich trifft. Im vorliegenden Fall fehlt es aber an einer entsprechenden Verwendung als Tötungswerkzeug, wenn eine Einzelperson auf einem Bürgersteig identifiziert wird und gezielt an der Hauswand zerquetscht werden soll, wenn sich ansonsten keinerlei andere Fahrzeuge, Radfahrer oder Fußgänger in der Nähe befinden.
2. Hätte sich B gem. Para. 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB strafbar gemacht, wenn er O bei sehr langsamer Fahrt angefahren hätte und O infolge eines Sturzes eine schwere Platzwunde erlitten hätte?
Problematisch wird bei der Prüfung der §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB an zwei Stellen, dass die Verletzung erst durch eine Sturzverletzung infolge des Ausweichens verursacht wird:
Erstens ist im Rahmen der objektiven Zurechnung (§ 223 StGB) zu fragen, ob es sich nicht um eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung handelt. Parallelen lassen sich hier zu den Verfolgungs- und Flucht-Fällen ziehen. Eine Zurechnung zum Täter soll dann noch möglich sein, wenn es sich um eine objektiv nachvollziehbare Flucht- bzw. Ausweichreaktion handelt. Das ist bei dem – wohl auch schon nur reflexhaften – Ausweichmanöver der Fall.
Zweitens stellt sich die Frage, ob die Verletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs i.S.v. § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB begangen wurde. Bei dem Fahrzeug handelt es sich, erst einmal pervertiert als Verletzungswerkzeug, um einen körperlichen Gegenstand, der durch seine objektive Beschaffenheit geeignet ist erhebliche Verletzungen zuzufügen. Problematisch ist indessen, ob die Körperverletzung (Platzwunde) auch „mittels“ des gefährlichen Werkzeugs begangen wurde. Die Rechtsprechung verneint in den Fahrzeug-Fällen den Qualifikationstatbestand bei Verletzungen, die nicht durch einen unmittelbaren physischen Kontakt mit dem Werkzeug entstehen und beruft sich auf den Wortlaut.[7]BGH NJW 2013, 2133, 2135; NStZ 2007, 405; 2012, 697; 2014, 36; 2016, 72; krit. differenzierend Eckstein, NStZ 2008, 125, 127 f.

Zusammenfassung

1. Ein verkehrsfeindlicher Inneneingriff ist exklusiv dem § 315b I Nr. 3 StGB (und nicht § 315c StGB) zuzuordnen. Voraussetzung ist eine Absicht zur Pervertierung als Verletzungswerkzeug und ein Schädigungsvorsatz. 

2. Konsequenz einer Zuordnung zu § 315b I StGB ist, dass anders als bei § 315c StGB eine Begehung in Mittäterschaft oder mittelbarer Täterschaft möglich ist, weil es sich nicht um ein eigenhändiges Delikt handelt.

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