highlight_off
Die unrenovierte Wohnung
BGH, Urteil vom 08.07.2020 – VIII ZR 163/18, NJW 2020, 3517

Sachverhalt

M mietet seit dem 1. März 2002 von V eine Wohnung in Berlin-Charlottenburg. Zunächst enthielt der im Januar 2002 geschlossene Mietvertrag, welchen V einem Formularbuch entnommen und bereits bei einigen anderen Mietverhältnissen benutzt hat, eine Klausel, wonach das Mietverhältnis erst nach einer Renovierung durch V beginnen solle. Diese Klausel wurde jedoch einvernehmlich gestrichen und der Mietbeginn auf ein festes Datum, den 1. März 2002 festgesetzt. Die Wohnung befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem unrenoviertem Zustand. Die Parteien hielten dies in einem Übergabeprotokoll fest. 

Der Mietvertrag enthält in § 6 Abs. 4.4 und 4.5 die folgenden Regelungen über Schönheitsreparaturen:

„4.4 Der Mieter übernimmt die Schönheitsreparaturen der Mieträume.
4.5 Zu den Schönheitsreparaturen gehören […] bei gestrichenen Holzdielen auch das deckende Lackieren der Böden im vorhandenen Ton, [es folgt eine Aufzählung der außerdem vorzunehmenden Arbeiten].“

Außerdem regelt der Mietvertrag in § 7 unter der Überschrift „Mietsache“ das Folgende: 

„1.1 Der Vermieter gewährt den Gebrauch der Mietsache in dem Zustand der Übergabe.
1.2 Der Mieter versichert, dass er den Mietgegenstand ausreichend besichtigt hat. Er übernimmt den Mietgegenstand – wie er steht und liegt – im besichtigten Zustand und erkennt den Mietgegenstand als vertragsgemäß an.“

Im Laufe der Jahre verschlechterte sich der Zustand der Wohnung weiter. Die M forderte den V daher mit Schreiben vom 31. März 2016 unter Übersendung eines Kostenvoranschlags in Höhe von 8.000 € auf, darin im Einzelnen bezeichnete Renovierungsmaßnahmen (Tapezieren, Anstricharbeiten, …) bis spätestens 1. Mai 2016 ausführen zu lassen. (Bearbeitervermerk: Es ist davon auszugehen, dass dabei die Hälfte dieser Kosten für die Beseitigung von im Jahre 2002 bereits vorhandenen Abnutzungen anfällt.)

V weigerte sich und teilt mit er, sei höchstens zu einer anteiligen Zahlung bereit. M verlangt nunmehr die Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 8.000 €, um die Arbeiten selbst durchzuführen bzw. durchführen zu lassen. Hat M gegen V den geltend gemachten Anspruch?  


Skizze


Gutachten

Anspruch aus § 536a II Nr. 1 BGB 

M könnte gegen V einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 8.000 € aus § 536a II Nr. 1 BGB haben. 

I. Mietvertrag, § 535 BGB

M und V schlossen im Januar 2002 einen Mietvertrag gem. § 535 BGB über die Wohnung in Berlin-Charlottenburg. 

II. (P) Sachmangel, § 536 I 1 BGB

Es müsste ein Sachmangel gem. § 536 I 1 BGB vorliegen. Ein Mangel der Mietsache ist dann gegeben, wenn deren tatsächlicher Zustand, der sog. Ist-Zustand, für den Mieter nachteilig vom vertraglich vorausgesetzten Zustand, dem sog. Soll-Zustand, abweicht. [1]so etwa BGH NJW 2019, 507 Rn. 21.

1. Soll – Zustand

Der Soll-Zustand der Wohnung ergibt sich hier aus § 7 des Mietvertrages. Die Parteien einigten sich darin dahingehend, dass derjenige Zustand, in dem sich die Wohnung zum Zeitpunkt der Übergabe am 1. März 2002 befand, der vertraglich vorausgesetzte Zustand sein soll. Explizit hat M die Wohnung besichtigt und übernahm diese in dem damals vorliegenden und von den Parteien auch so protokollierten Zustand. Zu dieser Zeit war die Wohnung unrenoviert. Dies wird auch dadurch gestützt, dass die zunächst vorgesehene Renovierung durch V einvernehmlich wieder aus dem Mietvertrag gestrichen und durch ein konkretes Datum ersetzt wurde. Damit ist der unrenovierte Zustand bei Überlassung am 1. März 2002 der vertragsgemäße Soll-Zustand. 

2. Ist – Zustand

Die Wohnung befindet sich in einem Zustand, bei welchem es zusätzlich zu den bereits bei Überlassung vorhandenen Abnutzungen zu weiteren Verschlechterungen gekommen ist. Es könnte anzunehmen sein, dass diese weitere Verschlechterung unbeachtlich sei. Hierfür könnte sprechen, dass rein graduelle Verschlechterungen des Renovierungszustandes keine maßgebliche Abweichung vom Soll-Zustand „unrenoviert“ darstellen könnten. [2]so in der Vorinstanz das LG Berlin, openJur 2020, 39774. In diesem Sinn könnte man argumentieren, dass eine Steigerung des unrenovierten Zustand nicht ohne weiteres geben sein könne. 

Es ist jedoch eine differenziertere Betrachtungsweise angezeigt. Auch bereits unrenovierte bzw. renovierungsbedürftige Wohnungen werden im Laufe des Mietverhältnisses weiter abgenutzt. [3]BGH NJW 2020, 3517 Rn 34. Die obige Verneinung der Möglichkeit eines Mietmangels in diesen Fällen ist zu pauschal und würde zu einer unbilligen Belastung des Mieters führen, der insbesondere bei langen Mietverhältnissen, bei denen eine wesentliche Erhöhung des Renovierungsbedarfs wahrscheinlich ist, diesbezüglich rechtlos gestellt wäre. [4]vgl. BGH NJW 2020, 3517 Rn. 13, 34f. Hier steht fest, dass es in der 14-jährigen und damit langen Mietdauer zu einer weiteren Verschlechterung des Zustandes der Wohnung gekommen ist. Somit liegt ein Mietmangel gem. § 536 I 1 BGB vor.  

III. Verzug des Vermieters, § 536a II Nr. 1 BGB 

V müsste mit der Beseitigung des Mangels gem. § 536a II Nr. 1 BGB in Verzug sein. Dies könnte gem. § 286 I 1 BGB der Fall sein, wenn V trotz einer Mahnung der M nicht geleistet hat. Mahnung meint dabei die eindeutige und bestimmte Aufforderung zur Leistung. [5]Ernst, in: MüKo BGB, § 286 Rn. 51. M forderte V am 31. März 2016 auf, die Renovierungsmaßnahmen bis zum 1. Mai 2016 ausführen zu lassen. Dies stellt eine eindeutige Leistungsaufforderung. Sie ist auch hinreichend bestimmt, da in ihm auf den Kostenvoranschlag Bezug genommen wird und sich aus diesem die einzelnen geforderten Arbeiten im Detail ergeben. Somit liegt eine Mahnung der M vor. Auf diese hin leistete V nicht und er befindet sich daher seitdem in Verzug. 

IV. Kein Ausschluss

Der Anspruch der M dürfte nicht ausgeschlossen sein. 

1. (P) § 6 Absatz 4.4 des Mietvertrages 

Die von M und V im Mietvertrag unter § 6 Absatz 4.4. vereinbarte Klausel könnte den Anspruch der M ausschließen. 

Anmerkung: Aufbauhinweis
Es wäre vertretbar, das Problem der Schönheitsreparaturklausel bereits auf Ebene des Verzugs (oder gar bereits beim Mangel) zu diskutieren. Schließlich kann V nur mit einer Leistung in Verzug geraten, zu der er auch verpflichtet ist. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Auswirkungen der Klausel dennoch erst hier als Ausschlussgrund geprüft. Auch der BGH legt sich nicht fest und spricht lediglich davon, dass die Klausel dem Anspruch aus § 536a II Nr. 1 BGB entgegensteht bzw. nicht entgegensteht.

In dieser Klausel vereinbaren die Parteien, dass M die – in Abs. 4.5 auch näher definierten – Schönheitsreparaturen an der Mietsache übernimmt. Dies kann jedoch nur dann zu einem Ausschluss des Anspruchs der M auf Vorschusszahlung für die Vornahme von Schönheitsreparaturen führen, wenn diese Klausel wirksam ist. 

Sie könnte gem. § 307 I BGB unwirksam sein. 

a) Anwendbarkeit

Die §§ 305 ff. BGB sind anwendbar, § 310 BGB 

b) Vorliegen von AGB

Es müsste sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) gem. § 305 I 1 BGB handeln. Dies sind Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Fällen im Voraus formuliert, einer Vertragspartei einseitig gestellt und nicht individuell ausgehandelt wurden. [6]Basedow, in: MüKo BGB § 305 Rn. 1. V hatte den im Januar 2002 geschlossenen Mietvertrag als Vorlage aus einem Formularbuch entnommen und diesen bereits mehrfach verwendet. Die Klauseln sind damit für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und wurden von V einseitig gestellt. Auch eine individuelle Anpassung durch V und M ist nicht ersichtlich. Somit liegen AGB i.S.d. § 305 I BGB vor. 

c) Einbeziehungskontrolle

Diese wurden auch gem. § 305 II Nr. 1 BGB wirksam in den Vertrag einbezogen, indem M dem von V vorgelegten Mietvertrag zustimmte.

d) Inhaltskontrolle

Ferner könnte die Schönheitsreparaturklausel einer Inhaltskontrolle gem. § 307 I BGB, welche nach § 307 III BGB eröffnet ist, nicht standhalten. Die Klausel dürfte den Vertragspartner des Verwenders, hier die M, nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Hierbei ist vor dem Hintergrund des § 307 II Nr. 1 BGB zu berücksichtigen, dass nach der gesetzlichen Regelung des § 535 I 2 BGB der Vermieter verpflichtet ist, die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zu erhalten und mithin Schönheitsreparaturen vorzunehmen. [7]vgl. BGH NJW 2018, 3302 Rn. 20. Nichtsdestotrotz wäre es für den Mieter zumutbar diese Renovierungspflicht zu übernehmen, sofern er seinerseits auch bei Übergabe eine renovierte Wohnung erhält. Hat der Vermieter dem Mieter jedoch eine unrenovierte Wohnung übergeben, so wäre die Übertragung der Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen nur dann zumutbar, wenn der Vermieter dem Mieter einen angemessenen Ausgleich gewährt, der ihn so stellt, als habe der Vermieter ihm eine renovierte Wohnung überlassen. [8]BGH NJW 2018, 3302 Rn. 20; BGH NZM 2015, 374 Rn. 15, 35 Ein solcher Ausgleich könnte etwa durch Vereinbarung einer mietfreien bzw. mietreduzierten Zeit gewährt werden. [9]BGH NZM 2015, 374 Rn. 35; vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/5663, 76 Dies ist deshalb geboten, da eine solche Schönheitsreparaturklausel den Mieter in diesem Fall zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters verpflichtet und gar dazu führen könnte, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren und in einem besseren Zustand zurückgeben müsste, als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat. [10]BGH NJW 2018, 3302 Rn. 20; BGH NZM 2015, 374 Rn. 24 Hier hat die M eine unrenovierte Wohnung erhalten. Der Mietvertrag und insb. die Klausel in § 6 Absatz 4.4 statuiert gleichwohl keine Ausgleichspflicht des V. Sie stellt daher eine unangemessene Benachteiligung für M dar und ist damit gem. § 307 I BGB unwirksam. Somit schließt die Klausel den Anspruch der M auch nicht aus. 

An die Stelle der unwirksamen AGB-Klausel tritt gem. § 306 II BGB das dispositive Gesetzesrecht des § 535 I 2 BGB, wonach V als Vermieter die Instandhaltungslast – zu der auch die Durchführung von Schönheitsreparaturen zählt – vollumfänglich zu tragen hat. [11]BGH NJW 2020, 3517 Rn. 16. Für eine ergänzende Vertragsauslegung gem. § 157 BGB, wonach M und V, hätten sie die Unwirksamkeit der Klausel antizipiert, eine Regelung getroffen hätten, wonach keine Partei zur Vornahme der Schönheitsreparaturen verpflichtet wäre, ist daneben kein Raum. Dies entspräche jedenfalls auch nicht dem für eine solche Auslegung maßgeblichen angemessenen Interessenausgleich, da M seinen Anspruch aus § 535 I 2 BGB verlieren würde.

Vernetztes Lernen: Nenne Beispiele für unwirksame bzw. problematische Schönheitsreparaturklauseln in AGB
• Starrer Fristenplan ohne Rücksicht auf Bedarf (aber vorsichtig: schon die Einfügung eines „regelmäßig“ kann dazu führen, dass kein starrer Fristenplan vorliegt [12]BGH NZM 2012, 527.
• Endrenovierungsklauseln, wenn sie den Eindruck erwecken, der Mieter müsse allein wegen der Beendigung des Mietverhältnisses renovieren, unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Schönheitsreparaturen und unabhängig von einem objektiven Renovierungsbedarf. [13]BGH NZM 2007, 921; MAH MietR, § 5 Rn. 9.
• Bei Überlassung einer unrenovierten Wohnung ohne angemessenen Ausgleich durch den Vermieter (unser Fall)
• Anfangsrenovierungsklauseln [14]MAH MietR, § 5 Rn. 9.
• Quotenabgeltungsklauseln [15]BGH NZM 2015, 424
• Farbwahlklauseln während der Mietzeit [16]BGH NZM 2012, 338.
• Weißklauseln am Ende der Mietzeit (Begrenzung auf helle, neutrale, dezente Farben zulässig) [17]BGH NZM 2011, 150.
• Verpflichtung zur Durchführung durch eine Fachfirma [18]BGH NZM 2010, 615.

2. (P) Unbillige Besserstellung der M, § 242 BGB

Der Anspruch könnte jedoch nach den Geboten von Treu und Glauben gem. § 242 BGB ausgeschlossen sein. Die Gewährung des Vorschusses zur vollumfänglichen Renovierung der Wohnung würde dazu führen, dass M im Ergebnis eine renovierte Wohnung erhalten würde, obwohl sie sich mit V im Mietvertrag auf den Soll-Zustand „unrenoviert“ geeinigt hat. Eine umfassende Renovierung würde nicht nur die von M verursachten Gebrauchsspuren, sondern auch die der Vormieter beseitigen. Die Erhaltungspflicht des Vermieters aus § 535 I 2 BGB, die auch in § 538 BGB noch einmal klargestellt wird, stellt zwar eine Dauerverpflichtung des Vermieters dar, die Mietsache während der gesamten Mietzeit in einem gebrauchstauglichen Zustand zu erhalten. Diese Verpflichtung – vorliegend in Form der Durchführung der Schönheitsreparaturen – bezieht sich jedoch nur auf den zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand. Auf diesen Zustand hat der Mieter sich eingelassen und das Vorhandensein von Gebrauchsspuren als vertragsgemäß akzeptiert. M würde durch die hier in Rede stehenden Renovierungsarbeiten eine Wohnung erhalten, die einen verbesserten Dekorationszustand aufweist und damit über den vertraglich seitens des V geschuldeten Zustand hinausgeht. [19]BGH NJW 2020, 3517 Rn. 40. Dies könnte eine unangemessene Besserstellung des M darstellen und daher zu einem Anspruchsausschluss gem. § 242 BGB führen. 

Anmerkung: Aufbauhinweis II
Auch dieses Argument auf Seiten des V könnte an anderer Stelle diskutiert werden. So könnte auch angenommen werden, dass dem V die Herstellung des ursprünglichen (unrenovierten) Zustandes unmöglich gem. § 275 I BGB ist [20]vom BGH in BGH NJW 2020, 3517 Rn. 44 angedeutet. (und er daher auch nicht mit dieser Pflicht in Verzug geraten konnte).

Allerdings wäre es wirtschaftlich gleichwohl sinnlos und praktisch auch nicht umsetzbar, wenn im Zuge der Renovierungsarbeiten lediglich der ursprüngliche, unrenovierte Zustand der Wohnung aus dem Jahre 2002 wiederhergestellt würde. [21]BGH NJW 2020, 3517 Rn. 38. Im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien kann daher allein die Durchführung von Schönheitsreparaturen sachgerecht sein, durch welche die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt wird. 

Einer unangemessenen Besserstellung der Mieterin M kann im Rahmen des § 242 BGB nicht nur durch einen vollständigen Anspruchsausschluss, sondern auch auf andere Weise begegnet werden. Nach der im Rahmen des § 242 BGB gebotenen wertenden Betrachtungsweise unter Beachtung des mietvertraglichen Äquivalenzverhältnisses entspricht es aufgrund des soeben aufgezeigten Konflikts vielmehr dem Willen redlicher, die beiderseitigen Interessen berücksichtigenden und um deren angemessenen Ausgleich bemühten Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses, dass einerseits zwar vollumfängliche Renovierungsarbeiten vorgenommen werden, der Mieter sich andererseits jedoch an den Kosten in angemessenem Umfang beteiligt. [22]BGH NJW 2020, 3517 Rn. 43f. Die Höhe der Kostenbeteiligung des Mieters beträgt hier 4.000 €, da sich die Hälfte der geltend gemachten 8.000 € auf die Beseitigung von Gebrauchsspuren der Vormieter bezieht. 

Anmerkung: Sachverhaltsergänzung
An dieser Stelle verweist der BGH mit dem Hinweis, dass eine hälftige Kostenbeteiligung wohl sachgerecht sei, an das Landgericht zurück. Wir haben den Fall an dieser Stelle durch den Bearbeitervermerk ergänzt.
Anmerkung: Aufbauhinweis III
Hier zeigt sich der wesentliche Grund dafür, die Problematik als Ausschlussgrund gem. § 242 BGB in die Prüfung einzukleiden. Der Weg von einem vollständigen Ausschluss zu einem hälftigen Ausschluss fällt so am Ende der Prüfung recht leicht. Letztlich dürfte hier aber aufbautechnisch, wie gesagt, viel vertretbar sein. Nicht umsonst heißt es auch im beck-blog: „Normativ allerdings agiert der Senat durchaus losgelöst.“[23]https://community.beck.de/2020/07/14/der-bgh-und-die-schoenheitsreparaturen-willkommen-im-richterrecht ..

Dass die Mahnung der M demgegenüber den gesamten Betrag von 8.000 € einfordert, ist unschädlich, da V sich auf die Kostenbeteiligung nach § 242 BGB berufen muss, vgl. § 273 BGB. [24]BGH NJW 2020, 3517 Rn. 48. Dies hat V getan, indem er erklärte, lediglich zu einer hälftigen Zahlung bereit zu sein, jedoch erst nach der Mahnung der M.

Somit ist der Anspruch der M in Höhe von 4.000 € gem. § 242 BGB ausgeschlossen. 

V. Rechtsfolge

Das Begehren der M nach einem Vorschuss für die Beseitigungsaufwendungen ist auch von der Rechtsfolge des § 536a II Nr. 1 BGB gedeckt. Der Mieter kann nicht nur im Nachhinein Aufwendungsersatz verlangen, sondern auch die Zahlung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlich erforderlichen Beseitigungskosten. [25]BGH NJW 2008, 2432 Rn. 8.

Vernetztes Lernen: Welche Rechte können dem Mieter bei Mängeln der Mietsache zustehen?
• die vereinbarte Miete gem. § 536 I BGB mindern (tritt kraft Gesetzes ein);
• Schadensersatz gem. § 536a I BGB verlangen;
• unter den Voraussetzungen des § 536a II BGB den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen (inkl. Vorschussrecht);
• den Mietvertrag gem. § 543 I, II 1 Nr. 1 BGB fristlos kündigen.

VI. Ergebnis

Damit hat M gegen V einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 4.000 € aus § 536a II Nr. 1 BGB.

Zusatzfragen

Hat der Vermieter bei einer für unwirksam befundenen Schönheitsreparaturklausel einen Anspruch auf Anpassung der Miete?
Ausgangspunkt eines solches Anspruchs könnte die sog. Entgeltthese sein. Hiernach besteht bei der Abwälzung der Pflicht aus § 535 I 2 BGB das von dem Mieter zu erbringende Entgelt aus zwei Bestandteilen: 1. der Geldmiete und 2. die durch
den Mieter vorzunehmenden Schönheitsreparaturen. Dies bedeutet, dass sich die Geldmiete durch die Schönheitsreparaturklausel verringert hat. Als Konsequenz könnte anzunehmen sein, dass bei Unwirksamkeit der Klausel entsprechend dem Vermieter ein Zuschlag auf die Geldmiete zu gewähren ist. [26]vgl. Pieronczyk/Tayaranian, JA 2019, 248, 252.
Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nicht der Fall. Eine Mieterhöhung nach § 558 BGB kommt nicht in Betracht, da hierfür allein die ortsübliche Vergleichsmiete maßgeblich ist und für die hier angestrebte Anpassung demgegenüber auf die Kosten für die Schönheitsreparaturen abzustellen wäre. [27]BGH NZM 2008, 641
Auch eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) ist nicht möglich, da es wegen § 306 II BGB und § 535 I 2 BGB an einer für die ergänzende Vertragsauslegung erforderlichen Lücke fehlt. [28]vgl. Pieronczyk/Tayaranian, JA 2019, 248, 252.
Für einen Anspruch des Vermieters nach § 812 BGB besteht aus diesem Grund auch kein Raum. [29]Zehelein, in: BeckOK BGB § 535 Rn. 447.
Eine Anpassung nach § 313 BGB scheitert jedenfalls am normativen Element, da der Verwender von AGB das Risiko ihrer Unwirksamkeit tragen muss. [30]vgl. Pieronczyk/Tayaranian, JA 2019, 248, 252.
Der Mieter hat in der Wohnung aufgrund einer (AGB-) Klausel im Mietvertrag Schönheitsreparaturen durchgeführt. Danach fällt auf, dass diese Klausel unwirksam ist. Welche Ansprüche des Mieters gegen den Vermieter kommen wegen der bereits vorgenommenen Schönheitsreparaturen in Betracht?
Der Mieter könnte einen Schadensersatzanspruch aus c.i.c. gem. §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB haben. Die Einbeziehung unwirksamer Klauseln stellt eine Rücksichtnahmepflichtverletzung dar. [31]BGH NJW 2009, 2590 Rn. 10. Problematisch ist allerdings häufig das Vertretenmüssen. Dies dürfte dann nicht gegeben sein, wenn der BGH die Klausel erst nach Mietvertragsschluss für unwirksam erklärt hat. [32]Pieronczyk/Tayaranian, JA 2019, 248, 252.
Ein Anspruch aus § 539 I BGB i.V.m. §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht, da der Mieter, der aufgrund einer vermeintlich wirksamen Klausel Schönheitsreparaturen erledigt, im eigenen Pflichtenkreis tätig wird und daher keinen Fremdgeschäftsführungswillen hat. [33]BGH NJW 2009, 2590 Rn. 16f.
Dem Mieter steht jedoch ein Anspruch aus § 812 I 1 Var. 1 BGB auf Wertersatz gem. § 818 II BGB zu [34]BGH NJW 2009, 2590, Rn. 21ff. Was danach konkret durch den Vermieter, der ohne Rechtsgrund eine renovierte Wohnung erhalten hat, zu ersetzen ist, richtet sich laut dem BGH danach, ob der Mieter diese Arbeiten selbst vorgenommen oder hierfür eine Fachfirma beauftragt hat. Demgegenüber will eine andere Ansicht, stets den üblichen Werklohn zur Bemessung des Wertersatzes ansetzen. [35]Lorenz, NJW 2009, 2576, 2577.

Zusammenfassung:
1. An die Stelle einer nach § 307 BGB unwirksamen Klausel zur Durchführung von Schönheitsreparaturen durch den Mieter bei einer ohne angemessenen Ausgleich unrenoviert überlassenen Wohnung tritt nach § 306 II BGB die gesetzliche Regelung des § 535 I 2 BGB.

2. Auch die weitere Verschlechterung des Zustandes einer bei Übergabe unrenovierten Wohnung kann die Instandhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 I 2 BGB auslösen und in der Folge einen Mietmangel gem. § 536 I BGB darstellen.

3. Die Wiederherstellung des ursprünglichen, unrenovierten Zustandes ist nicht praktikabel und wirtschaftlich nicht sinnvoll. Mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann der Mieter eine solche Renovierung verlangen, muss sich aber wegen der dadurch bewirkten Besserstellung gegenüber dem unrenovierten (vertragsgemäßen) Zustand bei Mietbeginn in angemessenem – in der Regel hälftigem – Umfang an den erforderlichen Kosten beteiligen.


[kaliform id=“2798″]

[+]

Schreibe einen Kommentar