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Die scheinbar gefährliche Luftpumpe

BGH, Beschluss vom 28.03.2023 – 4 StR 61/23, NStZ-RR 2023, 204

Sachverhalt

Die V, die sich in Gesellschaft von zwei Freunden rauchend vor dem Eingangsbereich einer Gaststätte befindet, hat ihre Handtasche neben sich auf einem Tisch abgestellt. Der A ist auf der Suche nach einer Gelegenheit sein klammes Konto aufzubessern und will V deren Handtasche wegnehmen, um sich Wertgegenstände und Bargeld zu verschaffen. Um an die Handtasche zu gelangen, fasst A den Entschluss, V und ihre Begleiter zu bedrohen, indem er ihnen eine Luftpumpe nach Art eines Gewehrs (Langwaffe) vorhält. Er will dadurch erreichen, dass sie in der Annahme, es handele sich um eine Schusswaffe, aus Angst um ihre Gesundheit keinen Widerstand leisten und seinen Forderungen nachkommen würden. In Umsetzung seines Tatplans hält er die Luftpumpe mit ausgezogenem Kolben und mit auf Brusthöhe angehobenen Armen vor sich und tritt so auf V zu. Er hält ihr die Luftpumpe im Abstand von 20 bis 30 Zentimetern vor das Gesicht und fordert sie zum Hineingehen auf. Wie von A beabsichtigt, erkennen weder V noch ihre Begleiter die Luftpumpe als eine solche, sondern laufen aus Angst vor dem Einsatz einer vermeintlichen Schusswaffe in das Lokal. A nimmt die dabei von V zurückgelassene Handtasche an sich und verlässt die Örtlichkeit.

Wie hat sich A strafbar gemacht? Ggf. erforderliche Strafanträge gelten als gestellt.


Skizze


Gutachten

A. Strafbarkeit gem. §§ 249, 250 I Nr. 1 lit. b StGB

A könnte sich wegen schweren Raubes gem. §§ 249, 250 I Nr. 1 lit. b StGB strafbar gemacht haben, indem er mit einer vorgehaltenen großen Luftpumpe nach Art eines Gewehres die V und zwei weitere Personen dazu bewegte, keinen Widerstand zu leisten, sodass er die Handtasche der V mitnehmen konnte.

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand 
a) Grundtatbestand des Raubs, § 249 I StGB
aa) Fremde bewegliche Sache

Bei der Handtasche handelt es sich um eine fremde, im Alleineigentum der V stehende, bewegliche Sache.

bb) Wegnahme

A müsste die Tasche auch weggenommen haben. Indem er die Tasche vom Tisch vor der Gaststätte an sich nimmt, hebt er den Gewahrsam der V gegen ihren Willen auf. Als er sich entfernt, begründet er neuen Gewahrsam, sodass eine Wegnahme vorliegt.

cc) Qualifiziertes Nötigungsmittel

Des Weiteren müsste A Gewalt gegen eine Person angewendet oder mit einer Gefahr für Leib oder Leben gedroht haben. Vorliegend fragt sich, ob A durch die Verwendung der Luftpumpe nach Art eines Gewehrs eine solche Drohung gegen V richtete. Die Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben ist das (auch konkludente) Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt.[1]BGHSt 16, 386; Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 240 Rn. 31. Davon sind regelmäßig auch vorgetäuschte Drohungen erfasst, die beim Opfer den Anschein der Ernstlichkeit erwecken (Drohungshandlung) und tatsächlich ernst genommen werden (Drohungserfolg).[2]Rengier, Strafrecht BT I, 25. Aufl. 2023, § 7 Rn. 18. Hier hält A die Luftpumpe mit ausgezogenem Kolben im Abstand von 20 bis 30 Zentimetern vor das Gesicht der V und fordert sie zum Hineingehen auf. Dabei erkennt V die Luftpumpe nicht als solche. A stellt dadurch konkludent den Einsatz einer (vermeintlichen) Schusswaffe gegen den Körper der V und damit ein künftiges Übel für Leib und Leben in Aussicht, auf das er Einfluss zu haben vorgibt. Sein Verhalten erweckt den Anschein der Ernstlichkeit. Da V davon ausgeht, dass A den Einsatz einer Schusswaffe in Aussicht stellt, was in einem Nachteil für ihr Leib und Leben resultieren könnte, nimmt sie die Lage als bedrohlich ernst und rettet sich vor A in die Gaststätte. Mithin liegt eine Drohung mit einer Gefahr für Leib und Leben der V durch A vor.

Vernetztes Lernen: Ist es notwendig, dass das Opfer die Drohung tatsächlich ernst nimmt, also ob ein Drohungserfolg vorliegen muss?
Das ist umstritten.

e.A.:
Ein Drohungserfolg ist nicht notwendig.[3]Wessels/Hillenkamp/Schuhr, Strafrecht BT II, 43. Aufl. 2020, Rn. 353; Schünemann JA 1980, 349 (351). Es reiche aus, dass der Täter die Drohung ernst aufgefasst wissen will, d.h. der Täter damit rechnet, das Opfer werde die Äußerung als ernst gemeinte Drohung verstehen. Folglich kommt es auf eine Täterperspektive im Sinne einer spezifischen Drohungsfinalität an.

Pro: Beim Raub kommt es auf den Finalzusammenhang an, nicht aber auf einen Kausalzusammenhang zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme.[4]Wessels/Hillenkamp/Schuhr, Strafrecht BT II, 43. Aufl. 2020, Rn. 353.
Contra: Dadurch würde die Frage, was der Täter will, bereits im objektiven Tatbestand anstatt im subjektiven Tatbestand erörtert.[5]Küper JuS 1976, 648 Fn. 30; Mitsch, BT 2, 3. Aufl. 2015, S. 504f. Fn. 44.

a.A.
Ein Drohungserfolg ist notwendig.[6]LK/Vogel/Burchard, 13. Aufl. 2022, § 249 Rn. 19; NK/Kindhäuser, 5. Aufl. 2015, Vor § 249 Rn. 24; Rengier in: FS Maurer, 2001, S. 1195 (1197); Rengier, Strafrecht BT I, 25. Aufl. 2023, § 7 Rn. 18. Das Opfer muss die angekündigte Übelzufügung ernstnehmen, also zumindest mit der konkreten Möglichkeit der Übelzufügung und -realisierung rechnen.[7]RGSt 3, 262 (263); BGHSt 7, 197 (198). Entscheidend ist die Opferperspektive.

Pro: Mit der „Drohung“ bezeichnet das Gesetz wie mit der Täuschung (Vorspiegeln) lediglich das vom Täter eingesetzte unwertige Mittel zur Willensbeeinflussung. Die tatsächliche oder mögliche Wirkung dieses Mittels auf den Opferwillen liegt als Erfolg, der vom Täter nur angestrebt werden muss, noch außerhalb des Drohungsbegriffs.[8]Küper/Zopfs, Strafrecht BT, 11. Aufl., Rn. 168.

dd) Finalzusammenhang

A stellt den Gebrauch der (vermeintlichen) Schusswaffe in Aussicht, um die Wegnahme der Handtasche zu ermöglichen. Mithin besteht ein Finalzusammenhang zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme.

ee) Zwischenergebnis

Der objektive Tatbestand von § 249 StGB ist erfüllt.

b) Qualifikation

A könnte, indem er die Luftpumpe dabei hatte, bei der Tat einen Qualifikationstatbestand nach § 250 I Nr. 1 StGB erfüllt haben.

aa) Gefährliches Werkzeug , § 250 I Nr. 1 lit. a Alt. 2 StGB

Die Luftpumpe ist nicht als gefährliches Werkzeug einzustufen. Eine Qualifikation nach § 250 I Nr. 1 lit. a Alt. 2 StGB scheidet demnach aus.

Vernetztes Lernen: Wie ist der Begriff des anderen gefährlichen Werkzeugs beim schweren Raub bzw. Diebstahl mit Waffen zu verstehen?
Die Kombination der Merkmale „Waffe“ und „anderes gefährliches Werkzeug“ findet sich neben §§ 250 I Nr. 1 lit. a, 244 I Nr. 1 lit. a StGB auch in § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB. Der Unterschied – und auch der Grund für diesen Streitstand – besteht darin, dass in der Qualifikation des Diebstahls bzw. des Raubes das Beisichführen eines gefährlichen Werkzeuges für die Qualifikation ausreicht, während es bei der Qualifikation der Körperverletzung auf den Einsatz des Werkzeuges im konkreten Fall ankommt.
Für die Lösung des Problems haben sich zwei Meinungsblöcke (abstrakt-objektive und konkret-subjektive Betrachtungsweise) aufgetan, die sich jeweils noch in ihren Nuancen unterscheiden.

Rein abstrakt-objektive Betrachtungsweise
Ein Teil der Literatur und vor allem die Rechtsprechung[9]BGHSt 52, 257; OLG München NStZ-RR 2006, 342; KG StV 2008, 361. befürworten eine rein abstrakt-objektive Betrachtungsweise. Die Gegenstände müssen zumindest eine annähernde abstrakte Gefährlichkeit, die vergleichbar mit der Gefahr durch Waffen ist, aufweisen.[10]Rönnau, JuS 2012, 118; Streng, GA 2001, 359; Fischer StGB, 70. Aufl. 2023, § 244 Rn. 23. Dadurch sollen Alltagsgegenstände wie Schlüssel, Kugelschreiber oder Gürtel abgegrenzt werden.[11]Fischer StGB, 70. Aufl. 2023, § 244 Rn. 23.

Situationsabhängige abstrakt-objektive Betrachtungsweise
Eine ebenfalls auf die objektive Gefährlichkeit abstellende Ansicht begrenzt die Reichweite durch ein zusätzliches subjektives Element. Der Täter müsse dem Werkzeug eine gefährliche Verwendung angedacht haben. Die Ansichten ziehen hierbei verschiedene subjektive Elemente heran: ein innerer Verwendungsvorbehalt[12]Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT 2, 35. Aufl. 2012, Rn. 275., eine „konkrete Gebrauchsabsicht“[13]SK-StGB/Sinn, 9. Aufl. 2017, § 250 Rn. 7. oder eine Verwendungsabsicht des Täters[14]Küper, JZ 1999, 194; Geppert, Jura 1999, 602..

Konkret-subjektive Betrachtungsweise
In Anlehnung an den ursprünglichen gesetzgeberischen Willen[15]6. StRG 1998; bestätigt durch das 44. StRÄG 2011 unter Bezugnahme auf BGHSt 52, 257. orientiert sich eine konrekt-subjektive Betrachtungsweise ausschließlich an § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und überträgt dessen Leitgedanken auf die Vorstufe des Beisichführens.[16]Rengier, Strafrecht BT I, 25. Aufl. 2023, § 4 Rn. 38; Graul, Jura 2000, 205f.; Hilgendorf, ZStW 2000, 832; Schramm, JuS 2008, 777f.; Bachmann/Goeck, Jura 2010, 924ff. Folglich gibt es gar keine gefährlichen Werkzeuge, wenn nicht der Täter durch einen individuellen Widmungsakt dem Mittel die Qualität beimisst.[17]Rengier, Strafrecht BT I, 25. Aufl. 2023, § 4 Rn. 38.

bb) Sonstiges Werkzeug oder Mittel, § 250 I Nr. 1 lit. b StGB

In Betracht kommt stattdessen die Einstufung der Luftpumpe als sonstiges Werkzeug oder Mittel um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden gem. § 250 I Nr. 1 lit. b StGB

Hinsichtlich der (ungefährlichen) Luftpumpe, die V für eine echte Waffe hält, kommt es darauf an, ob jede Art einer „Scheinwaffe“ unter § 250 I Nr. 1 lit. b StGB zu fassen ist. Das ist umstritten.

(1) Eine Ansicht

Nach einer Auffassung ist einzig die Opferperspektive maßgeblich, weshalb auch Scheinwaffen, die das Opfer für echte Pistolen oder Bomben hält, unter den Werkzeugbegriff des § 250 I Nr. 1 lit. b StGB fallen. Schließlich werde das Opfer durch die Drohung mit einer Scheinwaffe stärker beeinträchtigt als bei sonstigen Drohungen. Es zeige sich die erhöhte kriminelle Energie des Täters.[18]Studienkommentar StGB/Joecks/Jäger, 13. Aufl. 2021, § 250 Rn. 17.

V nahm die Luftpumpe, obwohl diese ca. 30 cm vor ihr Gesicht gehalten wurde, als eine Waffe nach Art eines Gewehres wahr. Nach dieser Auffassung stellt die Luftpumpe demnach eine Scheinwaffe und damit ein Werkzeug i.S.d. § 250 I Nr. 1 lit. b StGB dar.

(2) Andere Ansicht

Nach der Gegenauffassung[19]Diese bildete sich noch unter der bis 1998 gültigen Fassung des § 250 und wird heute weitestgehend abgelehnt. scheidet eine Qualifikation in derartigen Fällen stets aus: Hinsichtlich des hohen Strafrahmens[20]Damals noch fünf anstatt drei Jahre. erscheine es mit dem Schuldprinzip unvereinbar, objektiv ungefährliches Verhalten verschärft zu bestrafen.[21]Hörnle Jura 1998, 169 (172).

Nach dieser Ansicht kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Luftpumpe tatsächlich um eine Scheinwaffe handelt. Folglich wäre die Luftpumpe nach dieser Ansicht kein Werkzeug i.S.d. § 250 I Nr. 1 lit. b StGB.

(3) Andere Ansicht (h.M.)

Nach der ganz herrschenden Auffassung genügen grundsätzlich alle bewusst gebrauchsbereit mitgeführten Gegenstände, die als Mittel zur Überwindung des Widerstands des Tatopfers mittels Gewalt oder Drohung geeignet sind, also auch sogenannte „Scheinwaffen“, d.h. Gegenstände, die objektiv ungefährlich sind und deren Verletzungstauglichkeit nur vorgetäuscht wird.[22]BT-Dr. 13/9064, S. 18; BGH NStZ-RR 2023, 204 (204); BGH NStZ 2007, 332; Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 250 Rn 10, § 244 Rn 26.

Vom Anwendungsbereich des § 250 I Nr. 1 lit. b StGB sind aufgrund einer einschränkenden Auslegung solche Gegenstände auszunehmen, die für einen objektiven Beobachter schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet sind, mit ihnen – etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise – auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken.[23]vgl. BGH NStZ-RR 2023, 204 (205); BGH NStZ 2017, 581; BGH NStZ 2007, 332; s. zu § 250 I Nr. 2 StGB a. F. BGH NStZ 1998, 38; BGH NJW 1996, 2663; BGH NJW 1992, 920. Der Täuschungseffekt ist bei solchen sogenannten „schein-untauglichen“ Sachen nicht im Erscheinungsbild des wahrgenommenen Gegenstandes zu suchen. Vielmehr sind damit Gegenstände gemeint, die allein dadurch Täuschungswirkung erzielen, dass das Opfer (unwahre) Erklärungen oder konkludente Vorspiegelungen des Täters über die Eigenschaften des Gegenstandes ernst nimmt.[24]BGH NStZ 1997, 184; Schönke/Schröder/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 244 Rn. 14; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl. 2021, StGB § 250 Rn. 45. 

Die von A verwendete Luftpumpe ist auch für einen objektiven Beobachter nicht offenkundig ungefährlich. Insbesondere durch ihren Einsatz als Schlagwerkzeug gegen empfindliche Körperstellen hätte mit ihr erheblich auf den Körper eines anderen eingewirkt werden können. Der Gegenstand war „seiner Art nach“ dazu geeignet, von dem Opfer als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Damit steht die von A zugleich beabsichtigte Täuschung des Tatopfers hinsichtlich der von dem mitgeführten Gegenstand ausgehenden Drohwirkung – hier: als vermeintliche Schusswaffe – nicht derart im Vordergrund, dass die Anwendung von § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB den (Wort-)Sinn des Gesetzes verfehlen würde. Denn eine Täuschung des Opfers wird bei dem Gebrauch jeder „Scheinwaffe“ im Hinblick auf deren objektive Ungefährlichkeit angestrebt. Ein Fall der Schein-untauglichen Sachen liegt hier jedoch nicht vor. Mithin ist die Luftpumpe nach dieser Auffassung eine „Scheinwaffe“ und ein Werkzeug i.S.d. § 250 I Nr. 1 lit. b StGB.

Anmerkung: Kritik an der Lösung des BGH
Der vorliegende Fall ist mit den bisherigen Entscheidungen[25]BGHSt 38, 116 „Plastikrohr“; BGH NJW 1996, 2663 „Labello-Stift“; BGH NStZ 2007, 332 „Metallrohr“ mAnm Kudlich JR 2007, 381; BGH NStZ 2009, 95; BGH NStZ 2010, 391; BGH NStZ 2011, 703 … Continue reading des BGH zu sogenannten Scheinwaffen nur bedingt vergleichbar.[26]Jäger JA 2023, 606 (607). Sind bei den Fällen mit dem Labellostift oder dem Metallschlüssel die scheinbaren Waffen verdeckt bzw. von hinten außerhalb des Sichtfeldes des Opfers gewesen, wird hier die Luftpumpe direkt in das Sichtfeld des Opfers gehalten.
Mit Blick auf die Verwendungsabsicht des Täters handelt es sich daher um einen Fall einer unverdeckt präsentierten Scheinwaffe, der unbestritten als typisches Anwendungsbeispiel des § 250 I Nr. 1 b StGB eingestuft wird. Dies gilt umso mehr, als eine vorgehaltene Luftpumpe nach Form und Gestalt durchaus den Eindruck eines echten Gewehrs erwecken kann, sofern die Pumpe so gehalten wird, dass diese im Ganzen nicht erkannt wird. Gerade dies scheint vorliegend der Fall gewesen zu sein.
Der BGH argumentiert allerdings hinsichtlich der Gefährlichkeit mit dem möglichen Einsatz der Luftpumpe als Schlagwerkzeug. Dass die Luftpumpe tatsächlich als Schlagwerkzeug verwendet werden könnte, müsste aber zu einer Anwendung des § 250 I Nr. 1 lit. a StGB führen und kann daher kaum für eine Begründung der Anwendbarkeit des § 250 I Nr. 1 lit. b StGB taugen.[27]Jäger JA 2023, 606 (608). Dann müsste allerdings auch das Drohen des Einsatzes der Luftpumpe nach § 250 II Nr. 1 StGB angenommen werden. Das scheitert allerdings am Vorsatz des A, der die Luftpumpe tatsächlich nur zur Täuschung der V einsetzen wollte und nicht mit Schlägen mit der Luftpumpe gedroht hat. Dadurch rückt aber gerade wieder die Täuschung in den Vordergrund, die die Anwendbarkeit des § 250 I Nr. 1 lit. b StGB begründen würde.
Der Fall zeigt eindeutig die schwierige Abgrenzung von Scheinwaffen und schein-ungefährlichen Werkzeugen im Rahmen des Raubes.
(4) Stellungnahme

Die Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, weshalb eine Stellungnahme notwendig ist. Die zweite Ansicht ist aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung aus dem 6. StrRG überholt und läuft konträr zum gesetzgeberischen Willen. Die anderen beiden Meinungen führen beide zum gleichen Ergebnis, weshalb hier eine Unterscheidung dahinstehen kann. Mithin handelt es sich bei der Luftpumpe um ein sonstiges Werkzeug oder Mittel i.S.v. § 250 I Nr. 1 lit. b StGB.

bb) Beisichführen

A führte die Luftpumpe auch während der gesamten Tat bei sich.

2. Subjektiver Tatbestand

A handelt vorsätzlich und mit der Absicht, sich die Handtasche nebst Inhalt rechtswidrig durch die Anwendung von oder Drohung mit Gewalt zuzueignen.

II. Rechtswidrigkeit

Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. A handelt rechtswidrig.

III. Schuld

Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich. A handelt schuldhaft.

IV. Ergebnis

A hat sich wegen schweren Raubes gem. §§ 249, 250 I Nr. 1 lit. b StGB strafbar gemacht. 

B. Konkurrenzen und Endergebnis

Eine Strafbarkeit wegen Nötigung nach § 240 I StGB und Diebstahl nach § 242 I StGB tritt dahinter im Wege der Spezialität zurück. A hat sich also lediglich nach §§ 249, 250 I Nr. 1 lit. b StGB strafbar gemacht.


Zusatzfragen

A wird im Anschluss noch nachts festgenommen, weil er wegen des Raubes verdächtig ist. Dies teilt ihm der polizeiliche Vernehmungsbeamte P mit und belehrt A, dass es ihm freistehe zur Sache auszusagen oder sich nicht zu äußern. P macht A auch auf sein Recht aufmerksam, einzelne Beweiserhebungen zu beantragen und einen Verteidiger zu konsultieren. A erklärt ausdrücklich irgendeinen Rechtsbeistand sprechen zu wollen, woraufhin P ihm ein Branchenverzeichnis überreicht. Angesichts der nächtlichen Uhrzeit erreicht A jedoch keine der darin aufgeführten Anwälte. Mit den Worten, dass es „vielleicht besser so sei, weil er sich ohnehin keine Anwältin leisten könne“ beendet A seine Versuche und gesteht schließlich die Tat. Auf den rund um die Uhr erreichbaren anwaltlichen Notdienst und die Möglichkeit, einen Pflichtverteidiger zu bestellen, hatte P den A bewusst nicht aufmerksam gemacht. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird einige Tage später J ordnungsgemäß zur Pflichtverteidigerin des A bestellt. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht widerspricht J der Verwertung des Geständnisses des A. A wird schließlich „aus Mangel an Beweisen“ freigesprochen. J ist über diesen „Freispruch 2. Klasse“ empört und überlegt hiergegen zugunsten des A Berufung einzulegen.

1. Hätte das glaubhafte Geständnis des A gegenüber P im Urteil berücksichtigt werden müssen?
I. Grundsätzlich gelten der Untersuchungsgrundsatz nach § 244 Abs. 2 StPO und der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 261 StPO.

II. In Betracht könnte jedoch ein absolutes Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen §§ 136 I 4, 163a IV 2 StPO kommen. In § 136 I 4 StPO ist ausdrücklich normiert, dass Beschuldigte auf den anwaltlichen Notdienst hinzuweisen sind. Ein Verstoß gegen § 136 I 4 StPO begründet jedoch kein generelles Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf die gemachten Angaben. Denn der Verletzung von Hilfspflichten ist nicht das gleiche Gewicht beizumessen, wie dem Verzicht auf eine Belehrung nach § 136 I 2 StPO.

III. Darüber hinaus könnte noch ein generelles Verwertungsverbot wegen Verstoßes gegen §§ 136 I 5 Hs. 2, 163a IV 2 StPO in Betracht kommen. Es erscheint fraglich, ob das Unterbleiben des gesetzlich vorgeschriebenen Hinweises auf die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnte. Grundsätzlich führt das Unterbleiben des Hinweises nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.[28]BGH NStZ-RR 2018, 219; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, 64. Aufl. 2021; § 136 Rn. 21a mwN; aA Neuhaus in FS Schlothauer, 246 (258). Diese Pflicht bleibt in ihrer Bedeutung hinter der Pflicht nach § 136 I 2 StPO, welche die grundsätzliche Zugangsmöglichkeit zu einem Verteidiger als solchem betrifft, zurück.[29]BGH NStZ-RR 2018, 219. Vielmehr soll in einer einzelfallbezogenen Abwägung festgestellt werden, ob ausnahmsweise ein Verwertungsverbot geboten sein könnte.
Vorliegend könnte ein Beweisverwertungsverbot geboten sein. Die Übergabe des Branchenverzeichnisses durch P stellt eine „Scheinaktivität“ dar. A verzichtet (zumindest auch) aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel schließlich auf einen Verteidiger, weshalb für ihn die Möglichkeit eines Pflichtverteidigers relevant gewesen wäre und P diesen Hinweis bewusst unterlässt.
IV. Im Ergebnis hat das Gericht das Geständnis zu Recht nicht verwertet.

2. Hätte eine Berufung der J Aussicht auf Erfolg?
I. Zunächst müsste die Zulässigkeit der Berufung vorliegen.
1. Die Zulässigkeit der Berufung gegen Urteile des Amtsgerichts richtet sich nach § 312 StPO und die Rechtsmittelbefugnis des Verteidigers nach § 297 StPO. J als Verteidigerin für A möchte Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts einlegen. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben.
2. Darüber hinaus müsste noch die ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwer des Angeklagten vorliegen. Beschwert ist, wer durch das angefochtene Urteil unmittelbar in seinen schutzwürdigen Interessen verletzt ist.[30]BGHSt 7, 153. Die Beschwer des Angeklagten ergibt sich allein aus dem Urteilstenor, nicht aus den Urteilsgründen.[31]BGHSt 7, 153; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, 64. Aufl. 2021; Vor § 296 Rn. 9 mwN. Ein freisprechendes Urteil kann der dann nur durch die Gründe beschwerte Angeklagte grundsätzlich nicht anfechten.[32]BGHSt 7, 153; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, 64. Aufl. 2021; Vor § 296 Rn. 13 mwN. A wurde im Tenor freigesprochen und ist nur durch die Gründe „beschwert“.
II. Im Ergebnis wäre eine Berufung nach § 322 StPO als unzulässig zu verwerfen.

Zusammenfassung

1. Die Raubqualifikation des § 250 I Nr. 1 lit. b StGB erfasst grundsätzlich alle bewusst gebrauchsbereit mitgeführten Gegenstände, die als Mittel zur Überwindung des Widerstands des Tatopfers mittels Gewalt oder Drohung geeignet sind. Dem unterfallen prinzipiell auch sog. Scheinwaffen, dh Gegenstände, die objektiv ungefährlich sind und deren Verletzungstauglichkeit nur vorgetäuscht wird.

2. Aufgrund einer einschränkenden Auslegung sind jedoch solche Gegenstände auszunehmen, die für einen objektiven Beobachter schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet sind, mit ihnen – etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise – auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken.

3. Eine Luftpumpe ist nicht offenkundig ungefährlich. Insbesondere durch ihren Einsatz als Schlagwerkzeug gegen empfindliche Körperstellen kann mit ihr erheblich auf den Körper eines anderen eingewirkt werden.

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