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Die Reichsbürgerin und die Spezialeinheit

BGH, Urteil vom 30.09.2021 – 4 StR 170/21, BeckRS 2021, 31665

Sachverhalt

R ist Reichsbürgerin. Sie hat keinen legalen Job und lehnt jede staatliche Hilfe ab, da sie den deutschen Rechtsstaat verleugnet. Ihre Einnahmen für ihren Lebensunterhalt kommen aus illegalen Geschäften, vorwiegend aus Drogenverkäufen. Die Drogen lagert sie in ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Außerdem hat sie zu Hause eine halbautomatische Pistole.

Aufgrund ihrer Drogengeschäfte weiß R, dass die Möglichkeit besteht, dass die Polizei auf sie aufmerksam werden könnte und ihre Wohnung durchsuchen möchte. Da sie solch einen staatlichen „Übergriff“ nicht dulden wird, beschließt sie, im Fall einer Durchsuchung den durchsuchenden Polizisten, schon allein aufgrund der Zugehörigkeit der Berufsgruppe, zu töten. 

Tatsächlich wird die Polizei auf R und ihre Drogengeschäfte aufmerksam. Da Sie als Reichsbürgerin bekannt ist und mit Gegenwehr bei einem zu vollstreckenden Durchsuchungsbeschluss gerechnet wird, soll ein Spezialeinsatzkommando bei der Durchsuchung unterstützen. Als das Spezialeinsatzkommando in den Hausflur vorrückt, bemerkt R die Beamten. Sie war bereit, ihren vorab gefassten Entschluss in die Tat umzusetzen: Dafür nimmt sie sich die durchgeladene und entsicherte Pistole und positioniert sich an der Wohnungstür. Der Polizeibeamte P, welcher eine ballistische Schutzweste mit der Aufschrift „Polizei“ trägt, rammt die Wohnungstür auf und ruft dabei laut „Polizei“. Unmittelbar danach gibt R einen Schuss auf den Oberkörper des P ab, um ihn zu töten. 

Der Schuss trifft P an der nach vorne zeigender Schulter, die Patrone gelangt in den Körper und verletzt P tödlich. R wird im Anschluss festgenommen.

Wie hat sich R strafbar gemacht? 


Skizze

Gutachten

A. Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 211 StGB 

R könnte sich wegen Mordes gem. §§ 212 I, 211 I, II Gr. 1 Var. 4, Gr. 2 Var. 1, Gr. 3 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem sie mit der Pistole auf den Oberkörper des P schießt und ihn dabei tödlich verletzt. 

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Tod eines anderen Menschen

P verstirbt, sodass der Tod eines anderen Menschen vorliegt.

b) Kausalität und Objektive Zurechnung 

Hätte R nicht auf den Oberkörper des P einen Schuss abgegeben, wäre dieser nicht gestorben, sodass die Verletzungshandlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne das der konkrete Taterfolg entfiele. Folglich ist die Verletzungshandlung der R kausal für den Todeseintritt. Mit dem Schuss auf den Oberkörper des P hat R eine Todesgefahr für P geschaffen, welche sich in seinem Tod realisiert hat. Daher ist der Todeserfolg der R objektiv zurechenbar. 

c) Heimtücke

R könnte dabei das Mordmerkmale der Heimtücke verwirklicht haben. Heimtückisch handelt derjenige, der bei dem Angriff die bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt.[1]Vgl. Rengier, Strafrecht BT II, 23. Aufl. 2022, § 4 Rn. 48.

Vernetztes Lernen: Wie kann das Mordmerkmal der Heimtücke restriktiv ausgelegt werden?

Es werden Restriktionen auf Tatbestandsebene und auf Rechtsfolgenseite diskutiert.[2]Ausführlich zu den jeweils vertretenen Meinungsständen Rengier, Strafrecht BT II, 23. Aufl. 2022, § 4 Rn. 72 ff.

Tatbestandslösung:
(1) Einschränkung durch das Erfordernis eines verwerflichen Vertrauensbruchs
– Kritik: unklarer und konturenloser Vertrauensbegriff; zudem ist die Fallgruppe der hinterhältigen Attentäter:innen nicht mit erfasst
(2) Einschränkung durch das Element der feindseligen Willensrichtung
– von dieser Restriktion sollen Taten erfasst sein, bei denen der Täter glaubt, zum vermeintlich Besten des Opfers zu handeln
– der BGH führte zur Restriktion folgendes aus: „Einer heimtückischen Tötung kann die feindselige Willensrichtung grundsätzlich nur dann fehlen, wenn sie dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht“.[3]BGHSt 64, 111, 120. Ansonsten sei die Heimtücke zu bejahen und ggf. die Rechtsfolgenlösung heranzuziehen.“

Rechtsfolgelösung
– auf Tatbestandsebene wegen Mordes verurteilt, auf Rechtsfolgenseite ein Lösungsweg bieten, die lebenslange Freiheitsstrafe in besonderen Fällen zu vermeiden
– zu bilden ist eine Analogie zu der gesetzlichen Milderungsvorschrift des § 49 I Nr. 1 StGB

Zu Einschränkung auf Tatbestandsebene durch das Merkmal der feindseligen Willensrichtung ein aktueller Fall: Das Leid der Welt sollst du nicht ertragen

P müsste arg- und wehrlos gewesen sein. Arglos ist derjenige, der mit keinem Angriff rechnet. Wehrlos ist derjenige, der aufgrund der Arglosigkeit in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt ist.[4]Reniger, Strafrecht BT II, 23. Aufl. 2022,§ 4 Rn. 51; 68.

Fraglich ist, ob P zum Zeitpunkt des Angriffs nicht mit einem Gegenangriff rechnen müsste und infolgedessen nicht arglos war. 

Als Polizeibeamter könnte es sein, dass P aufgrund seines Berufs mit einem Angriff auf seine Person zu rechnen hat. Grundsätzlich ist die Arglosigkeit nicht dadurch ausgeschlossen, dass Polizeibeamte generell ein gewisses Misstrauen gegenüber zu kontrollierenden Personen hegen und infolge des Argwohns Schutzwesten tragen.[5]BGH BeckRS 2016, 17711; BGHSt 41, 72 (79); BeckOK StGB/Eschelbach, 54. Ed. 1.8.2022, StGB § 211 Rn. 43. Vielmehr entfällt die Arglosigkeit des Opfers erst dann, wenn ein konkreter Anhaltspunkt des Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit bekannt ist.[6]Vgl. MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl. 2021, StGB § 211 Rn. 154. Dem Spezialeinsatzkommando war bekannt, bei der zu durchsuchenden Person mit Gegenwehr zurechnen war. Ihnen war sogar eine mögliche Bewaffnung der R bekannt. Somit rechnete P im Zeitpunkt der Tat mit einem Angriff auf seine körperliche Integrität. Mithin ist P nicht arglos. R handelte demnach nicht heimtückisch. 

2. Subjektive Tatbestand

a) Vorsatz

R handelte vorsätzlich hinsichtlich der Tötung des Polizeibeamten P. 

b) Verdeckung einer anderen Straftat

R könnte das Mordmerkmal zur Verdeckung einer anderen Straftat verwirklicht haben. In Verdeckungsabsicht handelt, wer ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände gegeben könnten.[7]Reniger, Strafrecht BT II, 23. Aufl. 2022, § 4 Rn. 117. 

R ging von der Aufdeckung ihrer Drogengeschäfte durch die Polizei aufgrund des Durchsuchungsbefehls aus. Ihr war bewusst, dass die in ihrer Wohnung gelagerten Drogen dabei gefunden werden würden. Außerdem war der Fundort der Beweismittel in ihrer Wohnung bereits zum Zeitpunkt der Durchsuchung bekannt. Folglich war jedwede Art von Verdeckungshandlung zum Tatzeitpunkt aussichtslos.[8]BGH BeckRS 2021, 31665, Rn. 26; vgl. Schladitu ZJS 2022, 269, 270. Demnach war R nach ihrem Vorstellungsbild eine Verhinderung der Durchsuchung oder ein Vernichten der Beweismittel in der konkreten Situation unmöglich, auch durch die etwaige Tötung einer oder mehrerer Polizeibeamter.[9]Vgl. BGH BeckRS 2021, 31665, Rn. 27. Folglich handelte R nicht mit Verdeckungsabsicht. 

Anmerkung: Urteilsanmerkung
Für das Merkmal der Verdeckungsabsicht ist es nicht von Bedeutung, dass der Täter bereits zu einem frühen Zeitpunkt und aus anderen Gründen zur Tötung des Opfers entschlossen war.[10]BGH BeckRS 2021, 31665 Rn. 24.
c) Niedrige Beweggründe

R könnte aus niedrigen Beweggründen P getötet haben. Niedrige Beweggründe liegen immer dann vor, wenn der Tötungsbeweggrund nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist.[11]Reniger, Strafrecht BT II, 23. Aufl. 2022, § 4 Rn. 29. Ein solcher niedriger Beweggrund ist in den Fällen zu bejahen, wenn das Opfer allein wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmte Gruppe das Lebensrecht abgesprochen und es in entpersönlichter Weise quasi als Repräsentant einer Gruppe getötet werden soll.[12]BGH NStZ 2004, 89; vgl. Schladitz, ZJS 2022, 269, 271. Die Motivation der Tötung lässt sich deshalb als niedrig qualifizieren, da der Mensch durch die Reduzierung auf zugeschriebene vermeintliche Eigenschaften entpersonalisiert wird. Die Auslöschung eines individuellen Menschenlebens auf Grundlage einer irrationalen Zuschreibung einer Eigenschaft wegen einer Gruppenzugehörigkeit ist daher als besonders verachtenswert zu qualifizieren.[13]Vgl. Schladitz, ZJS 2022, 269, 271.

R hat den P nur deshalb erschossen, weil dieser zu der Berufsgruppe der Polizei gehört. Dies war R auch bewusst. Somit handelte sie aus niedrigen Beweggründen. 

Vernetztes Lernen: Können mehrere subjektive Mordmerkmale verwirklicht werden?

Der Täter kann immer dann mehrere subjektive Mordmerkmale verwirklichen, wenn er bei der Tat mehrere Unrechtsgehalte der Mordmerkmale erfüllt.[14]Siehe Rissing-van Saan/Zimmermann, in: Laufhütte/Rissing van Saan/Tiedemann (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, Bd. 7, 12. Aufl. 2019, § 211 Rn. 3.
Die Verwirklichung mehrerer subjektiver Mordmerkmale ist jedoch mit gewissen Einschränkungen verbunden: Im Rahmen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe erklärt die Konstellation des Motivbündels, dass nach einem Hauptmotiv zu fragen ist, welches die Tat prägt. Anschließend ist zu würdigen, ob das Hauptmotiv niedrig ist. Zudem stellt der niedrige Beweggrund einen Auffangtatbestand dar. Dementsprechend sind die anderen Mordmerkmale vorrangig zu prüfen. Daher ist genau zu prüfen, inwiefern der Unrechtsgehalt der Tat bereits durch ein subjektive Mordmerkmal hinreichend erfasst ist. Beispielsweise kann jedoch der Täter aus Habgier handeln und zudem mit menschenverachtenden Vernichtungswillen getötet haben. Dann wären kumulativ das Mordmerkmal der Habgier und der niedrigen Beweggründe verwirklicht.[15]Instruktiv Schladitz, ZJS 2022, 269, 270.

Beachte die Folge auf Strafzumessungsebene: Das Vorliegen mehrere Mordmerkmale kann unter Umständen einen Hinweis auf das Vorliegen der besonderen Schwere der Schuld darstellen.[16]Kudlich, JA 2022, 77.
Relevant ist diese beispielsweise gem. § 57a I Nr. 2 StGB: Bei dem Vorliegen der besonderen Schwere der Schuld ist die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht möglich.

II. Rechtwidrigkeit und Schuld 

Es sind keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich, sodass R rechtswidrig handelt. Ebenfalls sind keine Entschuldigungs- oder Schuldausschließungsgründe erkennbar, sodass R zudem schuldhaft handelte. 

III. Ergebnis 

R hat sich wegen Mordes gem. §§ 212 I, 211 I, II Gr. 1 Var. 4  strafbar gemacht. 

B. Strafbarkeit gem.  § 113 I, II  S.1, S. 2 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 1 StGB

R könnte sich wegen eines Widerstandes gegen einen Vollstreckungsbeamten gem. § 113 I, II StGB strafbar gemacht haben, indem sie auf P während einer Durchsuchung mit einer Pistole schoss. 

I. Tatbestand 

P als Polizist war ein Amtsträger i.S.v. § 11 I Nr. 2 StGB und folglich ein taugliches Tatopfer. Die Tat erfolgte bei der Vornahme der Durchsuchungen. Dabei wurde durch R Gewalt durch den Einsatz der Pistole angewendet. Somit wurde ein Widerstand mittels Gewalt gegen eine Vollstreckungshandlung geleistet. Dabei handelte R vorsätzlich. Der Tatbestand ist erfüllt.

II. Rechtswidrigkeit und Schuld

R handelte dabei rechtswidrig und schuldhaft.

III. Objektive Bedingung der Strafbarkeit § 113 III StGB

Für die objektive Bedingung der Strafbarkeit muss die Vollstreckungshandlung rechtmäßig gewesen sein. Bzgl. der Vollstreckungshandlung sind keine Verstöße ersichtlich, sodass diese rechtmäßig war. Die objektive Bedingung liegt folglich vor. 

IV. Strafzumessung § 113 II StGB

R hat durch den Einsatz einer Waffe den P in die Gefahr des Todes gebracht, sodass das sowohl das Regelbeispiel gem. § 113 II S.1, S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB sowie § 113 II S. 1, S. 2 Nr. 2 StGB verwirklicht wurde, weshalb durch die Indizwirkung der Regelbeispiele von einem besonders schweren Fall auszugehen ist. 

V. Ergebnis

R hat sich wegen eines besonders schweren Falls des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 I, II, III StGB strafbar gemacht.

B. Strafbarkeit gem. § 114 I, II StGB

R könnte sich wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gem. § 114 I, II StGB strafbar gemacht haben, indem sie auf R während einer Durchsuchung mit einer Pistole schoss. 

I. Tatbestand

P als Polizeibeamter ist Amtsträger i.S.v. § 11 I Nr. 2 StGB und folglich ein taugliches Tatobjekt. P war gerade dabei einen Durchsuchungsbefehl zu vollstrecken, sodass er sich bei der Ausübung einer Diensthandlung befand. Zudem lag ein tätlicher Angriff seitens R vor, da der Schuss auf P eine gegen den Körper des Vollstreckungsbeamten gerichtete feindselige Verhaltensweise darstellt. Dabei handelte R vorsätzlich. Der Tatbestand ist somit erfüllt. 

II. Rechtswidrigkeit und Schuld 

R handelte rechtswidrig und schuldhaft.

III. Objektive Bedingung der Strafbarkeit

Ebenfalls wie in § 113 III StGB wird gem. § 114 III StGB die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung vorausgesetzt. Diese war rechtmäßig. 

IV. Strafzumessung § 114 II StGB

Der § 114 II StGB verweist auf den § 113 II StGB, wonach die Regelbeispiele des § 113 II StGB anzuwenden ist. Da R bei dem Angriff eine Waffe nutzt und dabei den P tödlich verletzt sind die Regelbeispiele § 113 II Nr. 1 Alt. 1 und Nr. 2 StGB verwirklicht. Folglich ist aufgrund der Indizwirkung von einem besonders schweren Fall auszugehen.

V. Ergebnis

R hat sich wegen eines besonders schweren Falls des tätlichen Angriffs auf einen Vollstreckungsbeamten gem. § 114 I, II StGB strafbar gemacht.

D. Konkurrenzen

R hat bei ihrer Tat die gefährliche Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB mitverwirklicht. Diese tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück. 

Anmerkung
Diejenigen, die vertreten, dass § 212 StGB zu § 211 StGB einen eigenständigen Tatbestand darstellt, müssten bei den Konkurrenzen zur Vollständigkeit den Totschlag ebenfalls mit benennen.

Ob du Mord als Qualifikation oder als eigenständigen Tatbestand erachtest, erkennt man an deiner Zitation der zu prüfenden Norm.
Hier wurde die Strafbarkeit wegen Mordes gem. §§ 212 I, 211 StGB geprüft; daraus lässt sich erkennen, dass hier die Auffassung vertreten wird, der Mord sei eine Qualifikation zum Totschlag.

Das Konkurrenzverhältnis von § 113 StGB und § 114 StGB ist unklar, wenn, wie in diesem Fall, aufgrund des Vorliegens einer Vollstreckungshandlung beide Tatbestände einschlägig sind. 

§ 113 StGB scheint durch ein zusätzliches Merkmal verengt zu sein und folglich wäre von einer Spezialität auszugehen. Jedoch liegen den jeweiligen Normen unterschiedliche Unrechtsbegründungen zugrunde. Beide Normen weisen unterschiedliche Schutzrichtungen auf. Daher ist von einer Tateinheit auszugehen.[17]Instruktiv zu dem Problem der Konkurrenz Bosch, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 114 Rn. 13.

Zusatzfrage

Führt ein Fehler bei der Durchsuchung zwangsläufig zu einem Beweisverwertungsverbot der Ergebnisse?

Ob ein Beweisverwertungsverbot bei einem Vorstoß gegen Beweiserhebungsvorschrift vorliegt, ist immer jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu bewerten. Insbesondere ist dabei die Art des Verbots und das Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der betroffenen Interessen zu entscheiden.

Jedenfalls stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist.

Bei der Annahme von Gefahr im Verzug bei dem Vollzug einer Durchsuchung kann ein geringeres Versäumnis oder Ungeschlichkeiten der Ermittlungsbeamten nicht ohne weitere bedeutender Fehler zu einen Beweisverwertungsverbot führen.

Ein schwerwiegender Verstoß gegen den Richtervorbehalt ist in denen Fällen immer anzunehmen, in denen durch bewusst gesteuertes oder grob nachlässiges polizeiliches Ermittlungsverhalten die Gefahr im Verzug „heraufbeschworen“ und damit gezielt der Richtervorbehalt umgangen wird, zu einem Beweisverwertungsverbot führen.[18]Ausführlich zu den Beweisverwertungsverboten Hauschild, in MüKo StGB, 1. Aufl. 2014, § 105 Rn. 36 ff.

Welche Rechtsbehelfe gibt es gegen einen Durchsuchungsbeschluss?
Zu differenzieren ist:

Gegen richterliche Durchsuchungsanordnungen – Beschwerde nach § 304 StPO
Gegen nichtrichterliche Durchsuchungsanordnungen – dagegen ist eine gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 I S. 2 StPO zulässig; die Entscheidung kann mit der Beschwerde gem. § 304 I StPO erreicht werden.
Gegen die Art und Weise der durchgeführten Durchsuchung – wenn die Art und Weise der abgeschlossenen Durchsuchung beanstandet wird, ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 S. 2 StPO zulässig, die wiederum mit der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 angefochten werden kann.

Zusammenfassung

1. Die Arglosigkeit eines Polizeibeamten während eines Einsatzes entfällt nicht allein aufgrund seines Berufes; vielmehr muss ein konkreter Anhaltspunkt vorliegen, der auf eine konkrete Gefahrensituation hinweist.

2. Die Verdeckungsabsicht ist dann zu verneinen, wenn dem Täter bereits klar ist, dass keine Verdeckungshandlung mehr denkbar ist, um die vorangegangen Tat zu verdecken. 

3. Die Tötung eines Polizisten allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Berufsgruppe „Polizei“ ist als niedriger Beweggrund zu qualifizieren, da dadurch das Individuum entpersonalisiert und dieser als Repräsentant einer Gruppe getötet wird.

[kaliform id=2594]

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