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Der versuchte Brandanschlag

BGH, Urteil vom 12.08.2021 – 3 StR 415/20; NJW 2022, 254

Sachverhalt

C ist mit dem V aus einer ihm bekannten anderen Familie verfeindet und beschließt, einen Brandanschlag auf das Haus dieser Familie zu verüben. Dabei wollte er durch das Schlafzimmerfenster des V und seiner Frau ein sog. Molotow-Cocktail werfen, nachdem er das Fenster zunächst mit einer Wasserflasche einwirft. C hält es für möglich und nahm es billigend in Kauf, dass hierdurch das Gebäude in Brand gerät und die schlafenden Familienmitglieder sowie andere Bewohner des Mehrfamilienhauses zu Tode kommen. Nachdem C die Flaschen präpariert hatte, warf er in Ausführung des Plans zunächst eine Wasserflasche gegen das Fenster der Eheleute und durchbrach mit dieser die Scheibe. Sodann entzündete er die Lunte einer mit Benzin gefüllten Flasche und warf diese brennend hinterher. Der Brandsatz zündete jedoch nicht, so dass es zu keinem Brand kam. Durch den Lärm wurden die Eheleute sowie die anderen Bewohner aufgeschreckt.

Wie hat sich C nach dem StGB strafbar gemacht? Ggf. erforderliche Strafanträge sind gestellt.


Skizze

Gutachten

A. Strafbarkeit von C gem. §§ 212 I, 211 I, II 2. Gr. 1. Var., 2. Var. , 3. Var., 22, 23 I StGB

C könnte sich wegen versuchten Mordes gem. §§ 212 I, 211 I, II 2. Gr. 1. Var., 2. Var. , 3. Var., 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben, indem er den Brandsatz in das Schlafzimmer der Eheleute warf, dieser jedoch nicht zündete.

0. Vorprüfung

Es ist niemand gestorben. Der Taterfolg ist nicht eingetreten. Der Versuch des Mordes ist gem. §§ 23 I, 12 I StGB strafbar, da es sich beim Mord um ein Verbrechen handelt.

I. Tatbestand

1. Tatentschluss

C müsste einen Tatentschluss gefasst haben. Dieser beschreibt die subjektivierte Prüfung des objektiven Tatbestandes sowie weiterer subjektiver Tatbestandsmerkmale. 

a) Vorsatz

Der Vorsatz des C muss sich somit auf die Vollendung eines Totschlags bezogen haben. C erkennt die Möglichkeit, dass durch einen Brand des Hauses andere Menschen sterben könnten und nahm dies auch billigend in Kauf. Er hatte Tatentschluss hinsichtlich der Tötung anderer Menschen.

Weiterhin könnte er den Tatentschluss zur Verwirklichung von Mordmerkmalen gefasst haben.

b) Heimtücke

In Betracht kommt zunächst der Tatentschluss zur heimtückischen Tötung, § 211 II 2. Gr. 1. Var. StGB. Heimtücke ist das bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindseliger Willensrichtung. Arglos ist derjenige, der sich keines Angriffs auf sein Leben oder Leib versieht. Wehrlos ist derjenige, welcher aufgrund seiner Arglosigkeit in seiner Abwehrmaßnahme eingeschränkt ist.[1]Rengier Strafrecht BT II, 21. Aufl. 2022, § 4 Rn. 48. C geht davon aus, dass V und die übrigen Hausbewohner in der Nacht schlafen würden und daher zumindest nur verzögert auf das Ausbrechen eines Feuers reagieren könnten. Da C dem V und den übrigen Bewohnern schaden will, handelt er auch in feindseliger Willensrichtung. Der Tatentschluss des C zur heimtückischen Tötung liegt somit vor. 

Anmerkung: Weitere Heimtückefälle
Spannende Urteile zur feindlichen Willensrichtung als Element der Heimtücke, zur Arglosigkeit und zur Ausweitung des Zeitpunktes der Heimtücke.
c) Gemeingefährliche Mittel

Weiterhin könnte C den Tatentschluss zur Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln gem. § 211 I, II 2. Gr. 3. Var. StGB haben. Mit gemeingefährlichen Mitteln tötet, wer ein Tötungsmittel so einsetzt, dass er in der konkreten Tatsituation die Ausdehnung der Gefahr auf andere Personen als das oder die individualisierten Opfer nicht beherrschen und dadurch eine Mehrzahl weiterer Menschen in Lebensgefahr bringen kann.[2]Rengier, Strafrecht BT II, 21. Aufl. 2022, § 4 Rn. 96. Dabei ist nicht allein die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels maßgeblich, sondern es sind die Eignung und Wirkung des Tötungsmittels in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters zu beurteilen. Entscheidend ist, inwieweit das gefährliche Mittel nach Freisetzung der in ihm ruhenden Kräfte nicht mehr beherrschbar und daher im Allgemeinen in seiner Wirkung geeignet ist, eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben zu verletzen.[3]BGH NStZ 2020, 614. Wenn der Täter auf Brandstiftungsmittel oder Explosionsstoffe zurückgreift, liegt ein gemeingefährliches Mittel vor, wenn er diese Mittel – so wie im Regelfall – nicht beherrschen kann.[4]BGH NStZ 2020, 614 (614f.). C wusste, dass durch den Brandsatz nicht nur V gefährdet werden würde, sondern durch die Brandwirkung das Leben aller Hausbewohner, deren Zahl er nicht überblicken konnte, in Gefahr geraten konnte. Somit hat er bezüglich der Tötung mit gemeingefährlichen Mittel einen Tatentschluss gefasst.

d) Grausamkeit

Schließlich könnte C den Tatentschluss zur grausamen Tötung gem. § 211 I, II 2. Gr. 2. Var. StGB haben. Grausam tötet, wer dem Opfer besondere Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung zufügt.[5]BGHSt 49, 189 (196); BGH NStZ 2007, 402 (403). Allgemein wird das Verbrennen von Menschen – selbst wenige Sekunden genügen – als grausam eingestuft.[6]BGH NStZ 2017, 219; Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 211 Rn. 56. C hat sich vorgestellt, dass er durch das Werfen des Brandsatzes das Gebäude in Brand setzen würde und die darin befindlichen Menschen durch das Feuer zu Tode kommen würden. Demnach hat C auch hinsichtlich der grausamen Tötung einen Tatentschluss gefasst.

2. Unmittelbares Ansetzen

C müsste unmittelbar zur Tat angesetzt haben. Unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreitet, das Rechtsgut objektiv gefährdet ist und keine weiteren wesentlichen Zwischenschritte mehr nötig sind. Mit dem Wurf des Brandsatzes hat C subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschritten und alles getan, was aus seiner Sicht zur Tötung der Hausbewohner erforderlich war. Somit hat er unmittelbar zur Tat angesetzt i.S.v. § 22 StGB.

Vernetztes Lernen: Im zugrundeliegenden Urteil gab es zwei Täter. Wann würde grundsätzlich der Versuch bei der Mittäterschaft für den nicht handelnden Mittäter beginnen?
Das ist umstritten. Zwar werden hier grundsätzlich zwei Meinungen vertreten, die weit überwiegende Auffassung folgt allerdings der Gesamtlösung.

Nach der Gesamtlösung beginnt der Versuch für jeden Mittäter sobald nur einer von ihnen gemäß § 22 StGB zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt.[7]BGHSt 39, 236 (237f.). Diese Ansicht setzt konsequent das dem § 25 II StGB zugrunde liegenden Prinzip der gegenseitigen Zurechnung aller Tatbeiträge um.[8]Rengier, Strafrecht AT, 14. Aufl. 2022, § 36 Rn. 19.

Nach der Einzellösung ist jeder Mittäter getrennt zu betrachten.[9]Roxin, AT II, § 29 Rn. 297ff.; SK/Jäger, 9. Aufl. 2017, § 22 Rn. 35. Er kann nur dann wegen einer versuchten mittäterschaftlichen Tat bestraft werden, wenn er selbst die Schwelle des § 22 StGB überschritten oder im Versuchsstadium zumindest seinen Tatbeitrag erbracht hat.

II. Rechtswidrigkeit & Schuld

Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.

III. Ergebnis

Somit hat C sich wegen versuchten Mordes gem. §§ 212 I, 211 I, II 2. Gr. 1. Var., 2. Var. , 3. Var., 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben, indem er den Brandsatz in das Schlafzimmer der Eheleute warf, dieser jedoch nicht zündete. strafbar gemacht.

B. Strafbarkeit von C gem. §§ 306a I Nr. 1 Alt. 1, 22, 23 I StGB

Weiterhin könnte sich C durch das Werfen des Brandsatzes wegen versuchter schwerer Brandstiftung gemäß §§ 306a I Nr. 1 Alt. 1, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben.

Anmerkung: Grunddelikt der Qualifikation bei Brandstiftungsdelikten
Bei den Brandstiftungsdelikten ist nicht § 306 StGB, sondern die schwere Brandstiftung nach § 306a I StGB bzw. § 306a II StGB das Grunddelikt der weiteren Qualifikationen, sodass zunächst die versuchte schwere Brandstiftung geprüft wird. Auch wenn noch Strafschärfungen in Betracht kommen.

0. Vorprüfung 

Der Erfolg der Brandstiftung ist nicht eingetreten, da der Brandsatz erlosch, bevor er wesentliche Gebäudeteile in Brand setzen konnte und auch sonst keine brandtypischen Schäden eintraten. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus dem Verbrechenscharakter (§ 12 I StGB) der schweren Brandstiftung.

I. Tatbestand

1. Tatentschluss

C müsste den Tatentschluss zur Verwirklichung von § 306a I Nr. 1 Alt. 1 StGB gefasst haben. C wusste, dass es sich um ein Wohnhaus handelte und damit um ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient. Er wollte dieses auch in Brand setzen, da er davon ausging, der durch das Fenster geworfene Brandsatz würde wesentliche Teile des Hauses so vom Feuer erfassen, dass dieses selbstständig weiterbrennen würde. Somit hatte er den Tatentschluss zur schweren Brandstiftung gefasst.

2. Unmittelbares Ansetzen

Spätestens durch das Hineinwerfen des Brandsatzes hat C alles getan, was aus seiner Sicht erforderlich war, um das Gebäude anzuzünden. Somit hat er auch unmittelbar zur Tat angesetzt, § 22 StGB.

II. Rechtswidrigkeit & Schuld

Er handelte rechtswidrig und schuldhaft.

III. Ergebnis

Somit hat C sich wegen versuchter schwerer Brandstiftung gem. §§ 306a I Nr. 1 Alt. 1, 22, 23 I StGB strafbar gemacht.

C. Strafbarkeit von C gem. §§ 306a I Nr. 1, 306c, 22, 23 I StGB 

Weiterhin könnte sich C durch das Werfen des Brandsatzes wegen versuchter Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge gem. §§ 306a I Nr. 1, 306c, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben.

Vernetztes Lernen: In welchem Fall ist es streitig, ob es einen erfolgsqualifizierten Versuch gibt? Wie sind die Meinungen dazu?
Es gibt auch Tatbestände, bei denen nur die Erfolgsqualifikation ein Verbrechen ist, während das Grunddelikt ein Vergehen, das keine Versuchsstrafbarkeit regelt, ist (prüfungsrelevantes Beispiel ist die Aussetzung gemäß § 221 StGB). In solchen Fällen ist streitig. ob es einen erfolgsqualifizierten Versuch gibt. Hierzu werden verschiedene Meinungen vertreten.

Eine Ansicht verneint eine Strafbarkeit in solchen Konstellationen mit der Begründung, dass die erfolgsqualifizierenden Folgen nur straferhöhende Bedeutung hätten und ihnen bei Versuch oder Vollendung der schweren Folge keine strafbegründende Wirkung zukommen dürfe.[10]MüKoStGB/Hardtung, 4. Aufl. 2020, § 18 Rn. 70; Bussmann GA 1999, 21 (23f.); Kudlich JA 2009, 246 (250); Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 18 Rn. 11; Ulsenheimer GA 1966, 257 (269ff.).

Eine andere Ansicht bejaht eine Strafbarkeit mit dem Verweis auf den erhöhten Strafrahmen der Erfolgsqualifikation und auf die damit verbundene Änderung der Deliktsnatur wie bei sonstigen Qualifikationen.[11]Laubenthal JZ 1987, 1065 (1069); ; Rath JuS 1999, 140 (142), SK-StGB/Stein, 9. Aufl. 2017, § 18 Rn. 56; Sowada Jura 95, 653, Stree GA 60, 289.

0. Vorprüfung

1. Nichtvollendung

Zum einen ist der Erfolg des Grunddelikts nicht eingetreten, da der Brandsatz erlosch, bevor er wesentliche Gebäudeteile in Brand setzen konnte oder es sonst zu brandtypischen Schäden kam. Zum anderen ist auch der Tod eines anderen Menschen als (erfolgs-)qualifizierende Folge nicht eingetreten. 

2. Versuchsstrafbarkeit

Die Versuchsstrafbarkeit müsste vorliegen. Unproblematisch ist dies bei diesem Tatbestand der Fall, wenn es sich um einen sogenannten erfolgsqualifizierten Versuch oder eine versuchte Erfolgsqualifikation handelt. 

Fraglich ist, ob die Konstellation des versuchten Grunddelikts bei gleichzeitig versuchter Erfolgsqualifikation ebenfalls strafbar ist.

a) Eine Ansicht

Nach einer Ansicht solle in solchen Konstellationen keine Versuchsstrafbarkeit vorliegen.[12]Ulsenheimer GA 1966, 257 (278); NK-StGB/Paeffgen, 5. Aufl. 2017, § 18 Rn. 113. Demnach läge keine Versuchsstrafbarkeit vor und eine Strafbarkeit des C käme wegen versuchter Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge gem. §§ 306a I Nr. 1, 306c, 22, 23 I StGB nicht in Betracht.

b) Andere Ansicht

Nach anderer Ansicht soll in Versuchsstrafbarkeit möglich sein.[13]BGH NJW 2022, 254 (254f.); zustimmend Kudlich JA 2022, 165 (167); MüKoStGB/Hardtung, 4. Aufl. 2020, § 18 Rn. 70; vertiefend dazu Hardtung, Versuch und Rücktritt bei den Teilvorsatzdelikten des § … Continue reading Hiernach wäre eine Versuchsstrafbarkeit möglich und eine Strafbarkeit des C käme wegen versuchter Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge gem. §§ 306a I Nr. 1, 306c, 22, 23 I StGB grundsätzlich in Betracht.

c) Stellungnahme

Die Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, weshalb eine Stellungnahme notwendig ist. Die erste Ansicht gründet darauf, dass wenn der Zusatzerfolg nicht strafbegründend wirken solle (§ 18 StGB), könne ihn zu intendieren nur dann strafrechtserheblich sein, wenn das grunddeliktische Verhalten den allgemeinen Kriterien der Strafbarkeit genügt.[14]Ulsenheimer GA 1966, 257 (278); NK-StGB/Paeffgen, 5. Aufl. 2017, § 18 Rn. 113.

Für die zuletzt genannte Ansicht spricht bereits der Wortlaut des § 22 StGB in Verbindung mit den jeweiligen erfolgsqualifizierten Delikten. Wer die Ausführung des Grunddelikts versucht und dabei zudem Vorsatz in Bezug auf die Herbeiführung der schweren Folge hat, setzt nach seiner Vorstellung von der Tat sowohl unmittelbar zum Grunddelikt als auch zur Verursachung der schweren Folge an.[15]BGH NJW 2022, 254 (254f.).

Ebenfalls sprechen hierfür systematische Erwägungen. Nach § 11 II StGB ist das „Zwittergebilde“[16]Kühl in FS Gössel S. 191 (192). erfolgsqualifiziertes Delikt insgesamt als vorsätzliche Tat anzusehen. Damit gelten die allgemeinen Versuchsbestimmungen. Diese setzen nicht voraus, dass der Täter ein Tatbestandsmerkmal objektiv verwirklicht, sondern nur, dass er nach seiner Vorstellung von der Tat hierzu unmittelbar ansetzt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht gerechtfertigt, für den Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts die Vollendung des Grundtatbestands oder den Eintritt der schweren Folge zu verlangen.[17]BGH NJW 2022, 254 (255).

Auch der Sinn und Zweck des hier relevanten Normengefüges sprechen für eine Versuchsstrafbarkeit dieser Konstellation. Der Grund für die Versuchsstrafbarkeit ist die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit seines Tuns (Sog. subjektive Versuchstheorie).[18]Vgl. etwa BGHSt 11, 324 (326 f.); BGHSt 41, 94 (96). Dieser subjektive Handlungsunwert tritt bei demjenigen, der mit seinem Verhalten die Verwirklichung des Grunddelikts und den Eintritt der hierin angelegten schweren Folge anstrebt, unabhängig davon zutage, ob er das Grunddelikt im Ergebnis nur versucht oder vollendet.[19]BGH NJW 2022, 254 (255). Auf einen wie auch immer gearteten objektiven Erfolgsunwert kommt es beim Versuch nicht an und deshalb ebenso wenig darauf, dass Teilabschnitte des erfolgsqualifizierten Delikts verwirklicht sind.[20]vgl. MüKoStGB/Hardtung, 4. Aufl. 2020, § 18 Rn. 70. Die erfolgsqualifizierten Delikte sollen vielmehr den besonderen (Todes-)Gefahren entgegenwirken, die von ihren Grundtatbeständen ausgehen. Es entspricht daher der ratio legis, auch denjenigen Täter zu ahnden, der Grunddelikt und Qualifikation intendiert und an beiden Zielen scheitert.[21]BGH NJW 2022, 254 (255).

Im Ergebnis sprechen die Argumente für die zuletzt genannte Ansicht, welcher auch zu folgen ist. Demnach liegt eine Versuchsstrafbarkeit vor.

I. Tatbestand

1. Tatentschluss

C müsste den Tatentschluss zur Brandstiftung mit Todesfolge gefasst haben. Er hatte zunächst den Willen das Gebäude durch den Brandsatz anzuzünden. Weiterhin nahm C billigend in Kauf, durch das Anzünden des Hauses die darin befindlichen Bewohner zu töten. Er hatte damit den Tatenschluss zur Herbeiführung der schweren Folge i.S.d. § 306c StGB.

2. Unmittelbares Ansetzen

Mit dem Wurf des Brandsatzes hat er unmittelbar zur Tat angesetzt.

II. Rechtswidrigkeit & Schuld

Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. 

III. Ergebnis

C hat sich durch das Werfen des Brandsatzes wegen versuchter Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge gem. §§ 306a I Nr. 1, 306c, 22, 23 I StGB strafbar gemacht.

D. Strafbarkeit vom C gem. §§ 306a Abs. 1, 306b Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB

Angesichts des Tötungsvorsatzes des C hat dieser ohne Weiteres bei dem versuchten Inbrandsetzen mittels des Wurfes des Brandsatzes auch mit dem Vorsatz gehandelt, andere Menschen in die Gefahr des Todes zu bringen, sodass er sich zugleich wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung gemäß §§ 306a Abs. 1, 306b Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat.

E. Strafbarkeit von C gem. § 303 I StGB

Durch den Wurf des C mit der Wasserflasche gegen das Fenster wurde dieses beschädigt. C hat sich gem. § 303 I StGB der Sachbeschädigung strafbar gemacht.

F. Konkurrenzen und Gesamtergebnis

Im Ergebnis hat sich C wegen versuchten Mordes gem. §§ 212, 211, 22, 23 I StGB, versuchter schwerer Brandstiftung gem. §§ 306a I Nr. 1 Alt. 1, 22, 23 I StGB, wegen versuchter Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge gem. §§ 306a I Nr. 1, 306c, 22, 23 I StGB, versuchter besonders schwerer Brandstiftung gemäß §§ 306a Abs. 1, 306b Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB und Sachbeschädigung gem. § 303 I StGB strafbar gemacht.

C hat den Wurf der Wasserflasche gegen die Glasscheibe und den Wurf des Brandsatzes unmittelbar hintereinander und aufgrund eines einheitlichen Tatentschlusses ausgeführt. Die beiden Würfe werden daher im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst.

In Betracht kommt zunächst eine gleichartige Tateinheit hinsichtlich des versuchten Mordes dahingehend, dass C sich des mehrfachen (entsprechend der Anzahl der anwesenden Bewohner bzw. der Anzahl der vorgestellten Bewohner) versuchten Mordes strafbargemacht hat. Danach könnte sich die mehrfachverwirklichte Tat strafschärfend auswirken.[22]MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg, 4. Aufl. 2020, § 52 Rn. 113. Eine gleichartige Tateinheit ist zwar auch bei Tötungsdelikten möglich, jedoch kann von der gleichartigen Tateinheit abgesehen werden, wenn der Tenor unübersichtlich werden würde.[23]BGH NStZ 1996, 610 (611); MüKoStPO/Maier, 1. Auflage 2016, § 260 Rn. 266; KK-StPO/Ott, 8. Aufl. 2019, § 260 Rn. 34; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 260 Rn. 26. Vor diesem Hintergrund ist auch hier nur ein versuchter Mord anzunehmen, zumal nicht bekannt ist, welche Personenanzahl sich C vorstellte.

Die versuchte Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge verdrängt als schwerstes Brandstiftungsdelikt alle weiteren Brandstiftungsdelikte im Wege der Gesetzeskonkurrenz.[24]BGH StV 2020, 604; MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2022, § 306b Rn. 43; Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 306c Rn. 7; siehe auch BGH NStZ-RR 2004, 367. 

Anmerkung: Abweichende Lösung
Es ist auch vertretbar, die schwere versuchte Brandstiftung nach § 306a Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB zur Klarstellung in Tateinheit stehen zu lassen, um deutlich zu machen, dass der Täter auch ein besonders geschütztes Gebäude anzünden wollte. Die zugleich verwirklichten Delikte der versuchten Brandstiftung gem. §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 StGB und der versuchten Zerstörung von Bauwerken nach §§ 305, 22, 23 Abs. 1 StGB treten aber als typische Begleittaten zurück.[25]Ladiges RÜ 2022, 23 (26).
Ausgenommen von der unter Umständen eigenständigen Bedeutung der Erfolgsqualifikation neben dem versuchten Mord ist der Versuch des § 227 StGB (Körperverletzung mit Todesfolge) in Gestalt der versuchten Erfolgsqualifikation. Dieser hat gegenüber dem versuchten Tötungsdelikt keine eigenständige Bedeutung und muss in Klausuren auch nicht eigens angesprochen werden.[26]Ladiges RÜ 2022, 23 (26).

Schließlich ist das Verhältnis zwischen dem versuchten Mord und der versuchten Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge fraglich. Die versuchte Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge könnte hinter den versuchten Mord zurücktreten. Dafür spräche, dass hier sowohl der versuchte Mord als auch die versuchte Erfolgsqualifikation den Vorsatz zur Herbeiführung des Todes voraussetzen. Allerdings setzt die Annahme von Gesetzeskonkurrenz voraus, dass der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren, dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfasst wird.[27]BGHSt 39, 100, 108; RÜ 2020, 582, 583 f. Der § 306c StGB verkörpert aber weitergehendes Unrecht, indem an die besondere Gefährlichkeit der (versuchten) Brandstiftung angeknüpft wird. Daher bedarf die versuchte Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge neben dem versuchten Mord der Klarstellung durch Tateinheit.[28]Ladiges RÜ 2022, 23 (26). Auch bei Tötungsvorsatz findet § 306c StGB Anwendung, da ausdrücklich darauf abgestellt wird, dass der Täter „wenigstens leichtfertig“ den Tod verursacht. Auch die vollendete Sachbeschädigung nach § 303 I StGB tritt nicht zurück, da ansonsten die insoweit erreichte Tatvollendung nicht abgebildet werden konnte und die vollendete Sachbeschädigung auch kein typisches Begleitdelikt eines versuchten Tötungsdelikts oder der versuchten Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge ist.

C ist schließlich wegen versuchtem Mord, versuchter Brandstiftung mit (versuchter) Todesfolge und Sachbeschädigung in Tateinheit zu bestrafen.


Zusatzfragen

Wie der Ausgangsfall. C wird bei seiner Tat von V, einem verdeckten Ermittler, unterstützt. V präpariert den Brandsatz so, dass dieser gar nicht zünden kann, und wirft den Brandsatz, nachdem C mit der Wasserflasche das Fenster eingeworfen hat, hinterher.

Haben C und V den Versuch der Taten bereits begonnen?
Fraglich ist, ob es sich bei dem Versuch um einen untauglichen mittäterschaftlichen Versuch handelt. Der Versuchsbeginn bei einer solchen vermeintlichen Mittäterschaft ist innerhalb der Rechtsprechung und Gesamtlösung umstritten.

Die einen untauglichen mittäterschaftlichen Versuch bejahenden Vertreter berufen sich auf die gemäß § 22 StGB maßgebliche subjektive Tatplanperspektive und die daraus folgende Strafbarkeit des untauglichen Versuchs. Dies erlaube es, dem Täter, der einen Komplizen irrig als Mittäter ansehe, die fremde Versuchshandlung zuzurechnen. Zudem beziehe sich die Zurechnung gem. § 25 II StGB nur auf objektive Tatbeiträge, und aus der Außensicht trete der vermeintliche Mittäter in das Versuchsstadium ein. Es gebe keinen Grund, den ursprünglichen Mittäter wegen der aus seiner Sicht zufälligen Willensänderung des (vermeintlichen) Mittäters besserzustellen.[29]BGHSt 40 299 (302); BGH NStZ 2004, 110 (111); Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 22 Rn. 22ff.; Hauf NStZ 1994, 263ff.

Die Gegenansicht hält es für unentbehrlich, dass einer der Komplizen den objektiven Versuchstatbestand des § 22 StGB erfüllt. Darauf könne auch im Falle der versuchten vermeintlichen Mittäterschaft nicht verzichtet werden. Nach § 22 StGB sei es nicht erlaubt, sich nur auf das objektive Vorliegen einer Versuchshandlung zu beschränken und die subjektive Vorstellung auszublenden. Ein ohne Vorsatz handelnder vermeintliche Mittäter würde gerade nicht zur Tatbestandsverwirklichung ansetzen. Eine solche Handlung würde aber sowohl der untaugliche als auch der taugliche Versuch verlangen. Das könne auch nicht durch das bloße Glauben des Mittäters an das tatsächliche Überschreiten der Schwelle des § 22 StGB durch den vermeintlichen Mittäter ersetzt werden. Auch bleibt keine Strafbarkeitslücke, da weiterhin der Versuch der Beteiligung in Fällen des § 30 StGB strafbar bleibe.[30]BGHSt 39, 236 (238); LK/Murmann, 13. Aufl., § 22 Rn. 216ff.; Zopfs Jura 1996, 19ff.; Krack NStZ 2004, 679ff. MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 4. Aufl. 2020, § 22 Rn. 140ff.; Rengier, Strafrecht AT, 14. … Continue reading

Staatsanwalt S sitzt am Abend zusammen mit Bekannten aus seinem Fußballverein in einer Gaststätte. Dabei wird angeregt darüber diskutiert, ob sich Verbrechen auszahlen oder nicht. Mitspieler A erzählt schließlich, dass sein Schwager B vor kurzem zu einer Menge Geld gekommen sei, in dem er einer alten Frau unter Vorhalten eines Messers ihre Handtasche geraubt habe. Muss S etwas unternehmen?
Zu fragen wäre, ob eine Verfolgungspflicht des S bestehen könnte, sodass er Ermittlungen gegen B einleiten müsste. Gesetzlicher Ausgangspunkt sind die §§ 152 II, 170 I StPO (sog. Legalitätsprinzip), nach denen grundsätzlich eine Verfolgungspflicht besteht.
Problematisch ist hier aber, dass S im Rahmen seines Privatlebens vom schweren Raub des B Kenntnis erlangt hat. Die Auflösung dieser Kollision zwischen Legalitätsprinzip und Privatleben des Staatsanwalts ist umstritten.

Eine Ansicht:
Es bestehe keine Pflicht zur Strafverfolgung bei privater Kenntniserlangung von Straftaten, sondern es steht im Ermessen des einzelnen Beamten.[31]Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 160 Rn. 10; KK-StPO/Griesbaum, 8. Aufl. 2019, § 158 Rn. 29. Zum einen weise die Entstehungsgeschichte des § 152 II StPO eindeutig auf eine Beschränkung auf amtliche Kenntniserlangung hin. Zum anderen stelle eine Strafverfolgungspflicht einen nicht zumutbaren Eingriff in die Privatsphäre des Beamten dar.

Andere Ansicht (h.M.)
Eine Pflicht zur Strafverfolgung bestehe ausschließlich bei Delikten, die nach Art und Umfang die öffentlichen Belange in besonderem Maße berühren. Ausnahmen würden aufgrund pflichtgemäß abgewogener sittlicher Entscheidung gelten.[32]BGHSt 5, 225 (229); BGHSt 12, 277 (280);; einschränkend BGHSt 38, 388; OLG Karlsruhe JR 1989, 210; OLG Köln NJW 1981, 1794; Krause GA 1964, 110 (119); Krause JZ 1984, 548. Nur so sei ein vernünftiger Kompromiss zwischen Privatsspähre und Legalitätsprinzip möglich. Die bloße beamtenrechtliche Befugnis führe zu Strafverfolgungslücken.

Andere Ansicht
Zur Konkretisierung der h.M., die aufgrund von Unbestimmtheit bedenklich sei, erscheine eine Orientierung an den Katalogtaten des § 138 I StGB für das Vorliegen einer Strafverfolgungspflicht sinnvoll.[33]MüKoStGB/Cramer/Pascal, 4. Aufl. 2021, § 258a Rn. 7; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 30. Aufl. 2022, § 39 Rn. 3; Satzger JURA 2007, 754 (756). Dadurch würde insbesondere die Rechtsunsicherheit aufgrund des Kriteriums der Deliktsschwere ausgeschlossen.

Andere Ansicht
Eine weitere Unteransicht der h.M. stellt auf den Verbrechenscharakter des Delikts ab.[34]Hellmann, Strafprozessrecht, 2. Aufl. 2005, Rn. 52; Krey/Heinrich, Deutsches Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. 2008, Rn. 609ff. Die Schwelle zur Strafverfolgungspflicht sei niedriger als bei § 138 I StGB. Zumal der Gesetzgeber die Erheblichkeitsschwelle mit § 12 I StGB bereits festgelegt habe.


Zusammenfassung

1. Eine versuchte Brandstiftung mit Todesfolge kann als Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts auch dadurch verwirklicht werden, dass der Täter zum Grunddelikt unmittelbar ansetzt, wobei er die schwere Folge beabsichtigt oder billigend in Kauf nimmt, hinsichtlich beider Tatbestände aber nicht zur Vollendung gelangt. Weder die Inbrandsetzung oder die durch die Brandlegung bewirkte – zumindest teilweise – Zerstörung noch der Tod müssen eingetreten sein.

2. Der Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts ist auch möglich durch bloßes unmittelbares Ansetzen zum Grunddelikt mit dem Vorsatz der Herbeiführung der schweren Folge. Bleibt diese aus, handelt es sich um einen Unterfall der versuchten Erfolgsqualifikation. Wer die Ausführung des Grunddelikts versucht und dabei zudem Vorsatz in Bezug auf die Herbeiführung der schweren Folge hat, setzt nach seiner Vorstellung von der Tat sowohl unmittelbar zum Grunddelikt als auch zur Verursachung der schweren Folge an.


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