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Der verbliebene Untermieter

BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20; NJW 2021, 1088

Sachverhalt

(abgeändert)

V ist Eigentümer einer 107 m2 großen Wohnung in Berlin. Diese vermietete er an den Mieter M, der wiederum einen der Räume der Wohnung, eine 7 m2 große Kammer, mit Zustimmung des V an den U untervermietete. M starb Ende November 2014. Am 20.12.2014 kündigte V den Mietvertrag zwischen ihm und M unter Verweis auf § 564 S.2 BGB gegenüber der nicht nach § 563 BGB eintrittsberechtigen Alleinerbin des M, der E. Mit Schreiben vom 29.12.2014 forderte der V den U außerdem erfolglos zur Herausgabe der vermieteten Kammer bis zum 31.03.2015 auf. U räumte die Kammer jedoch nicht. V sah daraufhin von einer Vermietung der restlichen Wohnung ab, da er die Wohnung in Ansehung der geringeren Quadratmeterzahl und der fehlenden räumlichen Trennung von Kammer und Restwohnung nur zu einem erheblich niedrigeren Preis hätte vermieten können.

Im Januar 2016 wurde U rechtskräftig zur Räumung verurteilt und ihm wurde gem. § 721 ZPO eine Räumungsfrist bis zum 30.09.2016 gewährt. Nachdem U seine Kammer auch zum Ende dieser Frist nicht geräumt hatte, kam es am 01.10.2016 zur Zwangsräumung.

Nach der Zwangsräumung fordert V von U für die Nutzung der gesamten Wohnung in der Zeit von März bis einschließlich September 2016 die Zahlung von insgesamt 7.490,00€. Zu Recht?

Hinweis: Gehen Sie bei Ihrer Bearbeitung davon aus, dass V unter Zugrundelegung der ortsüblichen Vergleichsmiete in der Zeit von März bis September insgesamt Mieteinnahmen in Höhe von 490,00€ für die Kammer bzw. 7.490,00€ für die gesamte Wohnung (inklusive Kammer) hätte erhalten können. Gehen Sie davon aus, dass U auch nach dem Freiwerden der restlichen Wohnung, nur die 7 m2 große Kammer bewohnt hat. Gehen Sie auf alle in Frage kommenden Ansprüche – gegebenenfalls hilfsgutachterlich – ein. 

Anmerkung: Sachverhaltsänderungen
Der Sachverhalt wurde in einigen Punkten abgeändert.

In dem tatsächlichen Rechtsstreit starb V während des Verfahrens. Der Rechtsstreit wurde von seiner Erbengemeinschaft fortgeführt. Da der Fokus dieses Falles aber auf dem Verhältnis von § 721 ZPO und mietrechtlichen Vorschriften sowie der Anwendung der Nutzungsersatzvorschriften des EBV liegen soll, wurde dieser Umstand ausgelassen, um den Fall nicht unnötig zu verkomplizieren.

Die Kündigung des Mietvertrages durch V findet in dem Sachverhalt, welcher dem BGH-Urteil zugrunde liegt, keine Erwähnung. Es wird lediglich festgestellt, dass der Mietvertrag in Folge des Todes des M endete. Die Kündigung wurde eingefügt, um Fehlinterpretationen im Zuge der Bearbeitung vorzubeugen. Das Herausgabeverlangen des V gegenüber U war auch nicht datiert. Die Datierung wurde aus Gründen der Sachverhaltskonsistenz eingefügt.

Die Probleme des V, die Wohnung ohne Kammer weiter zu vermieten, gehen aus dem Sachverhalt des vorliegenden Urteils nicht ohne weiteres hervor. Allerdings nahmen diese Überlegungen einen nicht unwesentlichen Teil der Urteilsbegründung ein, so dass sie hier in den Sachverhalt als feststehender Umstand übernommen wurden.

Im Ausgangssachverhalt des AG Berlin-Schöneberg, nutzte der U neben der Kammer auch Sanitäranlagen und Küche zumindest teilweise mit. Aus Gründen der Übersichtlichkeit, wurde dies nicht in diesen Sachverhalt übernommen.

Skizze


Gutachten

Anmerkung: Zur Bearbeitung
Der BGH hatte nur auf den Anspruch aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB (hier unter F.) einzugehen. Etwaige mögliche Ansprüche aus dem Mietrecht wurden daher ebenso wenig in die Urteilsbegründung aufgenommen, wie andere – insbesondere ihrer Rechtsfolge nach weniger weitreichende – Ansprüche aus dem EBV. In einer Klausur wird hingegen typischerweise auf alle in Frage kommenden Ansprüche einzugehen sein, so dass in dieser Bearbeitung auch auf fernliegendere oder weniger weitgehende Ansprüche des V eingegangen wird. Dabei sollte man sich vor Augen führen, dass eine zwingende Prüfungsreihenfolge der Sekundäransprüche des EBV (§§ 987 ff. BGB) nicht existiert. Außerhalb der allgemeinen zivilrechtlichen Prüfungsfolge (vertragliche Ansprüche, vertragsähnliche Ansprüche, dingliche Ansprüche, deliktische Ansprüche, bereicherungsrechtliche Ansprüche, Hilfsansprüche) wurde daher eine Reihenfolge gewählt, in welcher die Systematik der Nutzungsersatzansprüche im EBV am besten zur Geltung kommt.

A. Anspruch aus § 546a I BGB (analog)

Der V könnte gegen den U gem. § 546a I BGB (analog) einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe der vereinbarten Miete bzw. in Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete haben.

Anmerkung: Prüfung des Anspruchs
Weder der BGH noch die in erster und zweiter Instanz zuständigen Gerichte gehen auf einen Anspruch aus § 546a I BGB (analog) ein. Dies ist angesichts der Offenkundigkeit dessen, dass zwischen V und U kein Mietverhältnis i.S.d. § 546a I BGB vorliegt, wenig überraschend. Dennoch kann ein entsprechender Anspruch in der Klausur kurz abgehandelt und ausgeschlossen werden, um zu zeigen, dass die mietrechtlichen Anspruchsgrundlagen theoretisch beherrscht werden.

I. Direkte Anwendung des § 546a I BGB

Ein Anspruch aus § 546a I BGB könnte nur dann angenommen werden, wenn U die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht herausgegeben hätte. Zwar hat U die angemietete Kammer nicht an V herausgegeben, allerdings fehlte es zwischen U und V von Anfang an an einem Mietverhältnis, da jeweils lediglich ein Mietverhältnis zu M bzw. nach dessen Tod zu dessen Alleinerbin E (vgl. § 1922 I BGB) bestand. Eine direkte Anwendung des § 546a I BGB ist also angesichts des klaren Wortlauts und der systematischen Stellung der Norm ausgeschlossen. [1]Vgl. Blank/Börstinghaus, „Mietrecht“, 6.Auflage 2020, § 546a BGB Rn.24; BGH V ZR 106/04 in NJW-RR 2005, 1542.

II. Analoge Anwendung des § 546a I BGB

In Frage käme allerdings eine analoge Anwendung des § 546a I BGB auf die Fälle, in denen der Vermieter die Mietsache von einem Dritten i.S.d. § 546 II BGB herausverlangen kann, so dass auch das Verhältnis von Untermieter und Vermieter des Hauptmieters umfasst wäre. Dies würde eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage voraussetzen.[2]Zu den Voraussetzungen einer Analogie: Mann/Tettinger, „Einführung in die juristische Arbeitstechnik“, 5. Auflage 2015, Rn.274. Schon das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ist allerdings zu verneinen, da der Vermieter auch ohne eine Anwendung des § 546a I BGB auf Untermietverhältnisse seinen Nutzungsausfall über §§ 280 I, II, 286, 546 II, 249, 252 BGB geltend machen kann.[3]Vgl. BeckOK Mietrecht/Klotz-Hörlin, Ed. 26 01.11.2021, BGB § 546 Rn. 96; BGH, Urteil vom 19.10.1995 – IX ZR 82/94 NJW 1996, 321; nur in den äußerst seltenen Fällen, in denen ein … Continue reading Sofern der Vermieter zugleich Eigentümer der Mietsache ist, kann er außerdem auf die Nutzungsersatzansprüche des EBV (§§ 987 ff. BGB) verwiesen werden.[4]Vgl. statt vieler BeckOK BGB/Wiederhold, 61. Ed. 01.02.2022, BGB § 546 Rn. 4; BGH Urteil vom 12.08.2009 – XII ZR 76/08 NJW-RR 2009, 1522. Dass dem Gesetzgeber dies bewusst war und er deshalb auf eine weitere Begünstigung des Vermieters gegenüber Untermietern in § 546a I BGB bewusst verzichtet hat, zeigt sich somit gerade in der Regelung der Rückgabepflicht Dritter in § 546 II BGB, in welcher der Gesetzgeber eine solche Konstellation gerade bedacht hat.[5] Vgl. BeckOK BGB/Wiederhold, 61. Ed. 01.02.2022, BGB § 546 Rn. 4. Mangels planwidriger Regelungslücke scheidet eine analoge Anwendung des § 546a I BGB also aus.

Anmerkung: Aufbau der Prüfung bei Analogien
Hier wäre ein alternativer Aufbau möglich gewesen. Anstatt die direkte und die analoge Anwendung in einer gemeinsamen Anspruchsprüfung aufzuführen, hätten auch zwei getrennte Anspruchsprüfungen erfolgen können. Während letztere Methode insbesondere Ober- und Ergebnissätze vereinfacht und in Fällen, in denen der analoge Anspruch auch tatsächlich angenommen wird, die Übersichtlichkeit der Prüfung steigern kann, bietet sich die hier gewählte Variante insbesondere in den Fällen an, in denen eine Analogie recht unkompliziert abgelehnt werden kann. In einer solchen Konstellation kann dadurch vermieden werden, dass die Ergebnisfeststellung der Anspruchsprüfung unter II. zu erfolgen hat.

III. Ergebnis 

V hat gegen U keinen Anspruch auf Entschädigung in Höhe der vereinbarten Miete oder der ortsüblichen Vergleichsmiete in direkter oder analoger Anwendung des § 546a I BGB

B. Anspruch aus §§ 280 I, II, 286, 546 II, 249, 252 BGB

V könnte gegen U jedoch einen Anspruch auf Ersatz des ihm durch die Verzögerung der Herausgabe der Mietsache entstandenen Schadens aus §§ 280 I, II, 286, 546 II, 249, 252 BGB haben.

Anmerkung: Prüfung des Anspruchs
Erstaunlicherweise erwähnt keines der mit diesem Fall betrauten Gerichte den Anspruch aus §§ 280 I, II, 286, 546 II, 249, 252 BGB und auch in einigen Urteilsbesprechungen wird auf den Anspruch nicht eingegangen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass § 546 II BGB unstreitig sowohl auf den Untermieter anzuwenden ist als auch ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet.[6]Vgl. Fn. 4. Sofern die Prüfung eines solchen Anspruchs nicht ausgeschlossen ist, ist er in der Klausur daher in jedem Fall zu prüfen. Sollte der vorliegende Fall in der Klausur abgeprüft werden, wäre es allerdings gut möglich, dass der Ersteller alle auf dem Mietrecht fußenden Ansprüche entweder per Bearbeiterhinweis ausschließt oder aber eine Fallgestaltung wählt, in der ein solcher Anspruch gar nicht bestünde (siehe dazu die Anmerkung zur Bearbeitung des Anspruchs aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB).

I. Vorüberlegung: Verzögerungsschaden

V begehrt von U die Zahlung des Schadens, der ihm durch die verzögerte Herausgabe der Kammer entstanden ist. Dabei sind nur entgangene Mieteinnahmen als potenzieller Schadensposten ersichtlich. Fraglich ist allerdings, ob ein solcher entgangener Gewinn (vgl. § 252 BGB) als Verzugsschaden (Schadensersatz neben der Leistung) oder im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung geltend zu machen ist. Entgangener Gewinn ist dann als Verzugsschaden zu ersetzen, wenn er auch bei einer Nachholung der Leistung nicht mehr realisiert werden könnte, während sonstiger entgangener Gewinn nur im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung ersatzfähig ist.[7]Lorenz, NJW 2005, 1889, 1890 Da die verlorenen Mietperioden nicht replizierbar sind, ist der entgangene Gewinn somit im Zuge des Verzögerungsschadens (§§ 280 I, II, 286 BGB) zu ersetzen.

Anmerkung: Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung - Notwendigkeit
Die genaue Differenzierung zwischen Verzögerungsschaden und Schadensersatz statt der Leistung ist bekannter Maßen nicht unumstritten. Eine dezidierte Darstellung des Streitstandes würde die Kapazitäten dieses Beitrages allerdings überschreiten und kann auch in einer Klausur dieses Umfangs nicht gefordert werden. Dies gilt umso mehr, als die Einordnung in diesem Fall nicht streitig ist. Hier ist der Punkt dennoch in Kürze aufgeführt, da Examenskandidat:innen häufig unklar ist, wie die Frage der Abgrenzung von Schadensersatz statt und neben der Leistung in eine Klausurlösung zu implementieren ist. Die hier dargestellte Variante ist eine mögliche Lösung dieses Problems.

II. Schuldverhältnis

Zwischen V und U müsste dafür zunächst ein Schuldverhältnis i.S.d. § 280 I 1 BGB bestehen oder zumindest bestanden haben. Ein Mietverhältnis zwischen V und U besteht mangels vertraglicher Bindung nicht.[8]vgl. auch A.I. Allerdings könnte U gem. § 546 II BGB im Rahmen eines gesetzlichen Schuldbeitritts in das zwischen E und V bestehende Herausgabeschuldverhältnis i.S.d. § 546 BGB einbezogen sein.[9] Zur phänomenologischen Einordnung des § 546 II BGB siehe BeckOK Mietrecht/Klotz-Hörlin, BGB § 546 Rn. 71; BGH, Urteil vom 18.12.1980 – VIII ZR 41/80 NJW 1981, 865; somit handelt es … Continue reading 

1. Beendigung des Mietverhältnisses zwischen V und M

Da § 546 II BGB somit eine personelle Erweiterung der Rückgabepflicht des Mieters aus § 546 I BGB darstellt,[10]BeckOK BGB/Wiederhold, § 546 Rn. 7: „auch“. würde dies voraussetzen, dass der ursprünglich zwischen dem Mieter M und V bestehende Mietvertrag, der nach dem Tod des M zwischen V und E bestand (§ 1922 I BGB), beendet worden ist. V hat den Mietvertrag am 20.12.2014 gegenüber der E wirksam gem. § 564 S.2 BGB gekündigt. Somit wurde der ursprünglich zwischen M und V bestehende Mietvertrag unter Achtung der gesetzlichen Frist des § 573d II BGB am 31.03.2015 beendet.

2. U als „Dritter“ i.S.d. § 546 II BGB

Aus § 546 II BGB wird nur derjenige „Dritte“ verpflichtet, dem der Mieter die Mietsache „überlassen“ hat. Somit müsste auch U diese Voraussetzungen im vorigen Fall erfüllen. Dritter i.S.d. § 546 II BGB ist jede Person, die nicht Partei des Mietvertrages ist.[11]Vgl. BeckOK BGB/Wiederhold, BGB § 540 Rn. 4. In Bezug auf den maßgeblichen Mietvertrag zwischen V und M ist U keine solche Partei und somit „Dritter“. Ein „Überlassen“ i.S.d. § 546 II BGB setzt voraus, dass der der Dritte den Besitz an der Mietsache zumindest wissentlich und mit Duldung des Mieters erlangt hat,[12] BeckOK BGB/Wiederhold, BGB § 546 Rn. 9. wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist.

3. Zwischenergebnis

Zwischen U und V bestand demnach ein Schuldverhältnis der in § 546 II BGB bezeichneten Art. Folglich liegt ein Schuldverhältnis i.S.d. § 280 I BGB vor.

III. Pflichtverletzung

§ 280 I 1 BGB setzt darüber hinaus die Verletzung einer Pflicht aus dem Schuldverhältnis voraus. Da ausweislich der Ausführungen in I. ein Verzögerungsschaden ersetzt werden soll, ist dabei gem. § 280 II BGB auf die zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 BGB abzustellen. Dem ist zu entnehmen, dass U die ihm aus § 546 II BGB erwachsende Leistungspflicht verletzt haben müsste, indem er mit der Herausgabe der Mietsache i.S.d. § 286 BGB in Verzug geraten ist.

1. Nichtleistung auf fälligen, wirksamen und durchsetzbaren Anspruch

In Ansehung der §§ 281323 BGB müsste V gegen U daher ein fälliger, wirksamer und durchsetzbarer Anspruch auf Herausgabe der Kammer zugestanden haben.[13]Vgl. BeckOGK/Dornis, St. v. 01.03.2020, BGB § 286 Rn. 98f., 119f.

V hatte gegen U seit dem 01.04.2015 einen Anspruch auf Herausgabe der Wohnung aus § 546 II BGB. Fraglich ist somit allein, ob die dem U gewährte Räumungsfrist Wirksamkeit, Fälligkeit oder Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs ausschließt. Zwar hindert eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO als vorübergehendes Vollstreckungshindernis i.S.d. § 751 I ZPO die Vollstreckung der Räumung, die materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit des Anspruchs ist davon hingegen ebenso wenig betroffen, wie Fälligkeit und Wirksamkeit des Anspruchs aus § 546 II BGB. Somit hat D § 721 ZPO als rein verfahrensrechtliche Vorschrift ohne materiell-rechtliche Auswirkungen keine Auswirkung auf den Eintritt des Verzugs.[14] Vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20, NJW 2021, 1088; BGH, Urteil vom 29.04.1987 – VIII ZR, NJW-RR 1987, 907.

Anmerkung: Unterschied von Durchsetzbarkeit und der Möglichkeit zwangsweiser Durchsetzung
Auf den ersten Blick mag es verwunderlich klingen, dass der Ausschluss der zwangsweise Durchsetzungsmöglichkeit der Räumung für einen gewissen Zeitraum nichts mit der „Durchsetzbarkeit“ des Anspruchs im materiell-rechtlichen Sinne zu tun hat. In diesem Zusammenhang muss man sich klar machen, dass die fehlende Durchsetzbarkeit im materiell-rechtlichen Sinne (z.B. durch das Entgegenstehen einer Einrede) schon ein Urteil zugunsten des Anspruchsinhabers verhindern würde; einer entsprechenden Räumungsklage würde also gar nicht erst stattgegeben. Ein Vollstreckungshindernis i.S.d. § 751 ZPO verhindert hingegen die Vollstreckung eines Urteils, greift also erst ein, wenn der entsprechenden Klage bereits stattgegeben wurde und der Kläger in Ermangelung der Bereitschaft des Beklagten, dem Urteil Folge zu leisten, auf staatliche Durchsetzungsmaßnahmen (Zwangsvollstreckung) zurückgreift.

2. Mahnungserfordernis

Für den Verzugseintritt bedarf es gem. § 286 I 1 BGB außerdem einer Mahnung. V hat hier jedenfalls lange vor dem 01.03.2016 Herausgabeklage erhoben. Die Erhebung einer solchen Klage steht gem. § 286 I 2 Alt.1 BGB der Mahnung gleich, so dass das Mahnungserfordernis des § 286 I BGB erfüllt ist.

Anmerkung: Das Tatbestandsmerkmal Verschulden als Verzugsvoraussetzung
Hier sollte man sich nicht davon verwirren lassen, dass § 286 IV BGB das „Verschulden“ des Schuldners als Voraussetzung des Schuldnerverzuges festschreibt. Dieses Verschulden als Verzugsvoraussetzung ist im Rahmen des Ersatzes des Verzögerungsschadens irrelevant, da es § 280 I 2 BGB bereits an das „Vertretenmüssen“ anknüpft. Relevant wird § 286 IV BGB daher immer nur dann, wenn eine sonstige Folge des Schuldnerverzugs in Frage steht (z.B. Verzugszinsen, § 288 BGB oder die verschärfte Haftung i.S.d. §§ 287, 292 BGB).

3. Zwischenergebnis

U hat also die ihm aus § 546 II BGB erwachsende Leistungspflicht verletzt, indem er gem. § 286 BGB mit der Herausgabe der Mietsache in Verzug geraten ist. 

IV. Vertretenmüssen, § 280 I 2 BGB

Ferner setzt § 280 I 2 BGB voraus, dass U die Pflichtverletzung (Verzug der Herausgabe) zu vertreten hat. Das Vertretenmüssen wird gem. § 280 I 2 BGB widerleglich vermutet, so dass es einer Exkulpation des U bedürfte.[15]Vgl. BeckOK BGB/Lorenz, BGB § 286 Rn. 54. Ein Exkulpationsversuch des U ist (ebenso wie eine seinerseits bestehende Exkulpationsmöglichkeit) nicht ersichtlich, so dass von einem Vertretenmüssen des U auszugehen ist. 

V. Rechtsfolge

Somit hat U dem V den Schaden zu ersetzen, der diesem durch die verzögerte Räumung der Kammer entstanden ist. Art und Höhe des Schadensersatzes bemessen sich anhand der §§ 249 ff. BGB.[16]Statt vieler: Wandt, „Gesetzliche Schuldverhältnisse“, 10.Aufl. 2020, § 24 Rn.1 ff.

1. Ersatzfähiger Schaden

Der ersatzfähige Schaden bemisst sich anhand der Differenzhypothese.[17]Statt vieler: Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 24 Rn.8 ff. Danach ist die tatsächlich eingetretene Vermögenslage mit der hypothetischen Vermögenslage ohne den Eintritt des „zum Ersatz verpflichtenden Umstandes“ (§ 249 I BGB) zu vergleichen.[18] Vgl. BeckOK BGB/Flume, BGB § 249 Rn. 37; BGH, Urteil vom 05.02.2015 – IX ZR 167/13, NJW 2015, 1373 Rn.7; MüKoBGB/Oetker, 8.Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 18. Da hier allein der Schaden im Zeitraum ab dem 01.03.2016 in Frage steht, kann als hypothetische Vermögenslage diejenige herangezogen werden, die bestanden hätte, wenn U die Wohnung zu spätestens diesem Zeitpunkt herausgegeben hätte.

Ein positiver Schaden, der das tatsächliche Vermögen des V gegenüber dem dergestalt ermittelten hypothetischen Vermögen belastet hätte, besteht nicht. Allerdings ist in Anwendung der Differenzhypothese auch diejenige Vermögensdifferenz zu ersetzen, die durch eine Erhöhung des hypothetischen Vermögens gegenüber dem tatsächlichen Vermögen eintritt – der entgangene Gewinn (§ 252 BGB).

Anmerkung: Positiver Schaden und entgangener Gewinn
Die Differenzierung zwischen positivem Schaden (damnum emergens) und entgangenem Gewinn (lugrum cessans) wird selten vorgenommen und ist im Wesentlichen ohne Bedeutung, da beide nach der Differenzhypothese zur Erhöhung des hypothetischen Vermögens gegenüber dem tatsächlichen Vermögen beitragen und somit zur selben ersatzfähigen Differenz führen.[19] Dazu BeckOK BGB/Flume, BGB § 252 BGB Rn. 1, 2; auch zur Notwendigkeit der eigenständigen Regelung des § 252 BGB. Im vorliegenden Fall bietet sich die Differenzierung dennoch an, um die Problematiken des Ersatzes des entgangenen Gewinns an der Differenzhypothese aufzubauen.

Als entgangen gilt dabei gem. § 252 BGB der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Hätte U die Kammer vor dem 01.03.2016 geräumt, hätte V jedenfalls die 7 m2 große Kammer vermieten können. 

Fraglich ist allerdings, ob auch die nicht getätigte Vermietung der von U nicht genutzten restlichen 100 m2 der Räumlichkeiten als entgangener Gewinn zu Buche schlägt. Neben der erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass V diese Räumlichkeiten ebenfalls vermietet hätte, wenn U nicht die 7 m2 große Kammer bewohnt hätte, bedarf es zumindest einer Mitursächlichkeit des Verzugs des U für die unterlassene Gewinnerzielung.[20]BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20, NJW 2021, 1088 Rn.9.

Grundsätzlich hätte für V unter Umständen eine Möglichkeit bestanden, die restlichen 100 m2 auch ohne die Kammer zu vermieten. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Vermieter eine Wohnung regelmäßig nur als Einheit vermieten kann, sofern keine Anhaltspunkte bestehen, die für den konkreten Fall eine anderweitige Bewertung zulassen.[21]Ebd. Solche Anhaltspunkte sind vorliegend gerade nicht ersichtlich. Der U setzte mithin eine Ursache dafür, dass die Wohnung nicht weitervermietet werden konnte.[22]Vgl. ebd.; BGH, Urteil vom 14.03.2014 – V ZR 218/13, NZM 2014, 347 Rn. 10.

Hätte der U die Kammer rechtzeitig herausgegeben, hätte V die gesamte Wohnung voraussichtlich vermieten können. Eine solche Vermietung hat tatsächlich nicht stattgefunden, so dass dem V die entsprechenden Mieteinnahmen nicht zugeflossen sind. Der entgangene Gewinn des V besteht somit in den entgangenen Mieteinnahmen, welche V für die gesamte 107 m2 große Wohnung erzielt hätte.

Anmerkung: Schadensberechnung neben anderen Ansprüchen des Geschädigten
Aufgrund der Möglichkeit, dass dem V andere Nutzungsersatzansprüche gegen den U bezüglich der 7 m2 großen Kammer zustehen, könnte man nun auf die Idee kommen, diese in Abrechnung zu bringen. Davon ist allerdings abzuraten, da dies einen Verweis nach unten auf noch gar nicht geprüft Ansprüche notwendig machen würde. Es ist daher sinnvoller im Gesamtergebnis[23]vgl. unter I. auf die Konkurrenzen der Ansprüche einzugehen, und dort anzumerken, dass diese Ansprüche – sofern sie geltend gemacht werden – aufgrund des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots die Geltendmachung eines entsprechenden Verzugsschadens in der entsprechenden Höhe ausschließen.

2. Art und Höhe des Schadensersatzes

Grds. ist ein Schaden gemäß § 249 I BGB in natura zu ersetzen (Naturalrestitution). Da dies für entgangenen Gewinn dessen Natur gemäß nicht möglich ist, hat U den V in Geld zu entschädigen. Die Entschädigung bemisst sich somit an dem Wert des entgangenen Gewinns, der konkret oder abstrakt ermittelt werden kann.[24]Vgl. dazu Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 25 Rn.35. Ein Gewinn kann hier nicht konkret beziffert werden, einer insofern notwendigen abstrakten Berechnung, in deren Zuge derjenige Gewinn zu ersetzen ist, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erwartet werden konnte,[25]Ebd. kann die ortsübliche Vergleichsmiete zugrunde gelegt werden. Dieser Posten beläuft sich somit auf 7.490,00€. 

VI. Ausschluss des Anspruchs

Fraglich ist allerdings, ob der Anspruch des V gegen den U aus §§ 280 I, II, 286, 546 II, 249, 252 BGB in Ansehung des § 571 II BGB ausgeschlossen ist.

Anmerkung: Prüfung des BGH
Dies ist der relevanteste Teil des BGH-Urteils. Dabei sollte man sich nicht davon verwirren lassen, dass der BGH diese Fragestellung im Zuge der Prüfung des Anspruchs aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB prüft. Dies ist allein darauf zurückzuführen, dass die Revision sich nur mit diesem Anspruch zu beschäftigen hatte. Die Fragestellung selbst ist auf den hier geprüften Anspruch 1:1 übertragbar.

1. Ausschluss gem. § 571 II BGB i.V.m. § 721 ZPO

§ 571 II BGB schließt einen über § 546a II i.V.m. § 571 I BGB hinausgehenden Schadensersatz gegen den Mieter für den Zeitraum aus, für welchen dem Mieter eine Räumungsfrist gem. §§ 721, 794a ZPO gewährt worden ist. § 571 II BGB beschränkt die Ansprüche des Vermieters somit im Wesentlichen auf den ihm nach § 546a I BGB zustehenden Nutzungsersatzanspruch. § 571 II BGB erweitert die Wirkung der §§ 721794a ZPO also in materiell-rechtlicher Hinsicht, indem er im Ergebnis anordnet, dass die Haftung des Mieters während einer laufenden Räumungsfrist grundsätzlich auf § 546a I BGB beschränkt ist. 

a) Gewährung einer Räumungsfrist

Dem U wurde gem. § 721 ZPO eine Räumungsfrist bis zum 30.09.2014 gewährt.

b) U als Mieter

Allerdings steht U – wie bereits unter A.I. beschrieben – nicht in einem Mietverhältnis zu V, so dass § 571 II BGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar ist. Die bloße Möglichkeit der Einräumung eines Räumungstitels genügt nicht, um den personellen Anwendungsbereich des § 571 II BGB zu eröffnen, da § 721 ZPO allein an die tatsächliche Nutzung von Wohnraum anknüpft.[26]MüKoZPO/Götz, 6.Aufl. 2020, ZPO § 721 Rn. 2; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 18.Aufl. 2021, ZPO § 721 Rn. 3. § 571 II BGB knüpft hingegen systematisch an § 546a BGB an, der ein bestehendes Mietverhältnis voraussetzt.[27] BGH, Urteil vom 31.01.2021 – XII ZR 221/98, NJOZ 2001, 282 (284); MüKo BGB/Bieber, BGB § 546a Rn. 3. Ein solches Verhältnis besteht zwischen Vermieter und Untermieter gerade nicht.[28]BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20, NJW 2021, 1088 Rn. 12.

c) Zwischenergebnis

Mithin ist der Anspruch des V gegen den U nicht gem. § 571 II BGB i.V.m. § 721 ZPO ausgeschlossen.

2. Ausschluss gem. § 571 II BGB analog i.V.m. § 721 ZPO

Jedoch könnte eine analoge Anwendung des § 571 II BGB auf die Fälle geboten sein, in denen einem Untermieter eine Räumungsfrist nach §§ 721794a ZPO gesetzt wird, was zur Folge hätte, dass der Anspruch des V gegen U gem. § 571 II BGB analog i.V.m. § 721 ZPO ausgeschlossen sein könnte.Jedoch könnte eine analoge Anwendung des § 571 II BGB auf die Fälle geboten sein, in denen einem Untermieter eine Räumungsfrist nach §§ 721794a ZPO gesetzt wird, was zur Folge hätte, dass der Anspruch des V gegen U gem. § 571 II BGB analog i.V.m. § 721 ZPO ausgeschlossen sein könnte. Eine Analogie würde eine planwidrige Regelungslücke nebst einer vergleichbaren Interessenlage voraussetzen.[29]Siehe Fn.2.

a) Planwidrige Regelungslücke

Eine mit § 571 II BGB vergleichbare Regelung existiert für den Untermieter einer Wohnung nicht. Eine Regelungslücke besteht somit.[30]a.A.: Staudinger/Rolfs, 2021, BGB § 571 Rn. 10; dort wird bei der vorliegenden Frage bereits das Bestehen einer Regelungslücke abgelehnt; auf entsprechende Ausführungen wurde hier verzichtet. Ob diese planwidrig ist, lässt sich ohne Einsicht in die entsprechenden Gesetzgebungsunterlagen nicht beantworten.

Anmerkung: Die Planwidrigkeit der Regelungslücke in der Klausur
Die Planwidrigkeit einer Regelungslücke wird in der Klausur in den seltensten Fällen zu bestimmen sein. Soweit eine Regelungslücke vorliegt, sollte das Hauptaugenmerk in der Klausur daher auf der Frage nach der vergleichbaren Interessenlage liegen, es sei denn, dass die Planwidrigkeit einer Regelungslücke bekanntermaßen eine Hauptproblematik der vorliegenden Fragestellung darstellt.
b) Vergleichbare Interessenlage

Eine vergleichbare Interessenlage liegt vor, wenn sich beide Sachverhalte in allen grundsätzlichen Merkmalen gleichen, aber nicht genau übereinstimmen.[31]Vgl. (wenn auch deutlich ausführlicher) BGH, Urteil vom 04.12.2014 – III ZR 61/14, NJW 2015, 1176.

Das Telos des § 571 II BGB besteht darin, dass der Wohnraummieter das zu seinem Schutz eingerichtete Konzept der Räumungsfrist i.S.d. §§ 721794a ZPO in Anspruch nehmen können soll, ohne von einer möglicherweise weitgehenden Haftung auf Schadensersatz (insbesondere auch wegen Verzuges) über die in § 546a I BGB festgesetzte Nutzungsentschädigung hinaus, von dieser Möglichkeit abgeschreckt zu werden.[32]BGH, Urteil vom 11.12.2020, V ZR 26/20, NJW 2021, 1088 Rn.16; BT-Drs. IV/2195, 5. Im weiteren Sinne unterstützt § 571 II BGB seinem Telos nach also den Sinn des § 721 ZPO, der darin liegt, Obdachlosigkeit zu vermeiden.[33]Zu § 571 II: Ebd.; Zum Telos des § 721 ZPO: vgl. Schindler, NZM 2021, 745, 750. Die Situation des Hauptmieters ist mit der des Untermieters also grundsätzlich vergleichbar, da auch bei einem Untermieter von Wohnraum das potenzielle Interesse besteht, dass dieser zur Verhütung von Obdachlosigkeit auf die Beantragung einer Räumungsfrist aus § 721 ZPO zurückgreift. Auch für den Untermieter bestünde ohne § 571 II BGB dabei die Gefahr, dass er sich durch eine potenzielle Schadensersatzhaftung von der Nutzung dieser Möglichkeit abgeschreckt sieht.[34]Vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20, NJW 2021, 1088 Rn.16; BeckOK BGB/Wöstmann, BGB § 571 BGB Rn. 10.

Demgegenüber lässt sich allerding anführen, dass die vergleichbare Interessenlage gerade dadurch gestört sein könnte, dass § 546a I BGB, der in einem engen systematischen Zusammenhang zu § 571 BGB steht, weder in direkter noch in analoger Form auf den Untermieter anzuwenden ist[35]vgl. Ausführungen in A.. Einer vergleichbaren Interessenlage könnte somit entgegenstehen, dass der Schutz des Vermieters vor weiteren Schadensersatzansprüchen in den Fällen des Untermieters gerade nicht durch dessen Pflicht zur Zahlung der Nutzungsentschädigung kompensiert wird.[36]Vgl. BeckOGK/Geib, St. v. 01.01.2022, BGB § 571 Rn. 4. Sofern § 546a I BGB keine analoge Anwendung auf den Untermieter findet, § 571 II BGB hingegen analog angewendet werden würde, könnte die Problematik daher in einer doppelten Begünstigung des Untermieters bestehen, welche dem in §§ 546a571 BGB aufgezeigten gesetzlichen Leitbild letztlich zuwider läuft.

Ob § 571 II BGB im Allgemeinen analoge Anwendung auf den Untermieter findet, kann aber jedenfalls dann dahinstehen, wenn auch eine analoge Anwendung nicht geeignet wäre, einen Ersatz des aufgrund der durch die Räumungsfrist entstandenen Verzögerung der Räumung entgangenen Gewinns auszuschließen. Es begegnet grundsätzlichen Bedenken, einem Vermieter, der eine Wohnung nicht nutzen/weitervermieten kann, weil ein Teil der Wohnung auf Grundlage einer Räumungsfrist weiter genutzt wird, eine Nutzungsentschädigung nur für den durch den Untermieter genutzten Teil der Wohnung zuzugestehen und einen darüber hinausgehenden Ersatz generell auszuschließen.[37]BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20, NJW 2021, 1088 Rn. 17. Dies gilt insbesondere in Anbetracht dessen, dass der Vermieter dadurch schlechter stehen würde, als wenn sein eigentlicher Vertragspartner – der Hauptmieter – eine Räumungsfrist beantragen würde, da in diesem Fall die Nutzungsentschädigung des § 546a I BGB für die gesamte Wohnung zu zahlen wäre.[38]Ebd. Diese unzumutbare Folge ist im Rahmen einer analogen Anwendung durch das Telos des § 571 II BGB allein nicht zu rechtfertigen, da § 571 II BGB im Verhältnis zum Hauptmieter in der Gesamtschau des Systems mit § 546a I BGB einen Ausgleich zwischen den Interessen von Mieter und Vermieter schafft.[39]BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20, NJW 2021, 1088 Rn.18. Da eine analoge Anwendung des § 546a I BGB aber gerade nicht in Betracht kommt (vgl. oben), fehlt ein solcher Ausgleich im Verhältnis von Eigentümer und Untermieter grundsätzlich.

Dass ein Untermieter den gewährten Räumungsschutz nur zum Preis der Nutzungsentschädigung für die gesamte Wohnung in Anspruch nehmen kann, ist hingegen hinzunehmen. Darin setzt sich bloß konsequent fort, dass zwischen Vermieter und Untermieter niemals ein vertraglicher Anspruch bestand.[40]BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20, NJW 2021, 1088 Rn. 19. Auf Grundlage dieser Annahme kann – sofern eine analoge Anwendung des § 571 II BGB bejaht wird – eine Beschränkung der Ersatzpflichten des Untermieters gegenüber dem Eigentümer jedenfalls nicht weitergehend sein, als dies auch im Vertragsverhältnis zwischen Hauptmieter und Vermieter möglich gewesen wäre.[41]Ebd.; BeckOK BGB/Wöstmann, BGB § 571 Rn. 10.

3. Zwischenergebnis

Da jedenfalls der hier aufgeführte Anspruch nicht gemäß § 571 II BGB (analog) i.V.m. § 721 ZPO ausgeschlossen sein kann und weitere Ausschlussgründe nicht ersichtlich sind, ist der Anspruch des V gegen den U aus §§ 280 I, II, 286, 546 II, 249, 252 BGB nicht ausgeschlossen.

VII. Ergebnis

V hat gegen U einen Anspruch aus §§ 280 I, II, 286, 546 II, 249, 252 BGB auf Ersatz des ihm entgangenen Gewinns in Höhe von 7.490,00€.

C. Anspruch aus § 987 I BGB

Ein Anspruch gegen U auf Ersatz der Nutzungen, die U aus dem Eigentum des V gezogen hat, könnte sich für V auch aus § 987 I BGB ergeben.

Anmerkung: Prüfung des Anspruchs
Der BGH prüft diesen Anspruch nicht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Nutzungsersatzanspruch aus § 987 I BGB nicht so weitreichend ist, wie der im weiteren Verlauf zu prüfende Anspruch aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB (mehr dazu unten). Schon die erstinstanzlichen Ausführungen des AG Berlin-Schöneberg (Urteil vom 05.01.2017 – 105 C 317/16[42]BeckRS 2017, 163705 zeigen hingegen die Relevanz der hier aufgeführten Ansprüche für den vorliegenden Fall. In der Klausur sind selbstverständlich alle in Frage kommenden Ansprüche – und somit auch die §§ 987 I, 990 I BGB – zwingend zu prüfen, damit der/die Verfasser:in zeigen kann, dass er/sie die Systematik der §§ 987 ff. BGB verstanden hat. Etwas anderes gilt selbstverständlich dann, wenn der Klausurersteller den Sachverhalt so verändert, dass V nicht auch Eigentümer der fraglichen Kammer/Wohnung ist.

I. Vindikationslage

Die Anwendung der §§ 987 ff. BGB setzt zunächst das Vorliegen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses i.S.d. §§ 985, 986 BGB voraus. Demnach müsste V Eigentümer der Wohnung und somit der fraglichen Kammer sein, während U als Besitzer nicht i.S.d. § 986 BGB zum Besitz berechtigt sein dürfte (sog. Vindikationslage).

1. V als Eigentümer

V ist Eigentümer der Wohnung und somit auch der in Frage stehenden Kammer.

2. U als Besitzer

U müsste jedenfalls Besitzer der Kammer sein. U könnte vorliegend unmittelbarer Besitzer sein. Dies ist – in Anlehnung an § 854 I BGB – derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache ausübt.[43]BGH, Urteil vom 27.10.1971 – VIII ZR 48/70, NJW 1972, 43; BGH, Urteil vom 06.05.2009 – XII ZR 137/07, NJW 2009, 1947; MüKo BGB/Joost, 7. Aufl. 2017, BGB § 854 Rn. 3. U bewohnt die streitgegenständliche Kammer und übt insofern die tatsächliche Sachherrschaft über diese aus und ist mithin unmittelbarer Besitzer selbiger. Problematischer stellt sich dies allerdings bezüglich der von U nicht genutzten restlichen Wohnung dar. Laut Bearbeiterhinweis nutzt U allein die 7 m2 große Kammer. Ohne nähere Kenntnisse zu Wohnung und Kammer ist daher davon auszugehen, dass U über die restliche Wohnung keine tatsächliche Sachherrschaft ausübt und somit nur Teilbesitzer der Wohnung ist.[44]Vgl. Feststellung in BeckOK BGB/Fritzsche, BGB § 987 Rn. 65.

3. Kein Recht zum Besitz

Eine Vindikationslage wäre allerdings ausgeschlossen, wenn U gegenüber V zum maßgeblichen Zeitpunkt gem. § 986 BGB zum Besitz berechtigt gewesen wäre.

a) Eigenes Besitzrecht, § 986 I 1 Alt.1 BGB

Zunächst käme diesbezüglich ein eigenes Besitzrecht des U gegenüber V i.S.d. § 986 I 1 Alt. 1 BGB in Betracht. Ein solches könnte sich aus der nach § 721 ZPO eingeräumten Räumungsfrist ergeben. Bei § 721 ZPO handelt es sich jedoch um eine rein prozessuale Vorschrift ohne jedwede materiell-rechtliche Wirkung. [45]vgl. dazu auch die Ausführungen in B.III.1.; Vgl. BeckOK Mietrecht/Fleindl, Zwangsvollstreckung Rn. 139.. Als bloße Vollstreckungsschutzvorschrift ist sie damit nicht geeignet, ein eigenes Besitzrecht i.S.d. § 986 I 1 BGB zu begründen.[46]BeckOK BGB/Fritzsche, BGB § 986 Rn. 19.Ferner wäre an ein Besitzrecht des U aus § 571 II BGB zu denken. Allerdings begründet § 571 II BGB – ungeachtet der Frage nach seiner Anwendbarkeit im vorliegenden Fall – keine Besitzberechtigung, sondern schließt lediglich über den in § 571 I BGB zugestandenen Ersatz hinausgehende Schadensersatzansprüche des Vermieters aus. Demnach steht U kein eigenes Besitzrecht gegenüber V i.S.d. § 986 I 1 Alt.1 BGB zu. 

b) Abgeleitetes Besitzrecht, § 986 I 1 Alt.2, S.2 BGB

U könnte V möglicherweise ein von M abgeleitetes Besitzrecht i.S.d. § 986 I 1 Alt.2 BGB entgegenhalten. Dies würde zunächst voraussetzen, dass U gegenüber M und M wiederum gegenüber V zum Besitz berechtigt war. Außerdem müsste M gegenüber V auch zur Einräumung des Besitzes an U berechtigt gewesen sein.

aa) Vor Kündigung des Vertrages zwischen V und M

Ursprünglich war M aufgrund des zwischen ihm und V bestehenden Mietvertrages gem. § 535 I BGB gegenüber V zum Besitz berechtigt. U war gegenüber M wiederum aus dem zwischen U und M bestehenden (Unter-)Mietvertrag gemäß § 535 I BGB zum Besitz berechtigt. Da V die in § 540 I BGB geforderte Zustimmung zur Untervermietung erteilt hat, bestand auch die Berechtigung des M zur Untervermietung und damit auch zur Besitzeinräumung an den U.

bb) Situation nach Kündigung

Ungeachtet des Schicksals des zwischen U und M geschlossenen Untermietvertrags in Folge des Todes des M, ist jedenfalls der zwischen M (bzw. dessen Alleinerbin E, vgl. § 1922 I BGB) und V bestehende Mietvertrag von V gem. § 564 S.2 BGB wirksam zum 20.12.2014 gekündigt worden. Somit endete der zwischen M und V bestehende Mietvertrag unter Achtung der gesetzlichen Frist des § 573d II BGB spätestens am 31.03.2015, so dass U ab diesem Zeitpunkt keine Besitzberechtigung mehr von V (bzw. dessen Erbin) ableiten konnte. Ab diesem Zeitpunkt war U daher auch nicht aus einem abgeleiteten Besitzrecht i.S.d. § 986 I 1 Alt.2 BGB zum Besitz berechtigt.

cc) Maßgeblicher Zeitpunkt/Anwendbarkeit auf den nicht-mehr-berechtigten Besitzer

Da U demnach ursprünglich zum Besitz berechtigt war, diese Berechtigung jedoch im Nachhinein weggefallen ist, stellt sich die Frage, ob die §§ 987 ff. BGB auch auf den sog. „Nicht-mehr-berechtigten Besitzer“ Anwendung finden.[47]Siehe dazu auch BeckOGK BGB/Spohnheimer, St. v. 01.02.2022, BGB § 987 BGB Rn. 18. Die Beantwortung dieser Frage wirkt sich darauf aus, ob bezüglich des Vorliegens einer Vindikationslage auf den Zeitpunkt der Besitzerlangung oder auf den Zeitpunkt des dem jeweiligen Anspruch zugrundeliegenden Umstandes (hier also die Zeit zwischen dem 01.03. und dem 30.09.2016) abzustellen ist.

Anmerkung: Der nicht-mehr-berechtigte Besitzer in der Prüfung
Hier ist anzumerken, dass es nicht zwingend ist, etwaige Streitigkeiten bezüglich der Anwendung der §§ 987 ff. BGB in Fällen des „nicht-mehr-berechtigten Besitzers“ mit dem maßgeblichen Zeitpunkt der Vindikationslage zu verknüpfen. Vielmehr kann auch festgestellt werden, dass eine Vindikationslage ursprünglich vorlag und weggefallen ist, bevor der zum Ersatz verpflichtende Umstand eingetreten ist. Bei einem solchen Vorge-hen hätte der nachfolgende Streit als eigener Punkt II. zwischen I. Vindikationslage und III. Rechtshängigkeit geprüft werden können.

Die sog. „Subsidiaritätslehre“ nimmt an, dass die §§ 987 ff. BGB auf den „nicht-mehr-berechtigten“ Besitzer nicht anzuwenden seien.[48]Davon abzugrenzen, jedoch im Ergebnis gleich: Ansicht, nach welcher eine vertragliche Beziehung bereits den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB verdrängen soll (vgl. dazu BeckOGK BGB/Spohnheimer, BGB … Continue reading Nach dem Ablauf eines Vertragsverhältnisses sollten lediglich die vertraglichen Herausgabeansprüche nebst §§ 823 ff., 812 ff. BGB herangezogen werden können.[49]So u.a. MüKoBGB/Medicus, 4. Aufl. 2004, vor § 987 BGB Rn. 20; Hager in JuS 1987, 877, 880; Roth in JuS 1997, 518, 522. Dafür spreche, dass es bei einem vertraglichen Abwicklungsverhältnis gerade darauf ankäme, die Vertragsgerechtigkeit aufrecht zu erhalten, die von den §§ 987 ff. BGB hingegen unzureichend abgebildet werde.[50]BeckOGK BGB/Spohnheimer, BGB § 987 Rn.18.3. So zeige z.B. die Haftung des entgeltlichen, redlichen, unverklagten Besitzers gerade, dass den §§ 987 ff. BGB die Intention zugrunde läge, selbigen in seinem guten Glauben zu privilegieren.[51]Ebd. Zugleich verdiene der nicht-mehr-berechtigte Besitzer die Privilegierung des § 993 I Hs. 2 BGB nicht, da er nicht besser stehen dürfe als der berechtigte Fremdbesitzer, der auch über das Deliktsrecht haftet.[52]Ebd. Maßgeblich ist nach dieser Ansicht also, ob ein Besitzrecht zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs bestanden hat.

Demgegenüber stehen die Vertreter der sog. „Kumulationstheorie“(Diesen Ausdruck nutzend: BeckOGK/Spohnheimer, BGB § 987 Rn. 18.1.)), welche die Ansprüche aus §§ 987 ff. BGB selbst dann zulassen, wenn vertragliche Rückabwicklungsansprüche bestehen.[53]BeckOGK/Spohnheimer, BGB § 987 BGB Rn. 18.1. Dies wird damit begründet, dass dem Besitzer in dem Zeitpunkt, in dem Nutzungen gezogen oder Verwendungen gemacht wurden, ein Besitzrecht gerade nicht mehr zugestanden hat und der Tatbestand der §§ 987 ff. BGB somit vollständig erfüllt sei. Ferner würden die §§ 987 ff. BGB auch zu Verschärfungen der Haftung des Besitzers führen, die dem Eigentümer nicht alleine deswegen genommen werden dürften, weil der Besitzer einstmals zum Besitz berechtigt gewesen sei.[54]Ebd. Verdeutlicht würde ein entsprechender Wille des Gesetzgebers zudem dadurch, dass der Besitzer nach Rechtshängigkeit ohnehin über § 292 BGB der Haftung nach §§ 987 ff. BGB unterworfen wäre.[55]Ebd.

Sofern – wie hier – die Frage der Anwendung der §§ 987 ff. BGB auf einen „nicht-mehr-berechtigten Besitzer“ in Frage steht, dessen ursprüngliche Berechtigung lediglich abgeleiteter Natur war und somit nicht auf einem Vertragsverhältnis zwischen Besitzer und Eigentümer fußte, sollte man sich vor Augen führen, dass die Aufrechterhaltung der Vertragsgerechtigkeit als gewichtiges Argument für die Subsidiaritätstheorie von vornherein wegfällt, während die Argumente für die „Kumulationstheorie“ in derlei Verhältnissen noch gewichtiger zu Tage treten.

Dies zeigt, dass sofern der Subsidiaritätstheorie überhaupt in ihren Grundsätzen gefolgt werden würde, sie zumindest in der Form eingeschränkt werden sollte, dass ein Ausschluss der §§ 987 ff. BGB nur dann anzunehmen ist, wenn vorrangige vertragliche Abreden bestehen, die ihre ausschließliche Geltung selbst anordnen oder zwingend notwendig machen.[56]So auch MüKoBGB/Raff, 8.Aufl. 2020, BGB vor § 987 Rn. 40; Staudinger/Gursky, 2013, BGB vor § 987 Rn. 28; BeckOK BGB/Fritzsche BGB § 987 Rn. 22. Fehlen solche Abreden in Ermangelung eines vertraglichen Verhältnisses, kann ein Ausschluss der §§ 987 ff. BGB in bloßer Annahme einer Subsidiarität zu gesetzlichen Haftungsvorschriften (§§ 823 ff., 812 ff. BGB) nicht angenommen werden. Der Subsidiaritätstheorie ist zwar zuzugeben, dass ein den Eigentümer belastender Ausschluss von Delikts- und Bereicherungsrecht durch § 993 I Hs. 2 BGB in diesen Fällen nicht angemessen ist, jedoch kann dies auch auf dem Wege gelöst werden, dass § 993 I Hs. 2 BGB ausnahmsweise keine Anwendung findet.[57]Vgl. BeckOGK/Spohnheimer, BGB § 987 Rn. 18.1 a.E. Dieses Argument ist für die Anwendung der §§ 987 ff. BGB also nicht zwingend, sondern setzt lediglich einen der Lösungsansätze als Prämisse fest.

Zumindest für den Fall des „nicht-mehr-berechtigten Besitzers“ im Drei-Personen-Verhältnis ist demnach eine uneingeschränkte Anwendbarkeit der §§ 987 ff. BGB anzunehmen.[58]scheinbar der Einfachheit halber ebenso auch BeckOK BGB/Fritzsche, § 987 Rn. 21 a.E.; HK-BGB/Eckert, vor §§ 987-1003 BGB. Dies gilt auch für das Verhältnis von Eigentümer und Untermieter, da insbesondere die Zustimmung des Eigentümers (der in einem solchen Fall regelmäßig zugleich als Vermieter im Rahmen des Hauptmietvertrages auftritt) nach § 540 BGB nicht zu vertraglichen und vertragsähnlichen Bindungen von Eigentümer und Untermieter führt.[59]Explizit für das Verhältnis von Eigentümer und Untermieter: BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20, NJW 2021, 1088 Rn. 6; dem zustimmend: BeckOK BGB/Fritzsche, BGB § 987 Rn. 22. In der Konsequenz ist im vorliegenden Fall bezüglich der Vindikationslage also auf den Zeitpunkt des dem Anspruch zugrundeliegenden Umstandes abzustellen.

Anmerkung: Der nicht-mehr-berechtigte Besitzer in der Klausur
Die Streitstände zur Anwendungsreichweite der §§ 985-1003 BGB in den Fällen des „nicht-mehr-berechtigten Besitzers“ sind insgesamt recht unübersichtlich und wegen der sehr abstrakten Folgen für die Rechtsanwendung, die in diesem Bereich diskutiert werden, teilweise sehr komplex. Da in beide Richtungen argumentiert werden kann, bietet sich eine taktische Entscheidung des Streits an. Sofern in einer Klausur besondere Probleme im Bereich der §§ 987 ff. BGB bestehen, ist es dabei regelmäßig sinnvoll, der ständigen Rspr. des BGH zu folgen, und eine Anwendung der §§ 987 ff. BGB anzunehmen, um das eigene Können in diesem Bereich unter Beweis zu stellen. Da sich eine ständige Rspr. des BGH bereits herausgebildet hat, beschäftigt sich das vorliegende Urteil mit diesem nun mehr rein akademischen Streit nur äußerst am Rande.[60]BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20, NJW 2021, 1088 Rn. 6 (im Rahmen der Anwendbarkeit des § 990 II BGB).
dd) Zwischenergebnis

Im maßgeblichen Zeitraum (dem Zeitraum der Nutzung von Anfang März 2016 bis Ende September 2016) war U gegenüber V somit nicht zum Besitz berechtigt. Folglich lag eine Vindikationslage vor.

II. Rechtshängigkeit

Einen Nutzungsersatzanspruch ordnet § 987 I BGB nur für diejenigen Nutzungen an, die der Besitzer nach Rechtshängigkeit der Herausgabeklage zieht.[61]Vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, BGB § 987 Rn. 65. Rechtshängigkeit tritt gem. § 261 I ZPO mit Erhebung der Klage i.S.d. § 253 I BGB und somit mit Zustellung der Klageschrift ein. Da V Räumungsklage erhoben hat und U im Zuge dieser bereits im Januar 2016 rechtskräftig zur Räumung verurteilt worden ist, hat U etwaige Nutzungen, die er im Zeitraum zwischen dem 01.03.2016 und dem 30.09.2016 gezogen hat, jedenfalls nach Rechtshängigkeit der Herausgabeklage gezogen.

III. Rechtsfolge

Gem. § 987 I BGB hat U dem V daher die von ihm im dargestellten Zeitraum gezogenen Nutzungen herauszugeben. Nutzungen sind gem. § 100 BGB neben den Früchten einer Sache oder eines Rechts i.S.d. § 99 BGB auch die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Diese Gebrauchsvorteile umfassen auch diejenigen Vorteile, die sich aus einem etwaigen Besitz ergeben.[62]BeckOGK BGB/Mössner, St. v. 01.03.2021, BGB § 100 Rn. 5. Der Gebrauchsvorteil des Besitzes einer Wohnung liegt dabei regelmäßig in der privaten Nutzung der entsprechenden Räumlichkeiten.[63]Vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2009 – XII ZR 78/08, NJW 2009, 2523 Rn. 24.

1. Umfang der herauszugebenden Nutzungen

Im Zuge des § 987 I BGB muss U dem V die tatsächlich gezogenen Nutzungen der vindizierten Sache herausgeben.[64]MüKo BGB/Raff, BGB § 987 Rn. 18. Somit ist der Umfang der von U herauszugebenden Nutzungen auf den von ihm genutzten Teil beschränkt.[65]Vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2014 – V ZR 218/13, NZM 2014, 582 Rn. 9. Da der U auch nach dem Versterben des M lediglich seine Kammer bewohnte, hat er auch nur die diesbezüglichen Nutzungen zu ersetzen.

Anmerkung: Auffassung des AG Berlin-Schöneberg
Der Sachverhalt wurde an dieser Stelle (insbesondere auch durch den Bearbeitervermerk) eingeschränkt. Im erstinstanzlichen Urteil des AG Berlin-Schöneberg wurde noch angemerkt, dass der U auch Bad und Küche mitnutzte. In Berufung und Revision wurde dies nicht weiter thematisiert, weil die Frage nach dem Nutzungsumfang zur Entscheidung der Berufung nicht erheblich war, da der Anspruch des V bereits in zweiter Instanz auf §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB gestützt wurde. Das Urteil des AG stützte den Anspruch hingegen auf § 987 I BGB, sprach dem V allerdings mit folgender Argumentation dennoch Nutzungsersatz für die gesamte Wohnung zu: „die Höhe des Anspruchs reduziert sich nicht etwa dadurch, dass der Beklagte nur 7 m2 und anteilig Bad und Küche genutzt haben will. Denn einerseits handelt es sich bei einer Wohnung um einen geschlossenen Raum, der anders als ein Grundstück nur in seiner Gesamtheit nutzbar ist […].“ Dies zeigt, dass auch eine Argumentation in eine andere Richtung nicht vollkommen abwegig ist. Allerdings sollte mit Blick auf die klare Systematik der Nutzungsersatzansprüche im EBV, die sich auch in der Unterteilung des § 987 BGB, nach der eine Herausgabe der nicht gezogenen Nutzungen nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Abs. 2 möglich sein soll (vgl. dazu auch unten), zeigt, der Argumentation des BGH gefolgt werden.

2. Art und Höhe des geschuldeten Nutzungsersatz

Grundsätzlich schuldet U dem V gem. § 987 I BGB die „Herausgabe“ der tatsächlich gezogenen Nutzungen.[66]Vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, BGB § 987 Rn. 61. Da Gebrauchsvorteile jedoch regelmäßig nicht in natura herausgegeben werden können und § 987 I BGB entgegen seines Wortlauts somit auch den Ersatz solcher Nutzungen ermöglichen muss,[67]Vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, BGB § 987 Rn. 70; BGH, Urteil vom 22.10.1997 – XII ZR 142/95, NJW-RR 1998, 803. hat U dem V den Wert der Gebrauchsvorteile der Kammer in Geld zu ersetzen.[68]Vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, BGB § 987 Rn. 70. Der Wert der Gebrauchsvorteile, die sich aus der Nutzung einer vermietbaren Sache ergeben, sind anhand des objektiven Mietwerts zu bestimmen.[69]stRspr: u.a. BGH, Urteil vom 31.03.2006 – V ZR 51/05, NJW 2006, 1582; BGH, Urteil vom 22.10.1997 – XII ZR 142/95, NJW-RR 1998, 803; BGH, Urteil vom 12.08.2009 – XII ZR 76/08, NZM … Continue reading Der von U geschuldete Nutzungsersatz beläuft sich somit auf 490,00€.

IV. Ergebnis

V hat gegen U gem. § 987 I BGB einen Anspruch auf Nutzungsersatz in Höhe von 490,00€.

D. Anspruch aus § 990 I BGB i.V.m. § 987 I BGB

Einen Anspruch gleichen Inhalts hätte V gegen U auch aus § 990 I i.V.m. § 987 I BGB, sofern er im maßgeblichen Zeitraum (01.03.2016 bis 30.09.2016) auch Kenntnis bezüglich seiner fehlenden Besitzberechtigung i.S.d. § 990 I 2 BGB hatte.

Diese Kenntnis erlangte U spätestens mit dem rechtskräftigen Urteil im Januar, da U jedenfalls ab diesem Zeitpunkt über den Mangel seines Rechts in einer Weise aufgeklärt worden ist, dass ein redlich und vom eigenen Vorteil nicht beeinflusst Denkender sich der Überzeugung seiner Nichtberechtigung nicht verschließen würde.[70]BGH, Urteil vom 22.01.1958 – V ZR 27/57, NJW 1958, 668.

V hat gegen U mithin auch aus § 990 I i.V.m. § 987 I BGB einen Anspruch auf Nutzungsersatz in Höhe von 490,00€.

Anmerkung: Verhältnis der Ansprüche aus bei Kenntnis und Rechtshängigkeit
Sofern ein Anspruch rechtshängig i.S.d. § 987 I BGB ist, wird ein Besitzer in (nahezu[71]Denkbar ist der Fall, dass die zugestellte Klageschrift nicht hinreichend begründet ist, so dass die Möglichkeit verbleibt, dass ein „vom eigenen Vorteil nicht beeinflusst Denkender“ sich der … Continue reading ) allen Fällen auch Kenntnis (jedenfalls i.S.d. § 990 I 2 BGB) seiner fehlenden Besitzberechtigung aufweisen. Die daraus folgenden Ansprüche aus § 987 I BGB bzw. § 990 I i.V.m. § 987 I BGB schließen sich nicht aus.[72]Vielmehr ist die dogmatische Einordnung des § 990 I BGB auf § 987 I BGB – auch weil diese in der Praxis völlig irrelevant ist – nicht eindeutig, während teilweise zwei Ansprüche … Continue reading Damit kann auf unterschiedliche Weise umgegangen werden. Zum einen kann eine zeitsparende, gemeinsame Prüfung erfolgen, da sich die Prüfungen abgesehen von den unterschiedlichen Anforderungen an Rechtshängigkeit bzw. Bösgläubigkeit nicht unterscheiden. Zum anderen ist aber auch eine getrennte Prüfung möglich, so dass zunächst § 987 I BGB geprüft wird und im Anschluss auf § 990 I i.V.m. § 987 I BGB eingegangen wird. In beiden Varianten sollte auf die bestehende Anspruchskonkurrenz der Ansprüche kurz (u.U. im Rahmen des Gesamtergebnisses[73]Siehe dazu die Darstellung in dieser Bearbeitung im Gesamtergebnis unter I. ) eingegangen werden.

E. Anspruch aus § 987 II BGB

V könnte gegen U darüber hinaus gem. § 987 II BGB einen Anspruch auf Ersatz der von U nicht gezogenen Nutzungen bzgl. der gesamten Wohnung in Höhe von 7.000,00€ haben.

Anmerkung: Prüfung des Anspruchs
Auch dieser Anspruch wurde vom BGH nicht geprüft, da er neben dem unten aufgeführten Anspruch aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB nicht relevant war. Bzgl. der Prüfung in der Klausur gilt jedoch das oben Genannte.
Vernetztes Lernen: Der Ersatz entgangener Nutzungen im Rahmen des EBV
Die Nutzungsersatzansprüche des Eigentümers im EBV sind – ebenso wie dessen Schadensersatz- und Verwendungsersatzansprüche – abgestuft nach der Schutzbedürftigkeit des unberechtigten Besitzers aufgebaut. Je nach Kenntnisstand und Schutzwürdigkeit des Besitzers, stehen dem Eigentümer demnach folgende Ansprüche zur Verfügung:

Redlicher, entgeltlicher Besitzer: Herausgabe der gezogenen Übermaßfrüchte nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 993 I Hs.1 BGB); keine weiteren Nutzungsersatzansprüche (§ 993 I Hs.2 BGB).

Redlicher, unentgeltlicher Besitzer: Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen nach Grundsätzen des Bereicherungsrechts (also mit Möglichkeit des Entreicherungseinwandes) (§ 988 BGB).

Verklagter Besitzer: Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen nach Eintritt der Rechtshängigkeit, ohne die Möglichkeit des Entreicherungseinwandes (§ 987 I BGB); Ersatz der verschuldet nicht gezogenen, nach einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu ziehenden Nutzungen (§ 987 II BGB).

Bösgläubiger Besitzer: Haftung wie der verklagte Besitzer (§ 990 I BGB i.V.m. § 987 BGB); eventuelle Nutzungsausfallentschädigung im Rahmen des Verzugs (§§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB[74]Dabei handelt es sich im dogmatischen Sinne nicht um einen Nutzungs- sondern um einen Schadensersatzanspruch; wie in der Lösung dieses Falles deutlich wird, kann als entgangener Gewinn im Rahmen … Continue reading ) – mögliche Haftungserleichterung im Falle des § 991 I BGB.

Deliktischer Besitzer: Haftung als bösgläubiger Besitzer (Vorsatz wird vorausgesetzt); eventuelle Nutzungsausfallentschädigung schon vor Verzugseintritt (§§ 992, 823 ff., 249, 252 BGB[75]Ebenso ).

I. Vindikation, Anwendbarkeit, Rechtshängigkeit

Die Anforderungen des Anspruchs aus § 987 II BGB entsprechen in weiten Teilen denen des Anspruchs aus § 987 I BGB. Insofern kann grundsätzlich auf C.I., II. verwiesen werden. Problematisch ist allerdings, dass U bezüglich der Wohnung nur als Teilbesitzer angesehen werden kann (vgl. C.I.2). Ob (und gegebenenfalls wie) sich dies auf einen Anspruch aus § 987 II BGB auswirkt, kann jedoch zunächst offengelassen werden, da diese Differenzierung nur dann relevant wird, wenn die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 987 II BGB überhaupt vorlägen.

II. Nicht gezogene Nutzungen

indem er die nach dem Tod des M nicht weiter genutzten 100 m2 der in Frage stehenden Wohnung nicht bewohnte oder anderweitig nutzbar machte und somit keine sich aus der Nutzung ergebenden Gebrauchsvorteile oder etwaige aus der Fruchtziehung (zum Beispiel durch Vermietung) entstehenden Früchte zog. Somit hat U Nutzungen teilweise nicht gezogen.

III. Nach Regeln einer ordnungsgemäßen Nutzung zu ziehen

Einem Anspruch aus § 987 II BGB würde sich U darüber hinaus aber nur dann aussetzen, wenn er die nicht gezogenen Nutzungen nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft hätte ziehen müssen. Die Nutzungsziehung wäre dem U dabei grundsätzlich möglich gewesen. Allerdings ist das Unterlassen der Sachnutzung nur dann unter § 987 II BGB zu fassen, wenn die Sachnutzung im weitesten Sinne der Gewinnerzielung dienen würde. Dies lässt sich dem Telos des § 987 II BGB entnehmen, der den Besitzer nicht zur eigenen Nutzung der Sache zwingen soll, sondern darin zu sehen ist, dass der Besitzer nach Rechtshängigkeit die Gewinnmöglichkeiten, die in der vindizierten Sache wurzeln, nicht verstreichen lassen soll, wenn ihm aufgrund der Rechtshängigkeit bewusst ist, dass er die tatsächlich gezogenen Nutzungen herausgeben muss.[76]Vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, BGB § 987 Rn. 87. Ferner kann die bloße Nutzung zum eigenen Vorteil niemals Teil einer ordnungsgemäßen Wirtschaft sein.[77]Ebd. Eine Gewinnerzielung wäre nur bei der eigenständigen Weitervermietung denkbar. Die Möglichkeit der Vermietung des verbleibenden Wohnraums bestand für den U aber gerade nicht, da er eine entsprechende Verpflichtung zur Bereitstellung der Mietsache aus § 535 I BGB mangels Besitzverschaffungsberechtigung gerade nicht hätte nachkommen können. Somit konnte U die Nutzungen der restlichen 100 m2 der Wohnung nicht im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft ziehen.

IV. Ergebnis

V hat gegen U keinen Anspruch auf den Ersatz nicht gezogener, aber im Rahmen einer ordnungsgemäßen Nutzung zu ziehenden Nutzungen gem. § 987 II BGB.

F. Anspruch aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB

V könnte gegen U gemäß §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB ein Anspruch auf Ersatz des ihm aus der verzögerten Rückgabe der Kammer entgangenen Gewinns in Höhe von 7.490,00€ zustehen.

Anmerkung: Das Urteil in der Klausur
Der Anspruch aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB ist derjenige Anspruch, an dem sich das Urteil, auf welches hier Bezug genommen wird, in Gänze aufbaut, sodass alle problematischen Fragen in dem Urteil anhand dieses Anspruchs bearbeitet werden. Erfolgt hingegen (wie in dieser Bearbeitung) eine vollständige Prüfung aller Ansprüche, kann in allen Prüfungspunkten auf eine zuvor erfolgte Prüfung verwiesen werden. Insbesondere die Nähe zu dem Anspruch aus §§ 280 I, II, 286, 546 II, 249, 252 BGB ist natürlich auffallend. Die Relevanz beider Ansprüche ergibt sich daraus, dass sie zwei unterschiedlichen Berechtigten zustehen, die zwar regelmäßig, nicht jedoch zwingend, zusammenfallen: Zum einen ist dort der Vermieter, also derjenige, der dem Hauptmieter das Mietobjekt vermietet hat und mit dem Untermieter daher gemäß § 546 II BGB durch ein gesetzliches Schuldverhältnis verbunden ist; zum anderen der Eigentümer, der als solcher gegen den Besitzer nach den Vorschriften des EBV vorgehen kann. Für eine Klausur bedeutet das zugleich auch, dass ein Ersteller sämtliche aufgeführten vertraglichen oder sämtliche aufgeführten dinglichen Ansprüche aus-schließen kann, indem er entweder nach den Ansprüchen eines Vermieters fragt, der nicht zugleich Eigentümer ist, oder indem er die Ansprüche eines Eigentümers, der nicht zugleich Vermieter ist, zur Aufgabe macht.

I. Vindikation und Anwendbarkeit

Eine Vindikation liegt ausweislich der Ausführungen in C.I.2. zumindest bezüglich der Kammer vor. Besonderheiten für die Verzugshaftung über § 990 II BGB bestehen auch für den „nicht-mehr-berechtigten Besitzer“ nicht.[78]Vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20, NJW 2021, 1088 Rn. 6.

II. Bösgläubigkeit/Kenntnis

U hatte zum maßgeblichen Zeitpunkt auch Kenntnis von der eigenen Nichtberechtigung i.S.d. § 990 I 2 BGB.[79]vgl. Ausführungen unter D.

III. Verzugsvoraussetzungen, § 286 BGB

Ferner müssten die Voraussetzungen des Verzugs aus § 286 BGB vorliegen.[80]Vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, § 990 BGB Rn. 42. Dies wurde unter B.II, III. bereits dargelegt. Darüber hinausgehende Besonderheiten bestehen in der Prüfung des Verzugs im Rahmen des § 990 II BGB nicht. Folglich hat V gegen U dem Grunde nach gemäß §§ 990 II, 280 I, II, 286 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihm aus der verspäteten Herausgabe der Kammer entstandenen Verzögerungsschadens.

IV. Rechtsfolge

Die Rechtsfolge des Anspruchs aus §§ 990 II, 280 I, II, 286 BGB entspricht der Rechtsfolge des Anspruchs aus §§ 280 I, II, 286, 546 II BGB[81]B.IV.. Anders als im Zuge des § 987 I BGB kommt es im Rahmen des § 990 II BGB gerade nicht darauf an, welche Nutzungen der Besitzer tatsächlich zieht. Dass somit ein faktischer Nutzungsersatz gegen den bösgläubigen Besitzer über § 990 II BGB einfacher durchgesetzt werden kann als ein Nutzungsersatz nach § 987 II BGB gegen den verklagten Besitzer, ist insbesondere wegen der engen Auslegung des Begriffs der „Kenntnis“ in § 990 I 2 BGB sowie dem Erfordernis des Verzugseintritts nicht widersprüchlich und vor allem nicht systemwidrig. Der zu ersetzende Schaden besteht somit aus dem entgangenen Gewinn in Folge der nicht zumutbaren Weitervermietung der gesamten Wohnung und beläuft sich auf 7.490,00€.

V. Ausschluss des Anspruchs

Der Anspruch des V gegen U aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB ist auch nicht gem. § 571 II BGB (analog) i.V.m. § 721 ZPO ausgeschlossen[82]vgl. B.VI..

VI. Ergebnis

Somit hat V gegen U gem. §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns in Höhe von 7.490,00€.

G. Anspruch aus § 992 BGB i.V.m. §§ 823 I, 249, 252 BGB

V könnte gegen U gem. § 992 i.V.m. §§ 823 I, 249, 252 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihm aus der verzögerten Rückgabe der Kammer entgangenen Gewinns haben.

Anmerkung: Prüfung des Anspruchs
Auch dieser Anspruch wurde im Rahmen des BGH-Urteils nicht geprüft, da er in seiner Rechtsfolge zum einen nicht weitergehender wäre als der Anspruch aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB und zum anderen die Annahme eines deliktischen Besitzers doch recht fernliegend ist. In der Klausur kann der Anspruch dennoch kurz angeprüft werden, um zu zeigen, dass die Systematik der Nutzungsentschädigung im EBV in der Tiefe verstanden worden ist; notwendig ist dies jedoch eher nicht. Die grundsätzliche Notwendigkeit, den An-spruch für den Fall auf dem Schirm zu haben, dass ein deliktischer Besitzer angenommen werden kann, erschließt sich insbesondere, wenn man sich vor Augen führt, dass der An-spruch weitergehend sein kann, als der aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB. Dies ergibt sich daraus, dass § 992 BGB i.V.m. §§ 823 ff. BGB keinen Verzugseintritt voraussetzt. In all den Fällen des deliktischen Besitzers, in denen es der Eigentümer also versäumt hat, den Besitzer in Verzug zu setzen, geht der Anspruch aus § 992 i.V.m. §§ 823 ff., 249, 252 BGB unter Umständen über den Anspruch aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB hinaus.

I. Vindikation

Eine Vindikationslage ist ebenso gegeben, wie die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 987 ff. BGB.[83]vgl. C.I, II.

II. Deiktischer Besitzer

§ 992 BGB setzt darüber hinaus jedoch voraus, dass U sich den Besitz an dem vindizierten Gegenstand durch verbotene Eigenmacht oder eine Straftat verschafft hat.

1. Verbotene Eigenmacht, § 858 I BGB

Die verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 I BGB würde voraussetzen, dass U den Besitz an der in Frage stehenden Kammer ohne den Willen des V erlangt hat und das Gesetz die Entziehung nicht gestattet. Allerding hatte M, welchem V den Besitz vorher willentlich verschafft hatte, dem U den Besitz an der Kammer willentlich eingeräumt. Dies geschah sogar mit der nach § 540 I BGB erforderlichen Zustimmung des V. Auf eine spätere Verweigerung der Räumung des U im Rahmen des § 992 BGB kommt es nicht an. Eine verbotene Eigenmacht i.S.d. §§ 858 I, 992 BGB liegt mithin nicht vor.

2. Straftat

Auch hat U sich den Besitz an der Mietsache nicht durch eine Straftat verschafft. Selbst wenn in dem späteren „Nichträumen“ der Wohnung eine Straftat zu sehen wäre,[84]was nicht der Fall ist hätte U sich durch diese nicht den Besitz an der Kammer i.S.d. § 992 BGB verschafft.

III. Ergebnis

V hat gegen U somit keinen Anspruch aus § 992 i.V.m. §§ 823 I, 249, 252 BGB auf Ersatz des ihm durch die verzögerte Räumung entgangenen Gewinns.

H. Delikts- und Bereicherungsrecht

Etwaige delikts- und bereicherungsrechtliche Ansprüche auf Ersatz der gezogenen Nutzungen werden grundsätzlich gemäß § 993 I Hs.2 BGB durch das Vorliegen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses verdrängt. Zwar wird teilweise gefordert die Sperrwirkung des § 993 I Hs.2 BGB in den Fällen des „nicht-mehr-berechtigten Besitzers“ zu durchbrechen,[85]Vgl. BeckOGK/Spohnheimer, BGB § 987 Rn. 18.1. jedoch kommt es darauf im vorliegenden Fall schon gar nicht an. Etwaige Ansprüche des Deliktsrechts wären nicht weitergehend als diejenigen, die dem V bereits aus dem Verzug und dem EBV zustehen und würden zu diesen allenfalls in Anspruchskonkurrenz treten. Nicht gezogene Nutzungen könnten im Rahmen des Bereicherungsrechts ohnehin nicht ersetzt werden. Somit kann, ohne dass eine weitere Besprechung dieser Thematik zu erfolgen hat, von einer Sperrwirkung des § 993 I Hs.2 BGB im vorliegenden Fall ausgegangen werden.

Anmerkung: Ausführung zur Sperrwirkung des EBV
Durch eine kurze Ausführung zur Sperrwirkung des EBV kann der/die Verfasser:in auch zum Ende der Prüfung nochmals zeigen, dass er/sie die gesamte Palette der zivilrechtlichen An-spruchsgrundlagen grundsätzlich beherrscht und gleichsam das Konkurrenzverhältnis von EBV und Bereicherungsrecht verstanden hat. Zu beachten ist in Bezug auf die Konkurrenz von Bereicherungsrecht und EBV aber stets, dass die §§ 987 ff. BGB nicht anwendbar sind und somit auch keine Sperrwirkung entfalten, wenn keine Nutzung vorliegt. Daher ist § 816 I BGB auch neben dem EBV stets anwendbar, da eine Veräußerung keine Nutzung der Sache darstellt.[86]Vgl. Becker/Haarer, Jura 2020, 1296. Auch können die §§ 812 ff. BGB jedenfalls dann angewendet werden, wenn die vindizierte Sache verbraucht wird, da ein „Verbrauchen“ keine Nutzung im Rechtssinne darstellt.[87]Ebd.
Der Ausschluss der Sperrwirkung im Falle des bösgläubigen Besitzers wird außerhalb des § 826 BGB kaum noch vertreten und sollte nur geprüft werden, wenn offensichtlich gefordert.]

I. Gesamtergebnis

V hat gegen U einen Anspruch auf Ersatz der von U tatsächlich gezogenen Nutzungen in Geld in Höhe von 490,00€ aus § 987 I BGB bzw. § 990 I i.V.m. § 987 I BGB. Diese Ansprüche stehen in Anspruchskonkurrenz zueinander.

Daneben tritt ein Anspruch des V gegen den U auf Ersatz des dem U wegen der verspäteten Rückgabe/Räumung der Kammer entgangenen Gewinns aus §§ 280 I, II, 286, 546 II, 249, 252 BGB sowie aus §§ 990 II, 280 I, II, 286, 249, 252 BGB in Höhe von 7.490,00€. Auch diese Ansprüche stehen in Anspruchskonkurrenz zueinander. Aufgrund des schadensrechtlichen Bereicherungsverbotes wären die 490,00€, die V im Falle einer Geltendmachung aus § 987 I BGB bzw. § 990 I i.V.m. § 987 I BGB erhalten würde auf den Verzugsschaden anzurechnen, so dass dieser um 490,00€ gemindert würde. V kann von U somit die Zahlung von 7.490,00€ verlangen. Er fordert die Zahlung in dieser Höhe zu Recht.

Zusatzfragen

Angenommen bei U wäre nichts zu holen und eine Inanspruchnahme daher nicht zielführend. Könnte V gegen die E aus 546a I BGB vorgehen?
Da die E als Alleinerbin des M gem. § 1922 I BGB die Gesamtrechtsnachfolge des M angetre-ten hat und somit auch in alle vererblichen, schuldrechtlichen, vertraglichen Beziehungen eintritt,[88] Vgl. BeckOK BGB/Müller-Christmann, BGB § 1922 Rn. 33. ist E mit den Pflichten aus diesem Schuldverhältnis belastet.
Demnach war die E gem. § 546 I BGB zur Herausgabe der gesamten (!) Wohnung verpflichtet. Da sie dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, ist sie dem V gegenüber zur Zahlung der in § 546a I BGB festgesetzten Nutzungsentschädigung verpflichtet.[89] Vgl. Blank/Börstinghaus „Miete Kommentar“, 6.Aufl. 2020, BGB § 546 Rn. 74. § 546a I BGB knüpft dabei allein an die Vorenthaltung, nicht hingegen an die eigene Nutzung der Wohnung an. Allerdings hätte E dabei nur eine Entschädigung in Höhe von 245,00€ für die 7 m2 zu leisten, da sie dem V die restlichen 100 m2 Wohnfläche nicht vorenthält. Weitere Ansprüche gegen die E sind denkbar, stehen hier allerdings nicht in Frage.
Besteht ein Unterschied zwischen Räumung und Herausgabe einer Mietsache? Falls ja, worin besteht dieser?
„Räumung“ und „Herausgabe“ sind unterschiedlich weitgehende Formen der „Rückgabe“.
Die „Herausgabe“ meint die bloße Einräumung des Besitzes, also die Einräumung der tatsächli-chen Herrschaft über die angemietete Sache.
Bei der „Räumung“ hat der Mieter die Mietsache so zurückzugeben, wie er es dem Vermieter vertraglich schuldet.[90]BeckOGK/Zehelein, BGB § 546 Rn. 7. Um die Anforderungen an die „Räumung“ einer Wohnung zu erfüllen, hat der Mieter die Mietsache also in dem Zustand zu-rückzugeben, in welchem er die Wohnung zu erhalten hat. Er hat also den Rückbau von Ein- und Umbauten, die Ausbesserung von Schäden und Schönheitsreparaturen, zu denen er sich vertraglich verpflichtet hat sowie die Entfernung aller von ihm in Mieträume verbrachten Ge-genstände vorzunehmen.[91]Ebd.
Der Rückgabeanspruch aus § 546 BGB enthält sowohl einen Räumungs- als auch einen Herausgabeanspruch, die im Rahmen der Räumungsklage grundsätzlich auch separat beantragt und austenoriert werden können.[92]BeckOGK/Zehelein, BGB § 546 BGB Rn. 6; vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2014 – VIII ZR 48/13, BeckRS 2014, 7722. Diese Unterscheidung kann ganz praktische Auswirkungen haben. So kann der Gläubiger eines Anspruchs aus § 546 I BGB die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO z.B. auf eine Herausgabe der Wohnung beschränken, wenn er an sämtlichen in den Räumlichkeiten befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend macht.[93] BGH, Beschluss vom 17.11.2005 – I ZB 45/05, NJW 2006, 1396. Grundsätzlich ist ein entsprechender Titel („Räumungstitel“) allerdings auf die Räumung gerichtet.

Zusammenfassung:
1. Für den Fall, dass ein Untermieter den untervermieteten Teil einer Wohnung nicht an den Vermieter des Hauptmieters/den Eigentümer herausgibt, hat er über die von ihm gezogenen Nutzungen heraus auch denjenigen Gewinn zu ersetzen, der dem Vermieter/dem Eigentümer dadurch entgangen ist, dass er den Rest der Mietsache nicht in zumutbarer Weise weitervermieten konnte.
2. Daran ändert auch eine dem Untermieter zugestandene Räumungsfrist i.S.d. § 721 ZPO nichts. Als rein prozessuale Vorschrift hindert § 721 ZPO weder das Entstehen einer Vindikationslage noch den Eintritt des Verzuges. Die auf § 721 ZPO Bezug nehmende Vorschrift des § 571 II BGB ist auf den Untermieter zwar unter Umständen analog anzuwenden; dies hindert den Vermieter/Eigentümer jedoch nicht, den Untermieter, der lediglich Teilbesitzer einer Mietsache ist, auf den aus den fehlenden Mieteinnahmen der gesamten Mietsache resultierenden entgangenen Gewinn in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus einem am System der §§ 546a571 BGB orientierten Ausgleich der Interessen von Vermieter/Eigentümer und Untermieter.


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