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BMW statt Porsche – Ein Fall von Nutzungsausfallersatz?
BGH Urteil vom 11.10.2022 – VI ZR 35/22, BeckRS 2022, 32827

Sachverhalt

(abgewandelt und gekürzt)

Die A ist Eigentümerin eines Porsche Turbo S Cabriolet. Sie hatte das Fahrzeug in einer Garage bei der B in Hamburg geparkt, die an die C-AG vermietet war. Anlässlich von Rechtsstreitigkeiten der B mit der C-AG blockierte die B vom 20. Juli bis 3. August 2020 die Ausfahrt des Pkw aus der Garage mittels eines davor abgestellten Fahrzeugs.

Die A, die genau in diesem Zeitraum mit dem Porsche Cabriolet an den Gardasee fahren wollte, um dort unter anderem den Fahrspaß bei gutem Wetter zu genießen, war infolge der Blockade daran gehindert, die ihr Auto aus der Garage zu fahren. Um den Urlaub nicht ausfallen lassen zu müssen, griff die A auf einen 3er BMW Kombi als Zweitauto zurück, dessen Eigentümerin sie ebenfalls war.

Nach Rückkehr aus dem Urlaub machte die A gegenüber der B wegen der Blockade Nutzungsausfall in Höhe von 175,00 EUR, insgesamt also 2.450,00 EUR, geltend. Als Begründung führt die A an, dass der BMW kein gleichwertiges Fahrzeug und insbesondere kein Cabriolet gewesen sei, wodurch das Fahrgefühl am Gardasee sehr gelitten habe. Weiterhin habe sie auf das Prestige verzichten müssen, der mit einem Porsche einhergehe. Nachdem die B jegliche Zahlung verweigerte, erhebt die A nun Klage gegen B.

Ist die Klage begründet?

Hinweis: Die Höhe der Nutzungsentschädigung ist für das blockierte Auto nicht zu beanstanden.


Gutachten

A. Anspruch auf Nutzungsausfallersatz nach § 823 Abs. 1 BGB

A könnte gegen B einen Anspruch auf Nutzungsausfallersatz in Höhe von 175,00 EUR am Tag, insgesamt also 2.450,00 EUR, nach § 823 Abs. 1 BGB haben.

I.  Rechtsgutsverletzung

Zunächst müsste auf Seiten der A ein Rechtsgut im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB verletzt sein. In Betracht kommt hierfür eine Verletzung des Eigentums am Porsche. Geschützt wird das Eigentum an körperlichen Gegenständen (§ 90) in seiner zivilrechtlichen Ausprägung (§ 903 S. 1). Der Eigentümer hat danach umfangreiche Befugnisse, denn er kann mit seiner Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. An dieser Vorgabe ist zu messen, welche Verletzungen gem. § 823 Abs. 1 ersatzpflichtig sind.[1]BeckOK BGB/Förster, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 823 Rn. 120 Üblicherweise unterfällt dem Eigentumsschutz insbesondere die Einwirkung in die körperliche Substanz, etwa durch Beschädigung oder Zerstörung.

Die Verletzung des Eigentums an einer Sache kann jedoch nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz, sondern auch durch eine sonstige die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache selbst erfolgen, die deren Benutzung objektiv verhindert.[2]BGH, Urteil vom 21.6.2016 – VI ZR 403/14, NJW-RR 2017, 219 Rn. 17

Hiervon abzugrenzen sind die Fälle, in denen die Sache ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung nicht entzogen, sondern nur die Möglichkeit ihrer Nutzung vorübergehend eingeengt oder nur eine bestimmte Verwendungsmodalität bzw. eine Mehrzahl von Verwendungszwecken, die das Einsatzpotenzial der Sache nicht erschöpfen, ausgeschlossen werden.[3]BGH, Urteil vom 21.6.2016 – VI ZR 403/14, NJW-RR 2017, 219 Rn. 18 Erforderlich ist insofern die erhebliche Einschränkung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache, die dem zeitweiligen Entzug der Sache gleichkommt.

Ein Eingriff in die Substanz des Porsche der A hat vorliegend nicht stattgefunden. Durch die Blockade der Garagenausfahrt war es der A jedoch für einen Zeitraum von 14 Tagen nicht möglich, das Fahrzeug aus der Garage zu fahren und für den Urlaub zu nutzen. Während dieser Zeit war daher die Bewegungsmöglichkeit des Fahrzeugs nahezu ausgeschlossen, wodurch es seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch als Transportmittel beraubt wurde. Eine derart lange und intensive Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit kommt dabei wertungsmäßig einem Entzug des Fahrzeugs gleich. Die Erheblichkeitsschwelle ist damit überschritten, sodass eine Verletzung des Eigentums am Fahrzeug vorliegt.

Eine Rechtsgutsverletzung ist damit gegeben.

II.   Kausale Verletzungshandlung

Die Rechtsgutsverletzung müsste auch durch eine kausale Verletzungshandlung der B verursacht worden sein. Tauglich hierfür ist dabei ein aktives Tun oder Unterlassen, wobei sich die Abgrenzung nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit bestimmt.

Vorliegend hat die B die Garagenausfahrt dadurch gesperrt, dass sie ein Fahrzeug vor die Ausfahrt gestellt und für 14 Tage nicht wieder weggefahren hat. Der B ist dabei schwerpunktmäßig vorzuwerfen, dass sie das Fahrzeug dort ursprünglich aktiv hingestellt hat. Ein aktives Tun liegt damit vor.

Das Parken vor der Garagenausfahrt kann dabei auch nicht hinweggedacht werden, ohne dass die fehlende Nutzungsmöglichkeit des Porsche der A als Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Das Tun ist damit auch kausal im Sinne der conditio sine qua non-Formel, sodass die haftungsbegründende Kausalität gegeben ist.

III. Objektive Zurechenbarkeit

Weiterhin müsste der Erfolg der Rechtsgutsverletzung der B auch objektiv zurechenbar sein. Nach der Adäquanztheorie ist dies dann der Fall, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges der eingetretenen Art geeignet ist.[4]BGH, Urteil vom 19.10.2016 – IV ZR 521/14, NJW 2017, 263 Rn. 15

Vorliegend ist es nicht unwahrscheinlich gewesen, dass die A ihr Auto binnen der zwei Wochen Blockade verwenden möchte und hierfür die Garagenausfahrt nutzen muss. Es war daher vorhersehbar, dass die Blockade tatsächlich zu einer Einschränkung der A führen wird. Objektive Zurechenbarkeit ist damit gegeben.

IV. Rechtswidrigkeit

Die Erfüllung des objektiven Tatbestands indiziert die Rechtswidrigkeit. Anhaltspunkte für einen Rechtfertigungsgrund sind nicht ersichtlich. Insbesondere war die Blockade nicht vor dem Hintergrund des Streits mit der C-AG erlaubt.

V. Verschulden

Durch die Errichtung der Blockade hat die B bezweckt, dass Autos nicht mehr aus der Garage fahren können. B hat die Rechtsgutsverletzung damit vorsätzlich herbeigeführt.

VI.    Ersatzfähiger Schaden, §§ 249ff. BGB

Weiterhin müsste der A durch die Handlung der B auch ein ersatzfähiger Schaden im Sinne der §§ 249ff. BGB entstanden sein. Vorliegend begehrt die A Ersatz von Nutzungsausfall von täglich 175,00 EUR, weil sie ihren Porsche durch die Blockade 14 Tage nicht verwenden konnte.

1.           Immaterieller Schaden, § 253 Abs. 1 BGB

Der A ist durch die fehlende Nutzung auf den ersten Blick nicht unmittelbar ein materieller Schaden in Form eines Vermögenschadens entstanden. Der Nutzungsausfall könnte daher als immaterieller Schaden erstattungsfähig sein. Gemäß § 253 Abs. 1 BGB kann Entschädigung für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist (immaterieller Schaden), nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden, wie etwa das Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB oder die Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit gemäß § 651n Abs. 2 BGB. Die Voraussetzungen dieser Entschädigungsregelungen sind hier nicht erfüllt.[5]BGH Urt. v. 11.10.2022 – VI ZR 35/22, BeckRS 2022, 32827 Rn. 8

Der Nutzungsausfall ist damit nicht als immaterieller Schadensersatz erstattungsfähig.

2. Nutzungsausfall als Vermögensschaden?

Fraglich ist daher, ob der Nutzungsausfallersatz ausnahmsweise wertungsmäßig als Vermögensschaden zu erstattungsfähig ist.

a)  Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung

Wie bereits ausgeführt, ist der A bei erster Betrachtung kein direkter finanzieller Schaden entstanden, nur weil sie ihr Auto nicht nutzen konnte. Vor dem Hintergrund der in § 253 BGB verankerten gesetzgeberischen Wertentscheidung, wonach immaterieller Schaden nur in den gesetzlichen Fällen zu ersetzen ist, ist ein Nutzungsausfallersatz daher nur in engen Grenzen zu ersetzen. Nutzungsausfallersatz beschränkt sich daher auf Sachen, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist, es sich also um ein wesentliches Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung handelt.[6]BGH Urt. v. 11.10.2022 – VI ZR 35/22, BeckRS 2022, 32827 Rn. 10 Bei der Bewertung ist ein strenger Maßstab anzulegen.  Stellt sich hiernach der zeitweise Verlust unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden, sondern lediglich als individuelle Genussschmälerung dar, handelt es sich um einen nicht ersatzfähigen immateriellen Schaden.

Nach der Verkehrsauffassung stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs in der heutigen Zeit grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit – in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln – das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern. Ein taugliches Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung ist daher gegeben, dessen Nutzungsmöglichkeit ausgefallen ist.

b)      Fühlbarkeit des Nutzungsausfalls

Weiterhin müsste der Nutzungsausfall für die A auch fühlbar gewesen sein.

Die Fühlbarkeit des Nutzungsausfalls ist lediglich dann gegeben, wenn der Eigentümer sein Fahrzeug in der fraglichen Zeit benutzen wollte (Nutzungswille) und hierzu auch in der Lage gewesen wäre (hypothetische Nutzungsmöglichkeit). Dieses Erfordernis ist erforderlich, damit es sich weiterhin um eine konkrete, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogenen Schadensbetrachtung handelt und nicht gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot verstoßen wird. Darüber hinaus muss die Entbehrung der Nutzung auch deshalb „fühlbar“ geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte.[7]BGH Urt. v. 11.10.2022 – VI ZR 35/22, BeckRS 2022, 32827 Rn. 12; BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 63. Ed. 1.5.2022, BGB § 249 Rn. 155; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 70

Weiterhin ist aber auch zu berücksichtigen, ob es der geschädigten Person in zumutbarer Weise möglich gewesen ist, den Schaden etwa durch die Nutzung eines Zweitwagens zu verhindern. Steht ein zumutbarer Zweitwagen als Ersatz zur Verfügung, so ist der Ausfall des Erstwagens in den strengen Grenzen des Nutzungsausfallersatzes gerade nicht „fühlbar“.

Vorliegend wollte die A während der zwei Wochen mit dem Porsche an den Gardasee fahren, sodass sie einen Nutzungswillen hatte. Auch ist nicht ersichtlich, dass sie anderweitig an der Nutzung (etwa aus gesundheitlichen Gründen) gehindert gewesen wäre, sodass auch eine hypothetische Nutzungsmöglichkeit bestand. Gegen die Fühlbarkeit könnte vorliegend jedoch sprechen, dass die A auch Eigentümerin eines 3er BMW Kombi gewesen ist, den sie für den fraglichen Zeitraum nutzen konnte.

Fraglich ist daher, ob die Nutzung dieses Zweitwagens eine zumutbare Nutzung darstellte, die die Fühlbarkeit ausschließen würde. Für die Unzumutbarkeit beruft sich die A darauf, dass es sich bei dem BMW zunächst nicht um ein Cabriolet handelt und damit am Gardasee nicht das gleiche Fahrgefühl vermittelt werden konnte. Weiterhin handele es sich auch nicht um einen Porsche, sodass mit dem BMW weniger Prestige und eine geringere Wertschätzung anderer einherginge. Gegen die Berücksichtigung dieser Umstände spricht zunächst der strenge Maßstab, der an die Bewertung von Nutzungsausfallersatzansprüche zu setzen ist. Berücksichtigt werden sollen gerade lediglich Gesichtspunkte, die die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Nutzung betreffen. Dem Zweitwagen fehlte gerade nicht die gleichwertige Eignung als Fortbewegungs- und Transportmittel. Sämtliche Umstände, die die A vorträgt, betreffen lediglich Benefits, die die Lebensqualität vielleicht erhöhen, denen jedoch im Rahmen der engen Grenzen des Nutzungsausfalls kein eigener wirtschaftlicher Wert zugestanden werden kann. Die hiermit verbundene individuelle Genussschmälerung ist somit als reiner immaterieller Schaden nicht erstattungsfähig, da es an einer Fühlbarkeit fehlt.

Anmerkung: Subsumtion

Die Ausführungen richten sich vorliegend nach den Feststellungen des BGH. Gleichwohl ist die recht neue Entscheidung auch schon auf Kritik gestoßen und eine Fühlbarkeit bejaht worden.[8]so zB. in: Caspar Behme, NJW 2023, 47 Es kommt wie immer also nicht auf das Ergebnis, sondern auf eine nachvollziehbare und stichhaltige Begründung des gefundenen Ergebnisses an.

3.   Zwischenergebnis

Mangels fühlbarem Nutzungsausfall fehlt es an einem erstattungsfähigen Schaden im Sinne der §§ 249ff. BGB.

VII. Ergebnis

A hat gegen B keinen Anspruch auf Nutzungsausfallersatz nach § 823 Abs.1 BGB.

B. Anspruch auf Nutzungsausfallersatz nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB

A könnte gegen B jedoch einen Anspruch auf Nutzungsausfallersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB haben.

I.   Verletzung eines Schutzgesetzes

B müsste ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB verletzt haben. In Betracht kommt das Vorliegen verbotener Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs. 1 BGB.

1. Vorliegen eines Schutzgesetzes

Zunächst müsste es sich bei den § 858 Abs. 1 BGB um ein Schutzgesetz handeln. Hierfür müsste es sich um ein Gesetz im materiellen Sinne mit Individualschutz handeln und A müsste unter den Schutz der Norm fallen.

a)      Gesetz im materiellen Sinne

Gemäß Art. 2 EGBGB ist Gesetz im Sinne des BGB jede Rechtsnorm, also nicht nur Parlamentsgesetze, sondern auch untergesetzliche Normakte wie Rechtsverordnungen. Dementsprechend ist § 858 Abs. 1 BGB als bundesrechtliche Norm ein Gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

b) Individualschutz von § 858 Abs. 1 BGB

Weiterhin müsste § 858 Abs. 1 BGB auch eine Schutzgesetzeigenschaft haben. Dies ist der Fall, wenn die Norm zumindest auch den Schutz von Individualinteressen du dienen bestimmt ist.[9]MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 562 Derr Schutz Einzelner darf somit kein bloßer Reflex sein, sondern muss bezweckt sein und im Aufgabenbereich der Norm liegen.

Vorliegend schützt § 858 Abs. 1 BGB gerade den unmittelbaren Besitzer vor Störung oder Entziehung des Besitzes. Insofern hat § 858 Abs. 1 BGB Individualschutzcharakter.[10]BGH Urt. v. 11.10.2022 – VI ZR 35/22, BeckRS 2022, 32827 Rn. 7

c) A im Schutzbereich der Norm?

A ist als unmittelbare Besitzerin des Porsche auch vom Schutz des § 858 Abs. 1 BGB umfasst.

2. Verletzung des Schutzgesetzes

Weiterhin müsste B auch das Schutzgesetz des § 858 Abs. 1 BGB verletzt haben. Gemäß § 858 Abs. 1 BGB handelt widerrechtlich und damit mit verbotener Eigenmacht, wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet.

Vorliegend hat die B durch die Blockade mit dem Fahrzeug dafür gesorgt, dass die A den Besitz am Porsche nicht mehr entsprechend des Zwecks eines Fahrzeugs zu verwenden. Die Einschränkung war daher derart erheblich, dass die Nutzungsmöglichkeit quasi ausgeschlossen war. Verbotene Eigenmacht liegt damit vor, sodass eine Schutzgesetzverletzung gegeben ist.

Anmerkung: Umfang der Prüfung

Je nachdem wie umfangreich eine Klausur gestaltet ist, sollte es sehr gut vertretbar sein, den Anspruch recht kurz am fehlenden ersatzfähigen Schaden abzulehnen, ohne zuvor auf das Schutzgesetz und dessen Verletzung einzugehen. Dass der Anspruch hieran scheitern wird, ist angesichts der Ausführungen zu § 823 Abs. 1 BGB offenkundig. Die Darstellung dient daher im Wesentlichen der Vollständigkeit und dem Wiederholungseffekt.

II.    Ersatzfähiger Schaden

Wie bereits im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB ausgeführt, fehlt es aufgrund des verfügbaren Zweitwagens an einem fühlbaren Nutzungsausfall. Der geltend gemachte Nutzungsausfall stellt daher keinen ersatzfähigen Schaden im Sinne der §§ 249 Abs. 1 BGB dar.

III. Ergebnis

A hat gegen B keinen Anspruch auf Nutzungsausfallersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB.

C. Anspruch auf Nutzungsausfallersatz nach § 826 BGB

Ein Anspruch auf Nutzungsausfallersatz aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 Abs. 1 BGB scheitert ebenfalls spätestens am Fehlen eines ersatzfähigen Schadens.

Vernetztes Lernen: Welche Voraussetzungen hat ein Anspruch aus 826 BGB?

1. Sittenwidrige Schädigungshandlung
2. Schaden
3. Haftungsausfüllende Kausalität
4. Vorsatz hinsichtlich der Sittenwidrigkeit und des Schadens (Doppelvorsatz)
5. Rechtsfolge, §§ 249ff. BGB

D. Gesamtergebnis

A hat gegen B keinen Anspruch auf Nutzungsausfallersatz in Höhe von 2450,00 EUR.

Zusatzfragen

Wie sähe der Fall aus, wenn die A keinen Zweitwagen besessen hätte?

Im Falle, dass die A keinen Zweitwagen besessen hätte, würde es ihr an einer zumutbaren Alternative fehlen. In diesem Falle wäre bei Nutzungswille und hypothetischer Nutzungsmöglichkeit der Nutzungsausfallschaden zu ersetzen.

Alternativ hätte die A die Möglichkeit gehabt, sich einen gleichwertigen oder klassentieferen Mietwagen für die Zeit der Blockade anzumieten und die Kosten hierfür konkret geltend zu machen. Die beiden Ansprüche (Mietwagenkosten und Nutzungsausfall) stehen dabei im Alternativverhältnis.[11]BGH, Urt. v. 5. 2. 2013 – VI ZR 290/11, NJW 2013, 1149 Rn. 25; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 70.

Assessorexamen: Welches Gericht ist zuständig, wenn B in Hannover wohnhaft ist, sich die Garage aber in Hamburg-Mitte befindet?

Vorliegend macht die A eine Klagesumme von 2450,00 EUR geltend. Insofern ist die Streit-wertgrenze von 5000,00 EUR noch nicht überschritte, sodass gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG das Amtsgericht sachlich zuständig ist. Eine streitwertunabhängige Zuweisung zum Landgericht ist nicht ersichtlich.

Gemäß § 32 ZPO besteht in örtlicher Hinsicht zunächst der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung beim Amtsgericht Hamburg-Mitte, da sich aus den doppeltrelevanten Tatsachen aus dem Vortrag der A die Möglichkeit einer unerlaubten Handlung ergibt.

Weiterhin besteht jedoch auch eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Hannovers nach dem allgemeinen Gerichtsstand nach §§ 12, 13 ZPO, da B ihren Wohnsitz in Hannover hat.

Da es sich bei beiden Gerichtsständen nicht um einen ausschließlichen handelt, hat A gemäß § 35 ZPO die freie Wahl.


Zusammenfassung:

1. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der vorübergehenden Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs besteht nicht, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht, dessen ersatzweise Nutzung ihm zumutbar ist.

2. Die Unzumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs lässt sich nicht mit dem Argument begründen, dass das Fahrzeug, dessen Nutzung vorübergehend entzogen ist, gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahre, etwa weil ihm ein höheres Prestige zukomme, es ein anderes Fahrgefühl vermittle oder den individuellen Genuss erhöhe..

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