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Außerordentliche Kündigung wegen Nichtleistung einer Bankbürgschaft als Mietsicherheit

BGH, Urteil vom 14.05.2025 – VIII ZR 256/23, NJW 2025, 2147

Sachverhalt

(abgewandelt und gekürzt)

Im Januar 2020 schlossen K und B einen Mietvertrag über die Wohnung der K nebst Tiefgaragenstellplatz zu einer monatlichen Nettokaltmiete von 1.950 EUR zzgl. einer Betriebskostenpauschale von 250 EUR. Dieser Mietvertrag enthielt unter anderem in § 4 die Vereinbarung der Parteien über die Stellung einer Mietsicherheit:

§ 4 Kaution
Der Mieter leistet bei Abschluss des Mietvertrags eine Kaution in Höhe von 4.400 EUR. Diese ist spätestens zur Übergabe der Wohnung in Form einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Bankbürgschaft zu erbringen.

K überließ dem B die Wohnung, aber der B erbrachte trotz entsprechender Ankündigung die Bankbürgschaft nicht. Daraufhin erklärte die K – ohne vorherige Abmahnung oder Erklärung einer Abhilfefrist – mit Schreiben vom 11.05.2020 dem B die außerordentliche Kündigung, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen unterbliebener Leistung der Mietsicherheit.

Kann K von B die Herausgabe der Wohnung verlangen?

Bearbeitungshinweis:

Gehen Sie in der Bearbeitung davon aus, dass es sich bei § 4 des Mietvertrages um eine zulässige AGB-Klausel handelt.

Skizze


Gutachten

A. Anspruch von K auf Herausgabe der Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB

K könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe der Wohnung gem. § 546 Abs. 1 BGB haben. Voraussetzung dafür ist, dass zwischen den Parteien ein Mietverhältnis bestand, welches durch die Kündigung vom 11.05.2020 wirksam beendet wurde.

I. Mietvertrag

K und B hatten im Januar 2020 einen Mietvertrag gem. § 535 BGB über die Wohnung der K nebst Tiefgaragenstellplatz geschlossen.

II. Außerordentliche fristlose Kündigung

K könnte den Mietvertrag mit B durch Erklärung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung gem. § 543 Abs. 1 S. 1 BGB beendet haben.

1. Kündigungserklärung

K erklärte dem B am 11.05.2020 durch ein Schreiben, entsprechend der gem. § 568 Abs. 1 BGB vorgesehenen Form, die fristlose Kündigung.

2. Wichtiger Grund

Gem. § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann ein Mietverhältnis nur aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden

a) Kündigungsgrund gem. § 569 Abs. 2a BGB

Dieser könnte sich vorliegend aus § 569 Abs. 2a S. 1 BGB i.V.m.  § 543 Abs. 1 BGB ergeben. Nach dieser Vorschrift liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB vor, wenn der Mieter mit einer Sicherheitsleistung nach § 551 BGB in Höhe eines Betrages im Verzug ist, der der zweifachen Monatsmiete entspricht. Die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten sind bei der Berechnung der Monatsmiete nicht zu berücksichtigen. Fraglich ist, ob auch die Mietsicherheit in Form einer Bankbürgschaft vom Tatbestand des § 569 Abs. 2a S. 1 BGB erfasst ist.

aa) Erste Ansicht

Einerseits wird vertreten, dass der § 569 Abs. 2a BGB alle Arten von Sicherheitsleistungen im Sinne von § 551 BGB erfasst. [1]vgl. BeckOGK/Geib, 1.1.2025, BGB § 569 Rn. 50; BeckOK BGB/Wöstmann, 1.2.2025, BGB § 569 Rn. 14 Nach dieser Ansicht wäre die Bankbürgschaft eine Sicherheitsleistung im Sinne von § 551 BGB. Damit wäre ein wichtiger Grund gem. § 543 Abs.1 BGB i.V.m. § 569 Abs. 2a S. 1 BGB zu bejahen und K könnte außerordentlich fristlos kündigen.

bb) Zweite Ansicht

Andere Stimmen vertreten, dass nur die Leistung einer Barkaution bzw. einer Geldsumme vom § 569 Abs. 2a BGB erfasst wird und nur der Verzug mit der Zahlung einer solchen zu einer fristlosen Kündigung berechtigen würde.[2]Staudinger/V. Emmerich BGB, 2024, BGB § 569 Rn. 66; Grüneberg/Weidenkaff BGB, 84. Aufl., BGB § 569 Rn. 14a; MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl., BGB § 569 Rn. 33 Wurde eine andere Art von Mietsicherheit vereinbart, etwa eine Bankbürgschaft, soll der Vermieter das Mietverhältnis nur fristlos gem. § 543 Abs. 1 BGB oder ordentlich gem. §§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigen können. Damit würde kein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs.1 BGB i.V.m. § 569 Abs. 2a S. 1 BGB vorliegen und K könnte nicht außerordentlich fristlos kündigen.

cc) Stellungnahme

Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist eine Stellungnahme vonnöten. Für die erste Ansicht spricht, dass der Wortlaut des § 569 Abs. 2a BGB nur allgemein von Sicherheitsleistungen nach § 551 BGB spricht. Er zählt also weder explizit erfasste Formen der Sicherheitsleistung auf, noch schließt er andere explizit aus. Gegen diese Ansicht sprechen jedoch folgende Argumente:

(1) Wortlaut und Systematik

Eine grammatische Gesetzesauslegung erfolgt nicht nur durch isolierte Bestimmung des Wortsinns einer Norm, sondern sie hat das nach dem Wortlaut sprachlich Mögliche zu ermitteln. [3]BGH NZM 2022, 49 (50) Rn. 33; BGH NJW 2007, 524 Rn. 12 Der Wortlaut des § 569 Abs. 2a BGB ergibt daher gerade nicht, dass „eindeutig“ sämtliche Formen von Mietsicherheiten erfasst würden. Zwar spricht die Vorschrift ganz allgemein und ohne weitere Einschränkungen von einer Sicherheitsleistung nach § 551 BGB, jedoch muss diese im Kontext des gesamten Normtexts von § 569 Abs. 2a BGB betrachtet werden. Der systematische Zusammenhang des § 569 Abs. 2a BGB zum § 551 BGB ergibt, dass von diesem Kündigungstatbestand nur solche Mietsicherheiten erfasst sein können, die der Mieter in Teilleistungen erbringen kann. Bankbürgschaften können aber grundsätzlich nicht in Teilleistungen erbracht werden, vgl. § 266 BGB. Das ergibt sich daraus, dass gem. § 569 Abs. 2a BGB der Mieter mit der Sicherheitsleistung in Höhe eines Betrags in Verzug sein muss, der der zweifachen Monatsmiete entspricht. Zwar kann auch eine Bürgschaft über einen bestimmten „Betrag“ gestellt werden, jedoch fordert die Norm eine betragsmäßige Berechnung eines Rückstands, sodass davon nur (teilbare) Geldbeträge im Sinne von Geldsummen oder Barkautionen erfasst sein können.

Zudem normiert § 551 Abs. 1 BGB, dass die Sicherheitsleistung maximal die dreifache monatliche Nettokaltmiete betragen darf, jedoch genügt bereits der Verzug des Mieters in Höhe von zwei Monatsmieten, um den Kündigungstatbestand des § 569 Abs. 2a BGB auszulösen. Diese Teilzahlungsmöglichkeit deutet darauf hin, dass nur solche Mietsicherheiten erfasst sein können, die in Teilleistungen erbracht werden können und wird von § 551 Abs. 2 BGB auch nur für Mietsicherheiten in Geldsumme normiert. Das Gesetz sieht explizit keine Leistung einer Mietkautionsbürgschaft in Raten vor. [4]Staudinger/V. Emmerich, 2024, BGB § 551 Rn. 44; Kraemer NZM 2001, 737 (738 f.)

Darüber hinaus sprechen auch die systematische Stellung und Konzeption des § 569 Abs. 2a BGB für den Ausschluss der Bankbürgschaft aus dem Anwendungsbereich der Norm, da dieser Kündigungstatbestand einen Gleichlauf mit den Voraussetzungen der Kündigung wegen Zahlungsverzugs des Mieters gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB aufweist, was sich etwa aus den in § 569 Abs. 3 BGB enthaltenen Ergänzungen zu § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB entnehmen lässt.

(2) Historie

Weiter spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 569 Abs. 2a BGB gegen die Anwendbarkeit des Kündigungstatbestands auf eine Mietsicherheit in Form einer Bankbürgschaft. Mit Schaffung des Kündigungstatbestands gem. § 569 Abs. 2a BGB wurde auch der § 551 Abs. 2 BGB differenzierter als zuvor geregelt: Dieser normierte zuvor nur die Fälligkeit der ersten Rate von den drei zu leistenden Teilzahlungen und gestaltete nun in der Neufassung auch die Fälligkeit der beiden übrigen Raten der Geldsumme aus.

Auch die Gesetzesbegründung zum § 569 Abs. 2a BGB spricht mehrfach von der „Zahlung“ einer Sicherheitsleistung, sodass bereits der Begründung zu entnehmen ist, dass nur die „Nichtzahlung“ einer Mietsicherheit als Vertragsverletzung von dieser Vorschrift erfasst sein sollte, nicht aber die Nichtleistung von anderen Kautionsarten.[5]BGH NJW 2025, 2147 Rn. 38 ff.

Anmerkung: Hinweis für die Klausurbearbeitung

In einer Examensklausur kann in aller Regel nicht von Ihnen erwartet werden, dass Sie die Hintergründe zur Entstehung einer Norm kennen. Diese Argumente des BGH werden daher nur vollständigkeitshalber erwähnt.

(3) Sinn und Zweck

Auch der Sinn und Zweck des § 569 Abs. 2a BGB sprechen gegen die Erstreckung einer Anwendbarkeit auf den Fall des Verzugs des Mieters mit der Leistung einer Bankbürgschaft. Denn ein Vermieter der eine Bankbürgschaft als Mietsicherheit verlangen kann, benötigt den vom Gesetzgeber beabsichtigen Schutz des § 569 Abs. 2a BGB vor vertragsuntreuem Verhalten des Mieters zu Beginn des Mietverhältnisses nicht im gleichen Maße wie im Falle einer vereinbarten Barkaution oder Geldsumme.[6]BGH NJW 2025, 2147 Rn. 47

Wird eine Barkaution gestellt, so ist der Mieter gem. § 551 Abs. 2 BGB berechtigt, diese in drei gleichen monatlichen Teilzahlungen zu leisten. Der Vermieter muss die Wohnung aber bereits nach Zahlung der ersten Rate an den Mieter übergeben muss. Dem Vermieter steht in diesem Fall nur bis zur Zahlung der ersten Rate ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB zu. Dies ist im Fall einer Bankbürgschaft als Kaution jedoch anders: Im Fall der Nichterbringung der Bankbürgschaft, kann der Vermieter die Überlassung der Wohnung gem. § 273 BGB bis zur Stellung der (vollständigen) Bankbürgschaft verweigern. [7]Drasdo NJW-Spezial 2025, 546 (547) Es kann gerade nicht der Fall eintreten, dass die Bankbürgschaft nur „teilweise“ geleistet wird, wie dies bei der Barkaution eintreten kann. Daher braucht der Vermieter in diesem Fall nicht den zusätzlichen Schutz des § 569 Abs. 2a BGB.

Würde man dem Vermieter, der trotz Nichterbringung einer Bankbürgschaft des Mieters sein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB nicht ausübt und dem Mieter die Wohnung überlässt, das Kündigungsrecht gem. § 569 Abs. 2a BGB zugestehen, würde sich der Vermieter durch dieses Verhalten dem Vorwurf des widersprüchlichen und treuwidrigen Verhaltens gem. § 242 BGB aussetzen.[8]Karabulut WuM 2014, 186 (191) Er hätte von vorneherein die Übergabe der Wohnung gem. § 273 BGB verweigern können. Daher kann nicht angenommen werden, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, dass dem Vermieter trotz solch widersprüchlichen Verhaltens das Recht auf fristlose Kündigung gem. § 569 Abs. 2a BGB ohne Abwägung der beiderseitigen Interessen des Mietvertrags und mit einfachem Verweis des Mieters auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB grundsätzlich eingeräumt werden solle.

Zudem ist anzumerken, dass der Vermieter über sein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB hinaus bei Nichtleistung einer Bankbürgschaft als Mietsicherheit auch hinsichtlich der Beendigung des Mietverhältnisses nicht gänzlich schutzlos gestellt ist. Dem Vermieter steht weiterhin die fristlose Kündigungsmöglichkeit gem. § 543 Abs. 1 BGB sowie die ordentliche Kündigung gem. §§ 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB zu.

(4) Ergebnis

Im Ergebnis überzeugen die Argumente für die zweite Ansicht. Vom Kündigungstatbestand des § 569 Abs. 2a BGB wird nur die Mietsicherheit in Form einer Barkaution bzw. Geldsumme erfasst. Die Bankbürgschaft als Mietsicherheit fällt nicht in dessen Anwendbarkeit.

dd) Ergebnis

Ein wichtiger Grund gem. § 569 Abs. 2a BGB i.V.m. § 543 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

b) Kündigungsgrund gem. § 543 Abs. 1 BGB

Es könnte ein wichtiger Grund gem. § 543 Abs. 1 BGB vorliegen. Ein solcher liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Jedoch muss zuvor erfolglos eine zur Abhilfe bestimmte gesetzte Frist oder eine erfolglose Abmahnung ablaufen, vgl. § 543 Abs. 3 S. 1 BGB. Beides ist vorliegend nicht der Fall, sodass K sich auch nicht auf einen wichtigen Grund gem. § 543 Abs. 1 BGB stützen kann.

3. Ergebnis

K hat das Mietverhältnis mit B weder durch außerordentliche fristlose Kündigung gem. § 569 Abs. 2a BGB i.V.m. § 543 Abs. 1 BGB noch durch fristlose Kündigung gem. § 543 Abs. 1 BGB wirksam beendet.

III. Ordentliche Kündigung gem. §§ 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB

Anmerkung: Verweis zur weiteren Entscheidung an das Berufungsgericht

Der BGH hat sich weder zu der Frage, ob der Kläger zumindest ordentlich wirksam gekündigt hat, noch über die Zulässigkeit der Klausel geäußert. Er hat lediglich darauf verwiesen, dass das Berufungsgericht eine solche Prüfung nun vornehmen könne. [9]BGH NJW 2025, 2147 (2151) Rn. 53 ff. Im Folgenden wird die Wirksamkeit der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung der Vollständigkeit halber klausurmäßig weitergeprüft.

K hat bei Erklären der außerordentlichen fristlosen Kündigung hilfsweise auch die ordentliche Kündigung ausgesprochen. Danach könnte K das Mietverhältnis durch ordentliche Kündigung gem. §573 Abs. 1 BGB wegen einer nicht unerheblichen, schuldhaften Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag durch B gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB wirksam beendet haben. Eine vorherige Abmahnung des Mieters durch den Vermieter wird von der h.M. entsprechend des Wortlauts des § 573 BGB nicht vorausgesetzt. [10]BGH NJW 2008, 508; OLG Oldenburg NJW-RR 1992, 79; Schläger ZMR 1991, 41 (47)

1. Schuldhafte, nicht unerhebliche Pflichtverletzung

Es müsste sich bei der Nichtstellung der Bankbürgschaft um eine von B schuldhafte, nicht unerhebliche Vertragspflichtverletzung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB handeln. Da es sich bei der Verpflichtung der Zahlung zu einer Mietkaution in Höhe von 4.400 EUR gem. § 4 des Mietvertrags um eine zulässige AGB-Klausel handelt stellt diese eine Pflicht aus dem Mietvertrag dar.  Indem B diese nicht geleistet hat, hat er eine Pflicht aus dem Mietvertrag mit K verletzt. Fraglich ist jedoch, ob diese Pflichtverletzung auch erheblich war. Bei der Pflicht zur Stellung einer Mietsicherheit handelt es sich nicht um eine bloße Nebenpflicht, sondern vielmehr um eine wesentliche Vertragspflicht, da die Mietsicherheit der Absicherung des Vermieters gegen zukünftige Zahlungs- oder Schadensersatzansprüche dient. [11]vgl. MüKoBGB/Bieber BGB § 551 Rn. 1 Zudem ist hier der Umstand zu beachten, dass B die Mietsicherheit in Höhe von 4.400 EUR vollständig nicht geleistet hat. Würde es sich dabei um eine Barkaution handeln, würde bereits der Verzug mit der Zahlung der Sicherheitsleistung in Höhe der zweifachen Monatsmiete genügen, um dem Vermieter die Möglichkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung gem. § 569 Abs. 2a S. 1 BGB einzuräumen. Mithin muss der vollständigen Nichtleistung der Mietsicherheit durch systematischen Vergleich zur Vorschrift des § 569 Abs. 2a BGB durchaus eine Erheblichkeit zugesprochen werden. Mangels weiterer Sachverhaltsangaben ist auch davon auszugehen, dass B schuldhaft handelte. Eine schuldhafte, nicht unerhebliche Pflichtverletzung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch B liegt vor.

2. Kündigungserklärung und -frist

K erklärte dem B am 11.05.2020 durch ein Schreiben, entsprechend der gem. § 568 Abs. 1 BGB vorgesehenen Form, die Kündigung. Gem. § 573c Abs. 1 S. 1 BGB ist die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. K erklärte die Kündigung erst am 11.05.2020. Da die Kündigung erst nach dem dritten Werktag des Monats Mai zuging, begann die Kündigungsfrist gemäß § 573c Abs. 1 S. 1 BGB spätestens mit dem Ablauf des 03.06.2020, sodass das Mietverhältnis zum 31.08.2020 endet.

3. Ergebnis

Das Vorliegen einer schuldhaften, nicht unerheblichen Pflichtverletzung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch B indiziert ein berechtigtes Interesse des K an der Beendigung des Mietverhältnisses, vgl. §§ 573 Abs. 1, 2 BGB. Die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch K ist somit wirksam und K konnte den Mietvertrag mit B wirksam beenden.

Anmerkung: Einwand des widersprüchlichen Verhaltens

Der oben erwähnte Einwand des Rechtsmissbrauches wegen widersprüchlichem Verhaltens gem. § 242 BGB bezieht sich nach hier vertretener Ansicht nur auf das außerordentliche fristlose Kündigungsrecht, nicht aber auf das ordentliche Kündigungsrecht. Dass der Vermieter trotz Nichterbringung der Mietsicherheit vor Übergabe der Wohnung die Mieträume dennoch an den Mieter überlassen hat, kann zwar durchaus als widersprüchlich empfunden werden, jedoch ist die ordentliche Kündigung ein „Weniger“ zur außerordentlichen Kündigung und verhindert die abrupte Wohnungslosigkeit des Mieters und wird gleichzeitig dem Interesse des Vermieters hinsichtlich der baldigen Beendigung des Mietverhältnisses gerecht.

B. Ergebnis

K hat gegen B einen Anspruch aus Herausgabe der Wohnung gem. § 546 Abs. 1 BGB, da K den Mietvertrag wirksam ordentlich gekündigt hat gem. §§ 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB.


Zusatzfrage

Die mietrechtliche Verjährungsvorschrift

Abwandlung:

B bewohnt die Wohnung nach ordentlicher Kündigung durch K bis zum 31.08.2020. Während dieser Zeit beschädigt B den Türrahmen und hinterlässt tiefe Kratzer im Laminatboden. K nimmt vom Auszug des B Kenntnis, vertraut jedoch darauf, dass die Wohnung noch im ordnungsgemäßen Zustand ist, da B nur für kurze Zeit in der Wohnung gelebt hat und die Mietsache pfleglich behandelt haben dürfte. Erst im März des Folgejahres betritt K die Wohnung und entdeckt die Schäden.

Kann K gegen B Schadensersatz für die entstandenen Beschädigungen geltend machen?

Grundsätzlich hätte K gegen den B einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, denn der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache pfleglich zu behandeln und Schäden zu vermeiden. Bei der Beschädigung des Türrahmens und den tiefen Kratzer handelt es sich um eine zu vertretene Pflichtverletzung durch B. Für diesen Schaden an der Mietsache kann K gem. § 249 Abs. 2 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Fraglich ist jedoch, ob der Geltendmachung des Schadensersatzes die verspätete Entdeckung des Schadens durch K entgegensteht.

Die Verjährung mietrechtlicher Ansprüche richtet sich zunächst nach der für das Mietrecht geltenden Sondervorschrift des § 548 Abs. 1 BGB. Danach verjähren die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Die Mietsache gilt als zurückgegeben sobald der Vermieter die Möglichkeit hat die Sache auf etwaige Mängel zu untersuchen. [12]MüKoBGB/Bieber § 551 Rn. 14

K hätte sich schon bei Rückgabe der Wohnung Zugang zu dieser verschaffen können, um den Zustand zu prüfen. Gem. § 188 Abs. 2 BGB endete die von § 548 Abs. 1 BGB bestimmte Sechs-Monats-Frist am 28.02.2021. K hat die Ansprüche erst im März 2021 geltend gemacht, also nach Ablauf der Frist. Folglich sind die Schadensersatzansprüche gegen B wegen § 548 Abs. 1 BGB verjährt.

Ferner steht dem K gegen den B auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen der Schäden am Türrahmen und der Kratzer im Boden zu. Fraglich ist aber, ob auch hier die mietrechtliche Sonderregelung des § 548 Abs. 1 BGB greift oder ob es für deliktische Ansprüche bei der Regelverjährung bleibt. Der BGH vertritt, dass die Anwendbarkeit des § 548 Abs. 1 BGB weit zu verstehen ist und die kurze Verjährungsfrist daher auch auf deliktische Ansprüche durchschlägt, [13]BGH NZM 2010, 621 Rn. 12 wenn es sich bei diesen Ansprüchen um solche handelt, die aus der Veränderung oder der Verschlechterung der Mietsache herrühren. Sinn und Zweck des § 548 Abs. 1 BGB ist es eine schnelle Abwicklung der Ansprüche wegen des Zustands der Mietsache herbeizuführen, weshalb die mietrechtliche Sondervorschrift zur Verjährung auch auf konkurrierende Ansprüche durschlagen muss, [14]Jendrek NZM 1998, 593 (595) zur gleichlautenden Vorschrift des § 558 BGB a.F da das Interesse an der schnellen Abwicklung auch bei deliktischen Ansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache besteht.

Im Ergebnis bedeutet das, dass auch der Anspruch der K aus § 823 Abs. 1 BGB gegen den B wegen der Beschädigung des Türrahmens und der Kratzer im Boden wegen § 548 Abs. 1 BGB verjährt ist. K kann somit keine Schadensersatzansprüche mehr gegen B geltend machen.

Zusammenfassung

  1. Vom Kündigungstatbestand gem. § 569 Abs. 2a BGB werden nur Sicherheitsleistungen nach § 551 BGB erfasst, die in Form eines teilbaren Geldbetrags zu leisten sind, etwa einer Barkaution oder einer Geldsumme. Bankbürgschaften werden somit nicht erfasst.
  2. Eine Wortlautauslegung erfordert, dass das nach dem Wortlaut sprachlich mögliche ermittelt wird. Diese Wortsinnermittlung darf aber nicht isoliert, sondern muss im Zusammenhang des Normtextes erfolgen.

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