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Alte Meister

BGH, Beschluss vom 19.05.2020 – 2 StR 398/19, BeckRS 2020, 28772

Sachverhalt

T und M betreiben gemeinsam eine Galerie, in der der M gehörende Gemälde verkauft werden, die diese zuvor selbst angekauft hatte. Zu den Bildern werden Exposés verfasst, die neben den „technischen“ Daten auch Angaben zur Provenienz, also Informationen zur Herkunft des Bildes und dessen Eigentums- und Besitzhistorie, enthalten.

In der Galerie befindet sich ein gefälschtes und „signiertes“ Bild des Künstlers Rodchenko, wobei T und M um den Fälschungscharakter wissen. Da jedoch zum Werk eine Provenienz fehlt, erfindet die T mit Billigung der M – auf die sie warten muss – Provenienz, um die Authentizität des Bildes zu steigern. Im Folgenden interessiert sich K für das Gemälde. Ihr wird das Exposé mit der gefälschten Provenienz ausgehändigt und auf Nachfrage die Echtheit des Werkes bestätigt. T führt die Vertragsverhandlungen und verkauft das Kunstwerk für 43.000 € an K.

Auch mit U führen T und M weit fortgeschrittene Verhandlungen über ein anderes, echtes Bild des Künstlers Exter, das von ihnen mit einer erfundenen Provenienz ausgestattet wurde. Das Exposé wurde U bereits übergeben. Letztlich führen die Verhandlungen aber nicht zum Ankauf des Bildes.

Wie haben sich T und M strafbar gemacht?


Skizze

Gutachten

1. Tatkomplex

A. Strafbarkeit von T gem. § 263 I StGB

T könnte sich gem. § 263 I StGB des Betruges gegenüber und zu Lasten der K strafbar gemacht haben, indem sie der K ein gefälschtes Kunstwerk mit gefälschter Provenienz verkauft.

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand
a) Täuschung

T müsste über Tatsachen getäuscht haben. Tatsachen sind Vorgänge der Gegenwart oder der Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind.[1]Fischer, 69. Aufl. 2022, § 263 Rn. 6. Täuschung ist ein zur Irreführung bestimmtes und damit der Einwirkung auf die Vorstellung eines anderen dienendes Gesamtverhalten.[2]Lackner/Kühl, 29. Aufl. 2018, § 263 Rn. 6. K wird durch T das Exposé mit gefälschter Provenienz ausgehändigt und auf Nachfrage die Echtheit des Bildes bestätigt. Die Echtheit von Kunstwerken ist dem Beweis zugänglich. Durch die Bestätigung der Echtheit gegenüber K hat T auf die Vorstellung eines anderen eingewirkt. Die Provenienz dient dem Beleg der Echtheit des Werkes; sie ist gegebenenfalls geeignet, Zweifel an der Echtheit zu zerstreuen. Damit stellt sie einen wertbildenden und -steigernden Faktor dar und ist dem Beweis zugänglich. Durch die Aushändigung an K hat T auch hiermit auf das Vorstellungsbild eines anderen eingewirkt. T hat folglich über Tatsachen getäuscht.

b) Irrtum

Weiterhin müsste dadurch ein Irrtum bei K hervorgerufen worden sein. Der Irrtum setzt eine Fehlvorstellung, also die positive Vorstellung einer der Wirklichkeit widersprechenden Tatsache voraus.[3]BGHSt 59, 68, 71; BGH NJW 16, 3383. K glaubte aufgrund der Versicherung von T an die Echtheit des Bildes und der Provenienz. Bei ihr wurde demnach ein Irrtum über die Echtheit des Bildes und der Provenienz hervorgerufen. 

c) Vermögensverfügung

Aufgrund des Irrtums müsste K über Vermögen verfügt haben. Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt, wobei eine rein faktische Vermögensminderung genügt.[4]BGHSt 14, 170; BGHSt 50, 175; Fischer, 69. Aufl. 2022, § 263 Rn. 70; Jäger, JuS 2010, 761. K hat aufgrund des Irrtums das Bild für 43.000 € gekauft und damit über ihr Vermögen verfügt.

Vernetztes Lernen: Welche Anforderungen an das Nähevehältnis zwischen Verfügendem und Geschädigtem sind im Rahmen eines Dreickbetruges zu stellen?
Das ist umstritten. Die Meinungen teilen sich hauptsächlich in drei Strömungen mit jeweils verschiedenen Schattierungen auf.

Tatsächliches Näheverhältnis[5]Dreher JR 1966, 29; LK/Heimann-Trosien, 9. Aufl. § 242 Rn. 25.
Einige vertreten die Auffassung, es genüge, dass der Getäuschte bereits vor der Tat gegebenen faktischen Einwirkungsmöglichkeit auf der Seite des Geschädigten und für diesen Gebrauch mache. Es reiche als ein rein faktisches Näheverhältnis.

Befugnistheorien[6]Kindhäuser ZStW 1991, 417; vgl. für eine subjektivere Auslegung: Otto ZStW 1967, 84 f.; Roxin/Schünemann JuS 1969, 374 ff.
Nach der Befugnistheorie muss der Getäuschte zur Vornahme der Verfügung über das Vermögen des Geschädigten rechtlich (wirksam) befugt sein.[7]Kindhäuser ZStW 1991, 417.

Lagertheorien[8]BGHSt 18, 221; Lenckner JZ 1966, 321; Sch/Sch/Perron, 30. Aufl. 2019, § 263 Rn. 67.
Die normative Lagertheorie stellt auf die normative Zuordnung des verfügenden Dritten als Beschützer oder Gehilfe zum Lager des geschädigten Vermögensinhabers ab.

Siehe dazu auch Dienststiefel-Fall und Die lügende und betrügende Krankenschwester

d) Vermögensschaden

Schließlich müsste durch die Verfügung bei K auch ein Vermögensschaden entstanden sein. Vermögen ist die Summe aller geldwerten Güter einer Person.[9]Joecks/Jäger, 12. Aufl. 2018, § 263 Rn. 101. Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwertes des Vermögens des Verfügenden geführt hat (Prinzip der Gesamtsaldierung).[10]BGH NJW 2016, 2434 (2435). Ein Vermögensschaden bestimmt sich bei Austauschbeziehungen durch eine Gesamtsaldierung, also einen Vergleich des Vermögensstandes vor und nach der Verfügung.[11]Joecks/Jäger, 12. Aufl. 2018, § 263 Rn. 101. 

Ein gefälschtes Bild hat auf dem Kunstmarkt keinen Wert oder einen nur besonders geringen Wert. Dagegen hat ein echtes Bild, bei dem nur die Provenienz gefälscht ist, einen Wert am Kunstmarkt. In jedem Fall hat ein echtes Bild mit einer echten Provenienz den höchsten Wert. Die Provenienz ist somit ein wertbildender und -erhöhender Faktor. Aus dem Fehlen der Provenienz kann aber nicht die vollständige Wertlosigkeit des echten Bildes geschlossen werden.[12]BGH BeckRS 2020, 28772.

Das von K gekaufte Bild ist gefälscht und mit einer gefälschten Provenienz ausgestattet. Nach dem Kauf, also der Vermögensverfügung, liegt eine Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwertes des Vermögens des Verfügenden vor. Mithin liegt ein Vermögensschaden durch die Verfügung bei K vor.[13]Die Frage nach der dogmatischen Einordnung des Bezifferungsgebotes entweder als Teil des objektiven Tatbestandes oder auf Ebene der Strafzumessung könnte hier aufgeworfen werden. Dazu Brüning, ZJS … Continue reading

2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz

Die T müsste mit Vorsatz gehandelt haben. Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung.[14]MüKoStGB/Joecks, StGB, 3. Aufl., § 16 StGB, Rn. 13. T wusste um die gefälschte Provenienz und auch um den Fälschungscharakter des Bildes. Durch ihre Tätigkeit ist anzunehmen, dass sie auch um den reduzierten Wert eines Bildes bei fehlender oder gefälschter Provenienz wusste. Sie handelte mit Wissen und Wollen bezüglich des objektiven Tatbestandes und mithin vorsätzlich.

b) Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung

Zudem müsste die T mit der Absicht der rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung handeln. Bereicherungsabsicht liegt vor, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, sich oder einem konkreten Dritten einen materiellen Vorteil zu verschaffen. Rechtswidrig ist der Vorteil, wenn der Täter keinen zivilrechtlichen Anspruch auf den erlangten Vermögenswert besitzt. Der erstrebte Vermögensvorteil muss das genaue Spiegelbild des eingetretenen Vermögensschadens sein. T kommt es darauf an, sich und M einen Vermögensvorteil durch den Verkauf des gefälschten Bildes mit gefälschter Provenienz zu verschaffen. Auf den erzielten Mehrwert hat T auch keinen zivilrechtlichen Anspruch. Dieser Mehrwert stellt auch das Spiegelbild zum eingetretenen Vermögensschaden dar. Mithin handelt T mit der Absicht der rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung. 

II. Rechtswidrigkeit

Mangels ersichtlicher Rechtfertigungsgründe handelt T rechtswidrig.

III. Schuld

T ist schuldfähig. Mangels ersichtlicher Entschuldigungsgründe handelt T schuldhaft.

IV. Ergebnis

T hat sich gem. § 263 I StGB des Betruges gegenüber und zu Lasten der K strafbar gemacht, indem sie der K ein gefälschtes Kunstwerk mit gefälschter Provenienz verkauft.

Anmerkung: Sachverhaltserweiterung in einer Klausur

In einer Klausur ließen sich die Probleme im Hinblick auf die Urkundenfälschung noch um eine Irrtumskonstellation erweitern. Denn im Bezug auf Beweiszeichen sollte die Vorsatzprüfung noch genauer erfolgen. Juristischen Laien mag es nicht klar sein, dass Signaturen von Künstlern (ggf. Beweiszeichen) Tatumstände sein können. Der Täter muss nach laienhafter Vorstellung auch den wesentlichen rechtlich-sozialen Inhaltsgehalt des Merkmals Urkunde erkennen. Fehlt dies, kommt ein Tatbestandsirrtum nach § 16 I 1 StGB in Betracht.

B. Strafbarkeit von M gem. §§ 263 I, 25 II StGB

M könnte sich gem. §§ 263 I, 25 II StGB des Betruges in Mittäterschaft gegenüber und zu Lasten der K strafbar gemacht haben, indem T der K ein gefälschtes Kunstwerk mit gefälschter Provenienz verkauft.

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand
a) Täuschung

M müsste über Tatsachen getäuscht haben. M hat selbst aber gar nicht gehandelt, sondern der T ihre Bilder und die Galerie zur Verfügung gestellt. Fraglich ist, ob M aufgrund dieser Handlungen als Mittäter i.S.d. § 25 II StGB zu werten ist. Die Täuschungshandlung der T könnte ihr dann nach § 25 II StGB zugerechnet werden. Die Voraussetzungen der Zurechnung über § 25 II sind ein gemeinsamer Tatplan und eine gemeinschaftliche Tatausführung.

aa) Gemeinsamer Tatplan der Beteiligten

T und M müssten einen gemeinsamen Tatplan haben. Ein gemeinsamer Tatplan ist ein auf gegenseitigem, gemeinsamem Wollen beruhendes Einverständnis, eine bestimmte Tat durch gemeinsames, arbeitsteiliges Zusammenwirken begehen zu wollen. T stellt mit Billigung der M gefälschte Provenienzen her und verwendet diese beim Verkauf des Bildes an K. Beide sind mit dem arbeitsteiligen Zusammenwirken einverstanden. Ein gemeinsamer Tatplan liegt vor.

bb) Gemeinschaftlichen Tatbegehung

An die gemeinschaftliche Tatausführung werden verschiedene Anforderungen gestellt.

(1) h.Lit.

Die herrschende Meinung in der Literatur stellt auf die funktionelle Tatherrschaftslehre ab. Demnach bedeutet Tatherrschaft, dass der Handelnde den Geschehensablauf, das „ob“ und „wie“, in den Händen hält. Im vorliegenden Fall würde die Billigung der Herstellung der Provenienzen, auf die die T warten musste, die Tatherrschaft begründen.

(2) Rspr.

Die Rechtsprechung stellt dagegen auf die subjektive Theorie ab. Die innere Willensrichtung ist entscheidend, die durch folgende äußere Umstände ermittelt wird: Grad des eigenen Interesses am Erfolg, Umfang der Tatbeteiligung, Tatherrschaft. Hier hat auch M ein Interesse daran, dass T die Provenienzen für die gefälschten Bilder herstellt und das Bild im Interesse von beiden wertsteigernd verkauft. 

(3) Zwischenergebnis

Nach beiden Ansichten ist eine Mittäterschaft des M gem. § 25 II StGB zu bejahen. Eine Stellungnahme ist daher nicht erforderlich.

cc) Zwischenergebnis

M kann folglich die Täuschungshandlung von T zugerechnet werden.

b) Irrtum

Bei K wurde demnach ein Irrtum über die Echtheit der Bilder und Provenienzen hervorgerufen. 

c) Vermögensverfügung

K hat aufgrund des Irrtums das Bild für 43.000 € gekauft und damit über ihr Vermögen verfügt.

d) Vermögensschaden

Ein Vermögensschaden durch die Verfügung bei K liegt vor.

2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz

Die M müsste mit Vorsatz gehandelt haben. M wusste um den Fälschungscharakter des Bildes. Die Fälschung der Provenienz durch T billigte sie. Sie handelte mit Wissen und Wollen bezüglich des objektiven Tatbestandes und mithin vorsätzlich.

b) Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung

Zudem müsste die M mit der Absicht der rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung handeln. M kommt es darauf an, sich und T einen Vermögensvorteil durch den Verkauf des gefälschten Bildes mit gefälschter Provenienz zu verschaffen. Auf den erzielten Mehrwert hat M auch keinen zivilrechtlichen Anspruch. Dieser Mehrwert stellt auch das Spiegelbild zum eingetretenen Vermögensschaden dar. Mithin handelt M mit der Absicht der rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung. 

II. Rechtswidrigkeit

Mangels ersichtlicher Rechtfertigungsgründe handelte M rechtswidrig.

III. Schuld

M ist schuldfähig. Mangels ersichtlicher Entschuldigungsgründe handelte M schuldhaft.

IV. Ergebnis

M hat sich gem. §§ 263 I,25 II StGB des Betruges in Mittäterschaft gegenüber und zu Lasten der K strafbar gemacht, indem T der K ein gefälschtes Kunstwerk mit gefälschter Provenienz verkauft und M dies billigt.

C. Strafbarkeit von T und M gem. §§ 267 I Var. 3, 25 II StGB

T und M könnten sich gem. §§ 267 I Var. 3, 25 II StGB wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht haben, indem sie das gefälschte Bild ausstellen.

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand
a) Unechte Urkunde

Zunächst müsste es sich bei dem gefälschten Bild um eine unechte Urkunde handeln. Urkunden sind verkörperte Erklärungen (Perpetuierungsfunktion), die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt sind, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen (Beweisfunktion) und die ihren Aussteller erkennen lassen (Garantiefunktion).[15]Statt vieler BeckOK StGB/Weidemann StGB § 267 Rn. 3. Die Signatur eines Bildes wird als Echtheits- oder Urheberschaftserklärung verstanden. Dadurch wird offenkundig gemacht, dass dieses Werk von diesem Künstler in der Art und Weise entstanden ist.[16]RGSt 34, 53; Löffler NJW 1993, 1421; a.A. Weismann ZStW 11 (1891), 1 (24). Damit verkörpert ein signiertes Kunstwerk eine rechtlich erhebliche Gedankenerklärung und lässt ihren Aussteller erkennen. Das gefälschte Bild ist signiert und stellt eine rechtlich erhebliche Gedankenerklärung dar, die ihren Aussteller erkennen lässt, folglich eine Urkunde.

Eine Urkunde ist unecht, wenn mit ihrer Hilfe das Vorhandensein einer echten Urkunde vorgespiegelt wird und die Urkunde über die Identität des Ausstellers täuscht.[17]Schönke/Schröder/Schuster/Heine, StGB, 30. Aufl., § 267 StGB, Rn. 48. Dabei ist entscheidend, wem die Urkunde geistig zuzurechnen ist (sog. Geistigkeitstheorie).[18]Schönke/Schröder/Schuster/Heine, StGB, 30. Aufl., § 267 StGB, Rn. 55. Das Bild ist gefälscht. Äußerlich erkennbarer Aussteller ist Rodchenko. Der tatsächliche Aussteller ist der Fälscher. Auch vor den Hintergrund der Geistigkeitstheorie ergibt sich kein anderes, da sich der Künstler die Erklärung nicht zurechnen lassen will. Über die Identität des Ausstellers wird getäuscht. Folglich ist die Urkunde auch unecht.

Vernetztes Lernen: Welche Sonderformen von Urkunden gibt es?
1. Zusammengesetzte Urkunde: Feste Verbindung von einem Augenscheinsobjekt oder einem sonstigen Gegenstand und einer hierauf bezogenen Gedankenerklärung (z.B. Preisschild und Ware; PKW und Nummernschild).

2. Gesamturkunde: Feste Verbindung mehrerer Einzelurkunden auf die Weise, dass ein über den jeweiligen Einzelinhalt hinausgehender Gesamtinhalt entsteht (i.d.R.: Erklärung der Vollständigkeit, so z.B. bei Registern, Handelsbüchern etc.).

3. Sonderfälle: Fotokopien sind i.d.R. keine Urkunden, außer wenn sie den Anschein eines Originals erwecken oder vom Aussteller als Original in den Rechtsverkehr eingebracht werden; Durchschriften und nach h.M. solche Telefaxe, die nicht nur als Fernkopie anzusehen sind, sind Urkunden, Abschriften nicht.

b) Gebrauchen

T und M müssten die unechte Urkunde gebraucht haben. Eine unechte Urkunde ist gebraucht, wenn sie dem zu Täuschenden zugänglich gemacht und diesem damit die Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben ist, ohne dass es dafür noch einer weiteren Handlung des Täters oder eines Dritten bedarf.[19]Schönke/Schröder/Schuster/Heine, StGB, 30. Aufl., § 267 StGB, Rn. 73. T und M stellen das gefälschte Bild in der Galerie aus und wollen gemeinsam das Bild verkaufen. Damit haben sie den potentiellen Käufern der unechten Urkunde die Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben. Durch das Ausstellen des Bildes haben sie die unechte Urkunde gebraucht.

2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz hinsichtlich des objektiven Tatbestandes

T und M handeln beim Ausstellen des gefälschten Bildes mit dem Wissen bezüglich des Fälschungscharakters und dem Willen dieses Bild potentiellen Käufern zur Kenntnis zu geben, sodass sie bezüglich des objektiven Tatbestandes vorsätzlich handeln.

b) Täuschungsabsicht

T und M müssten mit Täuschungsabsicht gehandelt haben. Erforderlich und ausreichend ist dolus directus 2. Grades.[20]BeckOK StGB/Weidemann, StGB, 45. Aufl., § 267 StGB, Rn. 29. Mit Täuschungsabsicht handelt, wer zurzeit der Tathandlung den Willen hat, durch Gebrauch der Urkunde einen anderen über die Echtheit der Urkunde zu täuschen und damit zu einem durch den Falschheitsgehalt (mit-)motivierten rechtserheblichen Verhalten zu veranlassen.[21]Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 267 StGB, Rn. 25. T und M wussten um den Fälschungscharakter des Bildes und wollten dieses dennoch verkaufen, also potentielle Käufer zu einem durch den Falschheitsgehalt motivierten rechtserheblichen Verhalten veranlassen. T und M haben mit Täuschungsabsicht gehandelt. 

II. Rechtswidrigkeit

Mangels ersichtlicher Rechtfertigungsgründe handeln T und M rechtswidrig.

III. Schuld

T und M sind schuldfähig. Mangels ersichtlicher Entschuldigungsgründe handeln T und M schuldhaft.

IV. Ergebnis

T und M haben sich gem. §§ 267 I Var. 3, 25 II StGB wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht, indem sie das gefälschte Bild ausstellen.

D. Strafbarkeit von T gem. § 267 I Var. 1, 3 StGB

T könnte sich gem. § 267 I Var. 1, 3 StGB wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht haben, indem sie die Provenienz für das gefälschte Bild herstellt.

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand
a) Urkunde

Zunächst müsste es sich bei der gefälschten Provenienz um eine unechte Urkunde handeln. Provenienzen sind üblicherweise Listen von Kaufverträge, Sammlungs-, Ausstellungs- oder Versteigerungskataloge sowie Markierungen am Werk selbst. Diese Listen werden von Organisationen ausgestellt, um für Rechtssicherheit im Kunstmarkt zu sorgen. Damit soll die ununterbrochene Eigentümerhistorie seit Herstellung des Bildes abgebildet und die Echtheit des Bildes versichert werden. Diese Gedankenerklärung verkörpert sich in diversen Vermerken, Kaufverträgen etc. und lassen einen Aussteller erkennen. Eine Provenienz stellt somit eine rechtlich erhebliche, verkörperte Gedankenerklärung dar, die ihren Aussteller erkennen lässt, und folglich eine Urkunde.

b) Herstellen einer unechten Urkunde

T müsste eine unechte Urkunde hergestellt haben. Die Provenienz ist durch T gefälscht. Äußerlich erkennbar ist der ursprünglichen Aussteller. Der tatsächliche Aussteller ist T. Auch vor den Hintergrund der Geistigkeitstheorie ergibt sich kein anderes, da sich die ursprünglichen Aussteller die Erklärung nicht zurechnen lassen wollen. Über Identität des Ausstellers wird getäuscht. Folglich ist die Urkunde auch unecht.

Tatbestandsmäßiges Herstellen ist jedes beliebige Verhalten, durch das der Täter die Tatherrschaft über einen Vorgang ausübt, bei dem eine unechte Urkunde entsteht.[22]MüKoStGB/Erb, StGB, 4. Aufl. 2022, § 267 Rn. 177. T stellt die gefälschte Provenienz her und handelte in diesem Sinne tatbestandsmäßig.

c) Gebrauchen

T hat die gefälschte Provenienz den potentiellen Käufern die Möglichkeit der Kenntnisnahme gegebenen dadurch eine unechte Urkunde gebraucht.

2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz hinsichtlich des objektiven Tatbestandes

T handelt beim Herstellen der gefälschten Provenienzen mit dem Wissen bezüglich des Fälschungscharakters und dem Willen diese Urkunde herzustellen, sodass sie bezüglich des objektiven Tatbestandes vorsätzlich handeln.

b) Täuschungsabsicht

T müsste mit Täuschungsabsicht gehandelt haben. T wusste um das Fehlen der Provenienzen und wollte diese herstellen. T hat mit Täuschungsabsicht gehandelt. 

II. Rechtswidrigkeit

Mangels ersichtlicher Rechtfertigungsgründe handelt T rechtswidrig.

III. Schuld

T ist schuldfähig. Mangels ersichtlicher Entschuldigungsgründe handelt T schuldhaft.

IV. Ergebnis

T hat sich gem. § 267 I Var. 1 StGB wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht, indem sie die Provenienz für das gefälschte Bild erstellt hat.

E. Strafbarkeit von M gem. §§ 267 I Var. 1, 25 II StGB

M hat sich gem. §§ 267 I Var. 1, 25 II StGB wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht haben, indem T die Provenienz für das gefälschte Bild herstellt und M dies billigt. Die Handlung der T ist von einem gemeinsamen Tatplan gedeckt und durch gemeinsame Tatbegehung kann M zugerechnet werden.

2. Tatkomplex

A. Strafbarkeit von T und M gem. §§ 263 I, 22, 23, 25 II StGB

T und M könnten sich gem. §§ 263 I, 22, 23 I, 25 II StGB des versuchten Betruges in Mittäterschaft gegenüber und zu Lasten von U strafbar gemacht haben, indem sie mit der U in fortgeschrittenen Vertragsverhandlungen über ein echtes Kunstwerk von Exter mit gefälschter Provenienz sind.

0. Vorprüfung

U hat das Kunstwerk trotz weit fortgeschrittener Verhandlungen nicht gekauft. Und damit nicht über ihr Vermögen verfügt. Die Tat war damit nicht vollendet. Die Strafbarkeit des versuchten Betruges ergibt sich aus §§ 263 II, 23 I, 12 II StGB.

I. Tatbestand

1. Subjektiver Tatbestand (Tatentschluss)
a. Vorsatz aller Beteiligten bzgl. Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale

T und M müssten Vorsatz bzgl. der Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale haben. T und M stellen gefälschte Provenienzen her, die sie zur Wertsteigerung für echte Kunstwerke nutzen. Dadurch wollten sie bei U eine Fehlvorstellung über die Herkunft und den Wert des Bildes hervorrufen und sie zu einer Vermögensverfügung bewegen. Die Vermögensminderung bei U durch den Kauf des Bildes, das aufgrund der eigentlich fehlenden Provenienz einen geringeren Wert hat, haben T und M gewollt. Sie hatten damit Vorsatz bzgl. der Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale.

b. Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung

Zudem müssten T und M mit der Absicht der rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung handeln. T und M kommt es darauf an, sich einen Vermögensvorteil durch den Verkauf des echten Bildes mit gefälschter Provenienz zu verschaffen. Auf den erzielten Mehrwert haben T und M auch keinen zivilrechtlichen Anspruch. Dieser Mehrwert stellt auch das Spiegelbild zum eingetretenen Vermögensschaden dar. Mithin handeln T und M mit der Absicht der rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung.

c. Vorsatz bzgl. einer mittäterschaftlichen Begehung, § 25 II StGB

T und M müssten Vorsatz bzgl. einer mittäterschaftlichen Begehung gem. § 25 II StGB haben. T und M wollten gemeinsam der U die Bilder verkaufen und waren mit dem arbeitsteiligen Zusammenwirken einverstanden. Ein gemeinsamer Tatplan liegt vor. Beide haben gemeinsam die Verhandlungen mit U geführt und wollten die Tat gemeinsam begehen. T und M haben mithin Vorsatz bzgl. einer mittäterschaftlichen Begehung gem. § 25 II StGB.

2. Objektiver Tatbestand (unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB)

Weiterhin müssten T und M gem. § 22 StGB zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt haben. Ein unmittelbares Ansetzen ist gegeben, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht´s los“ überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, weil sein Tun nach seiner Vorstellung ohne weitere wesentliche Zwischenakte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollte.[23]BGHSt 48, 34 (35f.);BGH NStZ 2013, 156 (157); BGH NStZ 2018, 648 (649). Bei der Mittäterschaft ist der Versuchsbeginn umstritten. Nach einer Ansicht beginnt der Versuch für jeden Beteiligten bereits dann, wenn nur einer von ihnen dem gemeinsamen Tatplan entsprechend in das Ausführungsstadium eintritt (sogenannte Gesamtlösung).[24]BGHSt 39, 236 (237f.); Rönnau, JuS 2014, 109f. Demgegenüber ist nach der Einzellösung jeder Mittäter einzeln zu betrachten.[25]Roxin, AT II, § 29 Rn. 297ff. T und M sind in weit fortgeschrittenen Verhandlungen mit U. Sie haben insbesondere die gefälschten Provenienzen mit dem Exposé der U zur Verfügung gestellt und damit eine auf Täuschung gerichtete Handlung vollzogen. Nach Ansicht von T und M haben sie ihrerseits alles getan, um die Tatbestandsverwirklichung herbeizuführen. Das Vermögen der U ist dadurch bereits gefährdet. Es hängt aus Sicht von T und M vom Zufall ab, ob ein Vermögensschaden eintritt oder nicht. Damit haben T und M jeweils gem. § 22 zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt. Der Streit hinsichtlich des Versuchsbeginn bei der Mittäterschaft ist nicht zu entscheiden.

II. Rechtswidrigkeit

Mangels ersichtlicher Rechtfertigungsgründe handeln T und M rechtswidrig.

III. Schuld

Mangels ersichtlicher Entschuldigungsgründe handeln T und M schuldhaft.

IV. Ergebnis

T und M haben sich gem. §§ 263 I, 22, 23 I, 25 II StGB des versuchten Betruges in Mittäterschaft gegenüber und zu Lasten von U strafbar gemacht, indem sie mit der U in fortgeschrittenen Vertragsverhandlungen über das echte Kunstwerk von Exner mit gefälschter Provenienz waren.

B. Strafbarkeit von T und M gem. §§ 267 I Var. 1, 3, 25 II StGB

T und M haben sich gem. §§ 267 I Var. 1, 3, 25 II StGB wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht, indem sie die Provenienz für das echte Bild erstellt und der U während der Verhandlungen zur Kenntnis gegeben haben.

Konkurrenzen und Gesamtergebnis

Die Urkundenfälschung nach § 267 I Var. 1, 3 StGB stellt eine Tat dar.[26]Ganz h.M.: BGHSt 17, 97; BGH wistra 2008, 182; BGH BeckRS 2021, 35436; Fischer, 69. Aufl. 2022, § 267 Rn. 58.

T und M haben sich gem. § 263 I StGB des Betruges bzw. gem. §§ 263 I, 25 II StGB des Betruges in Mittäterschaft und gem. §§ 267 I Var. 3, 25 II StGB wegen Urkundenfälschung in Mittäterschaft in Tateinheit gem. § 52 StGB und gem. §§ 263 I, 22, 23 I, 25 II StGB des versuchten Betruges in Mittäterschaft und gem. §§ 267 I Var. 3, 25 II StGB wegen Urkundenfälschung in Mittäterschaft in Tateinheit gem. § 52 StGB strafbar gemacht.


Zusatzfragen

T und M stellen ein gefälschtes Bild des Künstlers El Lissitzky zum Zwecke des Verkaufs aus. Dieses Bild enthält keine Signatur, sondern wird dem Künstler nur aufgrund sonstiger Umstände zugeschrieben.

Haben sich T und M strafbar gemacht?
Strafbarkeit von T und M gem. §§ 267 I Var. 3, 25 II StGB
T und M könnten sich gem. §§ 267 I Var. 3, 25 II StGB wegen mittäterschaftlich begangener Urkundenfälschung strafbar gemacht haben, indem sie ein gefälschtes Bild des Künstlers El Lissitzky zum Zwecke des Verkaufs ausstellten.

I. Tatbestand
Bei dem von T und M ausgestellten Bild des Künstlers El Lissitzky müsste es sich um eine Urkunde handeln. Grundsätzlich kann ein Bild wegen seines markanten Stils scheinbar unverwechselbar einem bestimmten Künstler zugeordnet werden und dieser Künstler mit dem Werk seine Gedanken zu bestimmten Themen zum Ausdruck bringen.[27]Löffler NJW 1993, 1421 (1423). Es reicht aber nicht aus, dass ein Bild einem bestimmten Künstler aufgrund besonderer Umstände zugeschrieben wird, die Signatur oder Unterschrift allerdings fehlt.[28]BGH BeckRS 2020, 28772, Rn. 17. Denn erst durch die Signatur bringt der Künstler zum Ausdruck, dass er das Werk für vollendet hält und der Öffentlichkeit zugänglich machen möchte.[29]RGSt 34, 53. Die Signatur wird als Echtheits- oder Urheberschaftserklärung verstanden. Dadurch wird offenkundig gemacht, dass dieses Werk von diesem Künstler in der Art und Weise entstanden ist.[30]RGSt 34, 53; Löffler NJW 1993, 1421; a.A. Weismann ZStW 11 (1891), 1 (24). Damit verkörpert ein signiertes Kunstwerk eine rechtlich erhebliche Gedankenerklärung und lässt ihren Aussteller erkennen. Das ausgestellte Bild des Künstlers El Lissitzky enthält keine Signatur und wird nur den Umständen nach diesem zugeordnet. Folglich ist das Bild keine Urkunde.

II. Ergebnis
T und M haben sich nicht gem. §§ 267 I Var. 3, 25 II StGB wegen mittäterschaftlich begangener Urkundenfälschung strafbar gemacht, indem sie ein gefälschtes Bild des Künstlers El Lissitzky zum Zwecke des Verkaufs ausstellten.
Welchen Grenzen unterliegt der strafprozessuale Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung?
Der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung ist in § 261 StPO geregelt. Er unterliegt folgenden Grenzen:
1. Die Argumentation des Richters muss klar, folgerichtig und frei von Widersprüchen sein, also den Grundsätzen der Logik folgen.
2. Die auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnis gewonnenen Regeln, die ausnahmslos gelten und eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zum Inhalt haben, sollen durch den Richter beachtet werden.
3. Der Richter muss das gesamte in der Hauptverhandlung erörterte Beweismaterial erschöpfend würdigen und darf sich nicht auf einzelne Beweismittel beschränken (Gebot der erschöpfenden Beweiswürdigung).
4. In wenigen Fällen ist dem Richter eine bestimmte Beweisregel durch das Gesetz vorgegeben. (z.B. § 274 StPO (Beweiskraft des Protokolls), § 190 StGB (Wahrheitsbeweis durch Urteil), § 51 I BZRG)
5. Beachtung von Beweisverwertungsverboten
6. Beachtung prozessualer Grundsätze: Nehmen Beteiligte (Angeklagter, Zeugen) lediglich ihre Rechte wahr, darf dies nicht negativ für den Angeklagten in die Beweiswürdigung mit einfließen.

Zusammenfassung

1. Ein Vermögensschaden i.S.d. § 263 I StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwertes des Vermögens des Verfügenden kommt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Maßgeblich für einen Vermögensschaden ist bei Austauschverhältnissen aufgrund gegenseitiger Verträge, ob der objektive Wert hinter dem Wert dessen zurückbleibt, was die aufgrund der Täuschung verfügende Person als eigene Leistung aufwendet.

2. Ist bei einem Kunstwerk (beweisbar) lediglich dessen Provenienz gefälscht, ist der Schaden mithin danach zu bestimmen, ob und ggf. in welcher Höhe einem von dem jeweiligen Künstler gefertigten Originalwerk mit gefälschter Provenienz ein Wert zukommt.


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