{"id":7670,"date":"2024-04-04T12:43:41","date_gmt":"2024-04-04T10:43:41","guid":{"rendered":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/?p=7670"},"modified":"2024-04-04T12:43:45","modified_gmt":"2024-04-04T10:43:45","slug":"suesses-fuer-saures","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/suesses-fuer-saures\/","title":{"rendered":"Süßes für Saures"},"content":{"rendered":"

BGH, Urteil vom 13.09.2023 – 5 StR 200\/23, NJW 2024, 604\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n
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Die Mutter M des S lebte aus Angst vor sexuellen Übergriffen ihres Ehemanns und Vaters der Kinder in einem Frauenhaus. Der Bruder des Ehemanns, der T holte den 11-jährigen S beim Vater ab und forderte ihn auf die M zu töten. Nachdem der S vom T zurück ins Frauenhaus gebracht werden sollte, solle er sie mit einem scharfen Messer erstechen, „weil sie schlimme Dinge getan habe“. Auf seinem Handy zeigte der T dem S eine Videoaufnahme, auf der ein Mann eine andere Person erstach. Weitere Vorgaben erfolgten nicht, vielmehr sollte S sie „eigenmächtig zu einer von ihm selbst bestimmten Zeit begehen“. Zudem erklärte T dem S, dass dieser noch klein sei und anders als der T daher nicht bestraft werden und ins Gefängnis kommen könne. Er versprach dem S außerdem Süßigkeiten, die Rückgabe von weggenommenen Spielsachen und den Kauf eines Motorrades. S ging darauf zum Schein ein. Da M das Frauenhaus mit unbekanntem Aufenthalt verlassen hatte, scheiterte das Vorhaben. Später vertraute sich S der M an.\n\n\n\n

Strafbarkeit von T?      \n\n\n\n\n\n


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Skizze\n\n\n\n\n\n

Gutachten\n\n\n\n
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A. Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 22, 23 I, 25 I Alt. 2 StGB\n\n\n\n

T könnte sich des versuchten Totschlags in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 212 I, 22, 23 I, 25 I Alt. 2 StGB schuldig gemacht haben, indem er dem S sagt, dass er seine Mutter erstechen sollte.\n\n\n\n

I. Vorprüfung\n\n\n\n

Die Tötung der M ist nicht vollendet. Der Versuch des Totschlags ist gem. § 23 I StGB strafbar, weil es sich um ein Verbrechen (§ 12 StGB) handelt.\n\n\n\n

II. Tatbestand\n\n\n\n

1. Tatentschluss\n\n\n\n

a) Bzgl. des Todes\n\n\n\n

Zunächst hatte der T Tatentschluss hinsichtlich des Todes der M.\n\n\n\n

b) Bzgl. der Begehung als mittelbarer Täter\n\n\n\n

Darüber hinaus müsste er auch einen Tatentschluss hinsichtlich der Begehung in mittelbarer Täterschaft aufweisen. \n\n\n\n

aa) Strafbarkeitsdefizit des Vordermannes\n\n\n\n

Dafür müsste er sich zunächst vorgestellt haben, dass der Vordermann, der S mit einem Strafbarkeitsdefizit handeln würde. Nach der Vorstellung des T würde der S gem. § 19 StGB ohne Schuld handeln, da der 11-jährige S noch nicht strafmündig ist.\n\n\n\n

bb) Beherrschung durch den Hintermann\n\n\n\n

Die entscheidende Frage lautet, ob dem T nach seiner Vorstellung auch die Tatherrschaft zufällt. Das ist dann der Fall, wenn er das Geschehen lenkend in den Händen hält. Anhand dieses Kriteriums vollzieht sich zugleich die Abgrenzung von der Anstiftung, die aufgrund der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat (limitierte Akzessorietät) ebenfalls in Betracht kommt. Sollte der T aber tatherrschaftlich handeln, so würde die schwächere Beteiligungsform der Anstiftung verdrängt werden. \n\n\n\n

Zum Teil wird vertreten, dass im Falle der Einschaltung eines Minderjährigen dem Hintermann stets eine Tatherrschaft zufällt. Es ergebe sich aus der normativen Wertung des § 19 StGB selbst, dass dem Hintermann unabhängig vom Einzelfall eine rechtliche Tatherrschaft zukommt.[1]Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 25 Rn. 27.1 m.w.N.